Читать книгу Das Herz der Kurtisane - Junia Swan - Страница 12
9. Kapitel
ОглавлениеAls sich Rohan am Morgen auf den Weg nach Glenloan gemacht hatte, hätte er nie angenommen, als verheirateter Mann schlafen zu gehen, noch dazu an der Seite einer Hure. Der Gedanke verursachte ihm Übelkeit. Wie sollte er diesen Umstand ein Leben lang ertragen? Es war eine schiere Unmöglichkeit, sich mit ihrer Vergangenheit zu arrangieren.
„Rammeln wie die Hasen“, rief Angus und riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
„Vielen Dank für die Glückwünsche“, knurrte er und Ryan schob den stämmigen Mann aus dem Raum.
„Danke, Angus! Du hast uns sehr geholfen. Könntest du dich jetzt wieder um das Feld kümmern?“
„Ja, gerne! Schneckenschleim!“
Ryan schloss die Tür hinter ihm und drehte sich erneut um. Summer hatte sich nicht bewegt und Rohan hatte die kurze Unterbrechung dazu genutzt, sich nachzuschenken. Ein kurzer Seitenblick zu Summer offenbarte ihm, dass sie wie betäubt wirkte. So, als hätte sie die Hülle ihres Körpers verlassen.
„Ich würde mich gerne in mein Zimmer zurückziehen“, flüsterte sie an Ryan gewandt.
„Weshalb fragst du ihn? Das habe ich zu entscheiden!“, blaffte Rohan und Summer zuckte zusammen.
Niedergeschlagen drehte sie den Kopf in seine Richtung, schaute aber durch ihn hindurch.
„Mylord, dürfte ich mich in mein Zimmer ...“
„Nein.“
„Rohan ...“, ging Ryan beschwichtigend dazwischen.
„Ich werde dir mein Zimmer zeigen“, fuhr Rohan unbeeindruckt fort. „Dort wirst du diese Nacht schlafen. Ryan?“ Rohan lenkte seinen harten Blick von seiner Braut fort, hin zu seinem Freund. „Beziehe ich das übliche Zimmer?“
„Das bewohnt Summer. Demnach ist es vielleicht in deinem Sinne, zu ihr zu ziehen?“
Rohans Miene verfinsterte sich noch mehr.
„Verdammt“, brauste er auf. „Dann verschwinde in dein Zimmer! Ich werde später nachkommen. Und wage es nicht, zu fliehen! Denn, schreibe es dir hinter die Ohren, ich werde dich finden und danach wirst du es ein Leben lang bereuen!“
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wirbelte Summer herum und stürmte aus dem Raum, als wären alle Furien hinter ihr her.
Nachdem die Tür zugefallen war, herrschte sekundenlang angespanntes Schweigen.
„Ich erkenne dich nicht wieder, Rohan“, stellte Ryan erschüttert fest. „Was hat diese Frau verbrochen, um so von dir behandelt zu werden? Sie ist bald die Mutter deines Kindes.“
„Und gleichzeitig eine Hure. Wer weiß, wie vielen Kindern sie die Mutter genommen hat?“
Ryan setzte sich auf einen Stuhl.
„Meinst du nicht, dass es Zeit ist, diese traurige Vergangenheit endlich hinter dir zu lassen?“
„Und einer Hure ihre Schuld vergeben? Niemals!“
Da sie wusste, dass MacDougall jeden Moment zu ihr kommen könnte, fand Summer keine Ruhe. Nervös schritt sie im Zimmer auf und ab. Sie wollte nicht darüber nachdenken, dass nicht einmal die Mauern dieses Klosters ihr Schutz geboten hatten. Knapp sieben Monate waren ihr vergönnt gewesen, die sie in Frieden hatte verbringen können. Mehr hatte sie anscheinend nicht verdient. Oder MacDougalls Auftauchen war die göttliche Strafe dafür, dass sie es gewagt hatte, im Kloster einzuziehen. Was auch immer es war: Summer musste dankbar für diese Zeit der Geborgenheit sein. Als ihre Beine beinahe unter ihr wegbrachen, setzte sie sich auf einen Stuhl vor das einzige Fenster und sah hinaus. Die Sonne war längst untergegangen und die Nacht aus ihrem Versteck gekrochen. Was würde der Schotte machen, wenn er zu ihr kam? Würde er wieder so brutal sein und ... Wenn sie doch nur Bella wäre! Es wäre so viel leichter zu ertragen. Die Tür öffnete sich mit einem Ruck und Summer fuhr herum.
MacDougall musste sich bücken, um eintreten zu können. Nachdem er die Tür hinter sich verriegelt hatte, räusperte er sich, würdigte sie aber keines Blickes.
„Es gelten dieselben Regeln wie zuletzt“, erklärte er der Wand. „Du wirst dich von mir fernhalten und dir deinen Unterhalt verdienen. Sprich mich nicht an, hörst du?“
Summer schloss die Augen und ballte die Hände. Sie hasste diesen Mann! Oh, wie vernichtend sie ihn hasste!
„Hast du mich verstanden?“, wiederholte er drohend.
Hastig nickte sie. Gespannt wie eine Saite kurz vor dem Zerreißen wartete sie darauf, dass er ihr befahl, sich zu entkleiden. Doch er tat es nicht, sondern schälte stattdessen sich selbst aus dem Gewand, das er trug. Mit dem Schottenrock machte er kurzen Prozess. Summer wandte sich eilig ab, legte die Arme vor sich auf den Tisch und bettete den Kopf darauf.
„Komm“, befahl er und ihr Mut sank. „Es gibt nur ein Bett und ich verlange nicht von einer schwangeren Frau, auf einem Stuhl zu schlafen.“
Am liebsten hätte sie sich ihm widersetzt und ihm erklärt, dass sie es vorzog, die Nacht auf einem Stuhl zu verbringen als neben ihm. Doch sie biss sich auf die Zunge. Steif erhob sie sich und trat ans Bett. Es war zu schmal für zwei Personen. Er drehte sich auf die Seite und rückte nach innen. Sich ihrem Schicksal fügend, zwängte sie sich vor ihn, darum bemüht, ihn nicht zu berühren. Aber der Körperkontakt ließ sich nicht vermeiden. Sein Rücken presste sich an ihren und die Wärme seines Leibes drang ihr in jede Pore.
„Oh Gott!“, flüsterte sie gequält und glitt wieder aus dem Bett.
„Halt! Was hast du vor?“
Sofort hatte er sich aufgerichtet und musterte sie unwillig.
„Es gibt so viele leere Betten im Haus“, murmelte sie. „Ich denke, es wäre sinnvoller, eines davon zu verwenden.“
„Hast du nicht gehört, was ich dir befohlen habe? Du schläfst hier. Neben mir. Ende der Diskussion.“
Er ließ sich wieder nach hinten sinken.
„Ach, und mach die Öllampe aus!“
Summer löschte das Licht und kehrte in das schmale Bett zurück. Sie wagte nicht, sich zu bewegen, wartete darauf, dass er endlich einschlief. Plötzlich drehte er sich auf die andere Seite und seine Brustmuskeln drückten in ihre Schultern. Im nächsten Moment schob sich ein Arm über ihren Rumpf und seine Hand kam auf ihrem runden Bauch zu liegen.
„Du bleibst hier“, befahl er knapp über ihrem Ohr. „Erwäge nicht einmal, dich davonzuschleichen.“
Summer hielt erschrocken die Luft an, während ihr Herz vor Anspannung raste. Erst als er sich minutenlang nicht bewegt hatte, fiel ein wenig ihrer Starre ab und sie schloss die Augen. Ich muss an etwas anderes denken! Ich muss ...
Ein gesichtsloser Mann stand neben einem aufwendig gearbeiteten Cembalo und deutete ihr, sich zu setzen. Mit einem vergnügten Lächeln raffte Summer ihr festliches Kleid und setzte sich ans Instrument.
„Und jetzt spielt ein zweigestrichenes C“, forderte der Mann sie auf.
„Was soll das sein, ein zweigestrichenes C?“, kicherte Summer.
„Hm?“
„Was soll das sein, ein zweigestrichenes C?“, wiederholte Summer geduldig.
„Verflucht, führst du schon wieder Selbstgespräche?“
Entsetzt riss Summer die Augen auf und lauschte. MacDougall bewegte sich nicht. Vielleicht hatte sie sich seine Stimme nur eingebildet?
„Zweigestrichenes C“, wisperte sie in die Dunkelheit.
MacDougall seufzte und ein kleines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
„Zweigestrichenes C“, wiederholte sie etwas lauter.
„Verdammt, sei endlich still! Ist denn das zu viel verlangt?“
„Nur eine geschulte Stimme kann es perfekt singen“, erklärte der gesichtslose Cembalospieler.
„Was soll das sein, eine geschulte Stimme?“, fragte Summer leise.
„Das ist eine Stimme, die die höchsten Töne rein und klar singen kann. Weit über das zweigestrichene C hinaus.“
„Darüber hinaus?“ Summer seufzte sehnsüchtig. „Das muss wundervoll klingen!“
Plötzlich legte sich eine Hand über ihren Mund und sie fuhr erschrocken zusammen. Der goldene Glanz des Salons in ihrer Vorstellung erlosch.
„Wheesht[Fußnote 1]! Das, was du sagst, interessiert mich nicht!“
Summers Herz beschleunigte sich wieder. Ach nein, sie war so kurz davor gewesen, einzuschlafen! So kurz davor! Und MacDougall hatte wie immer alles kaputt gemacht.
Mitten in der Nacht riss etwas an Rohans Arm, um ihn in der nächsten Sekunde zu kratzen. Dann hörte er einen dumpfen Aufschlag und ein unterdrücktes Stöhnen.
„Verdammt“, fluchte er und schoss in die Höhe.
Die erste Dämmerung machte sich bemerkbar, deswegen konnte er ohne Probleme erkennen, dass das Bett neben ihm leer war. Schon in der nächsten Sekunde bemerkte er Summer, die auf dem Boden lag und sich verwirrt aufrichtete. Blinzelnd sah sie sich um. Als sie MacDougalls ansichtig wurde, der sie finster anstarrte, schluckte sie unbehaglich und legte eine Hand über ihren Bauch. Das Kind boxte wild in ihrem Leib und traf sie schmerzhaft unterhalb der Rippe, weshalb sie sich ein wenig zusammenkrümmte. Der Schotte löste sich aus der Starre, beugte sich vor und streckte ihr hilfsbereit seinen Arm entgegen. Zögernd, als hätte sie Angst, griff sie danach und ließ sich in die Höhe ziehen. Unschlüssig verharrte sie neben dem Bett.
„Worauf wartest du?“, brummte er und rückte an die Außenseite. „Wir tauschen die Seiten. Für den Rest der Nacht schläfst du an der Wand.“
Eingekeilt zwischen ihm und der Mauer? Summer schauderte, schob sich aber zum Fußende des Bettes und kletterte dann neben den schrecklichen Mann, der sie schweigend beobachtete.
„Geht es dem Kind gut?“, wollte er wissen, als sie mit dem Rücken zu ihm eine halbwegs angenehme Position gefunden hatte.
Als Antwort nickte sie, ärgerte sich aber über seine Besorgnis. Was ging ihn ihr Kind an? Es war ihr Kind! Ihres, und hatte ihn nicht zu interessieren!
Wieder legte er die Hand über ihren Bauch, der von den kräftigen Stößen des Ungeborenen erschüttert wurde.
„Bist du sicher, dass es ihm gut geht? Es wirkt, als wollte es raus!“
„Es ist alles in Ordnung. Das macht es öfter.“
MacDougalls Augenbrauen schossen überrascht in die Höhe, doch er schwieg. Mittlerweile trat das Kind gegen die Stelle, auf der seine Hand lag, als wäre ihm diese zu schwer oder als wollte es ihm zu verstehen geben, dass seine Berührung nicht erwünscht war. Keinesfalls würde er sich von einem Ungeborenen diktieren lassen. Besser, es gewöhnte sich gleich daran, wer hier das Sagen hatte! Müde schloss er die Augen und schlief sofort wieder ein.
Summer atmete entspannt, als er das nächste Mal erwachte. Mittlerweile war es hell und Zeit, aufzubrechen. Die gestrige Beichte hatte MacDougall auf eine überraschende Weise befreit, denn er hatte Buße getan. Oder tat es immer noch. Für den Rest seines Lebens. Somit war sein Gewissen wieder rein und die schwere Last von seinen Schultern gefallen. Er setzte sich auf und stieg aus dem Bett. Nachdenklich musterte er Summer. Er hatte keinen blassen Schimmer, was er mit der Hure anfangen sollte, die jetzt für immer an ihn gekettet war. Im warmen Morgenlicht schimmerte ihr weiches Haar wie eine Mischung aus Kupfer und Gold. Als spürte sie, endlich mehr Platz zu haben, drehte sie sich auf den Rücken. Ihre dunklen Wimpern warfen Schatten auf die zarte Haut ihrer Wangenknochen und ihr rosiger Mund stand leicht offen. Kaum zu glauben, wie unschuldig sie wirkte. Wie alt war sie eigentlich? Er schätzte sie auf maximal zwanzig Jahre. Ihre Augenlider zuckten und im nächsten Moment erwachte sie. Sie gähnte und streckte sich, dann fiel ihr Blick auf ihn. Seine Miene verdüsterte sich und sie tastete erschrocken nach der Decke und zog sie bis zu ihrem Kinn hoch.
„Los, beeile dich und packe deine Sachen! Nach dem Frühstück brechen wir auf.“
Sie senkte ihr Antlitz und musterte die Tuchent.
„Könnte ich nicht hierbleiben?“, fragte sie leise. „Ihr habt Eure Pflicht getan und mich geheiratet. Wieso belassen wir es nicht dabei?“
MacDougall war diesem Vorschlag gegenüber nicht abgeneigt. Er wäre froh, sie endlich los zu sein. Doch sein Verantwortungsbewusstsein verbot es ihm, sein Kind unter ihrem schlechten Einfluss zurückzulassen.
„Es steht dir frei, nach der Geburt hierher zurückzukehren.“
Verwundert wandte sie ihm ihr Antlitz entgegen.
„Weshalb kann ich nicht gleich hierbleiben?“
„Es geht um mein Kind“, offenbarte er ihr hart. „Ich möchte es in guten Händen wissen. Sobald es in der Obhut einer tadellosen Erzieherin ist, kannst du machen, was du willst, solange es weder dem Ruf meiner Familie noch dem Wohlergehen meines Kindes schadet.“
Sie erblasste und legte gleichzeitig eine Hand über ihr Herz. Er wollte ihr das Kind wegnehmen?
„Ich werde mein Kind nicht verlassen!“, erklärte sie entschlossen, woraufhin er mit den Achseln zuckte und den Schottenrock an seiner Hüfte befestigte. Dann schlüpfte er in sein Hemd.
„Ich erwarte dich in einer halben Stunde vor dem Kloster. Also beeile dich!“
Damit warf er die Tür hinter sich zu und Summer sank das Herz.
Die junge Frau kam hastig seinem Befehl nach und packte die Säuglingskleidung, die sie im Laufe des Winters genäht hatte, in die einzige Stofftasche, die sie besaß. Auch die kleine Bibel, die Mr MacDougall ihr geschenkt hatte, verstaute sie vorsichtig in ihrem Inneren. Der Gottesmann hatte ihr ein paar Geschichten gezeigt, in denen Prostituierte eine Rolle spielten und Summer war erstaunt gewesen, dass es sogar Platz für solch schwere Sünderinnen in dem heiligen Buch gab. Am meisten hatte sie sich über die Samariterin gewundert, die Jesus an einem Brunnen ansprach. Sie war eine Ehebrecherin, fünf Mal verheiratet und zu jener Zeit in eine Affäre verstrickt gewesen. Summer liebte es zu lesen, dass der Sohn Gottes sie auserkoren hatte, um ihn zu ihrer Sippe zu führen, damit er dieser seine Worte des Heils und des Friedens überbringen konnte. Es fiel Summer schwer, zu glauben, dass der Retter dieser Welt die Samariterin trotz ihrer Schuld angenommen hatte, obwohl sie so tief gefallen war. Immer, wenn die junge Frau diese Geschichten las, erfüllte sie Hoffnung. Vielleicht war auch für sie nicht alles verloren. Mr MacDougall war davon überzeugt, doch Summer befürchtete, er hatte Unrecht. Der Mann war kein rechter Priester, sondern eher ein Ketzer. Was er sagte, war mit Vorsicht zu genießen. Da glaubte sie vielmehr den harten Worten des anderen MacDougalls, der behauptete, sie wäre ein Stück Dreck und verdiene nicht mehr als Verachtung. Vermutlich war die Bibel, die Mr MacDougall ihr gegeben hatte, ebenso falsch wie seine Lehre. Es war nicht abwegig, dass er sich eine eigene geschrieben hatte, mit einem Jesus, wie er ihn sich wünschte. Einem gnadenvollen Gott und nicht einem, der strafte und verbannte. Aber so einen Gott gab es nicht, wie der Rest der Welt wusste, deswegen hatte MacDougall ihn schlichtweg erfunden. So einfach war das. Summer wunderte sich darüber, dass sie nicht schon früher dahintergekommen war. Enttäuscht zog sie die Bibel wieder aus der Tasche. Schade, dachte sie, es wäre zu schön, um wahr zu sein. Mutlos und zutiefst traurig legte sie das kostbare Buch auf den Tisch. Die Argumente, die dafürsprachen, dass es sich dabei um eine Fälschung handelte, häuften sich. Denn auch ein Mann wie Angus kam darin vor. In der Geschichte, die sich um ihn drehte, heilte Jesus ihn. Mr MacDougall hatte offensichtlich seine Schützlinge als Vorlage verwendet und sich für jeden ein glückliches Ende ausgedacht! Tränen brannten in ihren Augen, als ihre Hoffnungen erloschen. Das war alles nicht echt! So eine Liebe konnte gar nicht real sein! Während ihres gesamten Lebens hatte man ihr erklärt, dass Gott auf dem Richterstuhl saß und jedes Vergehen ahndete, dessen sie sich schuldig machte. Das war die Wahrheit und diese Bibel war falsch! Es war eine Glenloan-Bibel. Sie passte an diesen Ort, doch nicht in die Welt, die sie kannte.
Die Glocke der kleinen Kapelle schlug und riss Summer aus ihren Gedanken. Himmel, sie war in Verzug! Sie hängte sich die Tasche um und stürzte den Gang entlang, die Stufen hinunter und in den Speisesaal.
„Es tut mir leid, ich bin zu spät“, entschuldigte sie sich und setzte sich.
Zu ihrer Erleichterung war MacDougall nicht anwesend.
„Wir wissen, dass du packen musstest“, erklärte der falsche Gottesmann freundlich.
„Himmel, Arsch und Zwirn! Du wirst uns doch nicht verlassen, du Schnodderine?“
„Leider, Angus, werde ich das.“
Sie strich Butter auf ihr Brot, um sich ihren Kummer nicht anmerken zu lassen und auch Angus‘ enttäuschtem Blick auszuweichen.
„Hast du alles eingepackt?“, fragte Mr MacDougall.
„Ja, bis auf die falsche Bibel.“
Verständnislos runzelte der Blasphemist die Stirn und öffnete den Mund, um nachzufragen, was Summer mit dieser Aussage meinte, doch Jamie krampfte just in dem Moment und begann zu zucken. So schlimm war es schon lange nicht mehr gewesen. Sofort eilten alle zu ihm und halfen ihm, sich auf den Boden zu legen. Dann rückten sie sämtliche Gegenstände von ihm fort, damit er sich nicht verletzen konnte. Summer setzte sich neben ihn und bettete seinen Kopf auf ihren Schoß. Sanft streichelte sie ihn und tupfte mit einem Taschentuch die Spucke ab, die aus seinem Mund rann. Dabei sprach sie beruhigend auf ihn ein.
Summer bemerkte nicht, dass MacDougall eintrat und sich, ohne sie aus den Augen zu lassen, auf einem Stuhl niederließ. Erst als der Krampf nachließ und sich der Blick des Knaben aufklarte, wich sie vor Jamie zurück. Es machte den Anschein, als hätte sie Angst vor dem Jungen, denn sie kam schnell auf die Füße und strich sich den Rock glatt. Da entdeckte sie ihren Mann und ein Ruck ging durch ihren Körper. Rohan konnte das schlechte Gewissen, das sie befiel, deutlich erkennen. War es möglich und es hatte sie sexuell erregt, als der Kopf des Kranken ihrem Unterleib so nah gewesen war? Ekel stieg in ihm auf, er wandte sich ab und verließ den Speisesaal.
Summer warf sich die Tasche über die Schulter, umarmte die Köchin und winkte den anderen zu.
„Ich muss mich beeilen“, rief sie nervös und die Angst, dass MacDougall seinen Ärger an ihr auslassen würde, ließ sie stolpern. Im letzten Moment konnte sie sich am Tisch festklammern. Durch den heftigen Stoß fiel ein Glas um und Wasser ergoss sich über die Tafel. Erschrocken sog sie die Luft ein.
„Tut mir leid, Mr MacDougall“, keuchte sie entsetzt und wollte ein Tuch holen, doch der Priester hielt sie am Arm zurück.
„Ich mache das! Besser, du gehst jetzt!“
Summer blickte ihm dankbar in die Augen.
„Ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben“, flüsterte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Es war das erste Mal seit Harry, dass sie einem Mann diese Zuneigungsbekundung zuteilwerden ließ. „Danke!“
Bevor er etwas erwidern konnte, war sie schon aus dem Raum gestürzt.
MacDougall zog den Sattelgurt fester, als Summer in den Hof stürmte. Er hörte ihre Schritte hinter sich und warf ihr über die Schulter einen Blick zu.
„Bist du bereit?“
Sie nickte und sah sich suchend um.
„Du reitest bei mir. Ich habe nur ein Pferd. Konnte ja nicht wissen ...“
Er richtete sich auf und streckte die Hand nach ihrer Tasche aus. Sie gab ihm diese und er befestigte sie am Sattel. Dann umfasste er sie an der Taille und setzte sie im Damensitz auf die Kruppe. Ryan, der sich in der Zwischenzeit zu ihnen gesellt hatte, klopfte seinem Freund aufmunternd auf die Schulter.
„Sei nicht zu streng mit ihr“, riet er leise, sodass nur Rohan es hören konnte.
Augenblicklich verfinsterten sich die Gesichtszüge des frischgebackenen Ehemannes.
„Nur eine harte Hand wird ihr die sündigen Gedanken austreiben“, knurrte er, wandte sich um und schwang sich vor Summer aufs Pferd.
Die junge Frau sah, mit Tränen in den Augen, auf den Gottesmann herab.
„Auf Wiedersehen“, murmelte sie tonlos, trotzdem konnte er ihr den Abschiedsgruß von den Lippen ablesen.
Er hob die Hand und winkte, wirkte aber besorgt. Mit einem Ruck setzte sich das Pferd in Bewegung.
Summer klammerte sich notgedrungen an die Hüften ihres Mannes. Dabei drehte sie sich so, dass sie zurückblicken konnte. Ryan MacDougall wurde immer kleiner, bis er bald nicht mehr zu erkennen war. Mit jedem weiteren Meter verlor auch das Kloster deutlich an Größe. Das Pferd verfiel in Trab und Summer schlang die Arme um MacDougalls Rumpf, drückte ihre Wange zwischen seine Schulterblätter. Doch es half nichts und sie wurde wild durchgeschüttelt. Sie presste die Kiefer aufeinander, damit sich ihrer Kehle kein Laut entrang und ertrug die Verspannungen schweigend, die sich mit jedem weiteren Meter schmerzend in ihrem Körper ausbreiteten.