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Traumatische Geburt

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Im Sommer 1978 wurde Beatrix schwanger. Bub oder Mädchen, das spielte für sie keine Rolle, sie wünschte sich ein gesundes Kind. Anil hoffte auf einen Knaben, das würde sein Ansehen in der Familie zusätzlich erhöhen. Manchmal beschlichen Beatrix damals ungute Gefühle. Manchmal kam Anil, der in Indien keinen Tropfen Alkohol getrunken hatte, betrunken nach Hause. Manchmal verspielte er Geld mit dubiosen Kollegen bei illegalen Glückspielen. Doch Beatrix freute sich in erster Linie über die Schwangerschaft, die so reibungslos verlief, und konnte darüber hinwegsehen, dass Anil sich schleichend zu verändern begann.

Nach unserer Heirat arbeitete ich als Sachbearbeiterin bei einer Firma. Beim Weihnachtsessen gewannen wir eine Reise nach Paris. Im Sommer 1978 traten wir diese wunderschöne Reise an. Für Anil war es sein erster Aufenthalt in Frankreich. Wir freuten uns riesig, bald schon wurde ich schwanger.

Beatrix überredete ihren Mann, gemeinsam Geburtsvorbereitungskurse zu besuchen und sie während der Geburt zu begleiten. Für einen Inder war diese Vorstellung aussergewöhnlich. Denn in Indien begaben sich die schwangeren Frauen meistens in ihr Elternhaus, um die Kinder in Abwesenheit ihres Manns zur Welt zu bringen. Beatrix wollte Anil, der sie während der Schwangerschaft liebevoll umsorgte, unbedingt an ihrer Seite haben. Doch dann erlebte er den Schock seines Lebens: Beatrix erlitt eine Fruchtwasserembolie, ein akut lebensgefährdendes Ereignis, das äusserst selten und nur bei einer von 50 000 Geburten auftritt. Die Ärzte sagten ihr damals, eine Fruchtwasserembolie verlaufe in mehr als neunzig Prozent der Fälle tödlich. Laut Studien des Universitätsspitals Zürich sind gesamtschweizerisch in den letzten dreissig Jahren 16 Frauen daran gestorben. Beatrix, die auf Wunsch von Anil glücklicherweise auf eine Hausgeburt verzichtet hatte, verlor viel Blut, sie lief dunkelblau an. Die Hebamme und die Ärzte erfassten die dramatische Lage rasch und holten den Buben am 24. März 1979 im Spital in Baar per Kaiserschnitt auf die Welt. Die Eltern nannten ihn Asheesh. Dieser indische Name bedeutet auf Deutsch «Segen».

Nach der Geburt erlitt Beatrix weitere Komplikationen. Ihre Gebärmutter zog sich nicht zusammen, und die Ärzte mussten sie entfernen. Beatrix rang um ihr Leben. Sie hatte ein Nahtoderlebnis, sah alles von oben, schwebte über ihrem Körper, als plötzlich ein himmlisches Wesen auf ihre Schultern klopfte und ihr mitteilte, sie habe einen hübschen Sohn geboren. Das Wesen fragte sie, ob sie lieber mit ihm mitgehen oder mit Asheesh leben möchte. Beatrix wollte zu ihrem Sohn zurück. Sie entrann dem Tod knapp und lag während rund vier Wochen im Koma im Kantonsspital in Walchwil. Als der Genesungsprozess genug weit fortgeschritten war, durfte sie heim in ihre Wohnung an der Aegeristrasse in Zug. Sie sah Asheesh zum ersten Mal und weinte vor Glück über den kleinen Buben, der seine Mami vom Stubenwagen aus anblinzelte. Anil und Beatrix’ Eltern hatten sich in der Zwischenzeit um das Baby gekümmert, ihm ging es bestens. Gleichzeitig betrübte sie die Tatsache, dass sie keine weiteren Kinder mehr haben würde. Zuerst aber musste sie sich von ihrer dramatischen Geburt erholen, wieder lernen, richtig zu sprechen, wieder lernen, wie man mit Gabel, Messer und Löffel isst. Die sprachlichen und motorischen Fähigkeiten kehrten bald zurück. Bis sie sich aber körperlich vollständig erholt hatte, dauerte es rund drei Jahre. Der Umgang mit der Nahtoderfahrung, die Beatrix bis heute prägt, gestaltete sich schwieriger. Sie nahm psychologische Hilfe in Anspruch.

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