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bb)Tarifverträge in verfasster katholischer Kirche und Caritas?

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Die erste gesetzliche Regelung des Tarifrechts erfolgte durch die Tarifvertragsordnung vom 23. Dezember 1918230, die keine Sonderstellung für Betriebe mit geistig-ideeller Zielsetzung vorsah.231 Ein gesetzlich geregelter Tendenzschutz ist bis heute nicht in das TVG aufgenommen. Das bedeutet freilich nicht, dass es einen solchen auf tariflicher Ebene nicht gibt, denn die von der jeweiligen Tendenzregelung erfasste Eigenart wird von den Tendenzschutzregeln lediglich anerkannt und nicht erst durch diese begründet.232 Historisch beschreibt Dörrwächter das Nichtbestehen einer tariflichen Tendenzregelung zur Zeit der Weimarer Republik damit, dass die Problematik eines Tendenzschutzes keine Rolle gespielt habe, da man zum einen vom Verbot bestimmter Klauseln im Tarifvertrag bewusst abgesehen habe, um deren Zulässigkeit im Einzelfall der Rechtsprechung zu überlassen, zum anderen gesetzliche Regelungen im Hinblick auf den näheren Inhalt der Tarifverträge ablehnte.233 Weitere Entwürfe für ein Tarifvertragsgesetz zur Zeit der Weimarer Republik sahen keine Tendenzregelungen vor.234

Da die Rechtslehre zur damaligen Zeit einen Sonderstatus für kirchliche Arbeitnehmer nicht diskutierte, könnte man in den Kirchen und ihren Einrichtungen eine ähnliche Anzahl an Tarifverträgen wie in weltlichen Betrieben zur Zeit der Weimarer Republik vermuten. Aufgrund der noch geringen Anzahl der nach BGB-Dienstvertragsrecht Beschäftigten235 kam es jedoch nur selten zu Tarifvertragsabschlüssen mit kirchlichen Einrichtungen. Jähnichen führt dazu als Beispiel den 1919 geschlossenen Tarifvertrag zwischen Berliner Stadtsynode und den dortigen Friedhofsmitarbeitern an. Weitere Beispiele hat Schatz236 erforscht, diese stammen alle aus dem Bereich der evangelischen Einrichtungen.237 Zur Zeit der Weimarer Republik gab es also gewerkschaftlich verhandelte Tarifverträge mit evangelischen kirchlichen Arbeitnehmern. Dies lässt sich für katholische Kirche und Caritas allerdings nicht konstatieren. So ließ sich die Feststellung von Wacke, das Erzbistum Köln habe während der Zeit der Weimarer Republik Tarifverträge abgeschlossen,238 so, auf Grundlage der hier erfolgten Untersuchung, nicht bestätigen. Bereits Schmadtke hatte am 10. Oktober 1949 für seine Dissertation239 beim Erzbistum Köln nach derartigen Unterlagen gefragt und um Übersendung eines entsprechenden Exemplars gebeten. Auch Schmadtke hatte die Angabe bei Wacke gefunden, dass im Erzbistum Köln ein Tarifvertrag bestanden habe.240 Schmadtke selber schreibt dazu in seiner Arbeit, dass es ihm „nicht gelungen sei, in entsprechende Unterlagen Einsicht zu nehmen.“241 Vielmehr war es wohl so, dass der Reichsangestelltentarifvertrag (RAT) vom 2. Mai 1924 und der Angestelltenvertrag für die preußische Staatsverwaltung (PAT) vom 30. Juni 1924 kraft besonderer Vereinbarungen in den Anstellungsverträgen des Erzbistums übernommen wurden.242 Allerdings wies bereits Keßler243 darauf hin, dass es in den 1920er Jahren Versuche katholischer kirchlicher Arbeitnehmer gab, Tarifverträge im Wege der Zwangsschlichtung durchzusetzen. Der Schlichtungsausschuss Kempten lehnte am 20. Oktober 1921 einen Antrag des Reichsverbandes der katholischen Kirchenbeamten auf Festsetzung eines Tarifvertrages zwischen den weltlichen Kirchendienern verschiedener Gemeinden und diesen Gemeinden ab, weil die Regelung nur eine geringe Zahl von Arbeitnehmern betreffe, deren äußerst unterschiedliche Arbeitsverhältnisse nur durch Einzelvereinbarung geregelt werden könnten und gegen eine Zwangsschlichtung auch der religiöse Charakter der Arbeit spreche.244 Einen ähnlichen Antrag des Reichsverbandes der katholischen Kirchenbeamten wies der Schlichtungsausschuss Stuttgart am 30. Januar 1928 zurück, da die betroffenen hauptamtlichen Mesner in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stünden und es somit an der sachlichen Zuständigkeit des Schlichtungsausschusses fehle.245

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