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Elternliebe

Gemeinhin gilt die Liebe, die Eltern ihren Kindern entgegenbringen als etwas Einmaliges, eine unbedingte Form der Liebe, da Eltern sich in Bescheidenheit üben und ihren Kindern den Vortritt lassen müssen. Doch schon Erich Kästner dichtete in seinem Gedicht das Riesenspielzeug in Anbetracht des Daseins, das zu fristen alle Kinder verurteilt sind: „Dass ihr uns liebt, das nützt uns nichts.“ (Elternschuld Kästner).

Die Rede von der Elternliebe suggeriert, das jeweilige Kind sei von fernher gekommen und nun sei es sehr rühmlich, dass Eltern sich seiner unbedingt annehmen. Man vergisst, dass Eltern die Urheber des Kindes sind. Das Ungenügen der Elternliebe zur Daseinsversöhnung lotet Marie Luise Kaschnitz subtil aus:

Kaschnitz, Marie Luise (1901–1974)

„Die Mutter spricht

Komm, sagt die Mutter, zur Welt, Kind. / Ich will dich nähren. / Wozu wir auf dieser Welt sind, / kann ich dir nicht erklären. / Das sagt dir der Vater morgen / oder irgendwann, / ich habe zu tun und zu sorgen, / mich geht’s nichts an. / [...] / Denn draußen ist sehr viel Böses, / weiß nicht, wo das Gute blieb. / Komm auf die Welt, Kind, sieh selbst, Kind. / Vergiss nicht: wir haben dich lieb.“ (Zit. nach Peter Härtling (Hg.), Lebensalter: Gedichte, S. 27f)

Kommentar: Ähnlich wie bei Kant (Natalschuldumkehr), gilt Liebe der Eltern als vollständige Kompensation für die Zumutungen des Daseins. Die Mutter folgte der sich in die Kultur hineinmeldenden Natur, wurde von der Natur biogen vergewaltigt (Vergewaltigung) und gebar; ist vorerst mit naturnaher Aufzucht vollauf beschäftigt, Gebär- und Nährwesen, das hierin für sich auf egoistische Manier den Sinn seines Daseins gefunden hat, sich in Gestalt des schreienden Säuglings jene zu übernehmende Verantwortung geschaffen hat, die laut Jonas Zwecke im Sein verbürgen. Die Vaterfigur – für die biologische Transzendenz zuständig, im Unterschied zur Mutter Kulturwesen – wird mit den transnatalen Fragen belastet, die dem Gebär- und Nährwesen Mutter fremd bleiben mussten. Schließlich die Aufdeckung eines subrationalen Zumutungszusammenhanges: Man lässt Kinder als Trostspender hervorgehen und mutet ihnen das Dasein in einer Welt zu, in der das Gute schimärisch bleibt, das Böse hingegen mit der vollen Härte des Realen zuschlägt (satanische Regel). Nun steht es da, das Kind, bald von den Eltern alleingelassen, gegen die Zumutungen des Bösen nichts im Gepäck als den kaschierten elterlichen Eigennutz.

Antinatalismus

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