Читать книгу Master Hayden - Kari Karaiti - Страница 11
ОглавлениеDER UNFALL
HAYDEN
„Ich kann nicht glauben, dass sie uns dermaßen abzog“, stöhnte Jack, während er an der Bar des Clubs saß und die Flasche alkoholfreies Bier in der Hand drehte.
„Wer zog euch ab?“, fragte Adam verwirrt.
„Haydens kleine Haushälterin, im Poker!“, antwortete Jack, woraufhin Adams Blick sich langsam von ihm löste und zu Hayden wanderte.
„Wir unterschätzten sie“, kommentierte dieser schmunzelnd. „Und ich gebe es nicht gerne zu, aber es war unser eigener Chauvinismus, der uns in den Arsch biss.“
„Chauvinismus?“, fragte Jack mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Ich fürchte, Hayden hat Recht“, brummte Ryan und nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche. „Wir sahen in ihr eine süße, kleine Nixe und glaubten, sie ließe sich naiv auf das Pokerspiel ein.“
„In Wirklichkeit spielte sie mit uns mit ihren unschuldigen Gesichtsausdrücken bei jedem Blatt, das sie aufnahm“, erklärte Colton.
Hayden lachte leise. In der Tat hatte Judy sie alle im Poker kalt gemacht. Jack hatte sie nach dem Essen gefragt, ob sie Poker spielte, und sie hatte geantwortet, dass sie schon mal gespielt hätte. Spätestens bei dieser Formulierung hätten sie misstrauisch werden sollen. Stattdessen hatten sie geglaubt, der kleinen, hilflosen Frau etwas beizubringen. Doch in Wirklichkeit hatte sie ihnen beigebracht, dass all ihre expressiven Ausdrücke, in denen sie ihr süßes Gesicht verzogen hatte, reinweg nichts preisgegeben hatten, und sie fünf erfahrene Doms, die sich damit rühmten, subs lesen zu können, gnadenlos vorgeführt hatte. Eine Meisterin der Manipulation!
„Haushälterin?“, fragte Adam. „Du hast eine Haushälterin?“
„Süßes, kleines Ding!“, warf Ryan ein.
„Ich dachte, Hazel und Evelyn halten deine Bude in Ordnung“, fuhr Adam fort.
„Nicht mehr!“, klärte Jack ihn auf. „Seit Hayden diesen frechen Kobold von der Straße weg engagierte.“
„Und sie ist seine Haushälterin oder, ihr wisst schon, sein Hausmädchen?“, fragte Adam.
Alle grinsten, als Hayden leise seufzte. „Könntet ihr aufhören, in meiner Anwesenheit zu tratschen?“
„Seine Haushälterin, aber ich vermute, er würde sie gerne zu seinem Hausmädchen machen, allein fürchtet er, dass die Kleine vanilla ist“, fuhr Ryan munter fort.
„Geht spielen, Jungs!“, knurrte Hayden, woraufhin besagte Jungs lachten.
Ein Schrei gefolgt von Gepolter ließ alle herumfahren. Sein Blick fiel auf Hazel, die an diesem Abend Schicht hatte und auf halbem Weg zur Bar auf dem Boden lag, während die leeren Gläser, die auf ihrem Tablett gestanden hatten, umherrollten. Sie richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf, doch als sie den rechten Fuß aufsetzte, schrie sie erneut auf und griff danach. Hayden stürmte hinter der Bar hervor und ging neben ihr in die Knie, legte seinen Arm um ihre Schulter und half ihr, sich in eine sitzende Position aufzurichten. Tränen liefen ihr Gesicht herunter, während sie ihren Fuß mit ihren Händen umschloss.
„Was ist passiert?“, hörte er sich fragen.
Hunter kniete ebenfalls neben ihr nieder und löste ihren Griff von dem Fuß. „Der Absatz ist abgebrochen“, sagte er, öffnete den Reißverschluss des oberschenkelhohen Lackstiefels und zog ihn vorsichtig von ihrem Fuß. „Wir brauchen Eis zum Kühlen!“, rief er, ohne sich von dem Fuß abzuwenden, und Evelyn lief hinter die Bar und füllte schnell ein paar Eiswürfel in eine Tüte, umwickelte sie mit einem Tuch und brachte beides zu ihnen. Hunter hatte mittlerweile den Stiefel entfernt, griff nach dem Eispack und legte es auf die Kante des Fußes. „Es schwillt an. Wir müssen sie in die Notaufnahme bringen. Der Fuß könnte gebrochen sein oder sie hat sich Bänder gerissen.“
„Nein“, winselte Hazel verzweifelt. „Ich kann nicht ausfallen, ich ... nein!“
Hayden drückte ihren Kopf an seine Brust und strich ihr zärtlich über das Haar. „Alles wird gut, Süße“, versuchte er, sie zu beruhigen.
„Master Hayden! Es tut mir leid, ich bin so ungeschickt!“
„Es ist nicht deine Schuld, Hazel. Es war ein Unfall. Wir bringen dich in die Notaufnahme.“
„Ich hole das Auto zum Eingang“, sagte Ryan und lief los.
„Wir werden den Fuß stabilisieren, dass er nicht bei jeder Bewegung schmerzt“, erklärte Hunter, sah zu Evelyn auf. „Den Erste-Hilfe-Kasten, bitte!“
Hayden hielt die schluchzende Hazel fest im Arm, während Hunter den Fuß gekonnt verband.
„Ryan wartet mit dem Wagen vor der Tür!“, rief Walter in den Club und Hayden schob seine Arme unter Hazels Knie und hob sie hoch. Zügig trug er sie zum Auto, dessen hintere Tür Ryan geöffnet hatte.
„Brauchst du mich dringend heute Abend oder ist es in Ordnung, wenn ich mit ihr fahre, Master Hayden?“, fragte Evelyn mit besorgtem Ausdruck.
„Fahre mit ihr!“, antwortete er. „Bleibe bei ihr, dass sie die Untersuchungen nicht allein über sich ergehen lassen muss!“
Noch einmal strich er Hazel sanft über das Haar, dann gab er ihr einen Kuss auf den Kopf. „Alles wird gut. Evelyn und Ryan werden bei dir bleiben. Mache dir keine Sorgen, okay?“ Damit fuhren seine Hauptbedienungen davon.
„Der Fuß sah nicht gut aus, sie wird mindestens für sechs Wochen ausfallen, eher länger mit Physiotherapie“, sagte Hunter.
„Ja“, knurrte Hayden. „Großartig!“
„Du wirst zumindest für die Zeit Ersatz brauchen“, fügte Colton hinzu.
„Ich weiß!“
„Wie gut, dass du eine professionelle Kellnerin in der Hinterhand hältst“, schmunzelte Jack.
„Fick dich!“, erwiderte Hayden, kehrte in den Club zurück und legte dabei demonstrativ seinen Arm um Ava, die in der Tür stand und dem Auto hinterhersah.
JUDY
Judy stand auf der Arbeitsplatte der Küche und sortierte das Geschirr wieder ein, nachdem sie den Schrank ausgewischt hatte. Sie hörte sich nähernde Männerstimmen, dann öffnete sich die Haustür und die Stimmen kamen aus dem Eingangsbereich. Hayden hatte jemanden mitgebracht. Wie gut, dass sie einen ganzen Pott Chili gekocht hatte, so würde sie problemlos mehrere Personen verköstigen können.
„Das ist nicht euer Problem und ich werde es lösen – allein!“, hörte sie Hayden sagen, als sie einen weiteren Schwung Teller in den Schrank stellte. „Ob ihr es glaubt oder nicht, es ist nicht das erste Mal ... Judy!“
„Einen Moment!“, rief sie, räumte das Geschirr ein und lehnte sich zurück. „Willkommen zu Hause, Boss!“, sagte sie lächelnd.
Dann geschah alles auf einmal. Bevor sie sich zu den Tellern herunterbeugen konnte, stürmte Hayden auf sie zu, packte sie an der Hüfte und warf sie sich über die Schulter, woraufhin ihr ein Schrei entwich.
„Was glauben Sie, was Sie da machen?“, fuhr er sie an und im nächsten Moment warf er sie auf das Sofa.
Sie sah ihn überrascht an, bevor ihr Blick auf den Sheriff und Jack, den Automechaniker, fiel, die in der Tür standen und sie mit hochgezogenen Augenbrauen anstarrten. „Den Schrank einräumen?“, fragte sie dämlich.
„Auf der Platte stehend!“, fügte Hayden im wütenden Ton hinzu, während seine Augen sie mit wildem Blick auf dem Sofa fixierten.
„Ich werde sie danach putzen!“
„Das ist mir egal!“, knurrte er zornig. Der Mann knurrte sie tatsächlich an! „Ich will Sie nie wieder auf dem Schrank stehen sehen!“
„Ich komme sonst nicht an die oberen Fächer heran“, protestierte sie und wunderte sich gleichzeitig, ob es klug war, ihn in diesem Augenblick zu provozieren. Was machte ihn wütend? „Wir sind nicht alle mit Körpergröße gesegnet, wissen Sie?“
Wieder entfuhr ihm ein Knurren. „Dann lassen Sie es!“
„Die Schränke müssen ab und zu ausgewischt werden und das kann ich nur, wenn ich sie ausräume!“
„Judy!“, sagte er plötzlich mit Nachdruck, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief, griff gleichzeitig ihr Kinn und hielt ihren Kopf, dass sie ihm direkt in die Augen sehen musste. „Erwische ich Sie noch einmal auf dem Schrank, lege ich Sie übers Knie!“
Sie erstarrte bei seinen Worten, schluckte, doch dann kroch ein Grinsen über ihr Gesicht und sie fing an zu lachen. „Jetzt haben Sie mich fast drangekriegt, Boss! Für einen Moment dachte ich, Sie meinen das Ernst!“, gluckste sie, schlug ihm spielerisch auf den Oberarm. „Lassen Sie mich aufstehen! Ich muss die restlichen Teller einräumen.“
„Sie werden nicht wieder auf den Schrank klettern!“, schimpfte der dickköpfige Mann.
„Diese Teller?“, mischte sich Jack ein, ging grinsend auf den Stapel zu und stellte ihn ohne Schwierigkeiten an seinen Platz.
„Ja! Danke!“, murmelte sie perplex, bevor Hayden sie plötzlich an der Schulter packte und wieder zu sich herumdrehte.
„Judy, das ist mein voller Ernst! Sie klettern auf keine Schränke! Ich habe gerade erst eine Angestellte mit einem gebrochenen Fuß ins Krankenhaus gebracht, ich möchte Sie nicht daneben legen.“
Sie schluckte und im nächsten Moment füllten sich ihre Augen mit Tränen. So lange hatte sie niemand mit so viel Sorge angesehen, wie dieser wutschnaubende Mann vor ihr. So lange hatte es niemanden gekümmert, ob sie sich verletzen könnte. Das warme Gefühl, das sich in ihrer Brust ausbreitete, überwältigte sie dermaßen, dass sie die Tränen nicht zurückhalten konnte. Schnell wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen. In dem Moment wandelte sich Haydens Gesichtsausdruck.
„Judy!“, sagte er plötzlich sanft. „Nicht weinen, ich ...“
„Normalerweise kümmert es niemanden, dass ich mich verletzen könnte“, erklärte sie heiser, wischte sich erneut über die Augen. „Danke!“, hauchte sie lautlos, schlang ihre Arme um seinen Oberkörper, drückte ihn kurz und wich schnell wieder zurück. Ihr Herz blieb stehen, als sie in sein Gesicht sah, und er sie betrachtete, als könnte er Antworten aus ihrem Kopf ziehen, wenn er sie lang genug anstarrte. Oh Gott! Sie hatte ihren Boss umarmt! Sie hatte überwältigt von seiner Sorge vor ihm geweint! Und sie hatte eine Information preisgegeben, die sie besser für sich behalten hätte! Sofort dachte sie an Flucht, musste weg hier, setzte weitere Schritte zurück. „Im Kühlschrank steht Chili!“, sagte sie mit rauer Stimme, dann lief sie schnell an den Männern vorbei aus dem Haus hinunter in ihren Anbau.
HAYDEN
Hayden saß mit Jack, Colton, Hunter und Ava in Jamie’s Diner, doch seine Gedanken kreisten um die kleine Fee, die ihn mit wässrigen, großen Augen angesehen und sich dafür bedankt hatte, dass er sich um sie sorgte. Wie konnte es sein, dass ein freundliches, hilfsbereites Wesen wie sie niemanden hatte, der sich um sie sorgte? War sie komplett auf sich gestellt? Unvorstellbar, doch die Tatsache, dass sie von Stadt zu Stadt, von Job zu Job gesprungen war, ließ die Vermutung zu, dass sie sich allein durchs Leben schlug.
„Hayden?“, fragte Ava und er schreckte hoch.
„Entschuldige!“, murmelte er. „Ich war in Gedanken.“
„Mhm“, stimmte Jack amüsiert zu. „Bei seiner kleinen Haushälterin.“
„Ich fragte, ob du heute von Hazel gehört hast“, wiederholte Ava ihre Frage, Jacks Kommentar ignorierend.
Hayden seufzte. „Nein! Evelyn versprach, mich sofort anzurufen, wenn es Neuigkeiten gibt. Sie wird gerade operiert, hat sich den Fuß beim Sturz unglücklich verdreht und an mehreren Stellen gebrochen. Ich werde sie besuchen, sobald die Ärzte grünes Licht geben.“
Ava sog tief Luft ein. „Das heißt, du brauchst definitiv Ersatz für sie“, kommentierte Hunter.
„Danke nochmal für deine Hilfe“, sagte Hayden, doch Hunter winkte ab.
„Hast du jemanden, der für Hazel einspringen kann?“, fragte Ava.
„Hat er, aber er weigert sich, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen“, warf Jack amüsiert ein.
„Könntest du die Personalentscheidungen mir überlassen?“, fragte Hayden gereizter, als er intendiert hatte, denn es spielte seinem Freund in die Hände.
Genau das ließ er ihn mit einem breiten Grinsen wissen. „Sie ist Kellnerin, eine großartige obendrein, würde ich sagen“, fuhr er fort.
„Ihr habt eine großartige Kellnerin in der Hinterhand? Immer her damit“, erklang eine Stimme, die Hayden noch gefehlt hatte. „Ich brauche dringend Verstärkung hier im Diner.“
„Tut mir leid Matt, du hattest deine Chance“, erwiderte Colton sofort, woraufhin dieser ihn verwirrt ansah.
„Ja, und du hast sie vergeigt. Vielleicht solltest du aufhören, wahllos Kündigungen auszusprechen. Jetzt freuen sich andere Lokalitäten über die professionelle Servicekraft“, stimmte Jack zu.
„Von wem sprecht ihr?“
„Die süße, kleine Hexe, die du für nichts rausgeschmissen hast“, klärte Jack ihn auf und Matt zog die Augenbrauen zusammen. „Ich möchte sagen, das war die dümmste Entscheidung in deiner kurzen Karriere als Manager des Diners. Sie ist großartig.“
„Judy? Ihr sprecht von Judy?“, fragte er ungläubig. „Sie war unbrauchbar! Sie baggerte die Gäste an und arbeitete schlampig.“
Hayden entfuhr ein Knurren, woraufhin Ava ihm besänftigend die Hand auf die Schulter legte. „Das siehst du so“, sagte sie mit einem zuckersüßen Lächeln. „Die Gäste sahen das anders. Und ich bin mir sicher, Jamie sähe das ebenfalls anders.“
„Wie auch immer“, winkte Matt ab. „Was darf ich euch bringen?“
Sie bestellten und Hayden sah dem unfähigen Manager hinterher, als dieser in der Küche verschwand. Ohne Umschweife zog er sein Telefon und tippte eine Nachricht.
„Wem schreibst du?“, fragte Ava.
„Jamie“, antwortete er. „Ich habe es lange genug aufgeschoben. Ich sage ihm, dass er seinen verdammten Arsch hierher bewegen soll, wenn ihm an diesem Diner etwas liegt.“
Ava schmunzelte, während sie mit der Hand durch sein Haar fuhr, was ihm eine Gänsehaut den kompletten Rücken hinunterkrabbeln ließ. „Du sorgst dich, auch wenn es dich verdammt nochmal nichts angeht“, säuselte sie, woraufhin seine Mundwinkel zuckten. Hunter stöhnte auf und Jack und Colton warfen ihnen amüsierte Blicke zu.
„Zurück zu Thema“, sagte Jack und verhinderte damit, dass die Spannung, die seit Hazels Unfall Haydens Glieder fest im Griff hatte, unter Avas Zärtlichkeiten weichen wollte. „Du solltest sie bitten, einzuspringen. Die Mitglieder werden sie lieben.“
„Ich werde sie nicht den Löwen zum Fraß vorwerfen.“
„Wieso nicht? Den größten von allen hat sie längst um den Finger gewickelt?“ Jack lachte auf, als Hayden ihm einen strafenden Blick zuwarf. „Er schmilzt wie Butter in ihren Händen.“
„Bin ich hier der Einzige, dem bewusst ist, welche Art Club ich führe? Du sahst, wie verschreckt sie war, als ich ihr mögliche Konsequenzen ihrer Leichtsinnigkeit androhte.“
„Ich sah, dass sie dir sorglos auf den Arm schlug, was, glaube ich außer Louise und Ava, keine Frau wagt.“
Hayden verkniff sich das Grinsen, das bei der Erinnerung daran über sein Gesicht krabbeln wollte. Sie tat einige Dinge, die noch nie eine Frau ihm gegenüber gewagt hatte. So etwa, dass sie bei ihrer ersten Begegnung ihre Hand auf seine gelegt hatte. Sie hatte ihn aus seiner eigenen Küche geworfen. Sie hatte gelacht, als er ihr angedroht hatte, ihr den Hintern zu versohlen, während ihre großen, grünen Augen ihn gleichzeitig angesehen hatten, als hätte sie versucht einzuschätzen, ob er eine potenzielle Gefahr darstellte. Die Tatsache, dass sie ihn umarmt hatte, obwohl er sie wutentbrannt dafür ausgeschimpft hatte, dass sie auf den Möbeln herumkletterte, hatte ihn so sehr überrascht, dass er sie nicht an ihrer Flucht gehindert hatte. Ja, der Drang zu fliehen hatte in ihrem ausdrucksstarken vor Scham erröteten Gesicht geleuchtet. Dennoch hatte er dagestanden und sie laufen lassen. Sie stieß ihn aus seinen natürlichen und souveränen Handlungsmustern. Keine sub wagte, so ungezwungen mit ihm zu reden, ihn herumzukommandieren, wie sie es tat. Wenn er wütend wurde, hatte er gestandene Doms zusammenzucken sehen. Aber die kleine Nixe in seinem Haus beeindruckte das nicht und das gefiel ihm.
Dennoch blieb es eine unumstößliche Tatsache, dass sein Club nicht einfach ein Club war, wie die, in denen sie gekellnert hatte. Es war ein Sex-Club, in dem Dinge liefen, die auf Menschen außerhalb des Lebensstils seltsam, verstörend oder abstoßend wirken konnten. Zwar hatte er sich nie dafür geschämt, dass er diese Art Club führte, hatte nie das Bedürfnis gehabt, sich dafür rechtfertigen oder verheimlichen zu müssen, dass er in dieser Szene unterwegs war, aber dieses Mal war das etwas anderes.
„Vielleicht sollte die Entscheidung, ob sie in einem solchen Club arbeiten könnte, von ihr gefällt werden“, warf Ava ein und er brummte missmutig.
Hunter schüttelte den Kopf. „Ich glaube, er fürchtet, dass das Bild des sanften Riesen, das sie sich von ihm gemacht hat, bröckelt, wenn sie erfährt, welche Art Club er führt, unabhängig davon, ob er ihr den Kellnerinnenjob anbietet. Er will ihre ungezwungene Art nicht zerstören.“
Ja, Hunter verstand ihn am besten von allen, entsprachen diese Gefühle dem, was er in Bezug auf Ava empfunden hatte, mit dem Unterschied, dass die beiden eine enge Freundschaft verbunden hatte. Doch die kleine Fee kannte ihn nicht, wie Ava Hunter gekannt hatte. Sie weigerte sich beharrlich, ihn beim Vornamen zu nennen, und hielt damit den professionellen Abstand zwischen ihnen aufrecht. Wie würde sie reagieren, wenn sie erfuhr, dass er Besitzer eines BDSM-Clubs war?
„Ich könnte vorsichtig testen, wie sie dem Lebensstil gegenübersteht“, schlug Ava vor und legte ihm die Hand auf die Brust, als er protestieren wollte. „Ohne dich ins Spiel zu bringen! Ich könnte sehen, wie sie darauf reagiert, wenn sie von unserer Konstellation erfährt.“ Sie gestikulierte zwischen sich und den drei Männern hin und her.
„Das ist eine hervorragende Idee“, stimmte Jack zu. „Du wolltest, dass sie mit den Mädels ausgeht. Lass Ava vorsichtig mit ihr reden! Sie ist gut in so etwas.“
Ava lächelte Jack an. „Danke, Sir“, sagte sie und warf ihm einen Luftkuss zu.
JUDY
Judy stand in der Küche und schnitt das Putenfleisch in Streifen, während sie die Ereignisse des Vorabends in ihren Gedanken Revue passieren ließ. Sie war mit ein paar Frauen des Ortes aus gewesen. Hayden hatte ihr erklärt, dass sie nicht Abend für Abend zu Hause sitzen sollte, und hatte den Kontakt hergestellt. Er hatte sie zu der Bar gefahren, in der sie sich treffen wollten, und hinein begleitet, hatte sie einander vorgestellt und Judy hatte überrascht festgestellt, dass sich unter ihnen die hübsche Frau mit den dunklen Locken befand, die sie im Sweet Melodies gesehen hatte, Ava. Eine der anderen Frauen ebenfalls dunkelhaarig war ihr direkt auf seltsame Weise bekannt vorgekommen. Hayden hatte sie Joanne, Coltons Schwester, genannt. Ja, die Ähnlichkeit zu dem Cowboy war unverkennbar.
So hatte sie einen lustigen Abend mit ihr unbekannten Frauen verbracht. Ava hatte ihr erklärt, dass auch sie nicht zu den gebürtigen Einwohnern gehörte, sondern ebenfalls zugezogen war. Offenbar wegen des Tierarztes, wie sie aus den Erzählungen entnommen hatte. Ihr Herz schlug schneller, als sie sich an ihr Gespräch erinnerte. Mit der Anzahl an Cocktails, die sie bestellt hatten, hatten sich die Frauen zusehend geöffnet, kein Blatt vor den Mund genommen. Und als Judy gefragt hatte, wie sie nach Hause kommen würden, hatte Ava geantwortet, dass einer ihrer Männer sie alle fahren würde. Einer ihrer Männer! Sie hielt in ihrer Arbeit inne und schloss die Augen, als ein nervöses Kribbeln durch ihren Magen ging. Ava führte eine Beziehung mit drei Männern. Männer, mit denen Judy naiv gegessen und Poker gespielt hatte. Nicht nur das hatte Ava ihr erklärt, sondern auch, welcher Natur ihre Beziehung mit diesen drei Männern war. Oh Gott! Judy war die Spucke weggeblieben.
„Willkommen im Sündenloch der Nation!“, hatte Ava lachend gesagt und Joanne hatte sich die Ohren zugehalten.
„Keine Geschichten über meinen Bruder, bitte!“, hatte sie gequält gejault, dann hatten sie beide gelacht und mit ihren Cocktails angestoßen.
Judy hatte nicht schlafen können, als sie nach Hause gekommen war, hatte stattdessen recherchiert. Nicht, dass sie den Begriff BDSM nicht schon gehört hatte. Doch sie war sich sicher, dass ihre Vorstellungen klischeehaft und wenig realistisch waren. Allerdings war sie von all den vielen verschiedenen Informationen, die sie gefunden hatte, erschlagen worden. Vielleicht sollte sie mit Ava sprechen, um etwas darüber aus erster Hand zu erfahren. Ava hatte offen gewirkt und sicher konnte sie verstehen, dass ihre Erzählungen Judy verwirrt hatten. Im nächsten Moment griff sie nach ihrem Telefon und wählte die Nummer, die Ava in die Kontakte gespeichert hatte.
„Hey Judy!“, grüßte diese sie fröhlich.
„Hallo Ava“, erwiderte sie zaghaft.
Ava stimmte zu, Judy zu treffen, denn, sie hatte es offen zugegeben, sie hatte damit gerechnet, dass Judy Fragen haben würde. Etwas nervös erwartete sie Ava in ihrem Apartment. Als sie eintraf, tranken sie gemeinsam Kaffee und sprachen über belanglose Dinge, bis Ava auf den Grund ihres Besuchs ansprach.
„Ich rechnete damit, dass du Fragen haben würdest“, sagte sie lächelnd. „Man bekommt nicht jeden Tag gesagt, dass Leute zu viert in einer Dom/sub-Beziehung leben.“
„Das kann man wohl sagen. Ich wollte recherchieren ...“
„Ja, es ist ein weites Feld. Ich war auch unbedarft, als ich herausfand, dass Hunter diese Vorlieben hat. Er versuchte, sie vor mir zu verbergen, aber ich fand seine Spieltasche.“ Judys Augen weiteten sich. „Ich möchte sagen, ich bin immer noch neu in dem Bereich, doch man lernt schnell.“
Das Gespräch verlief locker und ungehemmt. Judy bewunderte Ava, wie frei sie über dieses Thema sprechen konnte, während sie ihre Fragen stockend formulierte.
„Für uns geht es auf diese drei Schlagworte zurück: sicher, einvernehmlich und mit gesundem Menschenverstand. Mein Safe-Word ist heilig. Ich verwende es nicht leichtfertig, aber die Jungs nehmen es ernst. Gott, du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich Gelb gerufen habe!“
„Hast du es mal verwendet?“, fragte Judy neugierig.
„Mein Safe-Word, Rot?“
„Ja!“
Ein Grinsen ging über Avas Gesicht. „Nur im Spaß außerhalb unserer Szenen. In einer Session – nein!“
Sie musterte Ava nachdenklich. „Hast du keine Angst?“
„Oh, oft sogar!“, antwortete Ava lachend. „Glaube mir, häufig! Aber die drei fangen mich immer auf.“
Judy nickte, obgleich sie Schwierigkeiten hatte, sich vorzustellen, wie so eine Szene aussah. Wie passten die Gegensätze zwischen dem Vergnügen, jemandem Schmerz zuzufügen, und der tiefen emotionalen Verbundenheit zusammen? Aus Avas Mund klang es anders als das, was sie im Internet recherchiert hatte. Es war eine Menge Vertrauen im Spiel. Vertrauen, das sie nicht sicher war, ob sie es jemals einem Menschen gegenüber aufbringen könnte. Beängstigend, doch es klang auch, als würde sich die sub fallen lassen, gänzlich alle Verantwortung abgeben. Das barg einen gewissen Reiz, zu schön, um wahr zu sein. Würde sie das können? Alle Kontrolle abgeben? War das nicht das, wovor sie weglief, davor, dass ihr alle Verantwortung und damit Kontrolle abgenommen worden war? Ein Schauer lief über ihren Rücken und ließ sie frösteln. Vielleicht wäre sie eher für die Rolle der Domme geeignet. Aber wollte sie das? Oh je!
„Und ihr lebt das offen aus?“, hörte sie sich fragen.
„Na ja, wie es sich ergibt. Nicht alle im Ort sind verständnisvoll und tolerant. Es gibt Leute, die uns empört ansehen, wenn meine Jungs mich öffentlich küssen oder wir Händchen halten.“
„Ja, das kann ich mir vorstellen.“
„Aber es gibt eine Szene hier und wir haben einen Ort, an dem wir ungestört spielen können, ohne dafür verurteilt zu werden.“
„Einen Club?“, fragte Judy überrascht, woraufhin Ava lächelte.
Nachdem sie sich verabschiedet hatte und in ihrem Mädchenauto, wie sie es nannte, einem weißen Mustang mit rosa Flammen, davonfuhr, beschloss Judy, die Informationen für eine Nacht sacken zu lassen, bevor sie erneut im Internet recherchieren würde. Wie sie den Männern, Avas Doms, das nächste Mal gegenübertreten sollte, ohne dass all die Schilderungen dabei in ihren Kopf sprangen, war ihr schleierhaft. Gott, sie würde sie nie wieder naiv ansehen können!
Es gibt eine Szene in dieser Stadt, erinnerte sie sich an Avas Worte. Wie konnte sie den Leuten von jetzt an begegnen, ohne sich zu fragen, ob sie Teil dieser Szene waren? Verdammt! Was für eine Stadt war das hier? Sie hatte immer gedacht, dass die Leute auf dem Land prüde wären. Andererseits hatte sie auch geglaubt, sie würden um acht Uhr abends in ihren Betten liegen. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht bei dem Gedanken an das Gespräch mit Hayden. Oh, sie hatte das Klischee einer ignoranten Großstädterin damit bestätigt.
BENSON
Er kniff die Augen zusammen, starrte auf den Monitor, genauer gesagt auf das unscharfe Bild einer Frau, die in einen Bus stieg. Sie trug einen Sonnenhut mit breiter Krempe und eine riesige, dunkle Sonnenbrille, die fast ihr komplettes Gesicht verdeckte. Die Größe passte, aber ansonsten entsprach sie siebenundneunzig Prozent aller Frauen der Umgebung.
„Kannst du es nicht schärfer machen, Ace?“, fragte er den Geek neben sich, der daraufhin die Brille mit dem Mittelfinger hochschob und auf seinem Tablet herumwerkelte, bevor er wieder auf den Monitor blickte. „Hm!“, brummte Benson. Er starrte auf das Bild. „Dort!“, sagte er und Ace markierte den Ausschnitt und zoomte ihn ran. „Ist das rotes Haar unter dem Hut?“
„Möglich!“
„Was hast du noch?“
Ace wandte sich wieder dem Tablet zu. Ace stand für Access, der Codename des Hackers, den er auf die öffentlichen Kameras angesetzt hatte. „Hier ist sie erneut, als sie den Bus wechselte“, murmelte er.
Das Bild, das sich auf dem Bildschirm öffnete, zeigte sie von vorne. Sie hatte den Kopf gesenkt, wieder die riesige Sonnenbrille auf der Nase, die ihre Augen, verdammt, das halbe Gesicht verbarg.
„Da!“ Er deutete auf einen Ausschnitt und Ace zoomte heran. „Natürlich ist das rotes Haar!“, sagte er triumphierend und stieß dabei den Rauch aus, den er zuvor inhaliert hatte. „Habe ich dich, Miststück!“
Sie war ihm entkommen, war verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Er war ihr in große Städte gefolgt, doch dann hatte er sie plötzlich verloren. All seine Kontakte hatten sie nicht ausfindig machen können. Noch nie war ihm jemand entwischt. Noch nie war es jemandem gelungen, ihn ohne jeden Anhaltspunkt zurückzulassen, außer ihr. Dann hatte er eine Spur gefunden. Und Ace hatte sie ans Tageslicht gebracht.
„Konntest du ihre Reise verfolgen?“, fragte er.
Ace nickte, spielte erneut auf seinem Tablet und eine Liste erschien auf dem Bildschirm. Sie war vorsichtig, gerissen sogar, war mit Fernreisebussen von Stadt zu Stadt gereist. Der Grund, weshalb er sie nicht hatte verfolgen können, war, dass sie plötzlich von der Bildfläche verschwunden war, offenbar Busse gemieden hatte. Doch Ace hatte sie wieder entdeckt. „Sie muss per Anhalter weitergereist sein, bevor sie woanders in einen Bus stieg“, erklärte der Hacker.
„Gerissenes, kleines Luder!“
„Ja, deswegen kann ich dir nur den Ort geben, an dem sie das letzte Mal an einer Busstation ausstieg. Danach taucht sie auf keiner Kamera der Umgebung wieder auf.“
„Drucke mir die Liste aus, bitte!“
Ace schnaubte, denn er arbeitete nicht mit Papier, amüsierte sich immer über Bensons rückständige Methoden. Der Drucker erklang und im nächsten Moment legte er ihm die Liste auf den Tisch.
„Judy Kinlay, nennt sie sich“, murmelte Ace. „Sie muss Kontakt zu jemanden in einer Stadtverwaltung haben, der ihr einen Pass ausstellte. Es dauerte etwas, bis ich die Verbindung zu deiner Zielperson herstellen konnte, aber voilà!“
„Bleib dran! Und sollte sie plötzlich auftauchen, lass es mich wissen!“
Ace brummte. Benson sog zufrieden an seiner Zigarette. Harper hatte ihm unangenehm im Nacken gesessen, hatte Druck gemacht, dass es ihr gelungen war, spurlos zu verschwinden. Jetzt konnte er berichten, dass er an ihr dran war, dass es eine Frage der Zeit war, bis er sie aufgespürt hatte und zurückbringen würde. Harper war kein Mann, mit dem man sich schlecht stellen wollte. Seine Verbindungen waren zwielichtig und sicher nicht von der angenehmsten Sorte. Aber sie waren plump. Schläger, nicht in der Lage, eine gerissene Füchsin wie July Harper, oder Judy Kinlay, wie sie sich nannte, zu finden, wenn sie es nicht wollte. Sollten sie sie allerdings erst einmal in ihren Fängen haben ...
„Tust du das Richtige?“, fragte Ace in die Stille.
„Was?“ Er sah den Hacker überrascht an.
„Bist du dir sicher, dass du das Richtige tust?“, wiederholte Ace. „Ich fand während der Recherche unschöne Dinge. Dieser Wyatt Harper, er ist ...“
„Er sucht seine Schwester, Ace. Ich werde sie finden.“
„Du sagst es so, als würde er sich um seine verlorene Schwester sorgen. Was ich herausfand, klingt nicht wie ein besorgter Bruder.“
„Er ist ihr Bruder!“, beharrte Benson.
„Ja, aber sicher nicht besorgt. Ich weiß nicht, wieso er versteift darauf ist, sie zu finden, jedoch wollte ich nicht in ihrer Haut stecken, wenn er sie in die Finger bekommt.“
„Familienangelegenheiten gehen mich nichts an“, murmelte er. Ein unangenehmes Gefühl in seinem Bauch ruinierte den Augenblick des Triumphes. Sie war ihm entwischt. Niemand entwischte Benson. Und er hatte sie wiedergefunden. Er würde nicht zulassen, dass sie seine Erfolgsquote drückte.
„Und doch steckst du mittendrin“, fuhr Ace fort.
„Moralische Bedenken spielen kein Geld in die Kasse, Ace. Lass mich wissen, wenn du etwas herausfindest! Ich werde Harper Bericht erstatten und dann bin ich unterwegs.“
Ace hob zwei Finger zum Abschied, senkte den Kopf wieder über dem Tablet und Benson verlor damit seine Aufmerksamkeit. Judy Kinlay, ich werde dich finden, dachte er, als er das schicke Bürogebäude verließ, in dem sich Ace als IT-Fachmann für ein Security-Unternehmen tarnte.