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Kapitel 2 Drei Jahre zuvor
ОглавлениеAn diesem verfluchten Freitag im Juli vor drei Jahren, an den Jonas Korte gerade zurückdachte, hatte der damals äußerst erfolgreiche Abteilungsleiter II des Bayerischen Landeskriminalamts nämlich mit seinem Profilerteam gerade den erfolgreichen Abschluss einer langwierigen Ermittlungsarbeit gefeiert, bei der es sich um die Verhaftung führender Mitglieder des organisierten Verbrechens drehte.
Aus diesem Grund hatte er auch schon mittags zuhause angerufen, um sich später von seiner lebenslustigen Ehefrau Maria in seiner Münchener Dienststelle abholen zu lassen.
„Wir haben schon ein bisschen was getrunken – und bis nach Traunstein kann ich keinen Dienstwagen mit Fahrer einsetzen. Ich wäre also sehr froh, wenn du mich heute Nachmittag im Büro abholen könntest. Was würden sonst die Kollegen denken, wenn sich der Herr Kriminaldirektor unter Alkohol ans Steuer setzt“, hatte er verschämt gemeint, als ihm seine Frau Maria auch schon lachend in die Parade gefahren war:
„Ich bin froh, dass du endlich mit deinem elenden Fall fertig bist und demnächst wieder mehr Zeit für uns hast. Klar komme ich dich abholen. Nur kann ich erst losfahren, wenn Katie aus der Schule kommt und gegessen hat. Vor 15:00 Uhr komme ich also hier nicht weg – und demnach bin ich frühestens gegen 16:30 Uhr bei euch an der Pforte.
Denk aber dran – im Moment hat die Feriensaison in einigen Bundesländern bereits angefangen. Im Radio haben sie eben zum wiederholten Male gesagt, dass die A8 zwischen Holzkirchen und München schon seit heute Vormittag dicht ist. Und stadtauswärts ist genauso starker Verkehr, der heute Nachmittag sicher noch zunehmen wird.
Ich beabsichtige daher, ab Holzkirchen die B13 zu nehmen und auf dem Rückweg machen wir das genauso. Kann also durchaus noch ein paar Minuten später werden, bis Katie und ich bei dir eintreffen. Aber keine Sorge, ich komme auf dem raschesten Weg zu dir.“
„Das wäre großartig, mein Schatz. Ich danke dir sehr, du bist die beste aller Ehefrauen – und grüß unseren kleinen Wildfang von mir. Ich kann’s kaum erwarten, euch beide wieder in meine Arme zu schließen.
Sag Katie, dass wir am Wochenende zu Tante Magdas Bauernhof fahren. Schließlich wollten wir ja mit ihrem Verwalterehepaar Mitzi und Peter Huber abklären, ob sie bereit wären, unsere Idee vom Umbau des Hofs in eine Frühstückspension mitzutragen und dort die Rolle der geschäftsführenden Bewirtschafter zu übernehmen.
Ich ruf gleich nachher mal bei Peter und Mitzi an, die freuen sich sicher ebenfalls, wenn wir uns endlich mal wieder persönlich bei ihnen blicken lassen. Katie liebt ja nicht nur die Berge, sondern vor allem das Versteckspielen in den inzwischen leerstehenden Ställen und Scheunen. Und das Grab meiner Tante sollten wir schließlich auch mal wieder besuchen.“
Nach einem kurzen „So machen wir das“ seiner Frau, war dies das letzte Telefonat gewesen, dass Dr. Jason Korte mit seiner über alles geliebten Maria geführt hatte. Denn seine Ehefrau starb an genau diesem Tag. Und Jonas, dem seine Freunde im Bayerischen LKA1 gleich zu Anfang den Spitznamen „Doktor Jo“ verpasst hatten, gab sich an dem grausamen Unfall nach wie vor selber die Schuld.
Vor allem, weil nicht nur seine Maria, sondern auch er selber und seine damals siebenjährige Tochter Katharina auf der Rückfahrt nach Traunstein in dem alten 5er-BMW Kombi gesessen hatten, als der furchtbare Zusammenstoß geschah. Denn schließlich war er es gewesen, der seine Frau dazu animiert hatte, ihn in seiner Dienststelle in der Maillingerstraße in München abzuholen.
Während Maria Korte auf dem Rückweg nachhause mit ihrem Fahrzeug durch die Ortschaft Holzkirchen fuhr, meinte sie: „Da vorne kenn‘ ich eine Abkürzung über das Holzkirchner Gewerbegebiet, über die ich auf dem Herweg bereits gefahren bin. Dort gibt’s übrigens auch einige Supermärkte, bei denen wir noch kurz anhalten und fürs Wochenende einkaufen können. Am Ende des Gewerbeparks kommen wir dann auf die B318 und können danach bei der Raststätte Holzkirchen direkt auf die Autobahn auffahren.“
Kurz danach fluchte Jonas Ehefrau laut: „Mist, jetzt habe ich vor lauter Quatschen die richtige Kreuzung verpasst – da hinten hätten wir nämlich nach links gemusst.“
„Ist doch nicht schlimm, mein Schatz – dann nehmen wir halt die nächste Kreuzung. Und zum Einkaufen kommen Katie und ich mit“, beruhigte Jonas Korte seine Frau sofort.
Doch soweit sollte es gar nicht mehr kommen. Denn als Maria Korte am späten Nachmittag dieses Julitages nach dem Linksabbiegen vor einem unbeschrankten Bahnübergang anhalten musste, wurde der von ihr gesteuerte BMW Touring von einem rücksichtslos auffahrenden Kieslaster von hinten gerammt und – trotz der rot blinkenden Warnsignale – auf die Gleise des Bahnübergangs geschoben.
An den krachenden Aufprall des von rechts auf ihr Auto zurasenden Regionalzugs der Oberlandbahn und das quietschende Zerreißen von Metall konnte sich Jonas Korte auch Jahre danach noch genau erinnern. Sein Wagen war dabei zum Glück nur wenige Meter mitgeschleift worden bevor er neben den Gleisen auf dem Dach gelandet war.
Als Jonas aus dem Wrack seines arg demolierten BMW herauskletterte und auf die völlig zerfetzte Fahrerseite zu kroch, konnte er aus dem Augenwinkel gerade noch das brutale Wendemanöver des an der Frontseite beschädigten blauen LKWs erkennen, mit dem sich dessen Fahrer von Unfallort entfernte. Und an das hämisch grinsende Gesicht des Fahrers, das er dabei noch kurz zu Gesicht bekam, würde er sich zeit seines Lebens erinnern.
Als sich Jonas Korte endlich auf die andere Fahrzeugseite vorgearbeitet hatte, war dem Arzt in ihm sofort klar, dass weder er noch irgendein Notarzt seiner aus vielen Wunden blutenden Ehefrau würde helfen können. Und das war genau der Zeitpunkt, an dem Dr. Jonas Korte mit einem verzweifelten Aufschrei völlig geschockt zusammenbrach.