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Die nunmehr von Julia Noah Munier vorgelegte Studie über »Lebenswelten und Verfolgungsschicksale homosexueller Männer in Baden und Württemberg im 20. Jahrhundert«, die eine rund fünfzigjährige Entwicklung von der 1918/19 entstandenen Weimarer Republik bis zur liberalen »Umgründung« der Bundesrepublik Deutschland um 1970 mit Fokus auf den deutschen Südwesten untersucht, stellt aus unserer Sicht einen Meilenstein dar.

Sie ist nicht nur der erste, erfolgreich abgeschlossene Teil eines umfassenderen Forschungsprojekts über die Lebenswelten sexueller Minderheiten in Baden-Württemberg, deren beide weitere noch geplante Teile hoffentlich ebenso erfolgreich umgesetzt und abgeschlossen werden können. Sie ist insbesondere auch für sich genommen ein wichtiger Fortschritt in der wissenschaftlichen Behandlung ihrer Thematik: Die »Lebenswelten homosexueller Männer« werden aus möglichst vielfältigen Quellen rekonstruiert; neben Verfolger- und Verfolgungsperspektiven treten öffentliche und nichtöffentliche Zeugnisse selbstbestimmter Handlungsspielräume. Dies hat zur Folge, dass homosexuelle (oder bisexuelle) Männer hier nicht nur als Opfer von Diskriminierung und Verfolgung seitens der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft erscheinen, sondern immer wieder auch als selbstbewusste, sich selbst behauptende Akteure.

Zugleich wird bei der Rekonstruktion der Verfolgung nicht nur der menschenverachtende Extremismus der NS-Diktatur in den Blick genommen, es werden auch die partiellen Parallelen unter demokratischen Verhältnissen gleichberechtigt untersucht. Dabei wird nicht nur auf die wichtigsten und bekanntesten Formen der Strafverfolgung und Inhaftierung – und im Falle des NS-Regimes auch auf die besonders schlimme, glücklicherweise nur eine Minderheit treffende KZ-Inhaftierung – abgehoben; auch heute weit weniger gut erinnerte Repressionsformen wie Kastrationen oder psychiatrische Zwangsunterbringungen werden thematisiert. Bei alledem bewirkt die konsequente regionalhistorische Orientierung der Studie angesichts der Besonderheiten Baden-Württembergs einen erfreulichen Wissenszuwachs über Lebenssituationen auch in kleinstädtischen und ländlich-dörflichen Sozialumgebungen – welche angesichts der traditionell eher großstädtisch geprägten Forschung generell erst in den letzten Jahren aufgearbeitet werden. Hier bietet die Arbeit von Julia Noah Munier jetzt für den deutschen Südwesten wichtige wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte.

Das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) und die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) haben als eng zusammenwirkende Kooperationspartner des Forschungsprojekts des Historischen Instituts der Universität Stuttgart die von Frau Dr. Munier nun vorgelegte Studie insbesondere in deren Konzeptualisierungsphase beratend intensiv begleitet. Beide Institutionen und deren Vertreter_innen freuen sich daher heute umso mehr, sich hiermit an der Präsentation eines bemerkenswerten Forschungsergebnisses beteiligen zu können.

Das Projekt wurde begleitet durch ein Public-History-Modul, für das der Historiker Karl-Heinz Steinle sowie die Historikerinnen Dr. Nina Reusch und Dr. Kirsten Plötz verantwortlich zeichneten. In diesem Rahmen wurde eine das Forschungsprojekt begleitende Internetseite (www.lsbttiq-bw.de) erstellt, die für eine interessierte Öffentlichkeit projektbezogene Inhalte entsprechend bürgernah präsentiert.

Die Gesamtprojektleitung dieses und der beiden zwei weiteren geplanten Forschungsmodule der Universität Stuttgart obliegt Prof. Dr. Wolfram Pyta, Historisches Institut, Leiter der Abteilung Neuere Geschichte. Ihm, Julia Noah Munier sowie dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, das die Studie finanziert, danken wir für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit.

Prof. Dr. Michael Schwartz

Institut für Zeitgeschichte München-Berlin

Jörg Litwinschuh-Barthel

Geschäftsführender Vorstand der

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Lebenswelten und Verfolgungsschicksale homosexueller Männer in Baden und Württemberg im 20. Jahrhundert

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