Читать книгу Mamma mia! Tagebuch einer Schwangerschaft - Karin Milles - Страница 16
Оглавление9. Woche
Der Schwanz des Embryos bildet sich zurück. Jetzt beginnt sich die Entwicklung der Geschlechtsorgane zu differenzieren, je nachdem ob es ein Mädchen oder ein Junge wird.
Die Gemütsverfassung der werdenden Mutter kann stark schwanken – sie ist entweder unglaublich glücklich oder schrecklich niedergeschlagen und nervös. Sie kann auch Bauchschmerzen bekommen, weil die Gebärmutter wächst – wenn es sehr wehtut, muss sie sich an ihre Ärztin wenden.
Montag
Wir machen Fotos vom Bauch. H. fotografiert mich jede Woche einmal von der Seite, damit man sehen kann, wie der Bauch wächst. Noch sieht man nichts, finden wir.
Die Ferien sind zu Ende, und ich sitze wieder an meinem Computer und meiner Doktorarbeit. Mir ist immer noch so übel. Wie soll ich dieses Jahr nur mit der Arbeit weiterkommen?
Ich freue mich, die Kollegen nach den Ferien wiederzusehen, und finde es schade, dass ich es nicht gleich allen erzählen kann. Zwei Kolleginnen habe ich es erzählt – Lotta, die im Zimmer neben mir sitzt und deren Baby jeden Tag kommen kann, und Gunilla. Lotta hat fast geweint, so sehr hat sie sich gefreut. Sie ist glücklich, endlich eine Gleichgesinnte zu haben, mit der sie reden kann. Mit etwas Glück sind wir noch eine kurze Zeit gleichzeitig im Mutterschutz. Gunilla habe ich es erzählt, weil ich weiß, dass sie auch schwanger werden will. Ich konnte es also nicht für mich behalten, als wir uns sahen. Und da stellte sich heraus, dass es bei ihr auch geklappt hat. Jetzt sind drei Frauen auf unserem Flur schwanger.
Die anderen wissen nichts, und das ist blöd. Nicht für sie, für mich. Es ist irgendwie schwierig, überhaupt mit ihnen zu reden, wenn man das Wichtigste nicht erzählen kann. Die Antwort auf die Frage, was während des Sommers so passiert ist, ist ja notwendigerweise unehrlich, wenn ich nicht erzählen kann, dass ich schwanger geworden bin. Ganz egal, was sonst noch passiert ist, dies ist das Wesentliche und hat auf alle anderen Ereignisse abgefärbt – die Griechenlandreise war bestimmt von meiner Übelkeit, der Aufenthalt in Värmland von meiner Müdigkeit. Weil ich den Mund nicht aufmachen kann, ohne zu lügen, bin ich sehr schweigsam, wenn ich mit den Kollegen in der Teeküche sitze.
Vielleicht empfindet man werdende Mütter deshalb als in sich gekehrt. In mehreren Schwangerschaftsbüchern habe ich gelesen, dass das von den Schwangerschaftshormonen kommt und «weil die Natur es so wunderbar eingerichtet hat, dass die Frau sich auf die Mutterschaft vorbereitet». Ich glaube allerdings eher, dass man introvertiert wird, weil einem übel und man ständig müde ist und sich nicht bei einem Glas Bier entspannen kann. Außerdem hat man niemanden, mit dem man über das reden könnte, was einen am meisten interessiert. Wenn ich zusammen mit den Kollegen beim Kaffee sitze, bin ich total schweigsam, aber wenn Lotta, Gunilla und ich zusammen Mittag essen, sind wir keineswegs introvertiert, wir reden stundenlang über unsere Bäuche.
Im Übrigen verstehe ich nicht, wieso Introvertiertheit auf die Mutterschaft vorbereiten soll. Inwiefern ist die Mutterschaft eine nach innen gewandte Tätigkeit? Ist es nicht vielmehr extrem nach außen gerichtet und sozial, wenn man vierundzwanzig Stunden am Tag mit einem Baby zusammen ist? Oder werden Babys etwa nicht zu den Menschen gerechnet?
Und noch etwas: Welchem Kind nützt es, wenn die Mutter unsozial ist? Einmal muss das Kind das Gefühl bekommen, das Zusammensein mit ihm sei ziemlich öde, und außerdem ist eine Mutter, die immer allein in der Ecke sitzt, ziemlich kontraproduktiv. Wie soll sie da das Essen für sich und ihr Kleines beschaffen oder nett zu ihrem Mann sein, damit er es tut?
Introvertiertheit war noch nie eine Überlebensstrategie, weder heute noch zur Zeit der Höhlenmenschen. Ich finde es ziemlich pseudowissenschaftlich, wenn man sagt, dass «die Natur etwas so wunderbar eingerichtet hat». Als ob alles in der Natur einen Sinn hätte. Das ist, als wollte man Darwin vergessen und zur Schöpfungsgeschichte zurückkehren.
Im Übrigen habe ich Verstopfung, und daran sind auch die Schwangerschaftshormone schuld, so steht es zumindest in den Büchern. So prima geplant kann das wohl alles nicht sein, oder? Bereitet die Verstopfung mich etwa auf die Mutterschaft vor, indem sie mich zur Geduld zwingt? Natürlich ist die Natur phantastisch, und natürlich ist jede Schwangerschaft ein Wunder, aber wir leben wirklich nicht in der besten aller Welten, und nicht alles ist göttlich vorherbestimmt.
Dienstag
Mir ist die ganze Zeit übel, aber ich muss mich nicht übergeben. Gestern Morgen habe ich in der Dusche gekniet und wollte nur noch sterben. Manchmal macht es mich wahnsinnig, dass diese Übelkeit überhaupt nicht aufhört – mir ist praktisch immer übel, wenn ich wach bin. Bei der Arbeit bekomme ich auch nicht viel zustande, ich sitze meistens nur da und keuche vor mich hin.
Aber manchmal, da hört es für kurze Zeit auf. Und dann spüre ich die Vorahnung einer wunderbaren Energie. Gunilla, die schon ein Kind hat und also eine ganze Menge weiß, sagt, dass die Übelkeit ungefähr in der sechzehnten Woche aufhört. Die Zeit danach nennt man «die hundert glücklichen Tage». Da ist einem nicht mehr übel, die Gefahr einer Fehlgeburt ist so gut wie vorbei, und der Bauch ist noch nicht so groß, dass er stört. Mein Gott, wie ich mich danach sehne!
Gunilla hat auch ein bisschen erzählt, wie es ist, ein Kind zu haben, und ich habe verstanden, dass ich bald in eine fremde Welt eintreten werde. Bevölkert von allmächtigen Ärzten, Kindergärtnerinnen und Leuten von der Krankenkasse. Man spricht über Wundsalbe, geht zu pädagogischen Versammlungen und füllt Formulare aus. Und das völlig unabhängig davon, welche Gesellschaft und welche Aktivitäten man in seinem bisherigen Leben bevorzugt hat.
Gar nicht zu reden von den Babysachen, die man kaufen muss. Alles in fröhlichen Farben und mit Teddys drauf. Diese süßen Motive und weichen Farben scheinen ganz eigenen ästhetischen Regeln zu folgen und keinerlei Beziehungen zur übrigen Design- und Modeszene zu haben. Warum können Designer sich nicht mit der Gestaltung von Babysitzen und Kinderwagenbezügen beschäftigen, genau wie mit Gardinen und Käsemessern? Warum muss die Wohnung, die man als erwachsener Mensch so mühsam nach dem eigenen Geschmack eingerichtet hat, in dem Moment, wo man ein Kind bekommt, von einer Armada hellblauer Teddys zerstört werden?
Mittwoch
Es ist merkwürdig, aber ich denke selten darüber nach, dass da ein werdendes Kind in meinem Bauch ist. Dass ich «ein Kind bekomme». Ich denke eher, dass ich «schwanger» bin. Dieser Zustand nimmt meine Sinne schon genug in Anspruch – das heißt, ich bin vor allem mit mir und meinen Beschwerden beschäftigt.
Samstag
Ich habe festgestellt, dass es mir besser geht, wenn ich etwas unternehme oder mit Menschen zusammen bin, die mich ablenken. Gestern hatte ich beides – ich war auf einem Polterabend. Die Übelkeit kam und ging während des Tages, es war aber nicht so schlimm, wie wenn ich allein bin, am Computer sitze oder auf dem Sofa liege und lese.
Ich hatte ein bisschen Angst vor dem Essen am Abend. Ich hätte die Neuigkeit am liebsten noch ein paar Wochen zurückgehalten. Vielleicht bin ich ein bisschen abergläubisch, weil ich denke, es geht etwas schief, wenn ich es erzähle. Aber als die künftige Braut fragte, warum ich keinen Wein trinke, fand ich es albern zu lügen. Natürlich passiert nichts, nur weil ich es erzähle!
Fia freute sich so sehr und umarmte mich. Es ist schön, dass alle sich so freuen. Ich schäme mich ein bisschen, weil ich mich nie so gefreut habe, wenn andere erzählten, dass sie schwanger sind. Anstatt mich über das Glück der anderen zu freuen, habe ich über mein eigenes nachgedacht. Will ich Kinder haben, kann ich Kinder bekommen?
Der Gedanke ans Kinderkriegen begleitet mich schon lange, auf jeden Fall seit der Teenagerzeit. Damals habe ich mich vor allem danach gesehnt, jemanden zu finden, der mit mir ein Kind haben will. Das wäre der Beweis dafür gewesen, wirklich geliebt zu werden. Gottlob wollte es keiner. Dann kam eine lange Zeit, wo ich mir nur sehr schwer vorstellen konnte, ein Kind zu bekommen. Nicht dass ich überhaupt keins wollte, nur nicht gerade jetzt. Es kam mir so anstrengend vor. Man wäre angebunden, könnte nicht auf Feste gehen, morgens ausschlafen oder einfach drei B-Movies hintereinander anschauen. Alles Dinge, die das Leben lebenswert machen. Es war ein Dilemma, ich wusste schließlich, dass man nicht ewig warten kann mit dem Schwangerwerden, aber ich wollte meine Freiheit nicht opfern.
Doch die Zeit verging, wir waren auf vielen Festen gewesen, hatten oft genug morgens ausgeschlafen, und beim 26. Teil von Star Trek Voyager machte sich das Gefühl breit, dass es vielleicht doch nicht so schlimm wäre, diese Freiheit aufzugeben. Ein Gefühl des Gesättigtseins, als ob ich noch etwas anderes im Leben wollte. Ich war jetzt mental vorbereitet, ein Kind zu bekommen. Aber es mussten noch andere Dinge bedacht werden: H. musste auch Kinder wollen – er wollte manchmal. Es musste mit dem Job passen – das tat es selten. Die Finanzen mussten es zulassen – die taten es nie. Vieles musste zusammenpassen, manches, worauf ich keinen Einfluss hatte, was aber doch wichtig war. Deshalb bekam ich eher Angst, wenn ich hörte, dass jemand anders ein Kind bekam. Und ich gratulierte bestimmt nicht besonders herzlich, anstatt mich zu freuen, dass eine Mitschwester ihre Wahl getroffen hatte.
Die zukünftige Braut auf dem Polterabend hatte eine einjährige Tochter, und wir sprachen über Schwangerschaft und Kinder, so unter Müttern. Als ich ihr erzählte, dass ich es nicht begreifen könne, dass da ein Kind in meinem Bauch ist, beruhigte sie mich und sagte, sie hätte es auch nicht verstanden, nicht einmal, als das Kind schon geboren war.