Читать книгу Fettnäpfchenführer Indien - Karin Kaiser - Страница 18

What’s the problem?

Оглавление

»Genau, lass dir nichts bieten!«, feuert Friedrich Alma an und freut sich, dass sie die Situation so energisch gemeistert hat.

Bevor Sie selbst aber in den Ring steigen, lassen Sie uns das Geschehen noch einmal genauer ansehen. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? War Alma möglicherweise an der Eskalation der Situation beteiligt? Das soll natürlich keinesfalls heißen, dass sie selbst schuld daran war.

Tatsächlich aber konnte Alma die Lage nicht realistisch einschätzen und adäquat darauf reagieren, da sie keine Ahnung hatte, welches Bild viele indische Männer von Frauen aus dem Westen haben und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. In den Augen der meisten Inder sind wir Ausländer, gemessen an den strengen Moralvorstellungen, die in der indischen Gesellschaft herrschen, hemmungslose Charaktere oder sexbesessene Unholde. Eine Vorstellung, die durch US-Kinofilme und das Satellitenfernsehen beeinflusst ist. Und so ist es kaum ein Wunder, dass in den Augen indischer Männer eine westliche Frau, wie die Kinobilder suggerieren, »leicht zu haben« ist. Touristenpaare, die durch zu freizügiges Auftreten gegen einheimische Tabus verstoßen, verstärken dieses verzerrte Bild zusätzlich. So kann es geschehen, dass ein interessierter Blick, ein freundliches Lächeln, ein paar unverbindliche Worte als Einladung zum Sex missverstanden werden. Die wilden Fantasien, die dadurch in zuweilen eindimensional funktionierenden Männerköpfen ausgelöst werden, setzen ein Verhalten frei, das über anzügliches Kichern und unflätige Bemerkungen bis zu körperlichen Übergriffen führen kann. Dieses mit dem beschönigenden Begriff Eve teasing (wörtlich: Eva necken) umschriebene Verhalten, dem auch indische Frauen ausgesetzt sind, geht meist im täglichen Chaos unter. Aufgrund entsprechender Kampagnen von Frauenverbänden werden Übergriffe jedoch neuerdings polizeilich verfolgt, sofern die Beamten durch die öffentliche Meinung dazu gezwungen werden. Ansonsten ist die indische Polizei hier wie in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens oft Täter-Sympathisant, wenn nicht gar selbst Täter.

Sexualität ist in Indien stark tabuisiert. Die Zeiten des Kamasutra sind längst vergangen und sie hatten zudem nur auf höfischer Ebene Gültigkeit. Indische Mädchen, die ihre Reputation und ihre Chance, einen Ehemann zu finden, nicht aufs Spiel setzen wollen, können es sich nicht leisten, mit einem Jungen nahen Kontakt zu haben. Daher ist die sexuelle Frustration unter jungen Männern erheblich. Bedenken Sie, dass das Durchschnittsalter in diesem Land unter 25 Jahren liegt (Deutschland: 42 Jahre) und Millionen junger Männer in der virilsten Phase ihres Lebens keine Möglichkeit haben, sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Die einzige Aussicht auf regelmäßigen Sex ist die Heirat, doch dazu müssten sie über einen guten Job verfügen, eine halbwegs gesicherte Zukunft, was zumeist nicht der Fall ist. Hinzu kommt der Frauenmangel, hervorgerufen durch die massenhafte Abtreibung weiblicher Föten (mehr dazu in Episode 30). Die weite Verbreitung der Prostitution in Indien, sicher auch ein Ergebnis der herrschenden Moralvorstellungen, ist unter den genannten Bedingungen nicht verwunderlich.

Fettnäpfchenführer Indien

Подняться наверх