Читать книгу Die nächste Generation - Jule Beatsch - Страница 7
ОглавлениеBitter sweet Symphony
(The Verve, 1997)
„Der Wolf (Canis Lupus) ist das größte Raubtier aus der Familie der Hunde (Canadiae). Wölfe leben meist in Familienverbänden, fachsprachlich Rudel genannt. Die Art war seit dem späten Pleistozän in mehreren Unterarten in weiten Teilen [der Erde] heimisch Außerdem zählen sie zu den bekanntesten Raubtieren überhaupt, denn sie haben frühzeitig den Weg in viele Mythen und Märchen der alten Völker gefunden. Sie sind zudem die Stammform aller Haushunde und des sekundär wilden Dingos“.
„Hmmm, irgendwas fehlt noch, nicht wahr Jake?", murmelte Tarik konzentriert und kraulte seinen treuen Hund, der immer zur Stelle war, wenn er traurig war. Sein Blick jedoch war auf den Bildschirm seines PCs vor ihm gerichtet, denn dort schrieb er gerade einen Text über sein Lieblingstier, den Wolf. Er fand diese wilden Tiere wunderschön und war fasziniert von ihrer Stärke. Jake erhob sich auf seine Pfoten und riss das Maul auf, um zu gähnen. Dabei entblößte der Husky-Rüde eine Reihe perlweißer, scharfer Fangzähne und sah Tarik mit seinen großen, unschuldigen türkis-blauen Augen an. Tarik schmunzelte und strich seinem Freund sanft über den Kopf. Er liebte Tiere und auch die Wissenschaft. Es faszinierte ihn einfach immer wieder von Neuem, wie vielfältig diese Wesen waren und welch verblüffende Verhaltensweisen sie an den Tag legten. So war es auch bei Jake. Der Husky hatte schönes, glatt anliegendes schwarz-weißes Fell und einen sanftmütigen und durchaus menschenfreundlichen Charakter, weshalb Tarik diese Hunderasse auch so sehr mochte. Huskys sind in vielen Bereichen einsatzfähig, was Menschen betrifft, und deshalb auch unter vielen Kindern beliebt. Jake bellte kurz und hechelte Mitleid erregend.
„Oh, sag bloß du hast schon wieder kein Futter mehr! Es ist doch nicht mal eine halbe Stunde her, seit – okay, ich hatte Recht, du Vielfraß. Wie kann man nur so verfressen sein? Wie schaffst du es nur, innerhalb von dreißig Minuten dein ganzes Futter zu verschlingen? Naja, man muss ja nicht alles auf dieser Welt verstehen…", murmelte Tarik und seufzte grinsend. Irgendwann würde dieser Hund ihnen noch die Haare vom Kopf fressen. „Na dann komm schon mit ", forderte er den Vierbeiner mit einer einladenden Handbewegung auf und wartete an seiner Zimmertür, bis Jake an ihm vorbei gehuscht war. Tarik schloss geräuschlos die Tür hinter sich und fuhr sich mit der rechten Hand noch einmal prüfend durchs schwarze Haar, dessen Strähnen über seiner Stirn hingen. Das sieht süß aus, sagte seine Mutter immer. Seine graugrünen Augen bekamen einen traurigen Ausdruck, als der Junge an seine Mutter dachte. Sie machte so viel für ihn. Sie arbeitete für einen Professor in einem Labor als Assistentin. Früher hatte sie Biologie mit dem Schwerpunkt Botanik studiert, deshalb kannte sie sich in diesem Themengebiet auch ziemlich gut aus. Sie hatte früher auch einen guten Job gehabt, aber das war gewesen, bevor sein Vater seine Mutter verlassen hatte. Tarik kannte ihn nicht einmal, er war abgehauen, als Mrs. North mit ihm schwanger gewesen war. Einfach abgehauen. Seitdem kamen sie nur schwer über die Runden. Mrs. North arbeitete hart und viel, um ihrem Sohn alles zu ermöglichen. Tagsüber eben im Labor und in der Nacht hatte sie noch einen anderen Nebenjob. Tarik hatte seine Mutter früher oft gefragt, wer sein Vater sei, wo er wohne oder wie er aussah. Sie hatte darauf immer mit „Eines Tages wirst du das alles verstehen mein Schatz. Eines Tages, aber nicht heute." geantwortet. Jetzt war er sechzehn und hatte sehr wohl verstanden, was sie damals gemeint hatte. Sein Vater, Logan McCallister, hatte nun eine andere Familie. Er hatte eine schottische Frau geheiratet und mit ihr einen Sohn, der nicht viel jünger als Tarik war. So viel zu „Familien halten zusammen". Gar nichts hält zusammen.
„Wuff!" bellte Jake ungeduldig und wedelte mit seiner Rute auffordernd gegen Tariks Schienbein.
„Ja, ist ja gut, ich komme ja schon, Geduld ist wohl ein
Fremdwort für dich, was?“, neckte Tarik liebevoll und lief die alte Holztreppe hinunter in die geräumige Küche.
Das Haus, in dem der Junge mit seiner Mutter wohnte, war schon ziemlich alt, bestimmt wurde es Anfang oder Mitte der neunziger Jahre erbaut, denn es war fast ausschließlich aus Holz, mit einem schönen Muster an der Fassade. Hier in Kanada war es sehr ruhig, die Dörfer waren abgelegen und man kannte sich untereinander. Das war eines der Dinge, die Tarik nur zu gut wusste. Nachdem er seinem Hund etwas Fressen und ein bisschen frisches Wasser in den Napf gefüllt hatte, hörte er, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Jake spitzte die Ohren, hob aber nicht den Kopf. Er kannte die vertrauten Schritte seiner Besitzerin.
„Tarik? Bist du Zuhause?", fragte eine weibliche Stimme und es folgte ein heftiges Keuchen. Der schwarzhaarige Junge machte einen Sprung über Jake, der mit seinem Futter total im Weg stand, und huschte den Flur entlang zur Haustür. Seine Mutter, Mrs. North, hatte zwei volle Tüten in der Hand, die sie den langen Weg vom Labor mit nach Hause geschleppt hatte, denn ein Auto besaßen sie nicht. Entweder fuhren sie mit dem Bus oder gingen zu Fuß.
„Wieso hast du mich denn nicht angerufen, Mum? Ich wäre dir doch entgegengekommen und hätte dir was abgenommen!", tadelte Tarik seine Mutter und nahm ihr schleunigst die schweren Taschen ab.
Sie lächelte dankbar: „Ich weiß, mein Junge, aber du machst doch gerade deine Wissenschafts-Sachen. Da wollte ich nicht stören.", sagte sie und ihre Miene hellte sich auf, als der Husky um die Ecke getrottet kam. Liebevoll begrüßte Mrs. North den Familienhund und gab ihm eine Streicheleinheit der Extra-Klasse.
„Kann ich wieder hochgehen oder brauchst du mich noch? Und, was ist eigentlich in den Taschen? Die sind nämlich wirklich voll schwer!", fragte Tarik neugierig. Seine Mutter, eine Frau mittleren Alters mit schulterlangen blonden Haaren, lächelte vielsagend: „Nichts Besonderes, das sind nur ein paar Setzlinge und Blumen. Ich habe sie aus dem Labor mitbekommen; der Professor hat sie in meine Obhut gegeben. Aber es wird schon ein Weilchen dauern bis sie wachsen", erklärte sie und ihre Augen bekamen einen wehmütigen Ausdruck. Tarik wusste, dass sie es vermisste, eine richtige Biologin zu sein. Das hatte ihr so viel bedeutet und so viel Spaß gemacht.
„Musst du noch etwas für die Schule machen, Schatz? Ich könnte dich später gerne abfragen, wenn du willst", meinte sie und wollte so wahrscheinlich das Thema wechseln. Tarik war das ganz recht.
„Ich muss nur eine Seite Spanisch Vokabeln lernen. Mr. Moreno fragt morgen ab. Abgesehen davon, dass er so cool ist, sind seine Abfragen ziemlich schwierig…", ergänzte er und begann mit seinen Fingerknöcheln zu knacksen.
„Na dann lern mal fleißig! Falls du Hilfe brauchst, kannst du mich ja fragen. Ich bin im Wohnzimmer und schaue mir eine Doku an.", erzählte seine Mutter beiläufig und drehte ihrem einzigen Sohn den Rücken zu. Tarik grinste und lief gut gelaunt die Treppe nach oben in sein Zimmer. Hätte er gewusst, dass das wohl der letzte Abend sein würde, an dem alles normal war, hätte er die Doku bestimmt mit ihr zusammen geschaut….