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-Ralf- 29.04.2016, Freitag

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Er öffnet die Augen und schaut auf die Uhr. Es ist kurz vor 17 Uhr, dabei wollte er gar nicht einnicken. Die Beisetzung hat ihm anscheinend ganz schön zugesetzt. Eigentlich hätte er Sebastian ja nach Hause gebracht, aber der war schneller weg, als die Polizei erlaubt und daher ist Ralf bei der Gelegenheit gleich noch zum Grab seiner Mutter gegangen. Da hat er sich dann wieder einmal ein schlechtes Gewissen eingeredet, weil er sie viel zu selten besucht - und das nicht nur seit ihrem Tod. Der Krebs war schneller da gewesen als er…

Bibiana erscheint in der Tür und lächelt ihn an: „Da bist du ja wieder! Hat dich diese Nummer so fertig gemacht?“

„Na ja, du hast mich vor der Haustür abgepasst und mit einem Quickie überrascht. Ich hatte ja nicht mal Zeit, mich dafür vorzubereiten.“

Als Ralf bemerkt, dass sich Bibiana schon den Mantel überzieht und ihren nassen Schirm nimmt, gefällt ihm das gar nicht. „Hey, willst du schon gehen?“

„Ich muss und das weißt du.“

„Ach komm, bleib noch ein bisschen. Ich bin sooo einsam.“

„Dann rate ich dir, dir einen Hund zuzulegen. Ich bin nur deine Geliebte, ich kann nicht den ganzen Tag bleiben.“

Was für eine schmeichelnde Antwort! Seufzend erwidert er: „Willst du nicht wenigstens warten, bis der Regen nachgelassen hat?“

„Ich bin schon spät dran. Zu Alfred habe ich gesagt, dass ich einkaufen gehe und das muss ich auch noch erledigen.“

Sie gibt Ralf einen Kuss und verlässt seine Wohnung. Besonders begeistert davon ist er nicht, vor allem, weil er den restlichen Tag lieber mit ihr auf der Couch verbracht hätte als alleine. Ablenkung könnte er nur zu gut gebrauchen. Als er vom tragischen Unglück der Eltern seines besten Freundes erfahren hat, hat Ralf sofort Kim in Verdacht gehabt. Sie machte auf ihn einen unberechenbaren Eindruck. Natürlich wollte er das Sebastian gegenüber nicht andeuten, das hätte alles verkompliziert. Was hätte er denn schon sagen sollen? Hey, Kumpel. Alles klar? Übrigens, hast du mal die Tatsache in Erwägung gezogen, dass die kleine Kim eure Eltern umgebracht haben könnte? Ich will ja nicht behaupten, dass sie eine verrückte Aufschlitzerin ist, aber vielleicht sind bei ihr einfach die Sicherungen durchgebrannt.

Keine gute Idee. Wenn er Sebastian auf seine Schwester angesprochen hätte, hätte er sich anhören können, dass er kein Recht dazu hat, sich ein Urteil über Kim zu bilden, weil er sie ja kaum kennt…

Er ist sich ziemlich sicher, sie besser zu kennen als ihr eigener Bruder. Aber das darf Sebastian auf keinen Fall erfahren. Ralf weiß so einiges über Kim, aber wenn er das auf dem Revier bekannt geben würde, müsste er es auch Sebastian erzählen und dann wären die beiden die längste Zeit beste Freunde gewesen. Wie hat es nur so weit kommen können? Hat sein Verhalten dazu beigetragen, dass Kim womöglich durchgedreht ist? Er muss sich auf andere Gedanken bringen…

Das funktioniert nicht so gut wie erhofft. Er versucht zwar, Kim aus seinem Kopf zu bringen, aber dafür muss er jetzt daran denken, dass sich Bibiana heute noch zu ihrem Mann ins Bett legen würde.

Und dieser würde sie küssen! Und vermutlich noch viel mehr…

Oh Gott! Solche Gedanken haben Ralf gerade noch gefehlt. Ja, er muss es sich eingestehen: Er ist in seine Geliebte verliebt. Das kann doch alles nicht wahr sein! Er muss sich über sich selbst ärgern. So viele Sorgen, und die alle nur für eine Person, nämlich ihn. Etwas ungerecht, wie er findet. Ob Bibiana gerade an ihn denkt? Hat sie, was ihre Affäre betrifft, dieselben Vorstellungen wie er? Oder lebt sie mit Alfred wirklich so ein sorgloses Eheleben, als gäbe es keinen anderen? Quatsch, alles Quatsch. Sie hat ihm doch die Geschichten über ihren Sauschädel von Mann erzählt! Bei denen passt hinten und vorne nichts mehr! Dass sie sich nach wie vor nicht von ihm scheiden lässt, ist ihm ein Rätsel. Bei ihm würde es ihr so viel besser gehen…

Bevor Ralf auch noch komplett in Selbstmitleid versinkt, geht er in die Küche und sucht nach etwas Essbarem. Hauptsache, nicht an Kim oder Bibiana denken. Im Kühlschrank findet er noch eine halbe Portion Schinkenauflauf vom Vortag. Die wärmt er sich auf und setzt sich damit anschließend vor den Fernseher ins Wohnzimmer auf die Couch. Unter anderen Umständen hätte er Sebastian angerufen und ihn eingeladen, so wie früher. Wenn beide nichts Besseres zu tun gehabt haben, haben sie manchmal wie ein altes Ehepaar vor dem Fernseher gesessen und die Reste aus dem Kühlschrank aufgefuttert.

In diesem Moment schreckt Ralf hoch. Sein Smartphone, das vor ihm am Wohnzimmertisch liegt, leuchtet und vibriert. Am Display ist Sebastians Name zu sehen. Aus einem unerklärlichen Grund, zumindest redet er sich das ein, wird Ralf plötzlich nervös und überlegt, ob er abheben soll. Dann wird der Bildschirm wieder dunkel. Erleichtert atmet er auf und widmet sich dem Fernseher, indem er durch die Kanäle schaltet. Bei einer Quizshow bleibt er stehen. Er muss grinsen und dreht den Ton etwas lauter. Ralf steht auf Quizshows. In diesem Fall der Ablenkung wegen, aber noch viel interessanter ist es für ihn, mitanzusehen, was man denn alles nicht wissen kann. Entspannt lehnt er sich mit seiner kleinen Schüssel voll Auflauf zurück und genießt das Fernsehprogramm.

Negatio

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