Читать книгу Zu neugierige Mörder: 9 Krimis - Karl Plepelits - Страница 21

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Die Sonne blinzelte in das kleine Fenster. Ihre Strahlen fielen auf einen Haufen verzweifelter, aufgelöster Menschen.

Linda Rogers atmete schwer.

René wollte ihr eine Injektion verpassen, doch sofort war der Luftpirat Jeff bei ihm und schlug ihm das Etui aus der Hand.

„Hast du noch nicht genug?“, schrie er. „Ich habe dich gewarnt.“

René zuckte erschrocken zurück. Er war bisher gewohnt gewesen, Prügel auszuteilen. Selbst eingesteckt hatte er selten welche. Er konnte sich mit den vertauschten Rollen nicht recht anfreunden und nahm sich schon jetzt vor, jeden Hieb, den er erhalten hatte, seine späteren Opfer büßen zu lassen.

Sein Gesicht sah verquollen aus. Er hasste in diesem Moment Mickey, der ihn zwar bedauernd ansah, dem aber die Schadenfreude aus den Augen blitzte.

„Sie braucht die Injektion, Mister“, murmelte er. „Sie ist krank.“

„Krank? Du wirst auch gleich krank sein, du Mistkerl. Aber unheilbar. Oder hast du schon mal einen gesehen, der mit ’ner gebrochenen Wirbelsäule noch viel Spaß am Leben hatte?“

„Sehen Sie selbst nach! Es ist wirklich nur eine Spritze in dem Etui. Es ist Insulin.“

Jeff blickte fragend zu Bark Fernay hinüber.

Dieser pickte.

„Dann mach gefälligst schnell!“, fauchte Jeff.

René beeilte sich, die Nadel anzusetzen und das Serum in die Vene der Teilnahmslosen zu jagen.

Das hätte ihm noch gefehlt, wenn das Mittel nachgelassen hätte. Wenn das Luder erst seine geistige Lähmung abschüttelte, konnte das unbequeme Komplikationen geben. Das durfte erst geschehen, wenn sie sie ordnungsgemäß bei dem Scheich abgeliefert hatten. Wie sie sich bei dem gebärdete, war ihm egal.

Linda Rogers sank wieder zurück. Von dem ganzen bisherigen Flug hatte sie nichts mitbekommen.

In Bob Randys Kopf jagten sich die Gedanken. Inzwischen wusste er mit absoluter Sicherheit, dass es sich bei Mr. Reiniger, auf den die Luftpiraten scharf waren, um jenen Detektiv handelte, für den die Kugel gedacht war, die seinen Vater tötete. Und wieder waren seinetwegen über hundert Menschen in akute Lebensgefahr geraten.

Der Mann war offenbar dazu bestimmt, Unglück zu bringen. Wenn er nicht gewesen wäre, könnte sein Vater noch leben.

Bob Randy wusste instinktiv, dass er in diesem Punkt ungerecht war, aber er brauchte einen Menschen, an dem er seinen Hass entladen konnte.

Was die Gangster von Reiniger wollten, hatte er nicht gehört, dazu saß er zu weit entfernt. Er hatte nur mitgekriegt, dass der Detektiv klein beigegeben hatte, als die alte Frau vor aller Augen erschossen werden sollte.

Inzwischen waren ungefähr zwei Stunden vergangen. Die Maschine raste längst über Nordafrika.

Wie würde dieses Abenteuer enden? Hielten die Verbrecher ihr Wort und ließen alle anderen Passagiere frei? Oder dachten sie sich eine neue Teufelei aus.

Der wachsblonde Mann hinter ihm sah ganz schön strapaziert aus. Bob Randy brachte ihm aus zweierlei Gründen eine gewisse Sympathie entgegen. Erstens hatte er bis jetzt am meisten unter der Gewalttätigkeit der Gangster zu leiden gehabt. Zweitens war er der Bruder der Kranken und kümmerte sich rührend um sie. Seltsam, dass ihm das bleiche Mädchen nicht gleichgültig war. Lag es nur daran, dass er so lange kaum Umgang mit Frauen gehabt hatte? Oder steckte etwas anderes dahinter?

Bount Reiniger hatte mehr als einen unfreundlichen, ja, fast hasserfüllten Blick des jungen Mannes aufgefangen. Er ahnte, dass er ihm die Schuld für diesen Zwischenfall gab. Die eigentlichen Beweggründe konnte er nicht wissen.

Die Luftgangster hatten sich während der letzten beiden Stunden zurückgehalten. Zwar ließ ihre drohende Haltung nicht nach, aber es kam zu keinen weiteren Brutalitäten. Ein paarmal war einer zum Cockpit gegangen. Danach hatten alle drei miteinander geflüstert. An ihren zufriedenen, gelösten Mienen war abzulesen, dass offenbar alles wunschgemäß verlief. Sicher hatten sie längst Funkverbindung zu den Bodenstationen aufgenommen und ihre Forderungen gestellt. Ein Geländefahrzeug und ungehinderten Abzug, mehr verlangten sie angeblich nicht. Darauf musste jede Regierung, jede Fluggesellschaft eingehen.

Es war nur zu hoffen, dass nicht irgendein Oberschlauer versuchte, die Gangster auszutricksen. Damit würde er zweifellos das Leben von weit über hundert Menschen gefährden.

Bark Fernay ließ den Detektiv nicht aus den Augen. Sogar wenn er mit seinen Kumpanen flüsterte, beobachtete er ihn scharf und misstrauisch. Offensichtlich traute er ihm eine Menge zu. Dass Reiniger seinen Bruder zur Strecke gebracht hatte, musste ihn stark beeindrucken.

„Wir haben uns mit unseren arabischen Freunden geeinigt“, verkündete der Gangster triumphierend. „Sie sind auf unsere Bedingungen eingegangen. Wir werden im westlichen Teil, des Rub’ al Khali niedergehen.“

„In der Wüste?“ Bount Reiniger konnte sich nicht vorstellen, dass der Pilot die 727 auf dem losen Sand würde unbeschadet aufsetzen können.

„Sie walzen uns eine provisorische Landepiste“, verriet Bark Fernay. „Unser Captain ist ein geschickter Mann. Der wird das schon deichseln. Eine Pistole im Genick wirkt da manchmal Wunder.“

„Aber die Passagiere werden in der Wüste umkommen. Sie haben keine Chancen.“

„Man wird sie mit Fahrzeugen abholen. Zwei Stunden, nachdem wir über Funk das Kommando dazu gegeben haben. Sie müssen ja auch die Maschine abschleppen. Darüber brauchst du dir also keine Sorgen zu machen. Deine Probleme liegen ganz woanders. Halte sie möglichst klein, was anderes kann ich dir nicht raten.“

„Ihr habt mich in der Hand“, stellte Bount zähneknirschend fest.

Fernay grinste. „Das haben wir, und wir tauschen dich nur gegen einen Sack voll Gold ein. Je schneller du uns hinführst, um so besser für dich.“

Über Lautsprecher erklang die gepresste Stimme des Flugkapitäns. Es war das erste Mal, dass Boiler ihm gestattete, das Wort an die Fluggäste zu richten.

Mit knappen Worten umriss er die Situation. Er bat dringend darum, die Ruhe zu bewahren und sich nicht zu unüberlegten Handlungen hinreißen zu lassen. Er erklärte, dass die Maschine in etwa einer Stunde mitten in der Sandwüste Saudi-Arabiens landen würde. Er erklärte, dass alle sofort nach der Landung das Flugzeug über die Notrutschen verlassen müssten. Es sei dafür gesorgt, dass man sie baldmöglichst in bewohnte Gebiete holen würde.

Abschließend richtete er ein paar Worte des Dankes an Bount Reiniger, der durch seine Entscheidung maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass dieser Luftzwischenfall unblutig enden würde.

Hundertfünfundzwanzig Passagiere und die beiden Stewardessen klatschten spontan Beifall. Lediglich Linda Rogers und Bob Randy rührten sich nicht. Linda befand sich nach wie vor in einer Art Trancezustand. Der Geologe konnte sich nicht dazu überwinden, dem Detektiv dafür Anerkennung zu zollen, dass er sich für die anderen opferte, obwohl er sich bei nüchterner Überlegung hätte sagen müssen, dass Reiniger an dem Tod seines Vaters beim besten Willen keine Schuld traf. Doch für eine nüchterne, objektive Überlegung saß der Schmerz noch zu tief.

Die Stewardessen, denen ebenfalls die enorme Spannung anzusehen war, erklärten die Haltung, die bei der Notlandung einzunehmen war. Sie übten sie mit jedem Einzelnen, wobei Jeff und Hugh sie argwöhnisch im Auge behielten. Ihre Wachsamkeit ließ nicht nach. Bis zur letzten Minute rechneten sie mit einem Verzweiflungsakt.

Doch jeder war froh, wenn endlich alles vorbei war. Niemand fühlte das Bedürfnis, die Katastrophe doch noch auszulösen.

„Dieser Reiniger scheint ein Superschnüffler zu sein“, flüsterte René seinem Komplizen zu. „Soweit ich mitgekriegt habe, geht es um eine Menge Gold, dessen Versteck er weiß.“

„Ich habe von ihm gehört“, bestätigte Mickey ebenfalls im Flüsterton. „Man nennt ihn allgemein Grund-Reiniger. Der Boss kann froh sein, dass er noch nicht auf ihn aufmerksam geworden ist. Der soll schon die unmöglichsten Fälle gelöst haben.“

„Aber in der Wüste endet jetzt seine glanzvolle Karriere“, vermutete der Wachsblonde. „Oder glaubst du, dass sie ihn laufen lassen?“

Mickey lachte auf. „Würden wir das tun?“

„Bestimmt nicht.“

„Na also. Du siehst, es gibt doch noch eine Gerechtigkeit. Es trifft wieder mal den Richtigen.“

„Weißt du, was ich mir überlegt habe?“

„Ich bin doch kein Hellseher.“

„Für dieses Abenteuer muss der Boss ein paar Riesen extra drauflegen.“

„Das ist wahr“, bestätigte Mickey. ,,Die haben wir uns verdient.“

„Wir müssen aufpassen, dass sich unser Schmuckstück bei der Landung nicht den Schädel blutig schlägt, sonst werden wir das Aas beim Scheich nicht los.“

„Wenn wir nur schon wieder zu Hause wären! Ich habe mir den Trip lustiger vorgestellt.“

„Trotzdem können wir noch zufrieden sein. Aber das eine verspreche ich dir. Das Gesicht von diesem Jeff merke ich mir. Und wenn ich ihm irgendwann wieder begegnen sollte, dann zahlt er mir für die Prügel. Aber der steht nicht wieder auf, darauf kannst du wetten.“

Das Flugzeug legte sich stark auf die Seite und verriet damit, dass es einen Bogen flog.

Bount Reiniger blickte angestrengt aus dem Fenster.

Die Luft flimmerte. Sie kamen gerade in der größten Mittagshitze an.

Jetzt erkannte er unten mitten in dem scheinbar endlosen Gelb-weiß des Sandes einen winzigen schwarzen Punkt.

Die Maschine sackte weiter ab und hielt nun auf den Punkt zu.

Jetzt konnte Bount zwei Punkte unterscheiden. Es waren zwei Geländefahrzeuge.

Die in aller Eile gewalzte Piste machte einen abenteuerlichen Eindruck. Sie sah aus, als habe jemand nur flüchtig ein Handtuch darüber gezogen. Dort landen zu wollen, war heller Wahnsinn.

Captain Howard konnte sich offensichtlich nicht entschließen, noch tiefer zu gehen. Auch er schien das Unmögliche dieses Unternehmens zu erkennen.

Aus dem Lautsprecher ertönte nun eine fremde Stimme. Sie hatte einen hämischen Klang und gehörte offenbar diesem Boiler, der im Cockpit sein Unwesen trieb.

„Bark! Unser Captain hat die Hosen voll. Er traut sich nicht runter.“

„Das wäre das erste Flugzeug, das oben bleiben würde“, sagte Fernay grimmig.

Er winkte Hugh herbei und flüsterte diesem ein paar Worte zu.

Hugh nickte grinsend und verschwand in Richtung Flugkanzel.

„Es gibt leider immer wieder Unbelehrbare“, sagte Bark Fernay bedauernd zu Bount Reiniger. „Gerade, wo wir anfingen, uns so schön zu vertragen, muss dieser Howard verrückt spielen.“

Dann erklang aus dem Cockpit der scharfe Knall eines Schusses.

Zu neugierige Mörder: 9 Krimis

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