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b)Kollektives Arbeitsrecht in verfasster katholischer Kirche und Caritas? aa)Betriebliche Mitbestimmung in verfasster katholischer Kirche und Caritas?

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Chronologisch sind anknüpfend an die oben dargestellte Rechtslage im weltlichen Recht zunächst die Angestelltenausschüsse zu betrachten, welche nach dem Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst zu bilden waren. Nach der am 23. Dezember 1918 in Kraft getretenen Tarifvertragsordnung, deren § 8 anordnete, dass in allen Betrieben mit mindestens 20 Arbeitnehmern ein Angestelltenausschuss zu errichten ist, wurde an der Zentrale des DCV in Freiburg im März 1919 ein solcher Ausschuss gewählt.217 Die Aufgaben dieses Angestelltenausschusses bestanden neben der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Angestellten darin, „in Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber darüber zu wachen, dass in dem Unternehmen die maßgebenden Tarifverträge durchgeführt werden, [und] soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht im Einvernehmen mit den beteiligten wirtschaftlichen Vereinigungen der Angestellten bei der Regelung der Löhne und sonstigen Arbeitsverhältnisse mitzuwirken; das gute Einvernehmen innerhalb der Angestelltenschaft sowie zwischen dieser und dem Arbeitgeber zu fördern; ihr Augenmerk auf die Bekämpfung der Unfall- und Gesundheitsgefahren in dem Betriebe, der Verwaltung oder dem Büro zu richten[…].“218

Thematisch ging es bei dem Angestelltenausschuss des DCV vor allem um Gehaltsfragen, der Ausschuss konnte sich zur Regelung der Gehaltsverhältnisse unmittelbar an den Zentralrat des DCV wenden.219 Das geschah auch tatsächlich, die Leitung des DCV war bereit, die mit dem Angestelltenausschuss besprochene Erhöhung der Gehälter zu zahlen, wies aber darauf hin, dass die „Caritas kein Erwerbsgeschäft, sondern ein Wohltätigkeitsunternehmen“ sei.220 Die Arbeit der Angestelltenausschüsse betraf auch im weltlichen Bereich aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten meist Lohnerhöhungen.221

Die Fortentwicklung der Angestelltenausschüsse durch das Betriebsrätegesetz (BRG) vom 4. Februar 1920 und deren weitreichendere Befugnisse traf auch die Kirchen und ihre Einrichtungen. Diese waren vom BRG nicht ausgenommen, gem. § 9 BRG waren „alle Betriebe, Geschäfte und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechtes“ vom sachlichen Geltungsbereich des BRG erfasst. § 67 BRG ließ den kirchlichen Einrichtungen aber das Privileg eines Tendenzbetriebes insoweit zukommen, als § 67 BRG i.V.m. § 66 Ziff. 1, 2 BRG bestimmte, dass eine Mitbestimmung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten bei Betrieben, die politischen, gewerkschaftlichen, militärischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, künstlerischen und ähnlichen Bestrebungen dienen, ausscheide, soweit die Eigenart dieser Bestrebungen es bedinge.222 Die Religionsgemeinschaften waren nicht wegen ihrer Besonderheit als Kirche, sondern als „Unternehmen mit geistig ideeller Bestimmung“ aus dem Anwendungsbereich des BRG ausgenommen.223 Die Geltung des BRG auch für Religionsgemeinschaften (als Tendenzbetriebe) war damit ohne Frage, sodass diese gehindert waren, eigene Regelungen der Betriebsverfassung zu erlassen.224 Auch beim DCV wurde im April 1920 ein Betriebsrat gewählt.225

Eine flächendeckende Bildung von Betriebsräten in kirchlichen Einrichtungen blieb nach der Schaffung des BRG aus.226 Der persönliche Anwendungsbereich des § 10 BRG erfasste Arbeitnehmer, und nahm vor allem diejenigen Personen aus dem Anwendungsbereich heraus, deren „Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerbe dient, sondern mehr durch Rücksichten der körperlichen Heilung, der Wiedereingewöhnung, der sittlichen Besserung oder Erziehung oder durch Beweggründe charitativer, religiöser, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art bestimmt wird“. Die Voraussetzung für die Bildung von Betriebsräten in kirchlichen Einrichtungen nach dem BRG war demnach nicht aufgrund des persönlichen Anwendungsbereichs per se ausgeschlossen, denn wie oben227 gezeigt, beschäftigten die Kirchen auch Arbeitnehmer, die sich auf das BRG berufen konnten.228 In der einschlägigen Literatur werden häufig keine Initiativen zur Einrichtung von Betriebsräten in den Einrichtungen der Caritas und verfassten katholischen Kirche festgestellt, unter anderem auch mit der Erklärung, die Einrichtungen hätten nicht über die nach § 1 BRG erforderliche Anzahl von 20 beschäftigten Arbeitnehmern pro Betrieb verfügt.229

Der Dritte Weg in der Retrospektive

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