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Das Scheidungsurteil

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Anil willigte schliesslich in die Scheidung ein, «da er nicht dagegen kämpfen will, wenn seine Frau ihn nicht mehr liebt und wenn sie aufgrund ihrer Ängste und Befürchtungen nicht bereit ist, das weitere Leben mit ihm in Indien zu verbringen». So steht es in der Scheidungsklage. Natürlich hätte er Asheesh gerne für sich behalten. Doch, so heisst es in dem Dokument weiter, habe er eingesehen, dass er aufgrund der heutigen Rechtspraxis keine Chance habe, die Obhut zu erhalten. Er erklärte sich damit einverstanden, dass sich Beatrix im Alltag um Asheesh kümmerte. Anil durfte jedes zweite Wochenende einen Tag mit seinem Sohn verbringen, von 9 bis 19 Uhr. Weitere drei Wochen pro Jahr durfte Anil Asheesh während der Schulferien zu sich nehmen. «Sollte er», heisst es im Scheidungsurteil des Zuger Kantonsgerichts vom 5. November 1980, «das Kind mit sich nach Indien in die Ferien nehmen wollen, so hat die Mutter das Recht, ihn und das Kind zu begleiten, wobei er den Ferientermin der Mutter mindestens zwei Monate im Voraus bekannt zu geben hat.» Für Beatrix musste Anil 200, für Asheesh 400 Franken Unterhaltszahlungen leisten.

Wirklich abfinden konnte sich Anil mit der Trennung nie. Beatrix musste ihn regelrecht aus der Wohnung werfen. Sie organisierte ihm ein Zimmer in der Stadt Zug. Anil hingegen behinderte Beatrix’ Bemühungen, für sich und Asheesh eine neue Wohnung zu suchen. An einer Bushaltestelle, mitten in der Stadt Zug, entdeckte Beatrix eines Tages per Zufall im Gebüsch einen zerrissenen Brief. Sie wunderte sich noch mehr, als sie las, an wen er adressiert war: an sie. Im Couvert befand sich der neue Mietvertrag für die Dreizimmerwohnung an der Moosmattstrasse in Luzern.

Asheesh litt unter den Streitereien seiner Eltern. Der sonst so pflegeleichte Bub mit den braunen Locken, der als erstes «Pizza» sagen konnte, damit aber «Pferd» meinte, schlug seinen Kopf manchmal derart heftig gegen den Boden, dass ihn Beatrix regelrecht wegzerren und vor sich selbst schützen musste. Im März 1981 zog Beatrix mit Asheesh nach Luzern. Am Mittag holte sie ihn jeweils ab vom Hort, in dem er sich wohlfühlte. Bald schon hörte er auf, sich selbst zu verletzen. Am Vormittag arbeitete Beatrix zunächst bei einer Baufirma in Root als Sekretärin, später bei einem Verlag in Luzern. Das Verhältnis zu Anil verschlechterte sich stetig. Sie kritisierte ihn regelmässig, wenn er Asheesh nicht genug warm anzog und der kleine Sohn, eben erst genesen von einer Erkältung, wieder eine neue auflas. Beatrix opferte einen grossen Teil ihrer Ferien für die Pflege des kranken Kleinkindes. Doch Anil, der Asheesh jeweils mit dem «Töffli» abholte und ihn, ohne Kindersitz und Helm, zwischen den Beinen mitnahm, zeigte kein Verständnis für Beatrix’ Kritik. Er fand, sie sei zu streng, wenn sie darauf bestehe, Asheesh um 19 Uhr ins Bett zu bringen, oder sie sei zu kleinlich, wenn sie sich aufrege, dass er ihm Kaugummi gebe. Anil monierte, Beatrix kleide Asheesh zu zweckmässig, zu wenig «herzig», zu europäisch, zu wenig indisch. In einem Brief an die Frauenzentrale Zug beklagte sich Beatrix, Anil werde immer sehr böse, wenn sie ihm erklären wolle, wie er Asheesh zu pflegen habe. «Er ist beleidigt und sagt mir, er wisse schon, wie er seinen geliebten Sohn betreuen müsse. Scheinbar weiss er es eben doch nicht. Ich möchte wirklich nicht, dass es so weitergeht. Von mir lässt er sich nichts sagen.» Beatrix fand es unverantwortlich, Asheesh seinem schon am Morgen betrunkenen Vater zu übergeben. Sie hätte Anil am liebsten nur noch ein begleitetes Besuchsrecht zugestanden. Zudem bahnte sich eine neue heikle Situation an. Anil wollte, wenn möglich schon im Frühling 1981, spätestens aber im Herbst, unbedingt erneut mit Asheesh nach Indien reisen. Seine Mutter, liess Anil Beatrix wissen, sei krank, leide unter psychischen Problemen und «wäre sehr glücklich, wenn sie mich und Asheesh sehen könnte». Doch eine Indienreise mit ihrem verschuldeten Ex-Mann kam für Beatrix nicht infrage. Ausserdem hatte sie eben erst Arbeit bei einer Baufirma gefunden und konnte sich so kurz nach Stellenantritt keine längere Ferienabsenz erlauben, wollte sie ihren Job nicht aufs Spiel setzen.

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