Читать книгу Herr Erlings Magd - Karl Friedrich Kurz - Страница 12

Ein Tannenbaum

Оглавление

Liebe — das ist die Wunderblume des Lebens.

Nicht jedem ist das hohe Glück beschieden, diese Blume zu finden. Herr Erling suchte sie nicht. Es ist sinnlos, dieses Glück zu suchen.

In den Wochen des isländischen Geschäfts verfiel er nicht auf unnütze Einfälle, sondern liess das Geschick walten. Nach dem gewaltigen Erfolge aber dachte er nach über das Leben und Treiben auf Kongshaugen und kam bald dahinter, dass die Zustände noch nicht völlig in Ordnung waren. Er konnte die Befürchtung nicht loswerden, dass Bertina eines Tages nicht mehr durch seine Zimmer gehen würde. Jederzeit konnte sie Kongshaugen verlassen, die Seidengewänder und den Goldschmuck von sich ablegen und aus dem Hause hinausgleiten. „Und dann würde ich ohne sie dastehn“, sagte Herr Erling zu sich selber; und er war sicher, dass ihm dies wenig Freude bereiten würde. Aber es gab doch nur ein einziges Mittel, Bertina festzuhalten.

„Alles ist so gut an dir, Bertina, dass es gar nicht besser sein könnte“, begann er listig. „Nur ein Ding musst du dir noch einmal überlegen ...“

Da er schwieg, hob Bertina ihre dunklen langen Wimpern und forschte in seinem Gesicht.

„Du weisst schon, was ich meine ... Es ist meine Meinung, dass wir hinfort leben sollten wie gesetzliche Eheleute, mit Papieren und allem.“

Bertina hob ihre Wimpern noch höher und fragte: „Warum drängen Sie darauf. Ist es denn nicht gut so, wie es ist?“

„Doch freilich. Aber verstehst du denn nicht, dass es deinetwegen ist?“

Darauf erwiderte sie: „Ich habe Ihnen mein Herz geschenkt; mehr habe ich nicht zu geben.“

Er machte einen letzten Versuch: „Du bist gottlos, Bertina.“

„Gott ist überall“, sagte sie und senkte den Kopf.

Und so führte also auch diese Unterredung zu nichts. In dieser Beziehung blieb Bertina unbeugsam. Doch als sie Herrn Erling so niedergeschlagen sah, wollte sie ihn trösten. „Mir geht es gut auf Kongshaugen. Ich habe alles, was ich brauche, ja, ich habe mehr, als ich brauche ... Das Leben auf Mykja war manchmal hart ...“

„Mykja und alles, was dort hinten liegt, sollst du vergessen. Wir beide wollen jetzt ein neues Leben beginnen.“

„Niemand kann seiner Vergangenheit entfliehen“, sagte dieses merkwürdige Mädchen.

Darauf ging Herr Erling wieder mit sorgenvoller Miene umher; es bedrückte ihn sehr, dass Bertina nur immer geben und nie nehmen wollte.

„Hast du denn gar keinen Wunsch, den ich dir erfüllen könnte?“ fragte er. „Du weisst es wohl nicht; aber durch dich bin ich von Grund aus verändert worden. Ohne dich wäre das isländische Geschäft niemals zustande gekommen.“

Sie hatte keinen Wunsch und war übermenschlich gross in ihrer Demut. Sicherlich meinten sie das, was sie sagten; ehrliche Naturen waren sie alle beide. Nur verstanden sie einander nicht recht. Doch als Bertina Herrn Erlings Betrübnis gewahrte, tat er ihr leid, und sie lenkte ein. „Wenn es Ihnen so grosse Freude macht, mir etwas zu schenken, dann könnte es vielleicht Höjen sein.“

Betroffen hob er den Kopf: „Die Hütte von Höjen — aber Liebste ...“

Wer weiss, diese Bertina war möglicherweise gar nicht so unwissend in irdischen Dingen; immerhin mochte es auch nur ein reiner Zufall sein; jedoch Höjen stellte zu dieser Zeit den einzigen völlig unverpfändeten Besitz Herrn Erlings dar.

Denn Höjen war ein längst vergessener Winkel zuoberst im Mykjatal, eine Jagdhütte, die vor vielen Jahren der selige Herr Nikolaj erbaute und niemals benutzte. Wollte man es genau nehmen, so war Höjen immerhin etwas mehr als eine gewöhnliche Hütte; eine geräumige Stube, eine Küche, zwei Kammern, der Keller. In Wirklichkeit ein hübsches Häuschen in altnordischem Stil, ein Torfdach mit hohem Giebel und geschnitzte Drachenköpfe auf jedem Ende des Firstbalkens. Rund ums Häuschen ein Stück Land, ein Stück Wald, eingezäunt mit hohem Steinwall.

Der selige Herr Nikolaj erstellte es in den Zeiten der Üppigkeit, als er sich vor lauter Überfluss kaum mehr rühren konnte. Er, der vielleicht aus niederm Volke kam, liebte es vor aller Welt Pracht und Macht zu entfalten.

„Wie in des Herrn Namen, kommst du nur auf Höjen?“ fragte Herr Erling.

„Es liegt so schön in der Abendsonne. Es liegt so warm am Waldrand ... Ost stand ich und schaute hinüber, wenn ich im Sommer die Kühe auf der Weide suchte ...“

„Weniger kann ich wirklich nicht für dich tun“, sagte Herr Erling und liess sogleich den Vogt kommen. So und so — es sollte ein bündiger Vertrag werden, ein Papier, das stand für alle Zeiten.

„Wir wollen es eine Vergabung nennen“, meinte der Vogt.

„Hm — eigentlich meinte ich es nicht so. Aber nennen Sie es, wie Sie wollen, wenn nur das Papier gut wird.“

„Jawohl, ich verstehe“, nickte der Vogt gefällig. „Doch um es in jeder Weise rechtsgültig zu machen, müssten wir eigentlich heutigen Datos ein Inventar vom Gesamtbesitz aufnehmen.“

„Ist das unerlässlich?“ fragte ungeduldig Herr Erling.

„Das Gesetz fordert es.“

Übrigens hatte Herr Erling diese Inventaraufnahme keineswegs zu scheuen. Kongshaugen stand wieder auf guten Füssen. Einige Schulden blieben ja auch nach dem isländischen Glückstreffen zurück, das versteht sich; doch sie hatten nicht gar viel zu bedeuten gegen den ungeheuren Besitz.

Höjen hatte in jenen Tagen nur geringen Wert. Denn es gab längst keine so übermässig reichen Leute mehr in dieser Gegend, keine Matadoren und Grossmillionäre, die unbedingt eine unnütze Jagdhütte brauchten. Selbstverständlich wollte Herr Erling nicht nur das nackte, kahle Häuslein geben, nein, er wollte es gleich mit Möbeln und aller Welt Kostbarkeiten anfüllen. „Das dürfen Sie nicht tun!“ rief Bertina entsetzt.

„Aber Liebe, du musst doch anständig wohnen und deine Bequemlichkeit haben.“

„Wenn ich auf Höjen wohnen soll, muss alles so sein, dass es zu mir passt.“

Darüber schüttelte Herr Erling wieder seinen Kopf, mit dem er so gar wenig begreifen konnte. „Und nun wundere ich mich bloss, was du mit Höjen eigentlich beginnen willst“, sagte er halb im Scherz.

Bertinas Antwort stimmte ihn nachdenklich. Sie meinte, auf Höjen liesse sich gut ausruhn. „In späteren Tagen“, sagte Bertina mit gesenktem Blick.

„Ha, dieses wird niemals der Fall sein“, entgegnete Herr Erling zuversichtlich.

Bertina schaute ihn lächelnd an und schwieg.

Sie hatte wohl eine geheime Absicht mit Höjen — wer kann das wissen?

Die Tage kamen und gingen. Der Winter zog ins Land, mit Dunkelheit und endlosen Stürmen. Auf Kongshaugen gab es jetzt wieder grosse Dienerschaft und ein reiches Leben. In der Julzeit sollte im Saal ein Tannenbaum stehn. Früher gab es auf Kongshaugen keinen Christbaum. Es war Bertinas Wunsch. Sie selber holte den Baum; sie nahm den Knecht Magnus mit nach Höjen und wählte eine junge Tanne aus. Doch durfte die Tanne nicht gefällt werden, sondern sie musste sorgfältig mit der Wurzel ausgegraben und in einen grossen Kübel gepflanzt werden.

Wunderliche Einfälle hatte sie, Bertina. Sie wollte keinen toten Baum mit Lichtern schmücken, nein, ein lebender Baum sollte ihr zum Feste leuchten. „Und er soll wieder zurück nach Höjen“, sagte sie. „Neben der Haustür auf Höjen soll er weiterwachsen ...“

„Ich will dir“, sagte Herr Erling, „zehntausend junge Tannen auf Höjen anpflanzen lassen. Zum mindesten solltest du eine Allee haben vom Steinwall bis zum Haus ...“

Bertina lachte. „Immer müssen Sie unmässig sein ... Was soll ich mit zehntausend Bäumen?“ Und darauf schmückte sie den einen Baum.

Herr Erling gewöhnte sich mit der Zeit an Bertinas Einfälle. Er trug eine gesegnete Wärme in seinem Herzen. Als der Baum mit seinen kleinen, gelben Lichtern flackerte und strahlte und Bertina daneben stand, weiss gekleidet wie eine Winterfee, durchströmte ihn ein ungeahntes Glücksgefühl. Das war gleich einem urwaldtiefen Zurücksinken in eine vergessene Zeit. In seinem Blute wachte die Erinnerung auf an Julfeste, die einst seine Vorfahren feierten und Odin und Thor und Fröy opferten. Nicht der Christbaum mit seinen freundlichen Lichtern ergriff Herrn Erling, sondern das, was vordem gewesen. In seinen Adern floss echtes Wikingerblut — das mochte es wohl sein, was ihn von der weissen Fee trennte.

In jeder Beziehung hatte Herr Erling noch die wilde und unbändige Natur seiner Väter. Er liebte das Abenteuer, das hohe Spiel mit der Gefahr, das fröhliche Schaukeln auf gierigen Wellenkämmen.

Herr Erlings Magd

Подняться наверх