Читать книгу Master Hayden - Kari Karaiti - Страница 6

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KLEINSTADTNÄCHTE


JUDY

Die Kleinstadt war dunkel, als Judy die langgestreckte Hauptstraße zurückwanderte. Unheimlich, konnte man meinen, denn die Straße lag wie verlassen vor ihr. Niemand begegnete ihr, was ihr recht sein sollte, doch jedes Geräusch ließ sie nervös aufhorchen. Verdammt! Wieso lag das Motel am anderen Ende der Stadt? Sie war nicht mit dem Auto gekommen, sondern mit dem Langstreckenbus. Dann war sie mit Mitfahrgelegenheiten von Kleinstadt zu Kleinstadt gependelt, immer auf der Suche nach einem Job. Wie sie von hier wegkommen sollte, wusste sie nicht. Hoffentlich würde sich bald eine Mitfahrgelegenheit ergeben. Sie fuhr nur mit Frauen, denn die Städte lagen zu weit auseinander, als dass sie sich zu einem fremden Mann in ein Fahrzeug setzen wollte. Im Notfall würde sie mit einem der Trucker, die im Motel übernachteten, weiterreisen müssen. Noch hatte sie einen finanziellen Puffer. Wie lange dieser sie über Wasser halten konnte, lag daran, wann ihre Pechsträhne enden würde. Egal, was sie tat, sie würde nicht in die Großstadt zurückkehren. Die war zu unsicher, denn dort würde man sie vermuten. Nicht in einer kleinen Stadt irgendwo im Nirgendwo, in der es kaum Jobs für sie gab.

Seufzend starrte sie die Häuserfassaden an, an denen sie vorbeiging, als sie einen Motor vernahm und kurz darauf Scheinwerfer auf die Straße bogen. Ohne sich umzudrehen, hob sie die Schultern, tauchte ihren Kopf tiefer in ihren Kragen und setzte ihren Weg fort. Das Auto, ein fetter SUV, rauschte an ihr vorbei und sie atmete erleichtert auf. Plötzlich leuchteten die Bremslichter auf und der Wagen stoppte, bevor das kleine weiße Rückfahrtlicht sie blendete. Oh nein! Ihr ganzer Körper stand augenblicklich unter Spannung. Sie steckte ihre Hände in ihre Jackentasche und tastete nach ihrem Pfefferspray. Der SUV blieb ein paar Meter vor ihr stehen, die Beifahrertür öffnete sich und ein großer Mann stieg aus, setzte einen Stetson auf sein blondes Haar. Sie wich vom Straßenrand zurück, denn sie hatte nicht vor, sich ohne Kampf in ein Auto zerren zu lassen. Sie würde ihm einen Höllenkampf liefern. Ja, sie mochte klein sein, aber sie kannte fiese Tricks. Ihre Finger schlossen sich um das Pfefferspray, bereit, es herauszuziehen und sofort auszulösen.

„Guten Abend, Ma’am.“, sagte der Mann, als er mit selbstbewusstem Schritt auf sie zukam.

„N’abend“, murmelte sie misstrauisch.

Er bemerkte ihre ausweichende Haltung, denn er blieb stehen, hob defensiv die Hände. „Mein Name ist Mathews, Sheriff Mathews.“

„Mhm! Und wie kann ich Ihnen behilflich sein ... Sheriff?“, fragte sie, ihn nicht aus den Augen lassend.

Ihre Finger krampften sich um das Pfefferspray in ihrem Mantel. Sein Blick fuhr an ihr herunter und blieb auf der Tasche liegen, bevor er seine Jacke langsam öffnete, eine Dienstmarke aus der Innentasche zog und sie ihr zeigte.

„Sheriff Mathews“, wiederholte er, während er sie die Marke inspizieren ließ. „Es ist gut, dass Sie misstrauisch sind, Madam. Das erlebe ich oft anders.“ Sie nickte, sah ihm in die tiefblauen Augen, als er die Dienstmarke wieder einsteckte. „Sie verstehen, dass es ungewöhnlich ist, eine Frau spät abends allein auf der Straße zu sehen.“

„Wenn man kein Fahrzeug besitzt, muss man zu Fuß gehen.“

Er nickte, während sein Blick starr auf ihr lag. „Können wir Sie irgendwohin bringen?“ Zögernd musterte sie ihn. „Mir gefällt nicht, Sie hier allein herumlaufen zu lassen.“

„Ich steige nicht zu fremden Männern ins Auto!“

„Was prinzipiell vernünftig ist“, stimmte er zu.

„Darf ich also meinen Weg fortsetzen, bitte?“

Er zog überrascht die Augenbrauen hoch. Doch dann zuckten seine Mundwinkel leicht. „Natürlich, Ms.! Aber ich muss Sie darüber informieren, dass ich Sie, wenn ich Sie nicht fahren darf, mit dem Wagen begleiten werde, bis Sie sicher zu Hause angekommen sind.“

Sie starrte ihn eine Zeit an, dann seufzte sie leise. „Notiert!“, murmelte sie.

Er nickte, wandte sich um, ging zurück zum Auto und ließ sich auf der Beifahrerseite nieder. Kopfschüttelnd setzte sie ihren Weg fort, huschte in einigem Abstand an dem Wagen vorbei, ohne hineinzusehen. Sie war nicht gewohnt, dass jemand sich um ihre Sicherheit sorgte. Das war ihr eigenes Problem. Doch als sie den Motor hinter sich hörte, das Scheinwerferlicht ihr folgte, ihren Schatten vor sie warf, wusste sie, dass sie sich hier wahrlich in einer Kleinstadt befand.

HAYDEN

Ryan ließ sich mit einem Seufzen im Wagen nieder, zog die Tür zu. „Misstrauisches, kleines Stück!“, knurrte er. Obwohl ihm ihr Misstrauen trotz seiner Dienstmarke einen Stich versetzte, warf er einen anerkennenden Blick auf sie. „Folge ihr!“

Langsam folgten sie ihr in Schrittgeschwindigkeit zwei Autolängen hinter ihr. Sie setzte ihren Weg angespannt fort, schnellen Schrittes, fast ein bisschen steif. Die Schultern hochgezogen, dass ihr Gesicht tiefer in ihren Kragen sank, ging sie die Straße entlang. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass sie in seinem Wagen sicherer sein würde als in ihrem eigenen Bett. Ob sie ihn wiedererkannt hätte, wenn sie ihn gesehen hätte? Selbst, als sie am Auto vorbeigehuscht war, als fürchtete sie, jemand könnte sie hineinzerren, hatte sie nicht hineingesehen.

„Was glaubst du, hat sie in ihrer Jackentasche?“, fragte Hayden seinen Freund.

„Ich vermute Pfefferspray“, antwortete dieser. „Sie ist vorbereitet, keine dieser naiven Touristinnen, die zu bereitwillig in das Auto eines dahergelaufenen vermeintlichen Cowboys springen. Ich denke, sie kommt aus einer Großstadt. Das Misstrauen stach ihr aus den Augen, selbst, als sie meine Dienstmarke inspiziert hatte.“

„Das fuchst dich“, schmunzelte Hayden.

Ryan lachte leise. „Ja, irgendwie schon! Ich bin der Sheriff und nicht gewohnt, dass mir Leute misstrauen. Es sei denn, sie haben etwas zu verbergen. Hast du gesehen, wie viel Abstand sie zum Wagen hielt? Als würde ich versuchen, sie hineinzuzerren.“

„Das ist das Szenario, das du den naiven Touristinnen immer bildhaft auftischst, wenn sie bedenkenlos in dein Auto steigen. Und jetzt, da sich jemand nicht von dir einwickeln lässt, ärgert es dich.“

„Bescheuert, ja! Ich sollte zufrieden sein.“

„Das solltest du!“

„Wo will sie hin, verdammt nochmal? Ans andere Ende der Stadt, oder was?“

Das war, wo sie hinwollte. Ans andere Ende der Stadt! Zu Fuß, allein, mitten in der Nacht! Haydens Stimmung sank, je länger sie ihr folgten. Sie sollte nicht in der Nacht allein die Straße entlang gehen müssen. Der Dom in ihm wollte aus dem Wagen springen und das tun, wovor sie sich mit dem Pfefferspray zu schützen versuchte. Er wollte sie in sein Auto zerren. Allerdings nicht, um sie vom Gesicht der Welt zu wischen, sondern um sie sicher zu ihrem Zielort zu bringen – nachdem er sie über die Motorhaube gebeugt und ihren Hintern dafür versohlt hatte, dass sie allein durch die Nacht rannte! Und wenn er Ryans Gesichtsausdruck richtig deutete, dachte der Sheriff nicht anders.

Nach einer halben Stunde, in der sie ihr gefolgt waren, ohne dass etwas Nennenswertes passiert war, überquerte sie die Straße und ging zielstrebig auf das Motel zu. Beide Männer stöhnten gleichzeitig auf, als sie sich dort kurz zu dem Wagen umdrehte und in die Scheinwerfer blinzelte. Sie hob die Hand und verschwand die Treppe hinauf in den Gang zu den einzelnen Zimmern.

„Ihr verdammter Ernst?“, knurrte Hayden.

„Ich fürchte ja!“, erwiderte Ryan ebenso knurrig.

Mit einem Seufzen wendete Hayden den Wagen. „Das gefällt mir nicht. Jeder Arsch kommt in Royces Motel unter.“

„Und Royce ist nicht dafür bekannt, Wert auf Sicherheitssysteme zu legen.“

„Ja!“, brummte Hayden missmutig. „Eine kleine Fee wie sie ist ein gefundenes Fressen für die Geier dort.“ Der Sheriff antwortete nicht, sondern – er bemerkte es, als er ihm einen kurzen Blick zuwarf – sah ihn grinsend an. „Was?“

„Kleine Fee?“, fragte Ryan amüsiert. Hayden sah seinen Freund, der ihn dämlich angrinste, erneut an. „Im Ernst? Kleine Fee? Wo kommt das auf einmal her?“

„Hast du sie angesehen?“, rechtfertigte er sich, doch als Ryan lachte, schüttelte er seufzend den Kopf.

Den restlichen Weg hingen sie schweigend ihren Gedanken nach, bis Hayden auf Ryans Einfahrt fuhr. „Sie sucht einen Job, oder?“, fragte dieser, ohne Anstalten zu machen, auszusteigen.

„Ja, weil Matt sie sicher grundlos feuerte“, antwortete Hayden. Er würde mit Jamie sprechen müssen.

„Brauchst du nicht immer Servicekräfte?“

Hayden schnaubte zynisch. „Ja, genau! Ich biete ihr einen Job als Kellnerin in einem BDSM-Club an. Das kommt sicher großartig rüber.“

„Sie ist dort tabu. Jeder weiß, dass die Servicekräfte während ihrer Schicht nicht verfügbar sind.“

„Alle meine Leute sind in diesem Lebensstil unterwegs und das hat seinen Grund. Du weißt, dass das, was im Club stattfindet, verstörend auf Außenseiter wirken kann.“

„Woher willst du wissen, dass sie eine Außenseiterin ist?“, fragte Ryan. „Ich meine nur!“, fügte er defensiv hinzu, als Hayden ihm einen strafenden Blick zuwarf. „Wie auch immer! Danke fürs Fahren.“

„Kein Problem!“

Ryan stieg aus, ging zur Haustür, wo er sich herumdrehte und Hayden mit nachdenklichem Gesicht, das ihm bestätigte, dass sein Freund ebenfalls schlaflos wachliegen würde, hinterher sah.

JUDY

Judy konnte nicht glauben, dass der Sheriff ihr den ganzen Weg gefolgt war. Bis zum Motel war der Wagen ihr hinterhergefahren und hatte erst gewendet, als sie im Gebäude verschwunden war. Sie legte alle Riegel vor die Tür und schob die Kommode wieder davor wie jede Nacht. Es hielten zwielichtige Leute auf Durchreise im Motel an und mehr als einmal hatten ihr Kerle hinterhergepfiffen oder blöde Sprüche hinterhergerufen. Fühlte sie sich in diesem Etablissement sicher? Nein! Hatte sie eine andere Möglichkeit? Vielleicht! Hätte sie den Job nicht verloren! Sie hatte die süße Pension, Bed & Breakfast gefunden und durchgerechnet, dass sie mit ihrem Lohn eine Zeit dort gut überbrücken konnte. Doch Matt hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, als er sie gefeuert hatte.

Schnell kleidete sie sich um, leichtere Kleidung, um einigermaßen angenehm auf der nicht sehr komfortablen Matratze schlafen zu können. Doch nicht zu leicht, um im Notfall in die Öffentlichkeit flüchten zu können. Vorausgesetzt es gab Öffentlichkeit, wenn sie fliehen musste. In der Nacht war die Dunkelheit der einzige Schutz, auf den sie auf einer erneuten Flucht hoffen konnte. Niemand würde sie hier finden, irgendwo im Nirgendwo, denn sie rechneten nicht damit, dass sie hierher geflohen sein könnte. Große Städte versprachen vordergründig Anonymität, einen Dschungel, in dem es aussichtslos schien, jemanden zu finden. Es war ihnen gelungen, sie in den Großstädten ausfindig zu machen. Aber nicht hier auf dem Land!

Seufzend ließ sie sich auf das Bett fallen. Es schmeckte ihr nicht, dass sie die Aufmerksamkeit des Sheriffs auf sich gezogen hatte. Es war nie gut, wenn die Polizei involviert wurde – schon gar nicht ein gelangweilter Kleinstadtsheriff, der in ihr die Chance witterte, den Helden spielen zu können. Ein genervtes Stöhnen ging durch ihren Hals. Sie würde versuchen, unter seinem Radar herzufliegen, was sicher damit getan sein würde, dass sie sich nicht mehr in der Dunkelheit auf der Straße herumtrieb. Als hätte sie Freude daran, von einem Ende der Stadt zum anderen zu rennen! Verdammter Matt!

Sie hätte einen Blick in den Wagen werfen sollen, um zu sehen, wer das Fahrzeug gefahren hatte. Der Sheriff war auf der Beifahrerseite aus- und eingestiegen. Das bedeutete, sie war einer weiteren Person aufgefallen. Ob das ein Cop gewesen war? Der SUV hatte nicht offiziell ausgehen, kein Dienstfahrzeug. Wieder stöhnte sie missmutig auf. Oh Gott, sie würde nicht schlafen können! Alles würde sich wiederholen. Sie würde eine Mitfahrgelegenheit suchen müssen. Sie würde erneut einen Job und eine Unterkunft finden müssen. Und je schneller sie diesen Ort verließ, umso besser. Sie blieb nie lange in den Motels, denn sie fürchtete, dass sie an diesen Orten zuerst gesucht wurde.

Ein seltsames Kitzeln auf ihrer Wange ließ sie die Hand heben. Als sie sich kratzte, stellt sie fest, dass ihre Finger Feuchtigkeit verwischten. Tränen! Sie war erschöpft, mental wie physisch. Sie wollte nicht mehr wegrennen. Sie wollte einen Ort finden, an dem sie sich sicher fühlte. Aber gab es den? Musste sie das Land, den ganzen Kontinent verlassen? Auch das hatte Matt ihr versaut, denn jetzt konnte sie nicht in einen Flug investieren, musste auf ihre Rücklage zurückgreifen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Gott, sie war so müde! Hatte sie gedacht, endlich zur Ruhe zu kommen? Sorry, Babe, die wird es für dich nicht geben!

Master Hayden

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