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b)Tarifverträge

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Die Anfänge des kollektiven Arbeitsrechts bilden die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts und die in deren Umfeld in den 1860er Jahren aufkommende Gewerkschaftsbewegung.199 Die Gewerbeordnung für den norddeutschen Bund vom 21. Juli 1869 hatte die Bildung von Gewerkschaften zwar erleichtert, Tarifverträge behandelte diese Gewerbeordnung allerdings als nicht einklagbare Naturalobligationen.200 Die Arbeitgeber schlossen sich, reagierend auf die Gewerkschaftsbildung, in Arbeitgeberverbänden zusammen, welche sich zunächst als Abwehrorganisationen gegenüber den Gewerkschaften verstanden.201 Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich die Tarifvertragsidee mehr und mehr durch: Durch kollektiven Zusammenschluss sollte eine Beteiligung an den ökonomischen Marktgesetzen der liberalen Ordnung erreicht werden. Tatsächlich gab es Ende 1913 13.446 Tarifverträge für 170.000 Betriebe mit 2.072.456 Arbeitnehmern, nachdem 1910 das Reichsgericht den Tarifvertrag als rechtsverbindlichen Schuldvertrag anerkannt hatte.202

Im 1918 geschlossenen, sog. Stinnes-Legien-Abkommen203 zwischen 21 Arbeitgeberverbänden und sieben Gewerkschaften wurden die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiterschaft und Kollektivvereinbarungen als Regelungsinstrument anerkannt, es bildete die Grundlage für die sodann noch vor der Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung vom Rat der Volksbeauftragten am 23.12.1918 erlassenen Tarifvertragsordnung.204 Diese gesetzliche Regelung des Tarifrechts sah in § 1 bereits die unmittelbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrages unter Anerkennung des Günstigkeitsprinzips vor.205

Die Weimarer Reichsverfassung schuf dann mit Art. 165 WRV eine rechtliche Grundlage des Tarifvertragssystems, 206 Art. 165 Abs. 1 S. 1 WRV enthielt eine institutionelle Absicherung der Koalitionsfreiheit,207 Art. 165 Abs. 1 S. 2 WRV erkannte die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände und die zwischen ihnen geschlossenen Tarifverträge an.208 Zudem garantierte Art. 159 eine Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.

Trotz in der Verfassung erfolgten Ausgestaltung des Tarif- und Betriebsräterechts, fehlte eine Streikgarantie, was dazu führte, dass Arbeitsverträge erst mittels Kündigung gelöst werden mussten, bevor eine legale Arbeitsniederlegung möglich war.209

Im Laufe der Weimarer Republik wurden auch die Gewerkschaften immer schwächer: Nachdem die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder zunächst gestiegen war, ging sie insbesondere nach der Inflation 1923/24 und nach der Wirtschaftskrise 1931/32 nochmals stark zurück, das galt auch für die Anzahl der Arbeitskämpfe.210

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