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Eltern-Erklärung zur Nichthaftung für Leiden
ОглавлениеWir sind uns bewußt, dass wir unsere Kinder einem unabsehbaren Schicksal, neben möglichen Freuden auch als unannehmbar geltende Leiden und dem sicheren Sterbenmüssen ausliefern, sowohl ihrem eigenen wie dem ihrer Verwandten, dessen Zeugen sie werden. Es ist uns ebenfalls klar, dass wir dafür keinerlei Vorweg-Zustimmung von ihnen einholen können. Wir reproduzieren uns selbst zuliebe und auf Kosten neuer Menschen die Conditio in/humana und ermöglichen so allererst alle künftigen Leiden, Katastrophen, Kriege und Massenmorde. Eine Verantwortung für diese negativen Folgen können wir nicht anerkennen, weil es sich um höhere Gewalt handelt, die wir nicht in der Hand haben.
Am Ende mag sich herausstellen, dass wir indirekt dazu beigetragen haben, dass das aus der Vergangenheit bekannte Leid in fernerer Zukunft fortgesetzt wird, aber dies fällt gleichfalls nicht in den Bereich unserer Verantwortung, da wir nur für die Erziehung unsere eigenen Kinder verantwortlich zeichnen, die ihrerseits verantwortlich werden mögen.
Nichts ist determiniert. Erst wenn jemand beweisen könnte, dass gerade unser Kind nach einer Reihe von Jahren in einer ökologischen, atomaren oder kriegerischen Katastrophe leiden oder sterben müsste, würden wir heute vielleicht von der Fortpflanzung Abstand nehmen, wie wir uns eventuell auch nicht fortpflanzen würden, wenn bewiesen wäre, dass unser Kind aufgrund unserer genetischen Disposition schwer leidend zur Welt käme.
Wir sind aus eigener Erfahrung davon überzeugt, dass die angenehmen Seiten des Lebens die negativen Widerfahrnisse meist überwiegen und ausgleichen, weshalb wir auch für unser Kind eine positive Bewertung seiner Lebensqualität als wahrscheinlich voraussetzen dürfen.
Wenn es so wäre, dass das Gezeugtwordensein ein Diktat und nicht vielmehr ein Geschenk ist, so müsste es erstens viel mehr Menschen geben, die bekunden, sie hätten es vorgezogen niemals geboren worden zu sein. Und es müsste zweitens sehr viel mehr Menschen geben, die auf Grund ihres Niegewesenseinswunsches selbst keine Kinder zeugen. Da diese Haltungen unter den nun einmal Geborenen nur marginal verbreitet sind und das Dasein eher als Geschenk denn als Diktat erlebt wird, gehen wir davon aus, dass auch wir das Geschäft der Fortzeugung guten Gewissens betreiben dürfen.