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Dienstag

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Ich bin jetzt in Griechenland. Wir hatten uns Sonne und Ferien vorgestellt, aber ich liege nur auf dem Bett, und mir ist übel. Draußen in der gnadenlosen Sonne zirpen die Zikaden. Es ist sehr heiß, über dreißig Grad. Ich weiß nicht, ob es die Hitze ist oder das Warme im Bauch. Aber H. geht es prima, er fährt mit dem Moped spazieren.

Ich spüre die Schwangerschaft überall. Die Brüste spannen, viel mehr als sonst vor der Menstruation. Ich muss sogar auf dem Rücken schlafen, weil es so wehtut, auf ihnen zu liegen. Wenn ich pinkeln muss, dauert es ewig, als ob etwas im Weg wäre. Und der Bauch fühlt sich an wie aufgebläht, wie nach einem zu reichlichen Essen. Aber ich möchte ihn nicht einziehen, ich sorge mich um das Kleine, Warme.

Ich habe mich schrecklich geärgert, als ich hörte, wie eine Kollegin eine schwangere Frau ermahnte, sich in den Ferien nur ja zu schonen. «Schone dich und lass es dir gut gehen, du musst überhaupt nichts, nur ausruhen.» Ich verstehe nicht, warum die Schwangerschaft für Frauen als Grund herhalten muss, es sich gut gehen zu lassen. Warum werden nicht alle und immer ermahnt, sich nicht zu überarbeiten und sich auszuruhen? Warum darf man nur, wenn man schwanger ist, sorgsam mit sich selbst umgehen, also wenn man die Verantwortung für ein anderes kleines Leben hat? Ist das eigene Leben das nicht auch wert?

Ich denke jetzt allerdings, dass es stimmt. Auch wenn mein Leben im Prinzip genauso viel wert ist wie das des Babys, kann ich sorgsam mit mir umgehen oder auch nicht, und das ist dann meine Entscheidung. Aber das Baby hat nicht entschieden zu entstehen, und es kann auch nicht entscheiden, wie es leben will. Deshalb habe ich die Verantwortung, dass es ihm gut geht. Blöd, dass ich nicht mehr unabhängig bin und machen kann, was ich will, saufen oder mich prügeln ... alles, was ich jetzt tue, hat Rückwirkungen auf ein anderes Leben, und ich muss mich entsprechend verhalten.

Ich darf also keinen Alkohol mehr trinken, ausgerechnet hier, wo er so billig ist! Ich frage mich wirklich, wie ich es schaffen soll, neun lange Monate auch auf das allerkleinste Gläschen zu verzichten. Ich brauche ja keine großen Mengen, schon ein Glas genügt, aber Alkohol ruft einfach diese außergewöhnlichen Gefühle hervor. Natürlich kommt man durch Fallschirmspringen, null Fehler in der Prüfung und Sich-Verlieben in den gleichen Rausch – aber es ist viel einfacher, ein oder zwei Gläser Wein zu trinken. Zumal in den Ferien. Ich erinnere mich an unsere Hochzeitsreise vor vier Jahren, da sind wir auch nach Griechenland gefahren. Wir saßen an der Bar und tranken lustige Drinks mit kleinen Schirmchen und redeten über das Leben. Das ist dieses Mal anders. H. kippt einen Schirmchen-Drink nach dem anderen, und ich sitze daneben mit einem Glas Eiskaffee und versuche, nicht neidisch zu sein. Er bekommt zwar auch ein Kind, muss aber deswegen in den Ferien nicht Abstinenzler werden.

Streng genommen bin ich auch keine Abstinenzlerin. Wir haben im Tax-free-Shop eine halbe Flasche Champagner gekauft, und ich habe gestern Abend auf unserer kleinen Veranda ein Glas getrunken. Nur ein Glas, aber immerhin. Früher, zum Beispiel als ich im Bauch meiner Mutter war, nahm man es nicht so genau mit Schwangerschaft und Alkohol. In unserem Familienalbum gibt es ein sehr schönes Bild: Meine Mutter balanciert ein Weinglas auf dem Bauch, in dem ich bin. Und ich bin ja ganz gut geraten. Aber ich habe ein wenig ein schlechtes Gewissen, dass ich es nicht schaffe, mich zu opfern und für das Wohl meines Babys auf ein Glas Champagner zu verzichten. Ich sollte vielleicht nicht Mutter werden, wenn ich so egoistisch bin? Wer weiß, wie wunderbar das Baby ohne den Champagner geworden wäre? Und falls etwas schief geht, wüsste ich wenigstens, dass ich nicht schuld bin.

Andererseits ist es blöd, so eine große Geschichte daraus zu machen. Es ist überhaupt nicht sicher, dass alles gut läuft, nur weil ich keinen Alkohol trinke, es gibt tausend Dinge, die das Kind schädigen können. Die Mütter der Contergankinder glaubten, es sei ungefährlich, die Schmerztabletten zu nehmen. Was halten wir heute für ungefährlich? Wenn man nur an all die Chemikalien und Pflanzenschutzmittel denkt, die ich vermutlich in mich aufnehme, wenn ich nur die Luft einatme oder eine Orange esse. H. hat ein erschreckend wirksames Mückenspray mit einem langen Warnhinweis auf Griechisch gekauft. Ich lege mich unter ein Handtuch, wenn er es versprüht, aber es bleibt sicher etwas im Zimmer zurück. Vielleicht ist es supergiftig für kleine Embryos, wer weiß?

Vielleicht erkennt man erst, wenn man schwanger ist, wie viel Gefährliches es in der Welt gibt. Da ist das mit dem Alkohol eher eine Kleinigkeit – auf den kann man schließlich verzichten. Die anderen gefährlichen Sachen sind viel schlimmer, weil man ihnen nicht ausweichen kann, sie sind überall, wie Abgase und Gift im Essen.

Gar nicht zu reden von allen möglichen gefährlichen Dingen, die man so tut. Gestern haben wir am Nachmittag einen längeren Ausflug gemacht. Ganz oben im Norden der Insel gibt es eine Landzunge, die Sapphos Klippe heißt und wo sich die griechische Dichterin der Legende nach wegen einer unglücklichen Liebesgeschichte ins Meer gestürzt hat. Dort fuhren wir hin. Die ganze Insel ist sehr mopedfreundlich, mit breiten, frisch asphaltierten Straßen, aber ausgerechnet bis zu Sapphos Klippe war die Zivilisation noch nicht vorgedrungen, und wir holperten auf einer staubigen, steinigen Straße vorwärts. Wir machten unsere Scherze und sagten, das Baby würde «geschüttelt, nicht gerührt». Aber im Innersten hatte ich Angst. Kommt jetzt alles an den falschen Platz – die Arme an den Kopf und das Ohr auf die Nase? Andererseits, Menschen sind auch früher Moped gefahren, wenn sie schwanger waren, oder? Es hat keinen Sinn, sich zu viele Sorgen zu machen, man muss einfach akzeptieren, dass man nicht alles unter Kontrolle hat.

Mamma mia! Tagebuch einer Schwangerschaft

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