Читать книгу Gesammelte Western-Romane und Erzählungen - Karl May - Страница 7

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»Ja. Wo werdet Ihr nun ein anderes Pferd herbekommen?« fragte ich.

»Das ist mein geringster Kummer. Ich fange mir eins, wenn ich mich nicht irre.«

»Einen Mustang?«

»Ja. Die Büffel sind da; sie haben ihre Wanderung nach Süden angetreten; da werden sich auch bald die Mustangs sehen lassen; ich kenne das.«

»Darf ich dabei sein, wenn Ihr Euch einen fangt?«

»Natürlich. Ihr müßt auch das kennen lernen. Doch kommt jetzt. Wir wollen uns den alten Bullen ansehen. Vielleicht lebt er noch. Solche Methusalems pflegen ein außerordentlich zähes Leben zu haben.«

Wir gingen hin. Das Tier war tot. Jetzt, da es still dalag, konnte man die kolossalen Formen noch besser mit den Augen messen als vorher. Sam ließ seine Augen zwischen dem Bullen und mir hin und her gehen, zog ein ganz unbeschreibliches Gesicht, schüttelte den Kopf und meinte:

»Es ist unerklärlich, ganz und gar unerklärlich! Wißt Ihr denn, wo Ihr ihn getroffen habt?«

»Nun, wo?«

»Grad an der richtigen Stelle. Es ist ein uralter Kerl, und ich hätte es mir gewiß vorher zehnmal überlegt, ehe ich so verwegen gewesen wäre, mit ihm anzubinden. Wißt Ihr, was Ihr seid, Sir?«

»Was?«

»Der leichtsinnigste Mensch, den es gibt.«

»Oho!«

»Ja, der leichtsinnigste Mensch, den es auf Erden geben kann.«

»Leichtsinn ist mein Fehler nie gewesen.«

»So habt Ihr Euch jetzt mit ihm befreundet. Verstanden! Ich hatte Euch doch befohlen, Eure Hände von den Büffeln zu lassen und in den Büschen stecken zu bleiben. Warum habt Ihr mir nicht gehorcht?«

»Weiß es selber nicht.«

»So! Ihr tut etwas, ohne den Grund davon zu kennen. Ist denn das nicht leichtsinnig?«

»Glaube nicht. Es wird wohl ein triftiger Grund vorhanden gewesen sein.«

»So müßtet Ihr ihn kennen!«

»Vielleicht ist’s der, daß Ihr mir einen Befehl erteilt habt, und ich lasse mir nichts befehlen.«

»So! Wenn man es gut mit Euch meint und Euch vor einer Gefahr warnt, so seid Ihr nun erst recht so obstinat, Euch in dieselbe zu werfen?«

»Ich bin nicht nach dem Westen gekommen, um den Gefahren, welche es da gibt, auszuweichen.«

»Ganz gut. Aber Ihr seid noch ein Greenhorn und habt Euch in acht zu nehmen. Und wenn Ihr mir nicht folgen wolltet, warum habt Ihr Euch da grad an dieses Riesenvieh und nicht an eine Kuh gemacht?«

»Weil es ritterlicher war.«

»Ritterlicher! Dieses Greenhorn will den Ritter spielen, wenn ich mich nicht irre, hihihihi!«

Er lachte, daß er sich den Bauch halten mußte, und fuhr dann, noch immer lachend, fort:

»Wenn Ihr es Euch wirklich in den Kopf gesetzt habt, als Ritter aufzutreten, so spielt den Ritter Toggenburg, aber keinen andern. Zu einem Bayard oder Roland fehlt Euch das Zeug. Verliebt Euch in eine Büffelkuh und setzt Euch täglich in die Abendsonne, um zu warten,

“bis die Liebliche sich zeigt

und ins Tal herniederneigt.”

Und sogar auch dann könnt Ihr eines Abends als Leiche dasitzen und von den Coyoten und Aasgeiern aufgefressen werden. Wenn ein richtiger Westmann etwas tut, so fragt er nicht, ob es ritterlich, sondern ob es nützlich für ihn ist.«

»Das ist doch hier der Fall.«

»Hier? Wie so?«

»Ich wählte den Büffel, weil er viel, viel mehr Fleisch hat, als eine Kuh.«

Er sah mir einen Augenblick lang verständnislos in das Gesicht und rief dann aus:

»Viel mehr Fleisch? Dieser junge Mann hier hat den Bullen des Fleisches wegen geschossen, hihihihi! Ich glaube gar, Ihr habt an meinem Mute gezweifelt, weil ich es nur auf eine Kuh absah?«

»Das nicht, obgleich ich es für mutiger hielt, sich ein starkes Tier auszuwählen.«

»Und Bullenfleisch zu essen? Was seid Ihr doch für ein ausnehmend kluger Mensch, Sir! Dieser Bulle hat sicher seine achtzehn bis zwanzig Jahre auf dem Rücken; er besteht aus einem Felle und vielen Knochen und Flechsen und Sehnen. Und das Fleisch, welches er dabei hat, ist nicht mehr Fleisch zu nennen, denn es ist so hart wie gegerbtes Leder, und wenn Ihr es tagelang bratet oder kocht, so könnt Ihr es doch nicht kauen. Jeder erfahrene Westmann zieht eine Kuh dem Ochsen vor, weil ihr Fleisch zarter und saftiger ist. Da seht Ihr nun wieder, was für ein Greenhorn Ihr seid. Ich hatte keine Zeit, auf Euch aufzupassen. Wie hat sich denn Euer leichtsinniger Angriff auf den Büffel abgespielt?«

Ich erzählte es ihm. Als ich fertig war, maß er mich mit großen Augen, schüttelte abermals den Kopf und forderte mich auf:

»Geht da hinunter, und holt Euer Pferd! Wir brauchen es, denn es soll das Fleisch tragen, welches wir mitnehmen werden.«

Ich folgte dieser Aufforderung. Aufrichtig gestanden, fühlte ich mich enttäuscht über sein Verhalten. Er hatte meine Darstellung angehört, ohne dann auch nur ein Wort zu sagen. Ich glaubte aber, eine, wenn auch noch so kleine Anerkennung erwarten zu dürfen. Anstatt dessen sagte er gar nichts, sondern schickte mich fort, mein Pferd zu holen. Ich war ihm trotzdem nicht bös, denn ich bin niemals ein Mensch gewesen, der um des Lobes willen etwas tut.

Als ich das Pferd brachte, kniete Sam bei der von ihm erlegten Büffelkuh, hatte von dem einen Hinterschenkel kunstgerecht das Fell entfernt und schälte nun die Lende heraus.

»So,« sagte er; »das gibt für heut abend einen Braten, wie wir lange Zeit keinen gegessen haben. Diese Lende laden wir mit dem Sattel und dem Zaume auf Euer Pferd. Sie ist bloß für mich, Euch, Will und Dick. Wenn die Andern auch etwas haben wollen, so mögen sie hierher reiten und sich die Kuh holen.«

»Wenn sie nicht inzwischen von Aasvögeln und andern wilden Tieren weggefressen wird.«

»So? Wie klug Ihr da wieder seid! Es versteht sich ganz von selbst, daß wir sie mit Zweigen bedecken und dann Steine darauf legen. Es müßte schon ein Bär oder ein anderes großes Raubtier sein, das nachher dazu könnte.«

Ich schnitt also starke Zweige aus dem nahen Gebüsch und holte schwere Steine herbei. Wir bedeckten die Kuh damit und beluden dann mein Pferd. Dabei erkundigte ich mich:

»Was wird denn mit dem Bullen?«

»Mit dem? Was soll aus ihm werden?«

»Können wir denn nichts von ihm brauchen?«

»Gar nichts.«

»Auch nicht das Leder?«

»Seid Ihr ein Lohgerber? Ich bin keiner!«

»Ich habe aber doch gelesen, daß die Häute der erlegten Büffel in sogenannten Caches versteckt und aufgehoben werden!«

»So, das habt Ihr gelesen? Na, wenn Ihr es gelesen habt, so muß es ja wahr sein, denn alles, was man über den wilden Westen liest, ist wahr, ganz außerordentlich wahr, ganz unumstößlich wahr, hihihihi! Es gibt allerdings Westmänner, welche die Tiere um der Felle willen erlegen; ich habe es auch schon getan; aber jetzt gehören wir nicht dazu und werden uns hüten, uns mit dieser schweren Haut zu schleppen.«

Wir brachen auf und kamen, obgleich wir laufen mußten, schon nach einer halben Stunde im Lager an, denn weiter war dieses nicht von dem Tale entfernt, in welchem ich meinen ersten oder vielmehr meine zwei ersten Büffel erlegt hatte.

Daß wir zu Fuße kamen und Sams Pferd nicht mitbrachten, erregte Aufsehen. Wir wurden nach der Ursache gefragt.

»Haben Büffel gejagt, und mein Pferd ist dabei von einem Bullen aufgeschlitzt worden,« antwortete Sam Hawkens.

»Büffel gejagt, Büffel, Büffel, Büffel!« erklang es aus aller Mund. »Wo denn, wo?«

»Eine kleine halbe Stunde von hier. Haben uns die Lende mitgebracht; könnt euch das übrige holen.«

»Das werden wir; ja, das werden wir,« rief Rattler, welcher so tat, als ob zwischen ihm und mir nichts vorgefallen sei. »Wo ist der Ort?«

»Reitet auf unserer Fährte zurück, so werdet ihr ihn finden; habt ja Augen genug, wenn ich mich nicht irre.«

»Wieviel Stück sind es denn gewesen?«

»Zwanzig.«

»Und wieviel habt ihr denn erlegt?«

»Eine Kuh.«

»Bloß? Wo sind die andern hin?«

»Fort. Könnt sie euch suchen. Habe mich nicht darum gekümmert, wohin sie spazieren wollten, und sie auch nicht danach gefragt, hihihihi!«

»Aber bloß eine Kuh! Zwei Jäger und von zwanzig Büffels nur einen zu schießen!« meinte Einer in geringschätzigem Tone.

»Macht es besser, wenn Ihr könnt, Sir! Ihr hättet sie wahrscheinlich alle zwanzig erlegt und auch noch einige mehr. Ihr werdet übrigens, wenn Ihr hinkommt, noch zwei alte, zwanzigjährige Bullen sehen, auf welche hier dieser junge Gentleman geschossen hat.«

»Bullen, alte Bullen!« rief es rundum. »Auf zwanzigjährige Bullen zu schießen, welch ein Greenhorn gehört dazu, eine solche Dummheit zu begehen!«

»Lacht ihn meinetwegen aus, Mesch’schurs; aber seht euch die Bullen nachher an! Ich sage euch, daß er mir dadurch das Leben gerettet hat.«

»Das Leben? Wieso?«

Sie waren begierig, das Abenteuer erzählt zu bekommen; er aber wies sie zurück:

»Habe keine Lust, darüber jetzt zu reden. Laßt es euch von ihm selbst erzählen, wenn ihr es für klug haltet, euch das Fleisch erst dann zu holen, wenn es dunkel geworden ist.«

Er hatte recht. Die Sonne hatte sich geneigt, und in kurzer Zeit mußte es Abend werden. Da sie sich übrigens sagen konnten, daß ich erst recht keine Lust haben würde, den Erzähler zu machen, so stiegen sie auf ihre Pferde und ritten alle fort. Ich sage, alle, denn keiner wollte zurückbleiben. Sie trauten einander nicht. Bei anständigen Jägern und da, wo ein freundschaftliches Verhältnis vorliegt, gehört jedes Wild, welches von einem Mitgliede erlegt wird, den Andern auch; dieser Gemeinsinn war aber bei diesen Leuten nicht vorhanden. Als sie zurückkamen, hörte ich dann auch, daß sie sich wie Wilde auf die Kuh geworfen hatten, und jeder war unter Zanken und Fluchen bemüht gewesen, sich mit dem Messer ein möglichst großes und gutes Fleischstück herunterzureißen.

Als sie fort waren, luden wir die Lende und den Sattel von meinem Pferde und ich führte dieses zur Seite, um es abzuzäumen und dann anzupflocken. Ich nahm mir dabei Zeit, wodurch Sam Gelegenheit fand, unser Abenteuer Parker und Stone zu erzählen. Sie standen so, daß das Zelt zwischen ihnen und mir lag und sie mich also nicht sahen, als ich mich ihnen wieder näherte. Schon war ich beinahe an das Zelt gekommen, da hörte ich Sam sagen:

»Könnt mir’s glauben; es ist so, wie ich sage: Nimmt der Kerl grad den größten und stärksten Bullen an und schießt ihn nieder wie ein alter, erfahrener Büffeljäger! Hab’ freilich getan, als ob ich es für Leichtsinn hielte, und habe ihn gehörig ausgescholten; aber ich weiß, woran ich mit ihm bin.«

»Ich auch,« stimmte Stone bei. »Es wird ein tüchtiger Westmann aus ihm werden.«

»Und zwar sehr bald,« hörte ich Parker sagen.

»Yes,« bestätigte Hawkens. »Wißt ihr, Gents, er ist dazu geboren, wahrhaftig und ganz regelrecht dazu geboren. Und dabei die Körperkraft! Hat er nicht gestern unsern schweren Ochsenwagen fortgezogen, ganz allein und ohne daß ihm dabei jemand geholfen hat? Wo der hinhaut, da wächst jahrelang kein Gras. Aber, wollt ihr mir eins versprechen?«

»Was?« fragte Parker.

»Laßt’s ihn nicht wissen, wie wir von ihm denken.«

»Warum nicht?«

»Weil es ihm in den Kopf steigen könnte.«

»O nein!«

»O doch! Er ist ein ganz bescheidener Kerl und gar nicht zum Hochmut angelegt; aber es ist stets ein Fehler, wenn man einen Menschen lobt; man kann den besten Charakter damit verderben. Könnt ihn also getrost Greenhorn nennen; er ist ja auch wirklich eins, denn wenn er auch alle Eigenschaften besitzt, welche ein tüchtiger Westmann haben muß, so sind sie doch noch nicht ausgebildet, und er muß noch viel erfahren und sich noch viel üben.«

»Hast du dich denn dafür bedankt, daß er dir das Leben gerettet hat?«

»Ist mir nicht eingefallen!«

»Nicht? Was muß er da von dir denken!«

»Ist mir ganz egal, was er von mir denkt, vollständig egal, wenn ich mich nicht irre. Natürlich hält er mich für einen unverständigen und undankbaren Halunken; aber das ist Nebensache; die Hauptsache ist, daß er sich nicht überhebt, sondern so bleibt, wie er ist. Hätte ihn freilich am liebsten umarmen und küssen mögen.«

»Fi!« rief Stone aus. »Dich küssen! Das Umärmeln könnte man noch riskieren, aber küssen, nein!«

»So? Etwa nicht? Warum?« fragte Sam.

»Warum? Hast du denn noch nicht einen Spiegel in der Hand gehabt oder in einem klaren Wasser dein holdes Konterfei gesehen? Dieses Gesicht, dieser Bart und diese Nase! Mensch, wer auf den unsinnigen Gedanken kommen könnte, seine Lippen dahin zu plazieren, wo man die deinigen zu suchen hat, der hat entweder den Sonnenstich oder der Verstand ist ihm eingefroren.«

»So! Ah! Hm! Das klingt ja recht freundschaftlich von dir. Bin also ein häßlicher Kerl! Wofür hältst du denn dich? Etwa für einen schönen Menschen? Das laß dir ja nicht einfallen! Ich gebe dir mein Wort, wenn wir beide uns an einer Schönheitskonkurrenz beteiligen wollten, so würde ich den ersten Preis erhalten; du aber bekämst eine Niete, hihihihi! Aber das gehört nicht hierher. Wir sprachen von unserm Greenhorn. Ich habe mich nicht bei ihm bedankt und werde es auch nicht tun; aber wenn nachher unsere Lende gebraten ist, soll er das beste und saftigste Stück bekommen; ich schneide es ihm selbst herab; er hat es verdient. Und wißt ihr, was ich morgen mache?«

»Was?« fragte Stone.

»Ihm eine große Freude.«

»Womit?«

»Er soll einen Mustang fangen dürfen.«

»Du willst auf Mustangs gehen?«

»Ja. Ich muß doch ein neues Pferd haben. Du borgst mir das deinige zur Jagd. Da sich heut die Büffel gezeigt haben, werden auch die Mustangs kommen. Ich denke, daß ich nur nach der Prairie hinunter zu reiten brauche, wo wir noch vorgestern die Bahn abgesteckt und vermessen haben. Dort muß es Mustangs geben, sobald diese wilden Pferde hier in dieser Breite angekommen sind.«

Ich lauschte nicht weiter, sondern ging wieder zurück und durch ein Buschwerk, um mich den drei Jägern von einer andern Seite zu nähern. Sie durften nicht erfahren, daß ich gehört hatte, was ich doch nicht hören sollte.

Es wurde ein Feuer angebrannt, neben welchem zwei Gabeläste in die Erde gesteckt wurden. Sie gaben die Unterlage für den Bratspieß, der aus einem starken, geraden Aste bestand. Die drei befestigten an ihm die ganze Lende, und dann begann Sam Hawkens den Spieß langsam und mit künstlerischem Verständnisse zu drehen. Das wonnevolle Gesicht, welches er dabei machte, machte mir heimlich Spaß.

Als die Andern mit dem Fleische zurückkehrten, folgten sie unserm Beispiele, indem sie sich auch einige Feuer anbrannten. Freilich ging es da bei ihnen nicht so ruhig und friedlich her wie bei uns. Da jeder für sich braten wollte, so mangelte es an Platz, und die Folge war, daß sie ihre Portionen halb roh verzehrten.

Ich bekam wirklich das beste Stück; es mochte drei Pfund wiegen, und ich aß es auf. Man halte mich ja nicht infolgedessen für einen Vielesser; ich habe im Gegenteile immer weniger gegessen als Andere, die sich in meinen Verhältnissen befanden; aber es ist für Einen, der es nicht weiß oder nicht selbst erlebt und mitgemacht hat, kaum zu glauben, was für Fleischmengen ein Westmann zu sich nehmen kann und auch zu sich nehmen muß, wenn er bestehen will.

Der Mensch braucht zu seiner Ernährung außer den anorganischen Stoffen eine gewisse Menge von Eiweiß und von Kohlenstoff und vermag sich beides gar wohl in der richtigen Mischung zu verschaffen, wenn er in einer zivilisierten Gegend lebt. Der Westmann, welcher viele Monate lang in keine bewohnte Gegend kommt oder kam, lebte nur vom Fleische, welches wenig Kohlenstoff enthält; er mußte also große Portionen essen, um seinem Körper die notwendige Menge Kohlenstoff zuzuführen. Daß er dabei unnötig viel Eiweiß genoß, welches seiner Ernährung nicht zugute kam, mußte ihm gleichgültig sein. Ich habe einen alten Trapper acht Pfund Fleisch auf einmal essen sehen, und als ich ihn dann fragte, ob er satt sei, antwortete er schmunzelnd:

»Muß es wohl sein, denn ich habe nicht mehr; wenn Ihr mir aber ein Stück von dem Euren geben wollt, so sollt Ihr nicht ewig zu warten brauchen, bis Ihr es nicht mehr seht.«

Während des Essens unterhielten sich unsere »Westmänner« von unserer Büffeljagd. Sie hatten, wie ich hörte, als sie die beiden Bullen sahen, denn doch einen andern Begriff von der »Dummheit« erhalten, die ich begangen haben sollte.

Am andern Morgen tat ich, als ob ich an die Arbeit gehen wolle; da kam Sam zu mir und sagte:

»Laßt Eure Instrumente nur immer liegen, Sir; es gibt etwas zu tun, was interessanter ist.«

»Was?«

»Werdet es erfahren. Macht Euer Pferd fertig; wir reiten aus.«

»Spazieren? Da geht die Arbeit vor!«

»Pshaw! Habt Euch genug geplagt. Ich denke übrigens, daß wir schon zu Mittag zurück sein werden. Dann könnt Ihr meinetwegen messen und rechnen, so viel Ihr wollt.«

Ich machte Bancroft die nötige Mitteilung, und dann ritten wir fort. Sam tat unterwegs sehr geheimnisvoll, und ich sagte ihm nicht, daß ich seine Absicht bereits kannte. Der Ritt ging auf der von uns vermessenen Strecke zurück, bis wir die Prairie erreichten, welche Sam gestern bezeichnet hatte.

Sie war wohl zwei englische Meilen breit und doppelt so lang und wurde von bewaldeten Höhen umrandet. Da sie von einem ziemlich breiten Bach durchflossen wurde, gab es Feuchtigkeit genug und infolgedessen einen saftigen Graswuchs. Im Norden konnte man zwischen zwei Bergen hervor auf diese Prairie gelangen, und im Süden endete sie in einem Tale, welches nach dieser Richtung weiterführte. Als wir hier angelangt waren, blieb Hawkens halten und überflog die Ebene mit einem forschenden Blicke; dann ritten wir weiter, nordwärts und am Bache hin. Plötzlich stieß er einen Ruf aus, parierte sein Pferd, welches freilich nicht das seinige, sondern ein geborgtes war, stieg ab, sprang über den Bach und ging auf eine Stelle zu, wo das Gras niedergetreten war. Er untersuchte den Ort, kam zurück, stieg wieder in den Sattel und ritt weiter, doch nicht wie bisher in nördlicher Richtung, sondern er bog von dieser in einem rechten Winkel ab, so daß wir nach kurzer Zeit den westlichen Rand der Prairie erreichten. Hier stieg er wieder ab und ließ sein Pferd grasen, band es aber sorgfältig an. Seit er die Spur untersucht hatte, war kein Wort aus seinem Munde gekommen, aber über sein bärtiges Gesicht war der Ausdruck der Zufriedenheit ausgebreitet wie Sonnenschein über eine waldige Gegend. Jetzt forderte er mich auf:

»Steigt auch ab, Sir, und bindet Euer Pferd fest an! Wir werden hier warten.«

»Warum fest anbinden?« fragte ich, obgleich ich es recht gut wußte.

»Weil Ihr es sonst leicht verlieren könntet. Habe wiederholt gesehen, daß die Pferde bei solchen Gelegenheiten durchgegangen sind.«

»Was für Gelegenheiten?«

»Ahnt Ihr das nicht?«

»Hm!«

»Ratet einmal!«

»Mustangs?«

»Wie kommt Ihr darauf?« fragte er, indem er mich rasch und verwundert anblickte.

»Weil ich es gelesen habe.«

»Was?«

»Daß die zahmen Pferde, wenn sie nicht fest angebunden werden, gern mit den wilden Mustangs durchgehen.«

»Hol Euch der Teufel! Alles habt Ihr gelesen, und da ist es nicht gut möglich, Euch zu überraschen. Da lobe ich mir die Leute, welche gar nicht lesen können!«

»Wollt Ihr mich überraschen?«

»Natürlich.«

»Mit einer Mustangjagd?«

»Ja.«

»Das würde nicht gut möglich sein. Eine Überraschung setzt doch voraus, daß man nicht vorher unterrichtet ist; Ihr aber hättet es mir, ehe die Pferde kommen, sagen müssen.«

»Das ist richtig, hm! Also hört, die Mustangs sind schon dagewesen.«

»War das vorhin ihre Spur?«

»Ja; sie sind gestern hier durch. Es war ein Vortrab, wißt Ihr, so die Kundschafter. Ich muß Euch nämlich sagen, daß diese Tiere ungeheuer klug sind. Sie senden immer kleine Trupps voraus und nach den Seiten. Sie haben ihre Offiziere, grad wie das Militär, und der Hauptanführer ist stets ein erfahrener, starker und mutiger Hengst. Mögen sie weiden oder sich in Bewegung befinden, stets wird die Peripherie der Herde von den Hengsten gebildet; dann folgen nach innen die Stuten, und ganz in der Mitte befinden sich die Jungen. Dies geschieht darum, daß die Hengste die Stuten und Füllen verteidigen können. Ich habe Euch schon wiederholt beschrieben, wie man einen Mustang mit dem Lasso fängt. Habt Ihr es Euch gemerkt?«

»Selbstverständlich.«

»Habt Ihr Lust, einen zu fangen?«

»Ja.«

»Dann werdet Ihr heute vormittag Gelegenheit dazu finden, Sir.«

»Danke! Ich werde sie nicht benutzen.«

»Nicht? All devils! Warum nicht?«

»Weil ich kein Pferd brauche.«

»Aber, ein Westmann fragt doch nicht danach, ob er ein Pferd braucht oder nicht!«

»Dann ist er keineswegs so, wie ich mir einen braven Westmann vorstelle.«

»Wie soll er denn sein?«

»Ihr habt gestern von Aasjägern gesprochen, von Weißen, welche die Büffel in Masse töten, ohne daß sie ihr Fleisch brauchen. Ich halte das für eine Versündigung an den Tieren und an den roten Menschen, denen dadurch Ihre Nahrung geraubt wird. Ihr doch auch?«

»Freilich!«

»Grad so ist’s auch mit den Pferden. Ich mag keinem dieser herrlichen Mustangs die Freiheit rauben, ohne mich damit entschuldigen zu können, daß ich ein Pferd brauche.«

»Das ist brav gedacht, Sir, sehr brav. Grad so, wie Ihr denkt und redet, muß jeder Mensch und Christ denken, reden und handeln. Aber wer hat denn gesagt, daß Ihr einem Mustang die Freiheit rauben sollt? Ihr habt Euch im Werfen des Lasso geübt und sollt nur die Probe machen. Ich will sehen, ob Ihr Euer Examen besteht. Verstanden?«

»Das ist etwas Anderes; ja, da mache ich mit.«

»Schön! Bei mir handelt es sich freilich um den Ernst. Ich brauche ein Pferd und werde mir eins holen. Ich habe es Euch schon oft gesagt und sage es Euch jetzt wieder: Sitzt ja recht fest im Sattel, und stemmt Euer Pferd gut ein in dem Augenblicke, an welchem sich der Lasso straff zieht und der Ruck erfolgt. Wenn Ihr das nicht tut, werdet Ihr umgerissen, und der Mustang rennt davon und zieht Euer Pferd am Lasso mit sich fort. Dann habt Ihr kein Pferd mehr und seid ein gemeiner Infanterist, so wie ich jetzt einer bin.«

Er wollte weiter sprechen, hielt aber inne und deutete mit der Hand nach den bereits erwähnten beiden Bergen am Nordende der Prairie. Dort erschien ein Pferd, ein einzelnes, lediges Pferd. Es lief langsam und ohne zu grasen vorwärts, warf den Kopf bald auf diese, bald auf jene Seite und sog die Luft durch die Nüstern ein.

»Seht Ihr es?« flüsterte Sam. Er sprach vor Erregung nicht laut, sondern leise, obwohl das Pferd uns unmöglich hätte hören können. »Habe ich es nicht gesagt, daß sie kommen! Das ist der Späher, welcher vorausgesprungen ist, um zu sehen, ob die Gegend sicher ist. Ein schlauer Hengst. Wie er nach allen Richtungen äugt und windet! Uns bekommt er nicht weg, denn wir haben den Wind im Gesicht; ich habe deshalb diese Stelle gewählt.«

Jetzt schlug der Mustang einen Trab ein; er rannte geradeaus, dann nach rechts, hierauf nach links, warf sich schließlich herum und verschwand da, wo wir ihn hatten erscheinen sehen.

»Habt Ihr ihn beobachtet?« fragte Sam. »Wie klug er sich benimmt und jeden Busch zur Deckung benutzt hat, um nicht gesehen zu werden! Ein indianischer Späher kann es kaum besser machen.«

»Das ist richtig. Ich bin ganz erstaunt darüber.«

»Nun ist er zurück, um seinem vierbeinigen Generale zu melden, daß die Luft rein ist. Sollen sich aber getäuscht haben, hihihihi! Ich wette, in höchstens zehn Minuten sind sie da; paßt einmal auf. Wißt Ihr, wie wir es machen?«

»Nun?«

»Ihr reitet jetzt schnell bis an den Ausgang der Prairie zurück und wartet dort. Ich aber reite bis in die Nähe des Einganges hinunter und verstecke mich dort im Walde. Kommt die Herde, so lasse ich sie vorüber und jage dann hinter ihr her. Sie wird zu Euch hinauf fliehen; dann laßt Ihr Euch sehen, und da flieht sie wieder zurück. So treiben wir sie zwischen uns hin und her, bis wir uns die zwei besten Pferde ausgewählt haben; die fangen wir; ich lese mir da wieder das beste aus, und das andere lassen wir laufen. Seid Ihr einverstanden?«

»Wie könnt Ihr so fragen! Ich verstehe ja gar nichts von der Pferdejagd, in welcher Ihr jedenfalls ein Meister seid, und habe mich also ganz nach Euren Anordnungen zu verhalten.«

»Well, habt recht. Habe schon manchen wilden Mustang unter mir gehabt und ihn bezwungen und kann wohl behaupten, daß Ihr mit dem “Meister” nichts Dummes gesagt habt. Also, macht Euch davon, sonst vergeht die Zeit und wir sind dann nicht an Ort und Stelle.«

Wir stiegen wieder auf und ritten auseinander, er nordwärts und ich nach Süden, bis dahin, wo wir die Prairie betreten hatten. Da mir mein schwerer Bärentöter bei dem, was wir vorhatten, hinderlich war, hätte ich mich gern einstweilen seiner entledigt; aber ich hatte gelesen und gehört, daß ein vorsichtiger Westmann sich nur dann von seinem Gewehre trennt, wenn er ganz sicher weiß, daß er nichts zu befürchten hat und es also nicht brauchen wird. Dies war aber hier nicht der Fall; es konnte in jedem Augenblick ein Indianer oder gar ein Raubtier erscheinen; darum sorgte ich nur dafür, daß das “alte Gun” fest am Riemen hing und mich nicht schlagen konnte.

Nun wartete ich mit Spannung auf das Erscheinen der Pferde. Ich hielt zwischen den ersten Bäumen des Waldes, an den die Prairie stieß, band das eine Ende des Lasso am Sattelknopfe fest und legte ihn dann in Schlingen so vor mich hin, daß ich ihn nur zu erfassen brauchte.

Das untere Ende der Prairie war so weit von mir entfernt, daß ich die Mustangs, wenn sie dort erschienen, nicht sehen konnte. Sie konnten mir erst dann, wenn Sam sie getrieben brachte, sichtbar werden. Ich war noch keine Viertelstunde am Platze, als ich da unten eine Menge von dunklen Punkten sah, welche sich schnell vergrößerten, indem sie sich aufwärts bewegten. Erst von der Größe von Sperlingen, schienen sie hierauf Katzen, Hunde, Kälber zu sein, bis sie sich so weit genähert hatten, daß ich sie in ihrer wirklichen Größe sah. Es waren die Mustangs, welche im wilden Jagen auf mich zugesprengt kamen.

Welch einen Anblick boten diese herrlichen Tiere! Die Mähnen wehten um die Hälse, und die Schwänze flogen wie Federbüsche im Winde. Es waren höchstens dreihundert Stück, und doch schien die Erde unter ihren Hufen zu zittern. Ein Schimmelhengst flog allen voran, ein prächtiges Tier, welches man sich hätte fangen mögen, aber es wird keinem Prairiejäger einfallen, einen Schimmel zu reiten. So ein helles Tier würde ihn jedem Feinde schon von weitem verraten.

Jetzt war es Zeit, mich ihnen zu zeigen. Ich lenkte unter den Bäumen heraus ins Freie, und die Wirkung trat augenblicklich ein: der führende Schimmel prallte zurück, als ob er eine Kugel in den Leib bekommen habe; die Herde hielt an und stutzte; ein lautes ängstliches Schnauben; dann hieß es: ganze Schwadron kehrt! und, den Schimmel schnell wieder an der jenseitigen Spitze, jagten die Tiere dahin zurück, woher sie gekommen waren.

Ich folgte ihnen langsam; ich hatte keine Eile, denn ich war sicher, daß Sam Hawkens sie mir wieder zutreiben würde. Dabei suchte ich mir einen Umstand zurecht zu legen, welcher mir aufgefallen war. Obgleich nämlich die Pferde nur einen kurzen Augenblick vor mir gehalten hatten, war es mir doch vorgekommen, als ob eins von diesen Tieren kein Pferd, sondern ein Maultier sei. Ich konnte mich zwar irren, aber ich glaube doch, richtig gesehen zu haben. Beim zweitenmal wollte ich besser aufpassen. Dieses Maultier hatte sich in der vordersten Reihe, und zwar gleich hinter dem Leitschimmel befunden; es war also von den Pferden nicht nur als ihresgleichen anerkannt, sondern es besaß sogar einen Rang unter ihnen.

Nach einiger Zeit kam die Herde wieder aufwärts und kehrte bei meinem Anblicke abermals um. Das wiederholte sich noch einmal, und da sah ich, daß ich mich nicht geirrt hatte; es war ein Maultier unter ihnen, ein ziemlich hellbraunes Maultier mit dunklem Rückenstreifen. Es machte auf mich einen höchst vorteilhaften Eindruck und war trotz des großen Kopfes und der langen Ohren doch ein schönes Tier. Maultiere sind genügsamer als Pferde, haben einen viel sicherern Tritt und schwindeln nicht vor Abgründen. Das sind Vorzüge, welche in die Wage fallen. Freilich sind sie auch störrisch. Ich habe Maultiere gesehen, welche sich lieber totprügeln ließen, als daß sie einen Schritt vorwärts gingen, und doch hatte man ihnen gar nichts aufgeladen, und der Weg war prächtig. Sie wollten eben nicht.

Es war mir vorgekommen, als ob dieses Maultier viel Feuer zeige, als ob seine Augen heller glänzten und intelligenter blickten als diejenigen der Pferde, und ich nahm mir vor, es zu fangen. Es war jedenfalls seinem Besitzer beim Vorüberjagen einer wilden Pferdeherde entflohen und dann bei den Mustangs geblieben.

Jetzt brachte Sam den Trupp wieder getrieben. Wir waren einander so nahe gekommen, daß ich ihn sah. Nun konnten die Mustangs weder vor noch zurück; sie brachen nach der Seite aus. Wir folgten ihnen. Die Herde teilte sich, und ich sah, daß das Maultier bei der Hauptabteilung blieb; es jagte jetzt an der Seite des Schimmels dahin; es war ein außerordentlich schnelles und ausdauerndes Tier. Ich hielt mich also zu diesem Trupp, und Sam schien es auch auf denselben abgesehen zu haben.

»In die Mitte nehmen, ich links, Ihr rechts!« rief er mir zu.

Wir gaben unsern Pferden die Sporen und hielten nun nicht nur gleichen Schritt mit den Mustangs, sondern kamen ihnen so schnell näher, daß wir sie eingeholt hatten, noch ehe sie den Wald erreichten. Da hinein gingen sie nicht; sie kehrten also wieder um und wollten zwischen uns durch. Um das zu verhindern, jagten wir schnell aufeinander zu; da stoben sie nach allen Seiten auseinander wie eine Hühnerschar, in welche der Habicht gestoßen ist. Der Schimmel und das Maultier schossen, von den andern abgesondert, zwischen uns hindurch; wir jagten ihnen nach. Dabei rief mir Sam, der seinen Lasso zum Wurfe schon über dem Kopfe wirbelte, zu:

»Wieder Greenhorn! Werdet es auch ewig bleiben!«

»Warum?«

»Weil Ihr nach dem Schimmel trachtet, und das kann doch nur ein Greenhorn tun, hihihihi!«

Ich antwortete ihm, aber er hörte es nicht, weil sein lautes Lachen meine Worte übertönte. Also er dachte, ich hätte es auf den Schimmel abgesehen. Meinetwegen! Ich überließ ihm also das Maultier und lenkte zur Seite, wo die Mustangs nun ängstlich schnaubend und wiehernd regellos durcheinanderjagten. Sam war dem Maultiere so nahe gekommen, daß er den Lasso warf. Die Schlinge fiel richtig; sie legte sich um den Hals des Tieres. Nun mußte Sam anhalten und, wie er mir ja so sorgsam angeraten hatte, sein Pferd nach rückwärts werfen, um den Ruck aushalten zu können, wenn der abgelaufene Lasso sich straff spannte. Er tat dies auch, aber um einen Augenblick zu spät; sein Pferd hatte sich noch nicht umgedreht, noch nicht eingestemmt und wurde von dem gewaltigen Rucke umgerissen. Sam Hawkens flog, einen unendlich brillanten Purzelbaum schlagend, weit durch die Luft und auf die Erde nieder. Das Pferd raffte sich rasch wieder auf und rannte weiter. Dadurch verlor der Lasso die Spannung, und das Maultier, welches festgestanden hatte und nicht umgerissen worden war, bekam Luft; es galoppierte auch fort und riß das Pferd, weil der Lasso am Sattelknopfe befestigt war, über die Prairie dahin.

Ich eilte zu Sam, um nachzusehen, ob er verletzt sei. Er war aufgestanden und rief mir erschrocken zu:

»Alle Wetter! Da reißt mir Dick Stones Gaul mitsamt dem Maultiere aus, ohne auch nur Adieu zu sagen, wenn ich mich nicht irre!«

»Habt Ihr Euch beschädigt?«

»Nein. Steigt schnell ab, und gebt mir Euer Pferd. Ich muß es haben!«

»Wozu?«

»Ich will natürlich den beiden Ausreißern nach. Also steigt schnell herunter!«

»Fällt mir nicht ein! Könntet wieder einen Purzelbaum riskieren, und dann wären alle beide Pferde zum Teufel.«

Bei diesen Worten trieb ich mein Pferd weiter, dem Maultiere nach. Dieses war schon eine bedeutende Strecke fort, kam aber jetzt mit dem Pferde in Konflikt. Dieses wollte hierhin und jenes dorthin, und dadurch hielten sie einander auf, weil sie mit dem Lasso zusammenhingen. Darum holte ich sie bald ein. Es kam mir gar nicht in den Sinn, meinen Lasso zu gebrauchen, sondern ich griff nach dem andern, welcher die beiden Tiere verband, wickelte ihn mir einigemal um die Hand und war nun sicher, das Maultier bändigen zu können. Ich ließ es zunächst weiterlaufen und galoppierte mit den beiden Pferden hinterdrein, zog aber den Riemen nach und nach kräftiger an, so daß die Schlinge sich immer mehr verengte. Dabei konnte ich das Tier ganz leidlich lenken; ich brachte es durch scheinbares Nachgeben soweit, daß es in einem Bogen dahin zurückkehrte, wo Sam Hawkens stand. Dort zog ich die Schlinge plötzlich so stark an, daß dem Maultiere der Hals zugeschnürt wurde; es verlor den Atem und stürzte zu Boden.

»Haltet fest, bis ich den Racker festhabe, und laßt dann los!« rief Sam.

Er sprang hinzu und stellte sich, obgleich das auf dem Boden liegende Tier mit den Beinen um sich schlug, hart neben dasselbe.

»Jetzt!« sagte er.

Ich ließ den Lasso los; das Maultier bekam Luft und sprang auf; ebenso schnell hatte sich Sam auf seinen Rücken geschwungen. Es blieb einige Augenblicke bewegungslos stehen, wie vor Schreck erstarrt; dann aber ging es in die Luft, bald vorn, bald hinten; dann sprang es plötzlich mit allen Vieren auf die Seite, machte einen Katzenbuckel, aber der kleine Sam saß fest.

»Bringt mich nicht herunter!« rief er mir zu. »Jetzt wird es das Letzte versuchen und mit mir davonrasen. Wartet hier auf mich; ich bring es gezähmt zurück!«

Aber da hatte er sich geirrt. Es ging keineswegs mit ihm durch, sondern es warf sich plötzlich nieder und wälzte sich. Es konnte dem kleinen Kerl alle Rippen brechen; er mußte aus dem Sattel. Ich sprang aus dem Sattel, ergriff den am Boden schleifenden Lasso wieder und schlang ihn schnell zweimal um die starke Wurzel eines daneben stehenden Busches.

Da hatte das Maultier seinen Reiter abgestreift und sprang auf. Es wollte fortstürmen, aber die Wurzel hielt fest; der Lasso wurde angespannt und die Schlinge zog sich wieder scharf zusammen; das Tier stürzte abermals nieder.

Sam Hawkens hatte sich auf die Seite retiriert, betastete sich die Rippen und die Schenkel, zog ein Gesicht, als ob er Sauerkraut mit Pflaumenmus gegessen hätte, und sagte:

»Laßt die Bestie laufen; die bändigt kein Mensch, wenn ich mich nicht irre.«

»Das wäre! Möchte mich von keinem Maultiere beschämen lassen, dessen Vater kein Gentleman, sondern ein Esel gewesen ist. Es wird gehorchen müssen. Paßt auf!«

Ich schlang den Lasso von der Wurzel ab und stellte mich mit weit ausgespreizten Beinen über das Tier. Sobald es Luft bekam, sprang es auf. Jetzt kam es vor allen Dingen auf den kräftigsten Schenkeldruck an, und da war ich dem kleinen Sam wohl über. Eine Pferderippe muß sich unter dem Schenkel des Reiters biegen; das drückt die Eingeweide zusammen und macht Todesangst. Während das Maultier dieselben Mittel, mich abzuwerfen, wie vorher bei Sam versuchte, nahm ich den Lasso auf, welcher, vom Halse herabhängend, auf der Erde lag, wand ihn zusammen und faßte ihn dann hart hinter der Schlinge fest. Diese zog ich an, sobald ich bemerkte, daß sich das Tier niederwerfen wollte; durch diese Manipulation und den Schenkeldruck wurde es auf den Beinen gehalten. Es war ein böser Kampf, ich möchte sagen, Kraft gegen Kraft; ich begann aus allen Poren zu schwitzen; aber das Maultier schwitzte noch weit mehr; der Schweiß rann ihm vom Leibe, und vom Maule troff der Schaum in großen Flocken. Seine Bewegungen wurden schwächer und mehr unwillkürlich; sein erst wütendes Schnauben ging in ein kurzes Husten über, dann endlich brach es unter mir zusammen, nicht mit Willen, sondern weil es von seiner letzten Kraft verlassen worden war. Da blieb es bewegungslos und mit verdrehten Augen liegen. Ich holte tief, tief Atem; es war mir, als ob in meinem Körper alle Sehnen und Bänder zerrissen wären.

»Heavens, was seid Ihr für ein Mensch!« rief Sam.

Gesammelte Western-Romane und Erzählungen

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