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Autun nahm die Fäden in seine Hand

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Am andern Morgen schon nahm der alte Kontorist Autun alle Fäden in seine Hände. Er löste den grossen schlimmen Wechsel ein, schrieb scharfe Mahnbriefe, kündigte Verträge und trieb ausstehende Gelder ein. Von Kongshaugen herunter fegte ein kalter Wind und schreckte die Leute auf. „Was ist denn los?“ wunderten sich die Leute und kamen aufs Kontor. Dort begegneten sie Autuns Stahlblick. „Er hat über Nacht seinen Verstand vollständig verloren“, meinten die Leute und fürchteten sich.

Autun verjagte die überflüssigen Diener und Lediggänger von Kongshaugen, machte keine Umschweife, zahlte ein Monatsgehalt und fertig. Der alte Kontorist fiel über Kongshaugen wie das Fegefeuer, hielt grossen Gerichtstag und Reinigung. Oh, wie die Leute sich fürchteten vor dem umgewandelten Autun, der bis dahin ungefährlich und gegen jedermann gefällig gewesen, der bis dahin im Schatten wandelte und nichts bedeutete im festlichen Getriebe.

Überraschend trat Autun aus dem Schatten hervor und schwang seine Rute. Er verkaufte Herrn Erlings weisse Reitpferde ohne Mitleid. Als Hausknecht blieb nur noch Magnus zurück, ein ernster Mann, der gleich Autun auf Kongshaugen aufgewachsen und alt geworden und nichts anderes von dieser Welt kannte.

Es steckte aber doch noch ein letztes Fünklein Erbarmen in Autuns Herzen, obschon er mit verkniffenem Gesicht hinter seinen Büchern sass. Herr Erling kam ins Kontor und stellte ein paar Fragen; mit einemmal stutzte er und lauschte zum Fenster hinaus: „Hörst du es auch? Es wiehert im Stall ...“ Aber er beherrscht sich schnell und fragt: „Sollten das vielleicht schon die neuen Kühe sein?“ Und er zwinkert mit den Augen.

Autun beugte sich noch tiefer über seine Papiere. „Wir müssen zuerst den Stall umbauen“, meinte er.

Und dann war es also wirklich Jarl, der kluge, lebhafte Jarl, der allein zurückgeblieben war und seines Herrn Stimme hörte. Aber Herrn Erlings Mundwinkel zuckten; er wollte sich nicht zuerst züchtigen und hinterher beschenken lassen. „Weshalb die unnötigen Gefühle, Autun? Lass Jarl nur fahren. Lass ihn mit allem anderen fahren ...“

„Magnus meint, Jarl würde vor dem Wagen gehen.“

„Jarl?“

„Er will morgen versuchen, ihn einzuspannen. Darum wollen wir Jarl neben den beiden Ackerpferden behalten.“

Kleine, unschuldige Lügen alles. Die Sache verhielt sich anders. Der Knecht Magnus hatte schon an diesem Morgen den feurigen Jarl in die Deichsel gespannt. Aber es brach sogleich ein schreckhaftes Unwetter los, es krachte, und Splitter flogen nach allen Seiten. Nein, es mochte ziemlich schwer fallen, Jarl ins Arbeitsgeschirr zu zwingen, denn der Schöpfer aller Dinge hatte ihn nicht dazu erschaffen.

Der alte Autun log nicht oft, und darum log er schlecht. Da aber Herr Erling sich entschlossen hatte, diesen Kampf als Mann zu bestehn, nahm er sich vor, Jarl nicht mehr zu besteigen. Der Sohn des mächtigen Nikolaj war durchaus kein Kujon und Feigling, sondern hinter seinem glatten Gesicht barg sich ein harter Wille. Es war wohl nicht einmal seine Schuld, dass alles ein wenig schief ging. Bis zu diesem Tage wurde er gar unmässig vom Glück verwöhnt. Ei, nun biss er die Zähne aufeinander. Seinem Benehmen konnte man nichts anmerken; jedoch die Veränderungen auf Kongshaugen lasteten schwer auf ihm.

Der Diener John war schon abgereist ... Das ging Knall und Fall. Autuns Verfügungen trafen alle auf einmal; es waren Blitze aus blauem Himmel; es wurde eine Sonnenfinsternis ...

Der unnahbar würdige Mann John mit seinen angegrauten Bärtchen vor den Ohren ward fortgeblasen. John, der leiser als irgendein sterblicher Mensch durch die Räume auf Kongshaugen schwebte, er, der ohne Worte die leisesten Wünsche seines Herrn erriet; der Diener John, der jeden Herrn durch seine blosse Gegenwart erhöhte. „All right“, sagte John nur, als er auf dem Kontor seinen Abschied erhielt, und nahm mit einer Verbeugung das letzte Monatsgehalt in Empfang. Kein Murren, keine Frage, nicht der leiseste Schimmer von Unwillen. John hatte ebenso gute Rasse wie der Hengst Jarl.

Als John das Postschiff bestieg, trug er in der Hand einen Koffer aus echtem Schweinsleder und auf dem Kopf einen steifen schwarzen Hut. Mit John verschwand viel Vornehmheit von Kongshaugen.

Die jungen hübschen Mädchen hingegen beherrschten sich weniger; sie liessen warme Tränen aus ihren Augen fallen und vermochten ihre innern Gefühle und Regungen keineswegs im Zaum zu halten. Heissblütig, wie sie waren, lehnten sie sich auf gegen den alten Kontoristen und das harte Geschick; denn es gefiel ihnen allzu gut auf Kongshaugen. Ohne Scheu zeigten sie Autun ihren Unwillen, machten böse Gesichter und respektierten ihn nicht. Seht, die jungen Mägde beugten sich nicht unter Autuns Kommando, denn sie kannten doch noch sehr wenig vom Leben, und sie wollten so gerne lachen und lustig sein. „Wir werden Sie bei Herrn Erling verklagen“, riefen sie drohend. „Wir glauben Ihnen kein einziges Wort, alter Autun!“ riefen sie empört und machten Revolution.

Jedoch Autun hatte plötzlich auch den Mädchen gegenüber eine neue und unfreundliche Art angenommen; er beharrte darauf, seinen Willen durchzusetzen. Er überhörte alle Einwände und zählte das Geld auf den Tisch. Als die Mädchen in heisser Erregung bei Herrn Erling selber anklopften, fanden sie nichts als verschlossene Türen.

Nun gingen sie, so schwer es ihnen auch immer fallen mochte, und fügten sich ins Unvermeidliche. Mit ihnen zog die letzte Freude und Fröhlichkeit fort von Kongshaugen.

Auf Kongshaugen wurde es mit einem Schlage grauenhaft still und stumm. Rief die Köchin ausnahmsweise ein lautes Wort, hallte es so düster und drohend durch das weite Haus, dass sie ob ihrer eigenen Stimme erschrak.

Ja, das wurde eine harte Prüfung für Herrn Erling. Er selber nahm die vielen grossen Schlüssel zur Hand; damit schloss er alle Türen des neuen Flügels ab. Aber das, was vom Hause übrigblieb, war immer noch viel zuviel für die paar armen Menschen. Darum gab Herr Erling dem Knechte Magnus Befehl, die Aufgänge zum ersten Stock zu verrammeln und zu vernageln.

Nun sah es fast so aus, als sei Kongshaugen müde geworden vom Aufstieg und überdrüssig der glänzenden Feste, als wolle das Haus die Augen schliessen und sich zum Sterben rüsten.

Ein paar Wochen gingen in frommer Ruhe und strenger Enthaltsamkeit. Mehr und mehr verhärtete Herr Erling seine Seele und legte sein Jünglingsgesicht in scharfe Falten; sein Mund wurde ein schmaler Strich. Des Morgens in aller Frühe schon widmete er sich den Geschäften, unterstützte mit Eifer seinen getreuen Kontoristen beim Aufspüren neuer Mittel und Wege, das havarierte Schiff wieder flott zu bringen. Kongshaugen sollte um jeden Preis gerettet werden. „Wir müssen wieder mit dem Fischhandel beginnen. Was meinst du, Autun?“

Fischhandel? Autun riet vorläufig davon ab. Die Verhältnisse auf dem Weltmarkt erschienen ihm unsicher.

Aber Herr Erling, jung und feurig, wollte fest zugreifen. Das sachte, bedächtige Abwarten und Ausharren fiel ihm besonders schwer. Ihm schien es besser, das Glück zu erjagen. Das Abenteuer mit dem Meer lag auch ihm im Blute, wie allen Menschen, die an dieser einsamen Küste leben ... Ohne Unterlass steigt und fällt das grosse Wasser und ist unmässig im Nehmen und im Geben ...

Mit milder Geduld und Würde hörte Autun seines Herrn drängende Worte, wiegte seinen kleinen Kopf und sagte weder geradezu ja noch nein. Doch handelte er hernach nach eigenem Gutdünken.

Autun liess zwei Heringsnetze instand setzen, nahm es ernst und äusserst wichtig; warb Mannschaft unter der alten Garde, alles verständige, zuverlässige Männer ...

„Zwei Heringsnetze ...“, sagte Herr Erling voll Hohn und Bitterkeit zu sich selber.

Ein paar offene Boote, eine Handvoll alter Fischer — welch kläglicher Versuch ... Glaubte Autun wirklich, damit Kongshaugen wieder in die Höhe zu bringen? — Was wohl der selige Herr Nikolaj zu solchem Anfang sagen würde?

„Dampfer und Aufkäufer auf den Lofoten“, sagte dagegen Herr Erling. „Aufkäufer in Island, Welthandel ... Gott verzeihe dir, guter, allzu weiser Autun ... Was kann Grosses hereinkommen mit ein paar elenden Netzen?“

„Ohne genügend Kapital kann man so etwas nicht wagen“, sagte Autun bündig. „Schritt um Schritt, heisst es jetzt.“

Dies und jenes dachte Herr Erling bei sich selber; seine Kräfte waren noch unverbraucht. Aber sein Herz blieb dennoch voll Dankbarkeit. Sie waren doch gar zu ungleiche Naturen, der alte Autun und sein Herr. So verschieden waren sie wie Wasser und Feuer.

Einst legte Herr Erling aus purem Unverstande den Betrieb nieder; und da legte er ihn auf einmal ganz nieder. Nun aber, da er aus seinem Traum aufgeschreckt worden, raste er förmlich von Auftrieb und kühnen Entschlüssen. Er zählte zwanzig und einige Winter; Autun aber zählte mehr als siebzig Winter. Und dennoch war es Autun und kein anderer, der das Verhängnis über Kongshaugen herbeirief.

Er forderte von Asbjörn, dem Pächter von Mykja, die schuldigen Pachtschillinge. Auf diese Weise kam Bertina nach Kongshaugen.

Herr Erlings Magd

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