Читать книгу Mamma mia! Tagebuch einer Schwangerschaft - Karin Milles - Страница 11
Freitag
ОглавлениеDraußen brennt die Mittelmeersonne. Hier drinnen ist es trotzdem ziemlich kühl. Gottlob. Kühl und trotz der weißen Wände den ganzen Tag dämmerig, weil die Fenster klein sind und die Jalousie an der Terrassentür heruntergelassen ist. H. ist mit dem Moped unterwegs, bestimmt irgendwo oben in den Bergen. Ich bleibe heute zu Hause, ich will nur schlafen. Und Tagebuch schreiben – dabei klären sich die Gedanken. Ich komme mir vor wie ein lungenkranker Aristokrat in einem englischen Roman, wie ich mit dem Stift in der Hand keuchend auf dem Bett liege.
In meinem Kopf drehen sich jede Menge Gedanken und verlangen Aufmerksamkeit. Negative Gedanken. Ich denke darüber nach, wie sich die Beziehung zwischen H. und mir verändern wird, wenn wir ein Kind haben. Es geht uns jetzt so gut. Gestern Nachmittag waren wir mit dem Moped unterwegs. Unsere Karte stimmte überhaupt nicht, und wir hatten uns verfahren. Bald gab es keine Straßen mehr, sondern nur noch Schotterpfade, die sich in den Bergen verliefen. Wir mussten dauernd absteigen und das Moped bei glühender Hitze mühsam durch dorniges Gestrüpp zurückschieben. Als unsere Wasserflaschen fast leer waren und das Benzin zur Neige ging, fanden wir ein kleines Restaurant. Wir bestellten griechischen Salat und Joghurt mit Honig und Früchten. Der Hintern tat uns weh, und wir waren todmüde, aber es war ein Abenteuer. Und ich dachte, wie schön, dass gerade wir beide ein Kind bekommen, weil wir so gern zusammen sind. Aber werden wir auch noch Spaß miteinander haben, wenn das Kind da ist? Können wir uns in den Bergen verfahren, wenn das Baby Hunger hat oder die Windel voll ist? Wird unsere Beziehung es überhaupt überleben? Ich meine, was man so hört, ist nicht besonders ermutigend.
Offenbar stirbt zuallererst das Sexleben. Was bei uns schon geschehen ist. Wir haben hier unten erst einmal Sex gehabt. Und das war auch nicht so besonders. H. hatte Angst, dem Baby zu schaden, obwohl wir gelesen hatten, dass es nicht gefährlich ist. Und für mich war es, als ob ich den Geschlechtstrieb irgendwie abgeschaltet hätte, mein Unterleib ist mit etwas anderem beschäftigt. Ich mag noch nicht einmal an Sex denken. Die Rolle der Schwangeren und werdenden Mutter kollidiert mit der Rolle der Liebhaberin. Sex kommt mir irgendwie merkwürdig vor oder vielleicht sogar verboten. Es klingt total idiotisch, aber so kommt es mir vor.
Und das ist das Ende unserer Beziehung. Auch wenn mir für den Moment nichts fehlen wird bei meiner selbstzufriedenen und asexuellen Mütterlichkeit, wird H. enttäuscht sein, dass ich mich verändert habe und nicht mehr die klasse Frau bin, die ich bisher war, sondern plötzlich im geblümten Kleid und mit Babyspucke auf der Schulter dastehe und von einem Fest als Erste nach Hause will. Natürlich wird er mich verlassen.
Und wenn er mich nicht verlässt, weil ich keinen Sex-Appeal mehr habe, verlasse ich ihn, weil er mein Vertrauen verloren hat. Denn offenbar hat trotz des ganzen Geredes über Gleichstellung die Frau zu Hause die Hauptlast zu tragen. Im Flugzeug hierher saß ich neben einer Frau und ihrer zweijährigen Tochter. Sie war frisch geschieden und erzählte, sie habe es so satt gehabt, zu Hause alles machen zu müssen und sich außerdem ständig mit ihrem Mann herumzustreiten. Sie fand, da kann sie sich auch scheiden lassen, dann braucht sie sich wenigstens nicht mehr zu streiten. Ich verstehe sie, ich würde das auch nicht ertragen.
Ich habe neulich im Radio gehört, dass nur 10 Prozent der schwedischen Väter den Elternurlaub in Anspruch nehmen, und das vor allem vor oder nach den Ferien. Warum sind die Menschen nur so konservativ? Haben sie das ganze letzte Jahrhundert verschlafen? Immer noch sind viele der Meinung, dass Mutterschaft in der umsorgenden Verantwortung besteht und Vaterschaft in der ökonomischen. Obwohl wir heute doch wissen, wohin das führt. Die Frau kümmert sich um Haus und Kinder, der Mann geht arbeiten. Die Frau arbeitet immer weniger, damit sie Zeit hat, die Kinder in den Kindergarten zu bringen und abzuholen und sich um kranke Kinder zu kümmern, während der Mann immer mehr arbeitet, um die Hypothek für das Reihenhaus und die Raten für den Volvo-Kombi bezahlen zu können. Die Frau wird sauer, weil ihre Arbeit langweilig und perspektivlos ist, er wird sauer, weil er immer nur arbeiten muss. Und wenn die Kinder so groß sind, dass die Eltern einander am Küchentisch wieder wahrnehmen, stellen sie fest, dass sie keine Gemeinsamkeiten mehr haben, und lassen sich mit großem Trara scheiden. Sie ist verbittert, denn weil sein Gehalt und seine Karriere den ökonomischen Standard des kleinen Glücks gesichert haben, muss sie das Haus im Grünen verlassen und in eine kleine Wohnung ziehen, obwohl sie genauso viel gerackert hat wie er. Und er ist traurig, weil er merkt, dass sie den emotionalen Standard des kleinen Glücks gesichert hat, denn er hat sich zwar in all den Jahren für sie abgeschuftet, aber er kann die Kinder nicht trösten, wenn ihnen etwas zustößt.
H. und ich brauchen uns auch gar nicht in die Brust werfen, weil wir im Moment in unserem Zusammenleben ziemlich gleichberechtigt sind. Alle Untersuchungen zeigen, dass mit der Geburt des ersten Kindes alles kippt und traditionell wird, egal wie toll es vorher gewesen ist. Ich will nicht, dass es so kommt. Ich will kein Kind. Verdammt.
Es ist beängstigend, dass ich nur Probleme sehe. Man könnte fast glauben, ich will gar nicht schwanger sein. Aber ich habe immer Kinder gewollt! Ich habe nur Angst vor dieser «Kinderwelt» – geblümtes Kleid, Gesprächsthema Windeln und Die-Kinder-bedeuten-mir-jetzt-alles. Das wird mich wahnsinnig machen, daran werde ich mich nicht gewöhnen können. Und wenn ich mich daran gewöhne, werde ich deshalb wahnsinnig werden.