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-Sebastian- 30.04.2016, Samstag

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Sebastian steht in der Apotheke… und wartet. Bei dem Menschenauflauf könnte man meinen, dass es etwas umsonst gibt. Die älteren Leute vor ihm sind entweder überfordert wegen der zu großen Medikamentenauswahl, oder haben vergessen, was sie denn nun wirklich für Beschwerden haben, denn egal, was der geduldige Apotheker anbietet, es scheint nicht das Richtige dabei zu sein. „Wie ich bereits sagte, Frau Holm“, hört man ihn laut und langsam sprechen, „diese Kapseln nehmen Sie schon die letzten zwei Jahre ein. Jeden Monat müssen Sie sich eine neue Packung holen, so wie sonst auch immer.“

Die alte Dame, die ganz vorne in der Schlange steht, ist da anderer Meinung: „Ich hätte aber gerne die roten Kapseln da hinten! Ich mag Rot!“

„Tut mir leid, aber wenn Sie das mit keinem Arzt besprochen haben, darf ich sie Ihnen nicht aushändigen. Sie bekommen die gewohnten Kapseln. Und nicht wieder absetzen, nur weil die Packung leer ist, einverstanden, Frau Holm?“ Der Apotheker gibt sich mit einem Nicken seines Gegenübers zufrieden. „Jeden Monat neue kaufen.“ Selbst wenn er jedes Wort buchstabiert hätte, hätte er nicht länger gebraucht, um diesen Satz auszusprechen. „Sie nehmen wie gewohnt auf den Tag verteilt zwischen zwei und drei Kapseln ein, Frau Holm.“

„Ich nehme aber immer drei!“

„Das müssen Sie selber abschätzen können. Je nachdem, wie es Ihnen geht.“

„Das sind nicht meine Kapseln, was geben Sie mir da für Kapseln?“

„Das ist Ihre gewöhnliche Medizin.“

„Ich nehme immer drei!“

„Gott im Himmel!“, entkommt es Sebastian. Eine andere alte Dame dreht sich zu ihm um und will ihn anscheinend mit ihrem Blick verfluchen. Dass er mit einer blutenden Nase als Letzter in der Schlange steht, scheint niemanden zu kümmern. Es vergehen weitere zwei Minuten, in denen der geduldige Apotheker dieser Frau Holm klarzumachen versucht, dass das sehr wohl ihre Kapseln sind. Als sie es endlich einsieht, setzt sich die Schlange in Bewegung.

Sebastian ist schon bei Taschentuch Nummer drei, als er an die Reihe kommt. Schätzungsweise wird das aber auch das letzte sein, denn bis auf ein paar rote Tropfen bleibt das Tuch weiß. „Na, Herr Rietz, wie geht es Ihnen?“ Sebastian ist etwas verwirrt, weil der Herr mit der Stoppelfrisur seinen Namen kennt, aber vielleicht haben das Apotheker ja so an sich. Man hat einmal was bei ihnen auf Rezept gekauft, ganz egal, wie lange das her ist und sie vergessen das nie wieder.

Sebastian überlegt kurz, wann er das letzte Mal hier war, kann sich aber nicht erinnern und deshalb antwortet er einfach: „Nun ja… Wie Sie sehen…“ Er zeigt auf das Taschentuch vor seiner Nase.

„Oh. Das sollten Sie besser mit Doktor Lunz besprechen.“

„Wieso denn das? Können Sie mir nicht einfach etwas gegen die Kopfschmerzen geben?“

„Das könnte ich schon. Aber da die Blutung wieder angefangen hat…“

„Wieder angefangen?“

„Ja, soweit ich das beurteilen kann, bluten Sie.“ Der Apotheker klingt plötzlich ein klein wenig verärgert. Aber Hauptsache, bei der alten Schachtel vorhin ist er ruhig geblieben. Sebastian versucht, das Missverständnis aus dem Weg zu räumen: „Hören Sie, ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal Nasenbluten hatte, also …“

„Zumindest waren Sie erst am Mittwoch deswegen hier. Sie hatten ein von Doktor Lunz verschriebenes Rezept dabei.“

Sebastian glaubt, sich verhört zu haben. „Ähm… nein? Da müssen Sie mich mit jemandem verwechseln…“

„Herr Rietz, mein Gedächtnis funktioniert einwandfrei. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie da waren.“

„Nein, ich war schon ewig nicht mehr hier.“

„Tja, für manche Leute sind ein paar Tage eine Ewigkeit.“

Sebastian ist wie gelähmt. Er weiß nicht, was er darauf sagen soll. Am Mittwoch soll er hier gewesen sein? Etwa, nachdem Hauptkommissar Wedel ihn beurlaubt hat? Unmöglich! Während er versucht, seine Gedanken zu sortieren, fährt der Herr mit der Stoppelfrisur und dem sympathischen Gesicht fort: „Eine Nachblutung ist an sich nichts Ungewöhnliches, aber es kann nicht schaden, noch einmal mit Doktor Lunz darüber zu reden. Oder mit einem anderen Arzt, der am Wochenende Bereitschaft hat. Sie können aber auch ins Krankenhaus fahren, wenn die Schmerzen schlimmer werden. Soll ich Ihnen einen Krankenwagen oder ein Taxi rufen?“

Nachblutung? Sebastian fehlen noch immer die Worte. Sein Gegenüber scheint fest davon überzeugt zu sein, vor einigen Tagen mit demselben Mann gesprochen zu haben. Vielleicht dauert sein Arbeitstag schon viel zu lange und er ist deshalb etwas verwirrt, was nach der vorherigen Kundschaft nicht auszuschließen ist. Aber woher weiß der Mann dann seinen Namen? Das ist ihm alles nicht geheuer, und noch ehe der Apotheker etwas hinzufügen kann, sagt Sebastian: „Nein, nein, danke. So schlimm ist es nicht. Ich werde einfach das nehmen, was ich noch zu Hause habe…“ Er dreht sich langsam um und verlässt die Apotheke, bevor es für ihn noch peinlicher wird. Wenn er am Mittwoch tatsächlich hier gewesen ist, muss er doch irgendwelche Medikamente mitbekommen haben. Aber zu Hause hat er nur das Aspirin finden können. Soll er am Montag zu seinem Hausarzt gehen? Noch während er fieberhaft überlegt, was in den letzten Tagen nun wirklich geschehen ist und was nicht, kann er die Blicke in seinem Rücken spüren.

Negatio

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