Читать книгу Zu neugierige Mörder: 9 Krimis - Karl Plepelits - Страница 37

Roman

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„Das Leben ist ein Kinderhemd, kurz und... goldig“, sang Le Beau und spuckte ins Wasser, das gurgelnd ums Rettungsfloß quirlte. „Dieser verfluchte Nebel. Alex, ich glaube, uns findet nie einer.“

Der hagere, nicht sehr große Mann drehte sich um und blickte auf die Menschen im Floß. Es waren sieben. Ganz vorn bei Le Beau hockte Alexander von Strehlitz, der Baron - in einem nassen, zerrissenen und ölbeschmierten Frack. Das Hemd hatte alle Farben, nur weiß war es nicht mehr. Aber selbst jetzt wirkte der große Mann mit dem dunklen Haar souverän und selbstsicher. Nach zwei Tagen in diesem Schlauchboot-Floß lächelte er noch, und es schien nichts zu geben, was ihn so leicht aus der Ruhe brachte. Das einzige, was sie noch hatten, waren ein Kanister mit Trinkwasser und zwei Dosen Ölsardinen, alles übrige hatten die sieben Insassen des Bootes schon verbraucht.

Neben dem Baron zur Linken kauerte, den Kopf auf den verschränkten Armen liegend, ein dreizehnjähriger Junge. Tipo, ein mexikanischer Schiffsjunge. Es war seine erste Reise gewesen.

Tipo gegenüber saß im zerfetzten, durchnässten hellgrünen Abendkleid eine dunkelhaarige Frau mit einem auffallend hübschen Gesicht, das auch jetzt hoch Ausstrahlung besaß, vielleicht der hellgrünen Augen wegen, die fast dieselbe Farbe hatten wie das Kleid. Diese etwa dreißigjährige Dame war die Journalistin Dr. Dorothee Willington, von Freunden Dolly genannt. Sie war dafür bekannt, dass sie sehr aggressive Artikel über die Manipulationen großer Industrieller schrieb, und um ihr zu zeigen, dass Millionäre auch Menschen sind, war sie von Ölmillionär Stevenson zu dieser Vergnügungsreise eingeladen worden. Kein Mensch konnte ahnen, wie sie enden sollte.

Zur Rechten von Miss Willington befand sich ein breitschultriger, mittelgroßer Mann mit struwweligem brünettem Haar, etwa vierzig Jahre alt, hartes, kantiges Gesicht mit schmalen Augen. Lino Benares war Stevensons tüchtigster Bohrstellen-Manager. Im Augenblick allerdings, da wirkte er wie ein verprügelter Hund.

Im Heck des Flosses hockten zwei sehr ungleiche Männer. Der eine war groß, wuchtig und ähnelte einem Catcher. Das war James, der Chauffeur des Barons. Neben ihm Robert, der Sekretär des Barons, klein, korpulent, glatzköpfig. Mitte der Vierzig, keine Schönheit, wirklich nicht. Aber ein Mathematikgenie. Ein Zahlenroboter. Die gegenwärtige Situation jedoch, die schien er gar nicht zu mögen, und alles an ihm verriet bange Sorge.

Die See zeigte sich nach dem stürmischen Seegang von vorgestern und gestern endlich friedlicher. Dafür lagerte nun der Nebel wie ein Leichentuch über dem Wasser. Da die Sonne über diesem Tiefnebel stand, war er besonders undurchdringlich.

In der Mitte des Bootes stand ein Notsegel, das im Sturm zerfetzt worden war und kaum noch seinen Dienst erfüllte. Aber bis der Nebel kam, hatten alle im Boot damit gerechnet, von den Suchflugzeugen, die sie vom Boot aus immer wieder hatten sehen können, entdeckt zu werden. Aber das erwies sich als Trugschluss.

Le Beau vorn im Floß begann wieder zu singen. Jetzt war es ein französisches, sehr freches Soldatenlied.

„Le Beau, wir haben eine Dame an Bord!“, ermahnte ihn der Baron.

Le Beau brach ab, grinste und spuckte wieder ins Wasser. „Dame hin, Dame her, wenn wir kaputtgehen, fragt keiner mehr!“

„Ein Gentleman ist korrekt, solange er atmet, Le Beau.“ Der Baron sah die anderen an, was die darüber denken mochten, aber die waren derart apathisch, dass sie wahrscheinlich nicht einmal hingehört hatten, worum es überhaupt ging.

In diesem Augenblick schrie Le Beau: „Ein Schiff!" Er deutete aufgeregt nach vorn, wo sich eine dunkle Wand näherte und der Nebel davor zurückwich. Wasser krauste und schäumte, und da sah der Baron schon, was wirklich war.

„Kein Schiff! Ein Felsen! Land!“, rief er.

Die Trägheit der anderen war wie weggewischt. James, der einen Riesenhunger verspürt hatte und sich gerade ausmalte, wie es wäre, wenn man verhungern musste, vergaß seinen Hunger.

Dolly Willington schreckte auf, und ihr blasses Gesicht bekam plötzlich wieder rote Wangen.

Tipo, der Schiffsjunge, wollte erregt aufspringen und vergaß seine Angst.

Robert, den die Seekrankheit geschlaucht hatte, schien das Wunder nicht zu glauben und sah weiterhin trübselig nach vorn.

Lino Benares, ebenfalls von der Seekrankheit gezeichnet, machte nur einen schwachen Versuch, nach vorn zu sehen, wo der dunkle Felsen nun zum Greifen nahe schien. Aber da überkam es ihn wieder, und er sank zum Häufchen Elend zusammen.

Le Beau, der im Mittelmeer selbst eine Motorjacht besaß, rief aufgeregt: „Alex, wir geraten in einen Schlauch. Wir werden richtig hineingedrückt“

Das Floß wurde von der Strömung in eine Art Gasse im Felsen getrieben und hing dann mit einem jähen Ruck zu beiden Seiten am Gestein fest. Der plötzliche Stoß warf alle Passagiere des Floßes nach vorn, ob sie nun wollten oder nicht. James flog auf Benares, der wie ein Stier losbrüllte, Robert, dem alle Übelkeit wieder hochkam, landete auf Miss Willington, und der kleine Mexikaner konnte vom Baron gerade noch aufgefangen werden, sonst wäre er ins Wasser oder an den Felsen geflogen.

Le Beau — eigentlich hieß er Michel Dupont — krallte sich am feuchten Felsen fest und schrie: „Haltet es fest, sonst treibt es zurück! Haltet es!“

Der Baron packte auch zu, dann auch James, doch die anderen hatten völlig mit sich selbst zu tun. Von ihnen war keine Unterstützung zu erwarten.

Die enge Gasse im Felsen besaß an ihrem Ende eine von der Natur zufällig geschaffene stufenweise Schräge, die an eine schmale Treppe erinnerte. Uber einen Felsquader, der irgendwann einmal von oben herunter in diese Gasse gestürzt war und nun unten eingeklemmt lag, konnte man bis zu dieser Treppe klettern. Doch der Felsbrocken war glitschig und glatt.

Le Beau versuchte es dennoch und nahm die Floßleine mit. Wie ein Seiltänzer balancierte er über den glitschigen Stein, sprang bis zur Treppe, rutschte ab, hing bis zum Gürtel seiner zerfetzten Smokinghose im Wasser, zog sich wieder empor, und unter den aufgeregten Blicken der Menschen im Floss gelang es ihm, auf sicheren Boden zu gelangen. Er schlang die Leine um einen Vorsprung, so dass keine Rückströmung das nun festgemachte Floß wegtreiben konnte.

„Endlich! Endlich!“, rief Benares, kam am Baron vorbeigetaumelt und wollte sich an Land begeben.

Der Baron packte ihn an der einstmals dunkelblauen Smokingjacke und zog ihn nach unten. „Ladies first, mein Freund. Erst unsere Dame! Miss Willington bitte!“

Dolly Willington lächelte den Baron dankbar an, dann nahm sie seine Hand und ließ sich über Bord helfen.

„Immer die Leine halten, nicht loslassen! Le Beau, greif zu, sobald sie nahe genug ist!“, rief der Baron.

Dolly kam heil an Land. Danach durfte Benares hinüber, dann der Junge, und jetzt erst folgten Robert, James und der Baron zuletzt.

„Wir müssen das Floß bergen“, sagte er zu Le Beau, als sie dichtgedrängt auf dem treppenartigen Aufstieg standen.

„Ich würde sagen, wir schaffen das so nicht. Machen wir es doch mit zwei weiteren Leinen fest, Alex. Danach sehen wir uns vielleicht das Land mal an.“

„Nun gut, machen wir es also nur fest. Ich bin gespannt, wo wir hier sind.“

„Und ich erst. Vielleicht gibt es hier Hulahula-Mädchen!“, meinte Le Beau, der unter der Fahrt ebensowenig gelitten zu haben schien wie der Baron.

„Meine verehrten Herrschaften, bitte folgen Sie unserem Reiseführer!“, sagte der Baron lächelnd. „Le Beau, zeig den Herrschaften unser neues Land!“

*

Die Insel war nicht groß - und dass es sich um eine Insel handelte, sahen die sieben Menschen sehr rasch, denn oben auf der tischflachen Hochebene strahlte die Sonne über einem Meer von Nebel, das unter den Felsen wogte.

Sie hatte die Fläche von vielleicht fünf Fußballfeldern, war mit Gestrüpp und hartblättrigem Gras bewachsen, aber diese spärliche Vegetation existierte auch nur in der Inselmitte. Die Felsenränder waren kahl und verkarstet, unwirtlich und lavaartig porös. Kein Baum, kein Haus, so weit das Auge über die Fläche sehen konnte.

Der Baron blickte auf seine Gefährten. Benares war auch jetzt noch von der Seekrankheit mitgenommen und hatte sich einfach in die Sonne gelegt. Miss Willington saß, die Arme um die Knie geschlungen, neben ihm und blickte apathisch auf den kleinen Tipo, der mit seinen großen braunen Augen hoffnungsvoll auf den Baron sah, weil er wusste, dass dieser Mann schon beim von Bord-Gehen viel Umsicht gezeigt hatte.

Robert, als Sekretär ein Ass, als Partner auf abenteuerlichen Reisen ein Hemmschuh, lag wie geplättet auf dem felsigen Boden und japste wie ein Hund, der zehn Hasen gejagt hatte.

James, sonst von der Vitalität einer Dampfmaschine, hatte die Seekrankheit auch noch nicht ganz überwunden, und vor allem litt er unter unsäglichem Hunger. Diese Insel aber sah nicht so aus, als beherberge sie ein Restaurant oder nur eine winzige Würstchenbude. James hätte sämtliche Würstchen aufgekauft.

„Also gut, Le Beau, sehen wir, was wir finden, James, pass inzwischen auf, dass hier nichts passiert!“, sagte der Baron.

„Ich möchte lieber mitgehen, Herr Baron“, widersprach James.

Alexander von Strehlitz runzelte die Brauen. „Jim“, sagte er, und wenn er James Jim nannte, wurde es ernst. „Jim, ich sagte, du wirst hierbleiben!“

„Ja, Herr Baron“, murmelte James mit Bassstimme.

Le Beau grinste ihm zu und meinte: „Wenn wir ein schönes Filetsteak finden oder eine gebratene Kalbshaxe, bringen wir sie dir mit. Wie willst du das Steak haben, James? Durchgebraten, halbroh oder englisch?“

James erhob sich, kam langsam mit der Stetigkeit eines Panzers auf Le Beau zu, und dabei machte er ein Gesicht, das Bände sprach.

Le Beau, der das Spiel mit dem Feuer liebte, hetzte weiter: „Ich kannte mal drei Jungs, die hatten sich Steaks bestellt. Der Kellner wollte wissen, wie sie’s haben möchten. Der eine sagte: Halbroh, der andere sagte: Vom Stück schneiden, in die Pfanne, wieder sofort heraus und servieren. Und der dritte sagte: Rein treiben. Beine zusammenbinden und auf den Teller legen ...“

Da war James heran. Seine riesigen Pranken glitten auf Le Beau zu, als wollten sie ihn packen und in der Luft zerreißen. Als diese riesigen Hände schon zuschnappen wollten, machte Le Beau einen Satz zur Seite, und der Baron grollte: „Jim!“

Die Fäuste des Hünen sanken herab, und er knurrte: „Eines Tages, Le Beau, eines Tages zermalme ich dich!“

„In Ordnung“, rief Le Beau, der sich indessen in zwanzig Schritt sicherer Entfernung befand. „Ich werde es dir also halbroh mitbringen, etwas Pommes frites dabei, die du so liebst, frischen Salat und eine Saucee ... Heimatland, was wird das nur für eine herrliche Sauce sein. Ich ...“

„Le Beau!“, sagte der Baron. Le Beau schwieg sofort. James aber brummte wie ein verwundeter Bär: „Eines Tages, Le Beau ... eines Tages ...“ Und seine riesigen Fäuste öffneten und schlossen sich wie bei einer Maschine.

*

Die Stelle, wo sie von unten auf die Hochfläche geklettert waren, lag im Westen. Die Sonne stand noch etwas östlich, denn es war Vormittag. Der Himmel leuchtete blau. Hätte ein Maler ihn auf seinem Bild so tiefblau gemalt, würde man sagen, dass es Kitsch sei. Eigentlich wirkte er noch blauer. Keine Wolke, nur tief unten, dicht über dem Meer, der Nebel, der sich aber stellenweise schon zu zersetzen begann, so dass grosse dunkle Löcher sichtbar wurden, durch die man das Meer sehen konnte.

„Ich sehe weit und breit kein Grand Hotel, Alex“, meinte Le Beau. „Da sieht man wieder, wie dämlich die Menschen hierzulande sind. Statt etwas für den Fremdenverkehr zu tun und daran gut zu verdienen, machen die lieber gar nichts.“

Der Baron schwieg. Die Geschichte gefiel ihm nicht. Wenn sie hier kein Wasser finden sollten, würde es böse werden.

Sie erreichten die gegenüberliegende Steilküste und blickten hinab. Unten war Schatten und Nebel. Aber sie hörten die Brandung an die Felsen schlagen. Auch hier schien es kein Unterland zu geben.

„Am besten“, sagte er zu Le Beau, „gehen wir am Land entlang. Es muss doch irgendwo Unterland geben, und dort steht vielleicht eine Hütte.“

Le Beau war stehengeblieben und sah landwärts. „Alex, sieh es dir an! Da war mal ein Flughafen.“

„Ein was?“ Der Baron zuckte herum und blickte verblüfft in die Richtung, in die Le Beau zeigte. Da erkannte er, was Le Beau meinte. Mitten über die Insel verlief so etwas, das vom Fundament her einst eine sehr breite Straße gewesen sein konnte. Es war völlig plan, nun aber mit Sträuchem und Gras bewachsen, und doch erkannte man die Konturen genau. Eine Startbahn.

„Das stammt noch vom letzten Krieg, möchte ich wetten. Wenn wir hingehen, werden wir den Beton entdecken.“

Le Beau ging schon los. Der Baron folgte ihm, und als er Le Beau erreichte, wühlte der im dünnen Boden und war schon sehr rasch auf hartem Untergrund. „Da, sieh her! Sie haben die Unebenheiten mit Beton ausgefüllt.“

„Suchen wir, was noch zu finden ist. Ein Gebäude oder so etwas wären mir wichtiger als die Startbahn.“

„Ich denke weiter, Alex“, meinte Le Beau. „An später. Mit der Insel kann man was anfangen.“

„Im Moment wäre es mir lieber, wir könnten überhaupt auf ihr leben.“ Er blickte zum Himmel. „Ich begreife eines nicht, und das macht mir Kummer.“

Le Beau nickte. „Die verdammten Flugzeuge, was? Wenn man irgendwo in einem Hotel im Garten liegt und sich sonnt oder in Monaco auf dem Bootsdeck döst, da kommt plötzlich so ein verfluchter Düsenjäger im Tiefflug und jagt einem den Puls auf zweihundert. Und hier? Hier lässt sich von den Heinis keiner sehen.“

„Ich habe den dumpfen Verdacht, Le Beau, dass sie die Suche nach uns eingestellt haben. Oder sie suchen sonstwo.“

Le Beau nickte. „Hmm, wenn wir hier also kein Wasser finden, das man trinken kann, haben wir den Endsieg in der Tasche, was?“

„Ja, Le Beau, dann ist ein Staatsbegräbnis erster Klasse fällig. Für sieben Personen.“

„Massengrab, aber ich habe Fensterplatz gebucht. Alex, vorher werde ich mir das Ohr an Miss Willingtons Busen wärmen.“

„Falls du auf diese noble Idee kommen solltest, Le Beau, muss ich mich leider von dir trennen. Dann würdest du nämlich zum Fliegenden Holländer werden.“

„Wie das?“

„Ich würde dich elegant und zielsicher ins Meer werfen.“

„Mensch, Alex, da gibt es Haie, das weißt du doch!“, meinte Le Beau, empört spielend.

„Du wolltest doch immer schon deren Liebesleben erforschen, nicht wahr?“

Le Beau zuckte die Schultern. „Ich habe mein eigepes ja noch nicht völlig entdeckt. Jedenfalls gefällt mir diese Intelligenzbestie. Stimmt das, dass sie Doktor ist?“

„Stimmt.“

„In ihren Artikeln soll sie ganz schön gepfeffert schreiben, wie?“

„Stimmt auch.“

Le Beau kniff die Augen zusammen. „Heh, bist du etwa selbst scharf auf sie?“

„Du redest zuviel, Le Beau. Wir sollten weiter nach Wasser suchen!“

Le, Beau nickte. „Aha, also willst du sie selbst kassieren. Hmm, und sie ist die einzige Frau hier. Na, wenn wir erst ein paar Tage hier sind, musst du ja ganz schön kämpfen. Oder glaubst du, dass wir anderen alle aus Holz sind?“

„Wenn wir kein Trinkwasser finden, Le Beau, bist du sogar aus verfaultem Holz. Bald jedenfalls. Nach Regen sieht es vorerst nicht aus.“

*

Sie gingen weiter am Rand der Steilküste entlang. Und plötzlich, nach einem Knick, tauchte an der Ostseite Unterland auf. Es war flacher Strand, mit Felsbrocken übersät, die von der Steilwand gestürzt zu sein schienen. An einer Krümmung des Felsens, die einer großen Nische glich, stand eine völlig verrostete Wellblechbaracke.

„Ich sagte doch, es muss ein Grand Hotel hier sein!“, rief Le Beau. Er kniff die Augen zusammen und sah prüfend hinunter. „Kleine Ausbesserungsarbeiten sind schnell gemacht. Aber wo bekommen wir den roten Teppich her, wie?“

Sie kletterten hinunter, und auch das erforderte ziemlich viel abkrobatisches Können. Unten dann traten sie zu jener Wellblechbaracke. Auf der Seitenwand stand in verwitterter weisser Schrift: US Air Force.

„Amis also. Wenn die uns keinen Proviant zurückgelassen haben, spreche ich nie mehr mit einem Amerikaner“, sagte Le Beau.

Die Baracke hätte Fenster gehabt, aber die waren zerschlagen. Die Tür hing windschief in den durchgerosteten Angeln. Im Raum selbst standen zwei vom salzhaltigen Ozon des Meeres zerfressene Stühle, ein umgestürzter Spind aus total verrostetem Metall und in der Ecke lag ein ebenso verrosteter Stahlhelm. An der Rückwand stand noch gut lesbar aufgepinselt: Bereithalten ist alles, sagten Präsident Roosevelt und die Biene von der 44. Straße.

Darunter waren Striche zu sehen. Mehr als hundert.

„Fein, was? Da hat einer die Tage gezählt. Irgend so ein armes Schwein, das sich nach seiner Alten gesehnt hat. Und sie haben ihn hier versauern lassen.“ Le Beau grinste. „Ich wäre abgehauen.“

„Das kannst du jetzt auch“, meinte der Baron. „Ich nehme sogar Ratschläge an, wenn du mir verraten kannst, wie du es anstellst.“

„Momentan sieht es damit ziemlich beschissen aus.“

„Hör mal vernünftig zu! Wenn hier Soldaten gewesen sind, vermutlich ein Flugsicherungskommando, dann hatten sie auch Wasser. Ich glaube nicht, dass man es ihnen immer hergebracht hat. Es muss einen Brunnen oder dergleichen geben. Vielleicht eine Zisterne.“

Sie verließen die ungastliche Baracke und traten in den gleißend hellen Sonnenschein hinaus. Jetzt war auch unten der Nebel gewichen. Das Meer war glatt wie ein Binnensee, blau wie der Himmel, nur noch dunkler, und alles sah aus wie auf dem Prospekt eines Reiseunternehmens, das zu den Bahamas einlud. Nur die Palmen fehlten und sonst noch ein paar Kleinigkeiten.

Die beiden suchten weiter. Sie stapften durch den sandigen Strand, aber sie entdeckten nicht einmal ein Tier.

„Eine Toteninsel!“, meinte Le Beau. Das Lachen war ihm mittlerweile vergangen.

Der Baron aber lächelte. „Aber nur eine für Blinde.“

Le Beau sah ihn verständnislos an. „Was ist?"

„Eine Toteninsel für Blinde. Bist du blind?“ Als Le Beau immer noch fragend dreinsah, meinte der Baron: „Statt auf den Boden zu starren, solltest du mal nach links zum Felsen blicken! Siehst du die Rinne?“

Le Beau sah hin. „Eine Rinne? Sieht aus, als hätte da jemand eine Furche in den Felsen gehackt.“

„Und was ist das hier drüben?“ Der Baron ging auf Gestrüpp zu, das genau unterhalb der senkrecht in die Tiefe verlaufenden Felsrinne wucherte. Er trat die Äste zur Seite, bahnte sich eine Gasse und rief: „Hierher, Le Beau! Da haben wir des Rätsels Lösung. Wasser!“ Le Beau stürzte zu ihm und blickte zwischen Ästen und Zweigen hindurch auf eine große schüsselartige Felsenwanne, in der sich Wasser angesammelt hatte.

Der Baron warf einen Blick zum Himmel. „Wir sind jetzt auf der Nordseite. Der Felsen oben ist auf dieser Seite auch jetzt noch feucht. Sieh dir an, Le Beau, was die Amis gemacht haben. Es sieht aus wie die Einkerbungen an einem Gummibaum, durch dessen Einschnitte der Kautschuk abfließen soll. Oder wie ein Baum sieht es aus. Die kleinen Einschnitte im Felsen führen alle zu der grossen Rinne, die dann das aufgesammelte Wasser hier in dieses Becken leitet. Le Beau, wir haben verflucht viel Glück gehabt!“

Le Beau grinste. „Und diese Brühe sollte dir mal einer im Palace Hotel von Monte Carlo als Wasser fürs Klo anbieten. Den würdest du wegen Verunreinigung deines Klosetts an die Luft setzen.“

„Abkochen müssen wir es natürlich.“

„Na ja, in der Not frisst der Teufel Fliegen. Aber wie stillen wir unseren Kohldampf? Und vor allem, was geben wir unserem lieben James? Wenn der nicht bald etwas zwischen die Beißerchen bekommt, frisst der uns die smarte Miss Willington mit Haut und Haaren.“ „Fische fangen, heißt die Parole.“

„Hm, versuchen wir es. Aber gedulde dich bitte, ich habe mein neues Angelzeug leider noch verpackt.“

Le Beau grinste breit. „Ehrlich gesagt, aus Fisch habe ich mir nie etwas gemacht.“

„Dann iss Sand, aber angeln wirst du. Sonst liegst du doch auch immer mit der Angel auf deinem Kahn. Also wirst du jetzt nachdenken und zusehen, dass wir an Fische kommen. Du hast ein Boot, und du hast Erfahrung im Angeln. Sieh zu, dass du bald was fängst.“

„Du bist aber heute sehr ungeduldig, Alex. Angler, das musst du wissen, Chef, sind sehr geduldige Menschen. Und die, denen der Angler was fangen soll, müssen noch viel mehr Geduld haben. Ich werde euch den nächsten Wal, der aufkreuzt, direkt auf das kalte Büfett legen.“

*

Während Le Beau in der Baracke und deren Umgebung nach etwas Brauchbarem suchte, das er als Angelschnur verwenden könnte, durchforschte von Strehlitz den übrigen Teil der Insel. Und schon nach etwa hundert Metern hatte er Glück. Während hier der Strand sehr schmal wurde und die Steilwand der Hochfläche zum Meer hin überging, befand sich auf halber Höhe im Felsen so etwas wie eine Höhle. Aber als der Baron dann auf eingeschlagenen und noch nicht durchgerosteten Stahlbügeln im Felsen hinauf kletterte, sah er, was es in Wirklichkeit gewesen war.

Die vermeintliche Höhle bestand aus einer aus dem Felsen gesprengten Plattform mit einem Betonfundament für eine Kanone oder einen Flakscheinwerfer. Dahinter aber, und das zog den Baron an wie ein Magnet, befanden sich kleine Einbuchtungen im Felsen wie Fächer eines Einbauschrankes. Und in diesen Einbuchtungen standen Kisten, ebenfalls total verrostet, aber sie schienen noch nicht durchlöchert zu sein.

In der Meinung, es könnten Munitionskisten sein, nahm der Baron eine vorsichtig heraus, versuchte die Klemmverschlüsse zu lösen, aber sie waren so festgerostet, dass sie zunächst trotzten. Als der Baron einen Felsbrocken zu Hilfe nahm, ließ sich die Kiste öffnen.

Verblüfft starrte der Baron auf den Inhalt. Das war keine Munition. Fein säuberlich aufgereiht lagen versiegelte kleine Flaschen darin, so in der Größe von Medizinflaschen mit 50 ml Inhalt. Jede dieser vierzig Flaschen trug ein Etikett. Die Etikette waren verwittert, vergilbt, aber doch lesbar. Es handelte sich um Entwesungsflüssigkeit zur Trinkwasseraufbereitung. Der Inhalt hätte gereicht, um hundert Menschen ein Jahr lang das Trinkwasser zu entwesen.

Zunächst vermutete der Baron in den anderen Kisten womöglich dasselbe. Er öffnete die nächste und fand zu seinem Erstaunen reagenzglasartige Röhren aus Steingut, die ebenfalls versiegelt waren. Die Aufschrift lautete: Fleischextrakt für Air Force-Bedarf. Hergestellt in Argentinien. Inhalt entspricht 15 Pfund frischem Rindfleisch.

Der Baron kannte den Fleischextrakt zur Verfeinerung von Saucen oder Eintopfgerichten, doch hier stellte dieser Vorrat insgesamt so etwas wie eine konservierte Rinderherde dar. Denn insgesamt hatten die Amerikaner hier elf Kisten mit je fünfzig solcher Röhrchen zurückgelassen. Die zwölfte Kiste enthielt die Entwesungsflüssigkeit.

Es gab also Wasser, es gab eingedicktes Fleisch. Zwar wurde von dem Fleischextrakt kein Mensch satt, und salzig war er auch, aber zusammen mit Fisch würde man es hier lange aushalten können.

Der Baron setzte aber immer noch darauf, dass man gefunden wurde. Es galt also, sich bemerkbar zu machen. Durch Feuer, durch Rauchzeichen, durch andere Signale. Feuer, das fiel weg. Dazu brauchte man Brennmaterial, und hier gab es das kaum. Das wenige mussten sie fürs Kochen und Braten aufheben. Rauchzeichen, damit sah es schon ein wenig günstiger aus, weil genug grünes Gras vorhanden war, das man vielleicht eines Tages in getrockneter Form auch als Brennstoff nötig haben würde. Blieben also zunächst die Sichtzeichen, aufgespannte Stoffetzen oder dergleichen, die ein Flieger vielleicht sehen würde.

*

Es war Abend. Die Besatzung des Floßes hatte sich inzwischen etwas von den schlimmsten Strapazen erholt und war vom Baron zur Wellblechbaracke geholt worden. Auch das Boot hatten Le Beau und der Baron um die Insel gerudert, aber als Angelfahrzeug hatte es Le Beau nur mäßiges Glück beschert. Vier Fische, von der Größe mittlerer Forellen, waren ihm an das Monstrum gegangen, das er großartig Angel nannte. Der fünfte Fisch schließlich hatte ihm den dünnen und verrosteten Draht zerrissen, den er mangels etwas anderem als Angelschnur benutzt hatte. Die Schnur stellte auch gleichzeitig den Flaken dar, und als Blinker nahm Le Beau einen kleinen Schlüssel, den er in seiner Tasche noch gefunden hatte. Wie gesagt, es hatte viermal geklappt, denn die Fische hier schienen noch nie mit einer Angel Bekanntschaft gemacht zu haben.

Als sie nun über einem Reisigfeuer brutzelten, kamen James vor Hunger fast die Tränen. Er hätte die vier Fische auf einmal essen können und dann noch nach dem Hauptgericht gefragt.. Aber die anderen wollten auch etwas, und bei einbrechender Dunkelheit konnte Le Beau keinen neuen Versuch unternehmen.

So saßen sie nun alle sieben um das Feuer. Die einen mit ausdruckslosen Gesichtern, die anderen voller nagender Angst und Sorge, und schliesslich noch jene, die eigentlich für die anderen mitsorgten und trotzdem den Kopf oben behielten und lächelten: Le Beau und der Baron. Le Beau erzählte Witze, aber er hatte selbst das Gefühl, dass ihm kaum jemand zuhörte. Indessen zerteilte der Baron den Fisch zu gleichen Portionen, die den hungrigen James wegen ihrer geringen Größe ziemlich traurig stimmten.

Miss Willington, sonst so attraktiv und anziehend, von der Natur mit allem gesegnet, sogar mit einer verblüffend grossen Zuteilung an Verstand, war ziemlich geschlagen. Sie aß selbst diese kleine Fischportion wie ein Kind, das seinen Teller nicht leeren möchte. Dann legte sie sich hin und schlief auf der Stelle ein. Auch der sonst so großsprecherische Lino Benares hatte von diesem Teil der Reise genug und bekam immer kleinere Augen, bis er dann auch schlief.

James wurde vom Hunger wach gehalten, aber seine miese Laune besserte sich, als Robert ihm die Hälfte seiner Fischzuteilung schweigend hinschob und sich dann auch ausstreckte. Nur Tipo, der Schiffsjunge, war nicht mehr müde. Als einziger hatte er auf dem Floß geschlafen, und offenbar genoss er es, nicht wie an Bord in die Koje geschickt zu werden, weil er noch so jung war.

Er zog plötzlich aus seinen Blue Jeans eine dünne Schnur heraus und drückte sie wortlos dem staunenden Le Beau in die Hand.

„Mensch, Männlein, das ist ja eine Angelschnur! Woher, in drei Teufels Namen, hast du denn die? Eh, Alex, sieh dir das an! Dieser Zwerg hat eine Angelschnur einfach so in der Tasche! Und die gibt er mir erst jetzt!“ Er sah den strahlenden Jungen an. „Hast du auch einen Haken?“

Tipo löste den Gürtel seiner Hose, hantierte eine Weile an der Schnalle herum, und löste dann den Dorn und gab ihn Le Beau. „Das ist ein Haken. Ich habe schon Fische gefangen damit. Aber der Bootsmann hat’s gesehen und mich dann verprügelt.“

„Und warum?“, fragte Le Beau.

„Er hat gesagt“, erzählte Tipo, „dass auf einem Luxusschiff keine Fische gefangen werden.“

„Da hat er recht. Luxusschiffe sind keine Fischdampfer, haha!“ Le Beau warf einen kurzen Seitenblick auf den Baron, dann beobachtete er Miss Willington, die im Schlaf noch hübscher aussah als sonst.

James schlief auch und schnarchte dabei. Seine massige Brust und sein Bauch hoben und senkten sich.

Der Baron räumte wie selbstverständlich die Essensreste, Gräten und was sonst noch herumlag, ins Feuer, sah Le Beau an und sagte: „Morgen wird eine menschliche Behausung aus der Baracke gemacht. Sie ist groß genug für uns alle zum Schlafen. Du nimmst den Jungen mit, dann werdet ihr wieder angeln. Dein Hobby ist für uns jetzt Lebenserhaltung. Also zeig, was du kannst! Du auch, Tipo!“

Der Junge, jetzt mit einem Mal doch müde geworden, nickte schläfrig.

*

Am nächsten Tag war herrlichstes Wetter. Blauer Himmel, strahlende Sonne, ein ziemlich ruhiges Meer, aber weit und breit kein Schiff und am Himmel nur Möwen, die ihre neuen Mitbewohner entdeckt hatten und nun in Schwärmen auftauchten, keischten und über dem Lager kreisten, als sei dort etwas Essbares zu erwarten.

Der Schlaf hatte allen sieben Schiffbrüchigen gutgetan. Miss Willington hatte wieder rote Wangen und wirkte selbst in ihrem zerrissenen Abendkleid so attraktiv, dass Lino Benares sie wie gebannt anstarrte.

Auf dem Meer waren Tipo und Le Beau schon sehr erfolgreich gewesen, besonders Tipo, von dem Le Beau noch lernen konnte, wie man ohne teures Angelzeug und ohne eine fachgerechte Petrijünger-Ausrüstung dennoch große Fische fängt. Aber ihr Fischfang lockte auch ein paar andere Kameraden an, Haie. Sie kamen erst in kleinen Gruppen, dann in Scharen. Le Beau brachte das Floß an den Strand, blickte skeptisch auf die weiter draussen dahinschiessenden Dreiedcsflossen und meinte zu Tipo: „Mein lieber Zwerg, wenn wir nicht beim nächsten Fischfang selbst als Köder verdaut werden wollen, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Komm, Zwerg, die Beute ist für heute reichlich.“

Sie schleppten elf große Fische zum Lagerplatz, wo von Strehlitz mit James, Robert und Lino Benares aus zusammengesuchtem Buschreisig einen Stapel Brennmaterial auftürmte. Miss Willington war auf des Barons Geheiß auf die Hochfläche gestiegen und sollte dort Ausschau nach Schiffen oder Flugzeugen halten. Aber sie schaute vergebens, jedenfalls nach großen Schiffen oder Flugzeugen. Statt dessen sah sie am hohen Vormittag, als unten schon ein großer Brennholzstapel aufgetürmt war, etwas anderes.

„Ein Boot! Es kommt ein Boot!“, rief sie.

Sofort ließ jeder, der etwas tat, die Arbeit ruhen, starrte erst zu Miss Willington hinauf und dann in die Richtung, in die sie zeigte. Aber von unten konnten sie es erst später erkennen.

Der Baron kniff die Augen zu schmalen Spalten zusammen und sagte: „Ein kleines Boot mit einem Notsegel. Sieht wie ein Rettungsboot aus.“

„Wir müssen Rauchzeichen geben, Baron, Rauchzeichen!“, rief Lino Benares aufgeregt, zerrte wieder Reisig vom Stapel herunter und wollte es anbrennen.

„Hören Sie doch damit auf! Das Boot hat die Insel längst gesehen und uns auch!“, sagte der Baron scharf. „Wir brauchen das Brennmaterial noch. Das Boot könnte von der ,Monte Christo' sein.“

„Monte Christo? Das sind unsere Retter! Es sind ...“

Der Baron sah Benares an. „Reißen Sie sich mal am Riemen, Mensch! Denken Sie doch nach! Welche Retter kommen mit einem Rettungsboot? Und es ist eines. Sehen Sie doch hin!“

Lino Benares warf erst dem Baron einen bösen Blick zu, dann knurrte er: „Sie spielen sich hier als Boss auf. Am Ende macht Ihnen das alles wohl noch Spaß, was? Ich habe schon davon gehört, dass Sie Abenteuer lieben. Ich bin Geschäftsmann. Ich hasse Abenteuer!“

„Mit Verlaub zu sagen, mein Bester, Sie drehen gleich durch. James, du hast Augen wie ein Adler. Was siehst du?"

James hielt die eine Hand wie ein Fernrohr vors Auge und sagte: „Ein Rettungsboot ... fünf Menschen kann ich erkennen. Vorn steht etwas auf dem Boot, aber ich kann es nicht lesen ... noch zu weit. Aber es sieht aus wie das letzte Boot, Herr Baron, das wir noch mit hinabgelassen hatten. Es ist auch eine Fünf darauf. Ja, jetzt kann ich die Schrift lesen. ,Monte Christo heißt das, ja, genau, das heißt es.“

„Senor Benares, tun Sie das Reisig wieder auf den Stapel!“, bestimmte der Baron.

Der Ölmanager machte ein wildes Gesicht, dann fauchte er: „Halten Sie nur Ihre verdammte Schnauze, Sie Lackaffe! Ich tue, was mir gefällt.“

James wirbelte mit einer Schnelligkeit herum, die gar nicht zu so einem schweren Mann passte. Er hatte schon die Fäuste hoch, doch der Baron sagte knapp: „Lass mal, James, das geht mich ganz persönlich an.“ Er lächelte, ging einen Schritt auf Benares zu, der drehte nun ganz durch und sprang dem Baron mit erhobenen Fäusten entgegen.

Aber der Baron hatte immer noch die Arme unten hängen. Erst als Benares zuschlagen wollte und seine rechte Faust wie ein Geschoss auf das Gesicht des Barons zuflog, kam Bewegung in den Angegriffenen. Der Baron griff blitzschnell zu, packte Benares’ rechtes Handgelenk mit beiden Händen, duckte sich zur Seite, drehte sich herum, hatte Benares plötzlich wie einen Sack Kartoffeln auf seinem Rücken liegen, beugte sich jäh vor, und Benares flog wie ein Klumpen Teig in den Sand. Da der Baron aber das Handgelenk nicht losgelassen hatte, wurde Benares der Arm verdreht, und er schrie schrill auf, als er aufschlug.

Der Baron liess die Hand wieder los, stellte sich neben Benares, der wie ein geprellter Frosch am Boden lag, und sagte: „Das nächste Mal, mein Freund, wird es für Sie noch schlimmer. Stehen Sie auf, so schlimm war das nämlich noch gar nicht. Und außerdem bekommen wir Besuch. Dass Sie sich in Gegenwart einer Dame wie ein Straßenjunge benehmen, ist noch ein anderes Blatt. Los, aufstehen!“

Benares kam keuchend hoch, massierte sich die rechte Schulter und warf bitterböse Blicke um sich.

Le Beau trat neben ihn und meinte trocken: „Und jetzt müsste man einen schönen mattglänzenden Revolver haben, was, Benares? Auf Ihrer Bohrstelle haben Sie doch ganz sicher einen. Wenn dann so ein Kanake frech wird, knall, bumms, bekommt er eins vor die Rübe, nicht wahr? Zu dumm, dass Sie jetzt keinen haben, nicht wahr?“

Benares knurrte nur: „Scheren Sie sich zum Teufel!“

Le Beau lachte nur.

Das Boot war inzwischen so nahe, dass auch ein Kurzsichtiger erkennen konnte, was James vorhin berichtet hatte. Nur tauchten nun noch zwei weitere Köpfe im Boot auf, so dass es sieben waren.

Le Beau rief: „Verdammt, und weit und breit keine Kapelle, die ,Home sweet home‘ spielen könnte!“ Er blickte hinauf zu Miss Willington und rief ihr zu: „Legen Sie sich doch wenigstens einen Blumenkranz um den Hals. Das ist hier so üblich, wenn ein Schiff einläuft.“

Robert war neben von Strehlitz getreten. „Sir, es sieht nicht gut aus. Jetzt wird das Trinkwasser nur noch sechs Tage reichen, das Brennmaterial neun Tage, und wie es mit der Verpflegung aussieht, hängt vom Fischfang ab.“

„Wir werden schon irgendwie durchkommen, Robert. Berechnen Sie nur weiter die Vorräte, aber erst müssen wir zusehen, dass wir diese sieben Würmchen heil an Land bekommen.“

„Ich habe schon einige erkannt, trotz des ramponierten Äusseren. Vorn im Boot sitzt Doktor Rosco, daneben seine Frau Nina. Sie kennen Dr. Rosco ja noch von Bord.“

„Der großmäulige Politiker, der mich ausgelacht hat, weil ich eine Straße in den Urwald gebaut habe. O ja, ich weiß. Von dem aus könnten die Schwarzer, Indianer und Chinesen alle im Meer versenkt werden. Der hat noch einen Stich aus der Kolonialzeit behalten. Wer ist denn hinter den beiden? Übrigens ist Nina Rosco schon eine Frau, hmm.“

„Hinter Nina Rosco“, berichtete Robert, „sitzt dieses Playgirl, das sich an der Bar so betrunken hat, die war mit Stevenson befreundet. Seine ständige Begleiterin. Aber Stevenson ist nicht im Boot.“

„Nein, der ist ja gleich mit der Motorbarkasse abgehauen. Die kleine Jenny also, Nun, die macht auch einen ganz brauchbaren Eindruck. Und dahinter, ist das nicht dieser Handelsattache?“

„Ja, Sir, das ist Archibald Home, der Engländer, der Ihnen seine Pfeifentabakmischung angepriesen hat.“

„Stimmt, aber auch sonst war der ganz in Ordnung. Ach, und die beiden im Heck, das ist ja der Industrielle aus Paris. Dacombe.“

„Ja, Sir, Charles Dacombe mit seiner Frau. Sie ist übrigens Engländerin, sehr eigensinnig. Ich erinnere mich, dass sie sich immerzu über etwas beschwert hat.“

„Engländerinnen werden so, wenn sie älter sind. Genau wie Amerikanerinnen. Aber wer ist denn der Bursche ganz hinten?“

„Der Blonde? Das ist ein Mitglied der Besatzung. Maschinist oder so etwas. Ich kenne sogar seinen Namen.“

„Das überrascht mich nicht“, meinte der Baron lächelnd. Er kannte Robert, der ein einmaliges Gedächtnis besaß und immer bestens informiert war. Bestimmt, dachte der Baron, kennt er sogar die Vermögensverhältnisse all dieser Leute, die dort im Boot sassen.

„Der Maschinist heißt Mackenzie. Leider weiß ich den Vornamen nicht.“

Der Baron spottete: „Das ist eine Bildungslücke, Robert.“

Robert blieb todernst. „Verzeihung, Sir, aber das werde ich schnell korrigieren.“

Das Boot war wesentlich größer als das Floß der bereits auf der Insel befindlichen sieben Menschen. In diesem Boot wären gut und gerne dreißig Menschen untergekommen. Doch in der Panik auf dem brennenden Schiff, die besonders durch disziplinloses Verhalten der Schiffsführung gekennzeichnet war, hatte jedermann froh sein können, überhaupt in ein Boot gekommen zu sein.

Knirschend glitt der Bootskiel auf den Sand. Die Männer an Land sprangen hinzu und rissen das von den Wellen nachgeschobene Boot noch weiter hinauf.

Die Insassen kamen auf festen Boden. Erst die Frauen, dann die Männer. Allesamt machten sie einen etwas besseren Eindruck als des Barons Begleiter. Der Grund war schnell zu erkennen. Im Boot lagen jetzt noch Konserven, und Wasser war auch noch vorhanden.

„Welch ein Gück, wir sind an Land!", rief der weißhaarige, wie ein ästhetischer alter Professor wirkende Charles Dacombe.

Archibald Home, ein ebenfalls älterer Herr, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Chamberlain besaß, meinte verdrossen: „Das sieht nicht aus, als sei es ein britisches Eiland.“

Die strohblonde Jenny; die sich ihres offenbar zerfetzten Kleides entledigt hatte und sich daraus so etwas wie einen Minirock und eine Büstenbluse fabriziert hatte, meinte, während sie kess um sich blickte: „Oh, das ist ja wie eine Liebesinsel!“

Dabei warf sie dem Baron einen Blick zu, der ihm den Eindruck vermittelte, als stünde er auf der Schwelle von Jennys Schlafzimmer. Dann aber entdeckte Jenny die inzwischen herabgekletterte Miss Willington, und das veranlasste sie zu der spitzen Bemerkung: „Hach, und diese lästige Journalistin ist auch da!“

Wobei die

Betonung auf „lästig“ lag. Dass ihr Le Beau eilfertig die Hand hinstreckte, um sie durch den knöcheltiefen Sand zu führen, übersah sie geflissentlich.

Diese Hand ergriff, obgleich nicht für sie bestimmt, Nina Rosco. Sie war auch blond, wenn auch nicht so hell wie Jenny, aber sie war mehr als Jenny. Sie war kein Playgirl, keine ständige Begleiterin, sondern schlicht ein mannstolles Weib, und das zu beurteilen, hatte der Baron ein Auge. Nina war in der hohen Blüte einer Frau, so Ende der Dreißig, und sie befand sich in einem Alter, in dem Frauen nicht mehr fragen: Was ist er oder wie ist er? sondern nur noch: Wo ist er?

Le Beau, das sah der Baron mit einem Blick, war im Augenblick das willige Opfer. Und die Tatsache, in Begleitung ihres Mannes gelandet zu sein, schien Nina Rosco kaum zu stören, vielleicht gar nicht. Sie war der Typ Frau, der sich mit seinem Ehegespons arrangiert hatte. Nach dem Motto: Nimm du dir deine Sekretärin, ich nehme mir deinen Personalchef, oder vielleicht war sie auch mit dem Chauffeur zufrieden.

Diese Nina, sagte sich der Baron, wird uns noch viel Freude bereiten.

Ihr Mann war um die Fünfzig, hatte schütteres Haar und trug eine Brille. Auf dem Schiff hatte er, wie überall, wo er auftauchte, das große Wort geführt, sich arrogant gegen jedermann benommen und — wie Le Beau immer dazu sagte — wie ein Ochsenfrosch aufgeblasen. Jetzt jedoch wirkte er wie Napoleon nach Waterloo. Sein weißer Smoking sah aus, als hätte Dr. Rosco damit die Schiffsmaschine gereinigt, und von seinem blasierten Getue war nichts als nacktes Entsetzen übriggeblieben. Hinzu kam, was die Gefühlten des Barons nicht wussten, dass er sich im Boot während des Sturmes in den ersten achtundzwanzig Stunden wie eine Memme benommen hatte, und deshalb beachtete ihn niemand mehr, seine Frau am allerwenigsten. So war von dem großen Modearzt und lautstarken Politiker nichts geblieben als eine armselige Kreatur.

Mackenzie, der Maschinist, war Mitte Zwanzig, ein hagerer, sehniger Bursche, auch blond, dabei voller Sommersprossen und an den Armen tätowiert. Beweis dafür, dass die Haut eines behaarten Männerarmes auch ein Erinnerungsmerkmal für Lillys, Honeys und Zizzis sein kann. In mehreren Sprachen war dort verewigt, wem dieser Mackenzie so alles im Laufe der Jahre durch die Betten verholfen hatte. Jetzt allerdings warf er einen bitterbösen Blick auf Jenny, und der Baron, der ihn beobachtete, erriet, was dahintersteckte. Dieser Mackenzie machte ihm ganz den Eindruck eines eifersüchtigen Hechtes, der imstande war, mit einem russischen Klappmesser auf alle die loszugehen, die seiner Angebeteten nur einen kurzen Blick zuwarfen.

Der Bursche, dachte der Baron, wird uns mindestens ebenso beschäftigen wie diese Nina Rosco.

Robert war ins Boot geklettert und kam zum Baron zurück. „Die Notzeichen-Funkanlage ist total verrottet. Die Batterie ist ausgelaufen“, sagte er.

Von Strehlitz nickte. „Sie müssen verstehen, Robert, dass Ölmilliardäre wie Stevenson nicht neben großen Festen auch noch die Seenotrufanlage ihrer Rettungsboote in Ordnung halten können. Schließlich ist er ja auch sofort mit der Barkasse losgefahren. Ich wundere mich nur, dass er seine kleine Katze nicht mitgenommen hat.“

„Wenn Sie diese Jenny meinen, Sir“, sagte Robert, „so hatte ich das Gefühl, er wollte sie ohnehin liquidieren.“

„Na ja, sie trägt es gelassen“, erwiderte der Baron mit einem Blick auf Jenny, die sich Miss Willington genähert hatte und nach einem alten ungeschriebenen Gesetz weiblicher Psyche herauszufinden versuchte, wie gefährlich ihr diese Rivalin werden könnte.

Die Unterhaltung war aber noch harmlos. Eine richtige Diskussion zwischen den beiden entspann sich erst am nächsten Tag.

Während nun alle miteinander darüber debattierten, ob doch noch ein Schiff aufkreuzen würde und warum noch immer keines aufgetaucht war, wieso keine Flugzeuge suchten, überhaupt niemand dergleichen tat, dass vierzehn Menschen verschwunden waren, während nun auch der würdige Handelsattache Home von Maßnahmen sprach, die er nach einer Rettung gegen die Leiter der Suchaktion einzuleiten gedenke, während gleichzeitig Mildred Dacombe die Wellblechbaracke besichtigte wie ein Schloss, das sie zu mieten gedachte, während das alles geschah, begann jetzt James in aller Stille damit, die Fische, die Le Beau und Tipo gefangen hatten, mit Tipos Hilfe auszunehmen und auf grüne Zweige zu spiessen, damit man sie braten konnte. Denn James hatte Hunger.

Robert und dieser Mackenzie, dessen wilder Blick immer wieder zu Jenny hinflog,. räumten die Wasserkanister und die noch vorhandenen vierzehn Konservendosen mit Notverpflegung aus dem Rettungsboot.

Mildred Dacombe kam auf den Baron zu, sah ihn an wie einen Hoteldirektor und sagte mit klirrender Stimme: „Also mein Mann und ich können ja in dieser merkwürdigen Behausung dort wohnen. Aber wo schlafen die anderen?“ Sie zeigte auf die Wellblechbaracke, die sie eben besichtigt hatte.

„Die anderen, Madam, schlafen wie Sie auch dort drin.“

„Wie? Mit uns zusammen, Frauen und Männer? Aber hören Sie mal!“

Der Baron lächelte nur und wandte sich ab. Es war ihm einfach zu dumm. Statt dessen interessierte er sich bedeutend mehr für Dolly Willington, die zu ihm kam, während die anderen sich bis auf Robert und Mackenzie alle um den Schiffsjungen und James geschart hatten und zusahen, wie die beiden arbeiteten.

„Ich glaube“, sagte Dolly und sah den Baron aus ihren leuchtend grünen Augen von unten her an, „wir werden an diesen neuen Bewohnern unsere helle Freude haben.“

Der Baron hatte bemerkt, dass Dolly sich ihr ohnehin zerfetztes Abendkleid einfach ein Handbreit über den Knien abgeschnitten hatte und so wieder ganz passabel gekleidet war. Und damit hatte sich natürlich auch ihr Reiz nicht vermindert, was allen Männern hier ins Auge fiel. Eine, wie sich der Baron sagte, weitere Voraussetzung für Komplikationen.

Sie musterte ihn aufmerksam aus ihren grünen und in der Sonne leuchtenden Augen. „Sie betrachten mich wie ein exotisches Tier, Baron. Sehen Sie so selten eine Frau?“

Er blieb todernst. „Frauen viele, solche wie Sie ganz selten. Wenn wir hier ein Waldorf Astoria hätten, würde ich Sie zum Essen einladen.“

„Ziemlich fantasielos, Baron, finden Sie nicht auch?“, erwiderte sie spitz. „Erst gehen Sie mit einer Frau essen, dann noch ein oder zwei Digestiva, die auf den bereits genossenen schweren Wein wie eine Stahlklammer wirken, und endlich schleifen Sie Ihr Opfer noch in ein Nachtlokal, um der Dame schließlich in Ihrer Wohnung noch einen Mokka anzubieten, der im Bett ausgetrunken wird. Baron, ich hätte Ihnen weit mehr Fantasie zugetraut.“

„Schade, dass man Sie bisher auf diese Weise so enttäuscht hat. Frustrierte Frauen malen sich die Bilder der Zukunft immer aus dem Schatz ihrer schlechten Erfahrungen.“

„Läuft Ihr Programm etwa anders ab?“, fragte sie spöttisch und lächelte so herausfordernd, dass schon allein dieses Lächeln manch anderen Mann in helle Wut versetzt hätte. Der Baron beherrschte sich und meinte ebenso spöttisch:

„Da Sie offenbar ein reichhaltiges Repertoire an Erfahrungen haben, könnten Sie den Faden vielleicht selbst weiterspinnen, wenn wir mal davon ausgehen, dass ich sie weder in ein Nachtlokal noch zu mir nach Hause mitgenommen hätte.“

„Baron von Strehlitz, haben Sie schon einmal etwas davon gehört, dass wir in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts leben? .Mitgenommen sagen Sie! Ich bin kein Hund und kein kleines Blümchen, das man mitnimmt. Entweder gehe ich freiwillig wohin oder ich bleibe, wo ich bin.“

„Ich freue mich, dass Sie als einzige freiwillig hier sind“, lachte er.

„Sie lenken ab, Baron. Ihr Vergleich ist Unsinn, und Sie wissen das“, erwiderte sie sachlich. „Oder haben Sie nun kein Rezept mehr, da Sie wissen, dass ich nicht zur Kategorie Ihrer bisherigen Bekanntschaften zähle, die sich von Ihnen nach Ihrem Gutdünken irgendwohin mitnehmen ließ?“

Er lächelte wieder und sagte ironisch: „Sind Sie ganz sicher, dass Sie eine Frau sind, Miss Willington?“

„O ja, da bin ich sehr sicher. Ich habe nur etwas gegen so umwerfend selbstsichere und charmante Männer, wie Sie einer sind. Sie kommen mir wie ein wandelnder Fliegenfänger vor, bei dem die Mädchen die Fliegen sind. Die Geschichte hat nur einen Haken, Baron: Ich bin keine kleine dumme Fliege, die auf Ihrem Honigleim sitzenbleibt. Betrachten wir die Lage hier also vom sachlichen Standpunkt aus. Komplimente können Sie sich im Zusammenhang mit mir sparen. Die Dame, die eben angekommen ist, ich meine Mrs. Rosco, wird wesentlich empfänglicher für Ihren Umgangsstil mit Frauen sein. Ganz gewiss ist das auch bei der jungen Lady richtig, die der so hochverehrte Mr. Stevenson so schmählich hat sitzenlassen.“

Der Baron lächelte immer noch. „Bis jetzt haben Sie nur Gift geschleudert. Und wann beginnen Sie zu beißen?“

Dolly machte ein wütendes Gesicht und wandte sich um. Der Baron lachte leise, aber noch laut genug, dass sie es hörte. Davon wurde ihre Stimmung nicht unbedingt aufgeheitert.

In diesem Augenblick sagte die rauchige Stimme von Nina Rosco: „Welch ein Glück, lieber Baron, dass wir Sie hier haben!“

Der Baron drehte sich um und sah Nina Rosco keinen Meter entfernt von sich stehen. Nach der überstandenen Angst schien sie sich schon wieder sehr auf das zu konzentrieren, was ihr Freude machte. Und nun hatte sie den Baron als erfreulichen Umgang für sich auserkoren.

Es war alles zu deutlich, und der Baron hätte von Frauen nichts zu verstehen brauchen, um dieser Frau anzusehen, worauf sie hinauswollte.

„Ich wüsste nicht, was es für Sie ausmacht, wenn ich hier bin oder ein anderer an meiner Stelle stünde“, erwiderte er um eine Spur zu schroff.

Doch damit hätte er vielleicht Jenny verjagt, nicht aber Nina Rosco. Sie strahlte ihn geradezu an, als habe er ihr ein besonders nettes Kompliment gemacht. „Hach, einen Mann wie Sie gibt es doch gar nicht zweimal! Für mich sind Sie ...“

Der Baron erfuhr die nächste Zeit nicht, was er für sie darstellte, denn plötzlich brüllte Le Beau: „Ein Flugzeug!“

*

Es war ein Flugboot, eines von denen, die von der britischen Air Force nach dem Zweiten Weltkrieg ausrangiert worden waren. Die klobige „Sunderland“ kam brummend wie eine Hornisse gemächlich auf die Insel zugeflogen. Die Propeller ihrer beiden Motoren rotierten so schnell, dass es im Sonnenlicht aussah, als befänden sich vorn zwei silberne Scheiben, die immerzu flimmerten und blitzten.

Während die Menschen herumliefen, Hemden, Tücher und überhaupt alles über sie schwenkten, das halbwegs wie eine Signalflagge wirken konnte, summte der schwerfällige Vogel näher und näher.

Der Baron starrte wie gebannt auf das Flugzeug, dessen Hoheitsabzeichen er nicht erkennen konnte. Robert, der neben ihm stand, ließ seinen inneren Computer die Daten ausspucken. „Eine Sunderland. Es gibt noch drei auf den Bahamas, meist zu Rundflügen und zum Transport von Gütern von Insel zu Insel eingesetzt. Sie alle gehören einer kleinen Flugreederei, die immer auf der Grenze zum Bankrott balanciert.“

„Es ist mir völlig gleich, Robert. Hauptsache, die Jungs sehen uns und können uns helfen.“

Die Maschine kam nun direkt über die Menschen geflogen, die. unten wie irr winkten.

„Die müssen uns gesehen haben!“, rief Dr. Rosco, der angesichts einer Rettung schon wieder zuversichtlicher geworden war.

„Und ob die uns gesehen haben“, meinte Archibald Home, der Attache. „Ich sehe ja auch, was unten ist, wenn ich mit dem Flugzeug unterwegs bin.“

Die Sunderland zog eine Schleife und kam zurück. Auf der Insel brach ob dieser Tatsache frenetischer Jubel aus. Indessen kreiste die Sunderland noch einmal, zog tief übers Wasser hin, als suchten die Piloten eine Stelle, wo sie mit ihrem schweren Vogel niedergehen konnten.

„Sie wollen landen!“, schrie Mrs. Dacombe mit überschnappender, ein wenig hysterisch klingender Stimme.

„Das heißt doch wassern, meine Liebe“, korrigierte sie ihr Mann.

Sie begriff nicht gleich, was er wollte und schnappte dann: „Immer weißt du alles besser! Ja, sie landen!“

„Die gehen wirklich ’runter!“, rief Le Beau.

Der Baron stand wie zufällig wieder neben Dolly Willington und sagte sanft: „Dann könnten wir heute Abend ja möglicherweise noch das besprochene Dinner im Waldorf nachholen, was?“

Sie sah zu ihm auf, lächelte verzeihend, wie man gegenüber dem wirren Gerede eines kleinen Kindes Nachsicht übt und erwiderte: „Was Sie brauchen, Baron, ist ein Arzt. Aber wählen Sie einen guten. Vielleicht hat er Glück und Sie werden wieder gesund.“

Wider Erwarten lachte der Baron. „Wir wollen es hoffen, denn dann wäre wenigstens einer von uns beiden wieder im Vollbesitz seiner geistigen Kraft. Da, sehen Sie, jetzt setzt die Maschine auf.“

„Umwerfend, Baron, wie Sie das bemerkt haben. Aber ich habe auch Augen im Kopf.“

„Ja, sehr schöne sogar. Die sind ein bisschen weit von der Küste, wie? Heh, James, Le Beau, bringt das große Boot zu Wasser!“

Le Beau winkte ab. „Die haben ein Schlauchboot. Da, jetzt werfen sie es aus der Tür. Es bläst sich sofort auf.“

Das geschah auch. Der gelbe Klumpen, der eben ins Wasser geplatscht war, quoll plötzlich wie ein Hefekloß auseinander, wuchs und wuchs, und dann war tatsächlich ein großes Schlauchboot daraus geworden. Zwei Männer sprangen aus der Tür direkt ins Boot, zwei weitere folgten.

Die Entfernung war zu groß, um die Männer genauer erkennen zu können. Dennoch meinte James, dessen Augen geradezu legendär scharf waren: „Das sind Farbige.“

„Na und, sind das vielleicht keine Menschen?“, fragte Le Beau herausfordernd.

Die Sunderland schaukelte im Wasser, aber die Propeller der Maschine drehten sich noch immer langsam, obgleich der Motorenlärm längst verklungen war. Dafür knatterte jetzt ein Motor, und fast gleichzeitig näherte sich das Schlauchboot der Küste.

„Wir sind gerettet, wir sind gerettet!“, schrie Jenny schrill.

Der Baron warf einen Blick zur Seite und bemerkte, wie sich Dr. Rosco plötzlich umdrehte und auf die Wellblechbaracke zulief. Außer dem Baron schien niemand dieses wie eine Flucht wirkende Weglaufen bemerkt zu haben.

Inzwischen war das Schlauchboot so nahe, dass jeder der Schiffbrüchigen sah, was für Männer dort ankamen. Es waren Schwarze in verwaschenen, graugrünen Drillichuniformen, wie sie auch die USArmy trug. Das Boot landete ganz nahe vom Liegeplatz des Rettungsbootes, und alle liefen zu dieser Stelle, alle außer dem Baron, Le Beau und Robert. Und Dr. Rosco war auch nicht darunter. Der schien aus der Baracke nicht mehr herauskommen zu wollen, als seien diese vier Schwarzer seine persönlichen Feinde.

In dem Augenblick, da alle vier aus dem Boot stiegen, brach der Jubel der Schiffbrüchigen jäh ab. Mit finsteren Gesichtern, Maschinenpistolen in den Händen, standen sie neben ihrem Boot bis zu den Knien im Wasser. Niemand hatte zuvor Waffen bemerkt, aber nun waren sie unübersehbar.

Le Beau, der gut zwanzig Schritt entfernt von der Landestelle neben dem Baron stand, pfiff durch die Zähne. „Komische Retter, was?“

„Wenn ich das schon richtig begriffen habe, heiße ich Smith“, sagte der Baron.

Plötzlich knatterte eine Kette von Schüssen über die Köpfe der Menschen hinweg, die wie erstarrt im Halbkreis vor den vier Schwarzern standen. Einer der Männer, ein dunkelhäutiger, baumlanger Bursche, rief bellend: „Zurück, bis an die Felsen zurück!“

Und damit niemand auf dumme Gedanken kommen sollte, schoss er dreimal über die Leute hinweg. Die Geschosse schlugen in den Felsen der Steilküste und pfiffen dann als Querschläger nach allen Seiten.

Kreischend vor Angst lief Nina Rosco als erste davon. Mildred Dacombe schloss sich ihr mit hysterischem Geschrei an, und Jenny plärrte wie ein geprügeltes Schulmädchen und fiel, als sie davonlaufen wollte, raffte sich wieder auf und hetzte, als sei der Teufel hinter ihr her, auf die Felsen zu.

Tipo, der kleine Mexikaner, verdrückte sich stillschweigend und mit misstrauischen Blicken über die Schulter hinweg auf jene vier.

Lino Benares schrie die Schwarzer auf spanisch an: „Ihr verfluchten Nigger, seid ihr gekommen, um uns diese Musspritzen unter die Nasen zu halten? Wir brauchen Hilfe!“

„Du sagst Nigger?“, fragte der baumlange Schwarze in seinem rauen Englisch. Plötzlich riss er seine Maschinenpistole hoch und drückte ab. Lino Benares schrie, als wäre er getroffen, aber die Geschosse spritzten nur dicht vor seinen Füßen in den Sand. Lino begann zu laufen, und hinter ihm her krachten die Schüsse, immer haarscharf hinter seinen Fersen in den Sand peitschend. Lino lief wie ein Reh. Aber da war er schon an der Felswand, konnte nicht mehr weiter und drehte sich entsetzt um. Doch der tödliche Schuss, auf den er offenbar wartete, kam nicht. Statt dessen winkte der lange Schwarze Mackenzie und Mr. Home mit dem Lauf seiner Waffe zu, sie sollten an den Felsen gehen wie alle anderen.

„Was sind das für Kerle?“, fragte Le Beau. „Ich glaube, gegen ihre Pfefferbüchsen haben wir wenig auszurichten.“

„Noch nicht“, erwiderte der Baron. „Tun wir also zunächst, was sie wollen. Robert, James, an die Wand. Wenn sie uns erschießen wollten, hätten sie das bereits mit Benares getan.

Dolly gehorchte der Aufforderung nicht. Sie trat dem langen Mann entgegen und sagte scharf: „Sie sollten uns helfen, statt uns wie Vieh durch die Gegend zu hetzen. Wir sind Schiffbrüchige!“

„Gehen Sie zu den anderen, Madam!“, befahl der Schwarze ungerührt. „Wir schießen nicht gerne auf Frauen, aber ehe wir uns von Ihnen stören lassen, würden wir das doch tun.“

„Tun Sie, was er sagt, Miss Willington!“, rief ihr der Baron zu.

Sie sah ihn verächtlich an. „Seid ihr alle nur Waschlappen?“, fragte sie.

„Jedenfalls keine Narren“, erwiderte er.

Der lange Schwarze war dadurch auf den Baron aufmerksam geworden, und während seine drei Gefährten die Leute am Felsen in Schach hielten, kam er auf den Baron zu. „Wo ist Dr. Rosco?“

„Dr. Rosco? Kenne ich nicht.“

Der Mann lächelte nachsichtig. „Sie sollten nicht mutig sein, Fremder, Sie sollten klug sein. Wir, wollen nur Rosco, sonst keinen.“

„Er ist in der Hütte! Ich habe es vorhin gesehen!“, schrie da Mrs. Dacombe. „Er ist weggelaufen, als das Boot kam. Ich habe es gesehen!“

O verdammt!, dachte der Baron. Also hat es doch noch jemand bemerkt.

Der lange Schwarze lächelte nachsichtig, wie es offenbar seine Art war. „Na, was hat es genützt?“, fragte er. Dann deutete er mit dem Lauf seiner Waffe auf den Felsen. „Dort hinüber!“

Der Baron folgte der Aufforderung. Indessen ging der Kerl weiter auf die Baracke zu. „Kommen Sie heraus, Rosco, sonst töten wir Ihre Frau!“

Da tauchte Rosco auf. Bleich, zitternd, ein Wrack in seiner Todesangst. Und er schien ganz genau zu wissen, wer diese Männer waren.

Nina, seine Frau, schrie gellend auf. „Nein, nein, tut ihm nichts!“, kreischte sie und lief auf den baumlangen Schwarzen zu.

„Weg, gehen Sie weg!“, fuhr der Mann Nina Rosco an, als sie ihn erreicht hatte und sich an ihm festklammern wollte. Er stieß sie zurück, und sie fiel hin.

„Zurück zum Felsen!“, fuhr er sie an.

Bis dahin hatte der Baron zugesehen. James kochte sowieso schon fast über. Aber er stand wie eine Bulldogge an der Leine, die nur auf ein Wort ihres Herrn wartete, um dann loszupreschen.

„Helfen Sie ihr auf! Sofort!“, sagte der Baron scharf.

Der Schwarze zuckte herum. Instinktiv riss er seine MP hoch und richtete sie auf den Baron, doch gleichzeitig sprang ihn Le Beau an. Der drahtige, nicht übermäßig große Franzose flog förmlich durch die Luft, riss den Gegner mit sich zu Boden, während James vorsprang, die MP packte und mit einer Schnelligkeit an sich riss, die niemand diesem schweren Mann zugetraut hätte.

Bevor die drei anderen Schwarzen überhaupt dazu kamen, etwas zu unternehmen, schoss James ihnen so dicht vor die Füße, dass alle drei zurücksprangen. Einer ließ seine Maschinenpistole fallen, die anderen rannten auf das Boot zu, wo sie Deckung zu finden hofften. Aber jetzt hielt James höher und traf beide in die Beine. Den dritten, der sich erschrocken zu Boden geworfen hatte, verschonte er, denn der besaß seine Waffe ja nicht mehr.

„Waffen weg!“, schrie James.

Lino Benares rannte von der Felswand her auf die drei Schwarzen zu. Doch da hob der eine seine MP und feuerte drei Schüsse ab. Alle drei trafen Lino in den Leib. Der breitschultrige Manager rannte noch vier, fünf Schritte weit, dann brach er mit einem gequälten Aufschrei zusammen.

James schoss noch einmal, bevor der Schwarze, dessen Schüssen Lino Benares zum Opfer gefallen war, noch einmal die MP abdrücken konnte.

Der Baron sah die neue Gefahr vor allen anderen. „Deckung, alles in Deckung! Das Flugzeug!“

Die schwere Sunderland war mit heulenden Motoren näher auf die Insel zugekommen, ohne sich aus dem Wasser zu erheben. Die Pilotenkanzel war geöffnet, und dort tauchte jetzt ein Mann mit einem Maschinengewehr auf.

Die Frauen kreischten, Männer brüllten, und wer Beine hatte, suchte in schützende Deckung zu kommen. Der Baron rannte zu den beiden von James erschossenen Schwarzen hin, ergriff eine der beiden MPs und warf sich damit hinter das große Rettungsboot der „Monte Christo“, legte die Maschinenpistole auf das Dollbord und feuerte sofort auf das Flugzeug.

Die Entfernung war für eine MP sehr groß, aber vielleicht - so hoffte der Baron - konnte ein Zufallstreffer diesen Mann dort vorn davon abhalten, mit dem MG zu schießen. Doch da knatterte schon die erste Salve auf die Insel.

James feuerte, den von Le Beau niedergeschlagenen Schwarzen vor sich als Deckung, ebenfalls auf das Flugzeug.

Der MG-Schütze nahm aber vorerst nur den Baron unter Beschuss. Doch die Geschosse durchschlugen zwar das schwere Rettungsboot, trafen aber den Baron nicht, der weggekrochen war und jetzt hinter dem Schlauchboot lag, das ihn zwar verbarg, aber nicht einmal gegen einen Indianerpfeil geschützt hätte.

Als der MG-Schütze seinen Gegner nicht mehr gewahrte, schoss er in James Richtung. James musste sich tief hinter den Bewusstlosen ducken und spürte förmlich, wie drei Schüsse aus dem MG den Schwarzen trafen.

Der Baron kam wieder hinter der Deckung hervor und feuerte wie rasend eine Kette von Schüssen auf das Flugzeug ab, machte dann einen Satz hinter das schützende Rettungsboot und warf sich platt zu Boden.

Das Flugzeug schien nichts abbekommen zu haben. Es schwamm noch immer auf die Küste der Insel zu, näher und näher, als wollte es wie ein Boot landen. Die Propeller rotierten, die Motoren brummten, und vorn am Cockpit schoss der MG-Schütze jetzt wie irr auf das Rettungsboot, hinter dem der Baron lag. Aber inzwischen war das Flugboot so dicht an die Klippen herangekommen, dass die Dünung die schwere Maschine hochriss und so stark zum Schwanken brachte, dass der Mann oben im Cockpit nicht mehr zielen konnte, obgleich er keine fünfzig Meter von der Küste entfernt war.

Der Baron sah hinter dem Heck des Rettungsbootes, wie sehr die Sunderland schlingerte und stampfte, sprang auf und gab die letzten Schüsse in der Trommel auf den Mann im Cockpit ab. Er sah, wie sich der Schütze, auch ein Schwarzer, aufbäumte und hinter der aufgeklappten Scheibe versank.

Eine Sekunde später hob eine Woge das schwere Flugboot ab, als sei es eine Streichholzschachtel. Es wurde mitgetragen, schoss in rasender Schnelligkeit auf den schmalen Strand zu, von den noch immer laufenden Propellern noch beschleunigt, dann krachte, splitterte und prasselte es, als stürzte ein riesiges Baugerüst ein, und schliesslich, als die Maschine auf den Strand gesetzt wurde, gab es noch einen donnernden Schlag, dann war nur noch das Meer zu hören.

Einer der Motoren lief noch immer, der andere brannte.

Aus der seitlichen Tür der Maschine sprang jetzt ein Mann, und gerade als er im Sand lag, zuckte eine Stichflamme aus der rechten Tragfläche, es gab einen explosionsartigen Knall, und mit einem Mal stand die ganze Maschine in Flammen.

Der einzige, der noch herausgekommen war, hetzte wie von Furien gejagt auf die Menschen am Felsen zu, die ihrerseits jetzt aus der Gefahrenzone rannten.

Dicke Rauchwolken wehten von der brennenden Maschine über den Strand und hüllten das Chaos völlig ein.

*

„Eine schöne Bescherung“, meinte Le Beau und betrachtete die Trümmer der ausgebrannten Sunderland. Außer schwarzen Verstrebungen und ausgeglühten Motoren hatte das Feuer kaum noch etwas übriggelassen. Rund um die Stelle war der Strand pechschwarz, und das gut fünfzig Schritt entfernte Schlauchboot war, vom Funkenflug getroffen, ebenfalls verbrannt. Von der Explosion waren Teile der Maschine herumgeschleudert worden und lagen verstreut am Strand.

Von der Besatzung der Maschine lebten noch zwei. Le Beau und James hatten die beiden gefesselt. Der eine der beiden war zuletzt noch aus der Maschine gesprungen; der andere war derjenige, der seine MP während des Kampfes aus den Händen verlor. Nun saßen sie, an Händen und Beinen gefesselt, vor James, der wie ein Wachtposten mit der MP in den Händen neben ihnen stand.

Vor der Wellblechbaracke hatten sich die Schiffbrüchigen versammelt. Nina Rosco hatte einen Nervenzusammenbruch bekommen und heulte wie ein Kind. Ihr Mann stand mit hängenden Armen daneben und schien nicht zu wissen, was er tun konnte. Er zitterte selbst am ganzen Körper.

Dolly und der Baron knieten neben dem verletzten Tipo, dessen Gesicht jetzt schon verriet, was ihm bevorstand. Die Nase war käsig spitz, die Wangen lagen wächsern an den Kieferknochen, und über der Stirn spannte sich die Haut wie Pergament. Tipo war in den Unterleib getroffen worden. Zuerst hatte er geschrien, aber nun lag er ganz still. Sein Bauch war aufgedunsen und voller Blut. Der Baron wusste, dass Tipo nicht zu retten war. Er verblutete, und das wäre sicher auch mitten in New York der Fall gewesen.

„Muss... muss ich sterben?“, fragte Tipo kaum hörbar.

Der Baron nickte. „Ja, Junge, das musst du, aber es ist schön. Du wirst es erleben. Das Leben hier war schlimm. Aber nachher, wenn du davon gehst, wirst du in ein anderes Land kommen. Überall Blüten, blauer Himmel, Wasser, viel Wasser, Tipo. Und Berge, auf denen Schnee liegt. Hast du schon mal Schnee gesehen? Nein, nur von weitem. Aber diesmal wirst du ihn anfassen können. Du wirst nur etwas zu sagen brauchen, dann wird dein Wunsch erfüllt. Und du wirst nie müde sein. Viele Jungen sind dort, Jungen wie du. Nette Jungen. Da sind alle nett. Und Mädchen sind auch da, besonders nette Mädchen, Tipol“

„Wirklich?“, flüsterte Tipo.

„Wirklich. Und große Seen gibt es. Und jede Menge kleiner Dörfer, in denen nur fröhliche Menschen leben. Du brauchst nicht mehr zu arbeiten, niemand schreit dich an, keiner will dir etwas antun. Es ist das Paradies, Tipo, und du wirst es bald sehen. Dagegen ist diese Erde hier eine furchtbare Hölle.“

Tipo lächelte matt. „Ist es schon bald?“

„Ja, sehr bald.“

„Trinken, ich möchte...“

„Besser nicht, Tipo, dann kommen die Schmerzen wieder. Und dann ist der Weg in das neue Land nicht so schön. Dann tut es anfangs noch weh. Es soll doch nicht weh tun, Tipo. Und weißt du, dass du auch deine Mutter wiederfindest? Du hast doch deine Mutter sehr geliebt, nicht wahr?“

„Sie... sie ist tot... schon lange.“

„Sie ist auch in diesem herrlichen Land. Und sie wartet darauf, dass du kommst. Sie ist jetzt schon glücklich, weil sie weiß, dass du bald bei ihr sein wirst.“

„Und Helena? Meine Schwester? Sie ist an Typhus gestorben.“

„Auch die müsste dort sein. Alle, die gut waren, die findest du dort wieder.“

„Wirklich?“

„Ja, wirklich.“

„Ehrenwort?“

„Ganz großes Ehrenwort, Tipo!“, sagte der Baron, und es fiel ihm leicht, so etwas zu sagen.

Tipo schloss die Augen und meinte gequält: „Es tut wieder weh...“

„Das vergeht. Das besagt nur, dass du bald in dieses Land kommst.“

Er schien seinen Schmerz zu vergessen. „Wie heißt es?“, fragte er heiser.

„Paradies. Ich wollte, ich könnte es auch sehen. Ich beneide dich. Tipo. Wir alle sind verdammt neidisch auf dich, weil du so ein Glück hast...“

Tipo hatte wieder die Augen geschlossen und seine Gesichtshaut glich reinem Wachs. Plötzlich blähten sich seine Nasenflügel noch einmal, sein linker Arm zuckte, dann erschlaffte alles an ihm.

Der Baron fühlte Tipos Puls und hob dann den Kopf. Le Beaus Blick begegnete dem seinen.

„Vorbei?“, fragte Le Beau.

Der Baron nickte nur und erhob sich. Um ihn herum standen die Menschen wie gebannt. Keiner sprach. Dolly verbarg das Gesicht in den Händen, und Jenny begann plötzlich zu schluchzen. Daraufhin begann auch Nina Rosco wieder zu heulen. Der würdige Archibald Home aber blickte erst auf den Jungen, dann auf den Baron und sagte schließlich beeindruckt: „Sie haben es ihm leicht gemacht. Mein Gott, ich wünschte, ich könnte Ihnen auch zuhören, wenn es bei mir so weit ist. Er hat geglaubt, was Sie sagten.“

„Ich kann nur hoffen, dass er es geglaubt hat“, erwiderte der Baron. „Wir haben noch die traurige Pflicht, die Toten zu begraben ...“

*

Am nächsten Tag zogen Wolkenberge von Südwesten her auf die Insel zu. Die See wurde rauer, und Le Beau hatte nur eine Stunde von der Küste aus angeln können. Der alte Attache, der sich als sehr brauchbarer Helfer erwies, half ihm dabei. Doch die Ausbeute ihrer Mühe reichte gerade aus, um ein Mittagsmahl für alle zu bereiten.

Robert hatte indessen wieder die Trinkwasservorräte berechnet, und das hörte sich dann ziemlich pessimistisch an. Zehn Tage lang würden alle Wasservorräte reichen, es sei denn, es würde Regen geben. Und darauf hofften alle.

Der Baron hatte sich Dr. Rosco beiseite genommen, während James noch immer die beiden Schwarzen bewachte, nachdem die beiden noch in der Nacht vom Baron verhört worden waren.

Dr. Rosco hockte ein gutes Stück von der Baracke entfernt auf einem Trümmerstück der Sunderland, während der Baron vor ihm stand.

„Also hören Sie, Rosco, dass Sie nichts wissen, ist doch ein Märchen. Sonst wären Sie niemals weggelaufen.“

Der Baron wartete auf eine Antwort, doch die kam nicht, denn Dr. Rosco starrte verbissen in den Sand. So fuhr der Baron fort: „Der eine der beiden Schwarzen sagte, dass er und die anderen der Nationalen Freiheitsfront von Haiti angehören. Das Schiff, die Monte Christo, ist ja auch nicht rein zufällig gesunken. Das war ein Anschlag, und er galt Stevenson und Ihnen. Dabei wollte man Stevenson und Sie entführen. Weil Sie beide etwas wissen. Und Sie wissen es noch, nur der Schwarze konnte mir nicht sagen, was es ist. Nun, man begriff bald, dass etwas schiefgelaufen war. Der Mann, der die Bombe gelegt hat, wurde auf dem Schiff getötet.“

„Ja, ich habe ihn erschossen.“

„Aha, und was wollte er von Ihnen?“

Rosco sah den Baron an. „Das geht Sie nichts an.“

„Irrtum, Rosco, es geht uns alle etwas an. Wir sitzen nämlich in der Tinte, die man eigentlich nur ihretwegen angerührt hat. Es ist dann ganz gut, wenn man weiß, wie man aus ihr herauskommt. Also, was wollen diese Kerle von Ihnen?“

„Ich rede nicht darüber.“ Rosco starrte wieder in den Sand.

„Gut, wie Sie wollen. Dann werde ich den anderen sagen, dass Sie uns nicht helfen wollen. Hier gilt so etwas wie Kriegsrecht, Rosco. Man könnte Sie daraufhin absondern und von Wasser und Nahrung ausschließen.“

„Das wagen Sie nie!“

„Ich berufe mich auf Gesetze des Seerechtes, Rosco.“

Rosco hob den Kopf. „Also gut. Es ist wegen der Ölkonzessionen in Haiti.“

„Weiter!“

„Stevenson und ich haben darüber verhandelt. Deshalb bin ich mitgefahren.“

„Das kann nicht alles sein. Rosco, der Schwarze sagte, dass Ihnen auf Haiti riesige Ländereien gehören. Damit hängt das doch zusammen!“

Rosco nickte. „Ja, aber es ist mein Land, und ich kann Stevenson konzessionieren, was ich will.“

„Die Burschen von der Freiheitsfront sagen, dass Sie mit Hilfe des Staates die kleinen Bauern verdrängt haben, die vorher Ihre Pächter waren. Nur wegen des Öls? Das ist es doch, nicht wahr?“

„Es ist mein Land, und ich kann darauf tun, was ich will.“

„Gut, sagen Sie, aber diese Rebellen sehen das anders. Immerhin ist es denen gelungen, die Monte Christo zu versenken und uns hier aufzuspüren, nachdem die Kerle wussten, dass Stevenson entkommen war, Sie aber irgendwo zu finden sein mussten. Was den Rettungsflugzeugen nicht gelungen war, denen ist es geglückt. Sie fanden uns.“

„Wissen Sie wenigstens, wo wir jetzt sind?“

„Sie werden schrecklich lachen, Rosco, aber Stevensons Freundin Jenny hatte unbewusst den Namen schon selbst gefunden, als sie an Land kam. Sie sagte, dies hier sei ja eine Liebesinsel. Die Eingeborenen nennen sie wirklich so. Aber es hängt mit religiösen Riten zusammen, und den Amerikanern, die sie im Krieg besetzt hielten, hat man es nie verziehen, sie benutzt zu haben. Sie ist gewissermassen heilig. Jedes Jahr im Herbst kommen die Eingeborenen mit Booten von den Turks-Inseln herüber und setzen hier ihre Brautpaare für eine Woche aus. Sie lassen, wie mir der Schwarzer sagte, nur wenig Verpflegung und Wasser zurück, und hier soll sich bewähren, ob die Paare zusammenpassen oder nicht. Nach einer Woche werden sie wieder abgeholt und dann zu Hause getraut, falls sie das selbst noch wollen. Wir befinden uns also gut und gerne fünfzig Seemeilen von den südlichsten der Turks-Inseln entfernt. Wir könnten mit dem Rettungsboot hinkommen, vorausgesetzt, wir können sämtliche Lecks flicken, die hineingeschossen wurden. Das ist unsere Chance, sobald die See wieder ruhiger wird. Die Lecks flicken wir, und wir fangen auch bald damit an.“

Rosco schwieg.

Der Baron fuhr fort: „Ich halte es auch nicht für Zufall, dass uns kein Rettungsflugzeug mehr sucht. Vielleicht ist das auch ein Werk dieser Burschen von der Befreiungsfront. Es wäre sehr gut, wenn Sie etwas sagten, wenn Sie mehr als wir hier davon wissen.“

„Sie hatten Stevenson ein Ultimatum gestellt. Er hat darüber gelacht. Sie wollten nicht, dass er nach Haiti kommt. Aber ich...“ Er brach ab, und der Baron nickte, als wüsste er, was Rosco hatte sagen wollen.

„Sie haben das Land überhaupt nur deshalb gekauft. Billig gekauft, nicht wahr? Und dann vertrieben Sie die Bauern, die Ihr Land in Pacht hatten. Bis jetzt sind sieben Menschen dafür gestorben. Zwei davon wussten nicht einmal, wofür sie starben. Oder hat Benares etwas von der Geschichte gewusst?“

„Nein, er nicht.“

„Ich rechne damit, Rosco, dass die Rebellen wiederkommen. Die lassen nicht ein solches Wertobjekt, wie die Sunderland das für sie bedeutet, einfach sang und klanglos verschwinden. Man wird suchen, und man wird die Trümmer, aber auch uns finden. Unsere Hoffnung, dass uns nämlich jemand findet, kann jetzt bedeuten, unseren Mördern zu begegnen. Das nächste Mal, Rosco, könnte es sein, dass alle anderen Sie ausliefern wollen, wenn sich die Rebellen damit überhaupt noch zufriedengeben.“

Rosco sprang auf. „Das ... das können Sie nicht tun! Das dürfen Sie nicht. Jedes Gericht in der zivilisierten Welt würde Sie dafür verurteilen!“

Le Beau war näher getreten und sah Rosco spöttisch an. „Niemand verurteilt uns, Rosco, aber dich, Rosco, dich hängen sie auf.“

„Wie reden Sie mit mir?“ empörte sich der feiste Politiker.

Le Beau grinste breit. „Empfindlich?“ Ohne sich weiter um Rosco zu kümmern, wandte sich Le Beau an den Baron: „Es wird zwei Tage dauern, bis wir das Boot flott haben. Der Kerl mit der MP hat ganz schön ’reingerotzt. Vorher fangen wir auch nichts Vernünftiges.“

Der Baron sah Rosco an. „Er wird euch dabei helfen, das Boot zu flicken. Hoffentlich gibt es keinen Sturm. Der Strand hier ist so schmal, dass er überspült wird. Dann müssen alle rechtzeitig in die Höhle hinauf. Wo steckt Robert?“

Le Beau lächelte spöttisch. „Der berechnet unsere Überlebenschancen. Im Augenblick schwirrt er oben an der Höhle herum und versucht auszurechnen, wieviel Schwitzwasser in einer Stunde die Felswände in die Zisterne hinabläuft.“

„Sag ihm, dass er sich oben auf der Hochfläche postieren und nach Schiffen, Flugzeugen oder dergleichen Ausschau halten muss.“

„Aye, aye, Sir!“ erwiderte Le Beau und winkte dann Rosco: „Komm, Bruderherz, deine Gelegenheit zur Bewährung in dieser menschlichen Gesellschaft ist gekommen!“

Rosco fluchte, dann aber entschied er sich dafür, Le Beau zu folgen.

Der Baron blickte den beiden nach, lächelte und ging dann auf den Aufstieg zu, der zur Hochfläche hinaufführte. Er wollte gerade hinaufklettern, als Dollys Stimme hinter ihm rief: „Kann ich mitkommen?“

Er hielt inne und sah nach hinten. Schlank wie eine Birke stand sie im Wind. Der Rock presste sich um ihre Schenkel und Rundungen, als sei er eine zweite Haut. Ihr Haar wurde zur Seite geweht, und er bemerkte, dass sie kleine Ohren besaß. „Gut, kommen Sie, aber es wird nicht sehr leicht sein. Spazierwege gibt es bekanntlich dort oben nicht.“

Sie lachte nur und folgte ihm dann. Als sie kletterte, zeigte sie bewundernswertes sportliches Geschick. Doch oben war sie dann doch außer Atem geraten und seufzte: „Hah, Sie scheinen ja doch ziemlich durchtrainiert zu sein.“

„Nicht der Rede wert“, erwiderte er lächelnd. „Wollen Sie sich ausruhen?“

„Nein. Aber reden möchte ich mit Ihnen. Diese Mrs. Rosco treibt es ziemlich toll, was James angeht. Der Ärmste weiß sich kaum noch vor ihr zu retten.“

„James weiß, was er zu tun hat. Um ihn sorge ich mich weniger.“

„Auch die beiden Schwarzen sind Männer“, erwiderte sie.

„Wirklich? Hat das Mrs. Rosco entdeckt?“

„Baron, zum Lachen ist das nicht. Sie macht alle verrückt. Sogar Ihren Sekretär versucht sie einzulullen.“

„Auch Robert kennt da Auswege.“

Sie sah ihn wütend an. „Sind Sie sich da so sicher? Diese Frau ist mannstoll und verrückt. Dagegen ist selbst Jenny ...“

„Sie sind doch eine emanzipierte Frau, eine von denen, die seit Jahren für die absolute Gleichberechtigung kämpfen. Nun haben Sie diese Gleichberechtigung. Warum soll Nina Rosco nicht so sein, wie Sie in Ihren Artikeln das stets den Männern unterschoben haben? Nina nimmt das, was sie kriegt. Sie ist älter als achtzehn, und ob sie das ist, also kann sie tun und lassen, was sie mag. Wer mit ihr anbändeln will, soll es tun. Uber den Geschmack kann man nicht streiten.“

„Sie vergiftet die Atmosphäre, Baron, und setzt sich über alles hinweg. Zu Mrs. Dacombe hat sie gesagt, sie sei eine abgemolkene alte Kuh.“

„Nicht sehr vornehm, aber doch nicht unbedingt falsch, nicht wahr?“, meinte er lächelnd.

„Glauben Sie? Dann wird es Ihnen sicher auch Freude machen, wie sie mich tituliert hat.“

„Ich möchte das nicht erraten müssen, meine Verehrte.“

Dolly lachte. „Nun, ich verstehe schon Spaß. Jedenfalls nannte sie mich eine frigide Gehirnakrobatin.“

„Sie müssen zugeben, dass die Dame über Fantasie verfügt. Ich glaube nicht an die Beurteilung frigide, aber mein Urteil würde Ihnen ganz sicher auch keine Freude bereiten, wie ich Sie einschätze.“

„Wie lautet es?“, fragte sie wie ein Mädchen, das den Lehrer bittet, die Mathematikzensur im voraus zu verraten.

„Sie sind raffiniert, weil Sie Ihre Schönheit kennen, die Wirkung davon auf die Männer ebenso, dabei aber pausenlos allem, was einem Mann gleicht, die Krallen und die Zähne zeigen. Nebenbei gesagt, eine recht beachtliche Methode, schnell Erfolg zu haben.“ „Erfolg? Bei wem denn?“

„Bei Männern.“ Er lachte. „Wollen Sie immer noch mitgehen?“

Sie fauchte ihn an: „Nun erst recht! Was fällt Ihnen überhaupt ein? So groß sind Sie ja nun doch nicht, dass ich mich Ihretwegen geniere.“

Er ging wortlos weiter, und sie folgte ihm in ihrem abgeschnittenen Kleid, das ihr so gut stand, als wäre es von Anfang an so geschneidert worden.

Sie überquerten die ehemalige Rollbahn, näherten sich der Stelle, wo sie gelandet waren, und plötzlich bog der Baron nach rechts ab, wo junges Gestrüpp wucherte. Seinen langen Schritten konnte Dolly nicht gleich folgen, und als sie ihn endlich einholte, stand er vorgebeugt über einem Loch von Mülltonnengröße.

„Was ist das?“, fragte sie.

„Sieht aus, als wäre darin Feuer gemacht worden.“ Er legte sich nieder und beugte sich tief in das Loch hinein, streckte die Arme bis zum Boden aus und kam dann mit hochrotem Kopf wieder hervor. Seine Hände waren schwarz von Asche und Ruß.

„Eine Feuerstelle; merkwürdig, dass sie so tief im Boden angelegt worden ist. Dazu ist sie nicht einmal alt. Augenblick!“

Er tauchte noch einmal weg und brachte etwas Asche nach oben, hielt sie in den offenen Händen und beugte sich darüber, damit der zunehmende Wind sie ihm nicht davonblies.

„Asche, was sonst?“, fragte Dolly.

„Aber was für Asche.“ Er roch daran. „Öl.“

„Und was bedeutet das?“

„Jemand hat vor gar nicht langer Zeit in diesem Loch etwas mit Öl begossen und verbrannt. Da es nicht Herbst ist, und der letzte Herbst schon ein gutes Dreivierteljahr hinter uns liegt, können es nicht die Brautleute der Eingeborenen getan haben, die jeden Herbst herkommen. Es war also jemand kurz vor uns auf der Insel, und dieser Jemand hatte Öl, um etwas zu verbrennen.“

„Mysteriös, nicht wahr?“

Er sah sie an. „Kommen Sie mit! Ich glaube, wir finden noch mehr.“

Er begann im Umkreis des Loches zu suchen, durchstöberte die Büsche und tauchte plötzlich wieder an einem Busch auf, der an einer ganz anderen Stelle lag, als Dolly den Baron vermutet hatte.

„Hier, hier ist was, kommen Sie!“, rief er und verschwand wieder im Gebüsch.

Als Dolly zu ihm kam, kauerte er zwischen den Zweigen und betrachtete eine aufgeklappte Metallkiste, die etwa die Größe eines Munitionskastens hatte.

Im Innern lagen grünschillernde kleine Platten, die der Baron jetzt aus der Kiste ins Gras schüttete. Er hob eine davon auf.

„Was ist denn das?“, fragte Dolly.

„Klischees. Sehen Sie sich das genau an! Etwas Grünspan darauf und Oxyd, aber Sie werden noch genug erkennen.“

Dolly sah sich die Platte an und rief verblüfft: „Das sind doch Druckplatten von Geldnoten.“

„Stimmt. Geldnoten der Republik Haiti. Ich möchte wetten, dass es Fälschungen sind.“

„Verstehen Sie den Zusammenhang?“

„Nein, noch nicht, Dolly. Aber jetzt möchte ich auch sagen, dass diese Insel ihr Geheimnis hat.“

Eine Viertelstunde später lag die Lösung vor ihm. Sie wollten wegen des aufkommenden Sturmes schon umkehren, als er sich durch das Gestrüpp eine Gasse bahnte und auf eine kleine Lichtung im Gebüsch stieß, in der er eine eingesunkene Stelle entdeckte, die er aufgrub. Und hier stieß er auf ein Erdloch, dessen Abdeckung zusammengesunken war. Im Loch befand sich eine Zinkkiste, die er mit Dollys Hilfe heraushob. Als er den Verschluss öffnete, begann der Sturm schon über die Hochfläche zu fegen, Sand und Grasbüschel vor sich hertreibend.

Aber beide waren viel zu vertieft in ihren Fund, um darauf zu achten. Der Deckel der Kiste schlug auf, und darinnen lagen, mit Plastikfolien verpackt, ganze Stöße von Geldnotenbündeln. Der Baron holte eines davon heraus und riss die Folie auf. Die Scheine, die er kurz darauf in der Hand hielt, waren mexikanische Pesos. Er hielt einen Schein gegen den Himmel und sagte: „Meines Erachtens sind es Fälschungen, aber das müsste ein Fachmann sagen. Robert ist einer. Er wird sich wundern. Wenn das Geld echt ist, liegt eine gute Million vor uns. Ist es falsch, können wir Öl darüber gießen.“

„Und wer hat das Zeug hergebracht?“

„Sehen Sie auf die Kiste.“ Er klappte den Deckel zu. „Da steht es drauf.“

Sie sah ein Emblem auf dem Zink, darunter war auf spanisch zu lesen: Nationale Front der Befreiung von Haiti und Westindien.

*

Der Sturm heulte und tobte mit aller Macht. Riesige Wogen wälzten sich auf den schmalen Sandstreifen vor der Steilküste zu, und dort schlugen die gewaltigen Brecher mit der Gewalt gigantischer Dampfhämmer nieder, wirbelten alles durcheinander und rissen beim Zurückfluten alles mit, was sie packen konnten, auch das Rettungsboot, das in ganz kurzer Zeit zerschmettert wurde.

Längst hatte die Sturmflut die herumliegenden Trümmer der Sunderland regelrecht unter sich begraben. Immer höher stieg das Meer an und bedeckte nach einer halben Stunde schon den gesamten Strand bis hin zu den Felsen. Dort aber schäumte, brodelte und donnerte die Flut, als wollte sie auch die granitharten Felswände zermürben.

Oben in der sicheren Höhle hockten die Schiffbrüchigen und ihre beiden Gefangenen dicht an dicht. Vor wenigen Minuten war der Baron mit Dolly Willington zurückgekehrt, gerade noch rechtzeitig, bevor der Sturm Orkanstärke erreicht hatte.

Der donnernde, brüllende Lärm der tobenden See übertönte jedes Geräusch. Eine Unterhaltung war in diesem infernalischen Krach überhaupt nicht möglich. Über der Insel hatte sich der Himmel verdunkelt. Obgleich es erst Mittag war, hätte man meinen können, die Nacht sei hereingebrochen. Gischt spritzte bis hinauf in die Höhle und durchnässte den Baron, der ganz vom am Eingang stand und auf die Szene blickte, die von den Naturgewalten geboten wurde.

Hier oben waren alle sicher, aber Nina Rosco und ihr Mann schienen an den Weltuntergang zu glauben, knieten im hintersten Winkel der viel zu engen Höhle und beteten. Der Baron sah es und dachte: Jetzt beten sie, und derselbe Dr. Rosco hat keine Skrupel, kaltlächelnd eine ganze Familie armer Bauern um die armselige Existenz zu bringen und von seinem Land zu jagen.

Dolly Willington bemühte sich um die vor Angst schlotternde Mrs. Dacombe, während Jenny sich ängstlich an die breite Brust des Schiffsmaschinisten Mackenzie presste. James putzte sich ungerührt die Fingernägel, und Robert sah beispielnehmend auf Le Beau, der mindestens ebenso ungerührt blieb wie James.

Archibald Home, der Attache, blickte am Baron vorbei auf die tobende See, und Charles Dacombe hockte mit gesenktem Kopf und machte ein Gesicht, als errechnete er den Verlust in seinen Fabriken in Frankreich, der während seiner Abwesenheit entstanden sein konnte.

Plötzlich peitschte der Sturm Regen gegen die Felsen. Aus dem Regen wurde ein regelrechter Wolkenbruch, und allmählich flaute auch der Sturm wieder ab und wurde zum böigen Wind. Die See wich vom Strand zurück und gab das frei, was sie aufgewühlt und umgepflügt hatte. Während die Güsse auf die Insel schütteten, schrie der Baron nach James und Le Beau und kletterte mit den beiden bis zur Zisterne hinab. Dort hatten Sand und riesiges Geröll den Zulauf versperrt, so dass kostbares Regenwasser seitlich in den Sand rann.

Sie legten gemeinsam den Zufluss frei, und binnen Sekunden stieg der Pegel in der Zisterne. Bis hierhin hatte zwar das Meer nicht kommen können, doch der Sturm schien Berge von Sand in die Zisterne geblasen zu haben. Mit Blechstücken und Brettstümpfen, die sie fanden, schaufelten die drei Männer den Sand aus der Zisterne, dabei selbst bis an die Oberschenkel im Wasser stehend. In ganz kurzer Zeit war die Zisterne randvoll, an den drei Männern aber war kein Fetzen trockenes Zeug mehr. Trotzdem wühlten sie so etwas wie eine Grube in den Sand, damit das noch immer wolkenbruchartig vom Himmel schüttende Regenwasser aufgefangen werden konnte.

Nach zwei Stunden hörte es auch auf zu regnen, der Himmel wurde hell, und nach ein paar Minuten strahlte die Sonne auf die Insel, als sei nie etwas gewesen. Am Strand war von den Flugzeugtrümmern nur noch ein Stück von dem nahezu völlig mit Sand bedeckten einen Motor zu sehen. Alles andere hatte die See verschlungen. Auch das Rettungsboot. Einzelne Trümmer davon ragten weit entfernt wie Spieße aus dem Sand: Die Insel zeigte sich so jungfräulich wie vor der Besitzergreifung durch die Schiffbrüchigen. Keine Spur einer Explosion, kein Ruß mehr auf dem Sand, alles war neu, weiß und sauber. Und die letzte Chance, mit dem Rettungsboot in Sicherheit zu kommen, bestand auch nicht mehr.

*

Während Le Beau und James noch am Strand nach etwas suchten, was sich vielleicht noch verwerten ließ, kletterte der Baron zur Höhle hinauf. Dort erwartete ihn eine Überraschung. Mackenzie, der Maschinist, hielt die einzige MP, in der sich noch Munition befand, in den Händen. Hinter ihm standen, von ihren Fesseln befreit, die beiden Schwarzen, Jenny und das Ehepaar Rosco.

Mrs. Dacombe riss sich gerade von ihrem Mann, der sie halten wollte, los und stellte sich ebenfalls zu jenen, die sich hinter Mackenzie geschart hatten und offenbar eine Partei bildeten. Gegenüber von Mackenzie hoben Robert, Archibald Home und nun auch Charles Dacombe die Arme. Home lächelte dabei sarkastisch, wie es seine Art war. Er war ein Engländer vom Scheitel bis zur Sohle, ein Sohn jener Ahnen, die ein Weltreich erobert hatten. Angst durfte man haben, aber nie zeigen.

Charles Dacombe schien vor Wut zu kochen, doch was eine MP ist, wusste er zu gut, um den Helden zu spielen. Das gallische Temperament in Dacombe rang mit der Vernunft. Aber man sah ihm an, dass es nicht viel kostete, und er wäre trotz seines Alters wie ein Tiger auf Mackenzie losgegangen. Dacombe hatte sich halb vor Dolly Willington gestellt, die zwar die Arme nicht hob, aber dennoch keine Möglichkeit hatte, etwas gegen Mackenzie und seine Waffe zu tun.

Mackenzie hatte den Baron schon gesehen, schwenkte den Lauf der MP herum und fauchte: „Stehen Sie still! Ich habe keine Hemmungen, das Ding auf Sie abzudrücken.“

Der Baron lächelte kühl. „Und wozu soll dieser Zauber taugen?“

Statt Mackenzie antwortete Dr. Rosco. „Wir haben beschlossen, uns mit den Männern der Nationalen Fiont zu arrangieren.“

Die beiden Schwarzen grinsten breit. Aber sie schwiegen.

„In Ordnung, und wie soll das funktionieren?“, fragte der Baron interessiert.

„Die beiden werden Hilfe holen können. Es gibt Signale und ähnliche Möglichkeiten. Die Befreiungsfront wird wiederkommen.“

„Aha. Und weiter?“, erkundigte sich der Baron so gelassen, als wollte er etwas über den Theaterspielplan der Mailänder Oper wissen.

„Das mit dem Flugzeug geht ja eindeutig auf Ihre Kappe. Die Befreiungsfront wird Sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Sie und Ihre Leute.“

„Sehr gut. Kurzum, ihr braucht ein paar Dumme, von denen ihr sagen könnt, dass die es gewesen sind. Rosco, Sie sind ein Idiot. Man will Sie, und man wird sich letztlich an Sie halten. Audi wenn Ihnen die beiden dort etwas anderes erzählen, aber daran glauben die schon nicht mehr, wenn sie den Mund aufmachen.“

Mackenzie übernahm wieder die Initiative. „Quatschen Sie nicht! Stellen Sie sich mit erhobenen Händen an die Wand und halten Sie die Schnauze! Das Ding geht verteufelt schnell los!“

„Es sind noch fünf Schuss drin“, sagte der Baron. „Kriege werden Sie damit nicht mehr führen können, Mackenzie.“

„Für euch reicht es. Bauchschüsse werden es wenigstens.“

„Oh, wie ich dich bewundere, Georgy!“, hauchte Jenny voller Hingabe.

„Ja“, sagte Nina Rosco nicht ganz so überzeugend, „er ist ein tüchtiger Mann.“

Mackenzie grinste geschmeichelt. „Los, an die Wand, bevor ich die Nerven verliere, Großfürst!“

Der Baron wog seine Chancen ab, aber er sah keine. Mackenzie stand günstig, und es war ihm zuzutrauen, dass er kaltblütig auf Home, Dacombe oder Robert schoss, wenn für ihn die Lage brenzlig werden sollte. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit geben sollte, dann die einer raschen Flucht. Aber was hätte das den anderen genützt, die sich in der Gewalt Mackenzies befanden? Mackenzie sah aus wie ein Mann, der zu allem entschlossen war, und er wirkte brutal genug, um notfalls auch auf Dolly zu schießen.

In diesem Augenblick verlor Charles Dacombe die Nerven. „Du kleiner verteufelter Dreckfink!“, schrie er Mackenzie an. „Mitmenschen mit einer Waffe zu bedrohen, die ebenso dran sind wie du! Warte!“

Und er ging mit einem wütenden Schrei auf Mackenzie los. Zwei Schritte trennten ihn von dem Maschinisten, und für den Baron waren es mindestens fünf. Als Mackenzie seine MP herumriss, sprang auch der Baron vor, um zu verhindern, wozu Mackenzie zweifellos entschlossen war. Doch da krachte schon der Schuss.

Dacombe wurde in die Schulter getroffen, von der Wucht des Treffers halb um die eigene Achse gewirbelt und zurückgestoßen. Bevor der Baron Mackenzie erreicht hatte, warf sich der Maschinist herum und schoss. Aber er verfehlte den Baron, der sich buchstäblich in letzter Sekunde zur Seite fallen ließ. Als Mackenzie erneut abdrücken wollte, krallte sich Mrs. Macombe in seinen Arm und riss daran.

„Sie Schuft! Sie schreckliches Tier!“, kreischte die Frau, die sich vorhin noch so klug vorgekommen war. Nun hatte sie ihren Mann als Opfer desjenigen gesehen, dem sie vertraute.

Mackenzie drückte noch den Einzelschuss ab, aber auch der traf nicht, weil ihn die kreischende Frau aus der Zielrichtung gebracht hatte.

Dacombe war zusammengesunken, hielt die rechte Hand auf seine verletzte linke Schulter gepresst, und um die Hand färbte sich das Hemd blutig.

„Bleib liegen!“, keuchte Mackenzie, als sich der Baron aufrichten wollte. „Niemand kommt mir zu nahe! Niemand!“ Dann war er schon mit dem Rücken an der Felswand. „Ihr verdammten Scheißer! Ihr denkt wohl, mit mir könnt ihr es machen, was? Mit mir nicht! Noch sind zwei Schuss drin. Wer will sie im Bauch haben? Wer?“

Da rief es vom Eingang der Höhle: „Ich, Mackenzie, ich!“

Le Beau, dachte der Baron. Le Beau, wer sonst?

Mackenzie wirbelte herum, schoss, aber der Kopf, der am unteren Rand des Höhleneingangs aufgetaucht war, zuckte rechtzeitig weg. Und gleich danach kam der zweite Schuss, denn Mackenzie hatte in der Aufregung den Abzug bis hinten zum Dauerfeuer durchgezogen. Nun hatte er sich verschossen. Es klickte, und das war für den Baron wie ein Signal. Er sprang auf, flog auf Mackenzie zu, und gleichzeitig mit ihm sprang Dolly Willington nach vorn, hob den Arm und schleuderte Mackenzie eine Handvoll Sand ins Gesicht.

Mackenzie riss die leergeschossene MP wie einen Stock schützend nach oben, aber der Rammer, den der Baron kerzengerade gegen Mackenzies Kinn schickte, wurde davon nicht gebremst. Mackenzie flog zurück und landete auf Jenny, die er mit sich zu Boden riss.

Auf diesen Augenblick schienen die beiden Schwarzen gewartet zu haben. Sie sprangen mit schrillem Geschrei auf den Höhlenzugang zu, prallten mit Le Beau zusammen, der gerade dort auftauchte, und flogen mit ihm zusammen nach unten auf den Strand.

Unten aber stand James, der diesem herabstürzenden Trio mit der Gelassenheit eines Schauermannes entgegen blickte, als seien dies drei Säcke, die er gleich weiterverladen müsste.

Der eine Schwarze fiel ihm direkt vor die Füße. So flink er auch aufstehen wollte, James hatte einen schnellen Schlag, und meist einen, der die Dinge augenblicklich entschied. Mehr als den Ansatz einer Bewegung brachte der Haitirebell nicht mehr fertig, dann raubte ihm James’ Faust für die nächsten Minuten das Bewusstsein. Der zweite Schwarze kam noch auf die Knie, aber da traf es ihn von zwei Seiten. Le Beau jagte ihm die Handkante an den Hals, und James wuchtete ihm eine Gerade an die entgegengesetzte Schläfe. Das hätte jeden in den tiefsten Schlaf geschickt.

„Schlafe, mein Kindchen, schlaf ein!“, sang Le Beau. Dann wischte er sich den Sand von der Hose und sah James grinsend an. „Ob unser großer Meister dort oben soweit ist?“

James besah sich die beiden Schwarzen. „Und so etwas will die Welt verändern. Arme, geprügelte Schweine, tun mir sogar leid.“

Oben rief der Baron: „Alles okay?“

„Wie immer, Alex“, erwiderte Le Beau. „Wirf uns den lieben kleinen Maschinisten herunter. Wir wickeln ihn ein.“

Kurz darauf tauchte der Baron oben auf und hatte den gewiss nicht leichten Mackenzie wie etwas Federleichtes am Kragen. „Da habt ihr ihn. Er hat Monsieur Dacombe angeschossen. Nehmt ihn euch an die Brust.“

Damit ließ er Mackenzie los, der am Felsen herabrutschte und schwer in den Sand plumpste.

*

Den Nachmittag über versuchte Le Beau Fische zu fangen. Jenny, von allen revolutionären Ideen geheilt, half Mrs. Dacombe, den verletzten Industriellen zu pflegen. Der Baron hatte vorhin mit Roberts Hilfe das Geschoss aus der Schulter entfernt, aber dabei hatte Dacombe viel Blut verloren. Schwach und bleich lag er im Schatten des Felsens, neben sich die beiden Frauen.

James hielt Schildwache bei den nunmehr drei Gefangenen, während Nina Rosco sich mit ihrem Mann stritt und ihn beschuldigte, sie in alles hineingezogen zu haben. Archibald Home versuchte indessen, sich eine Angelschnur zu fertigen, und dazu hatte er sich von Jenny und Dolly ein paar Haarsträhnen erbeten, die er zu einer Schnur flechten wollte.

Der Baron und Dolly befanden sich abermals auf der Hochfläche auf Erkundungsreise. Sie erreichten wieder die Stelle, wo die Kiste mit dem Geld gestanden hatte, und von Robert - den er insgeheim eingeweiht hatte - wusste der Baron, dass es Falschgeld war, sogar ziemlich mieses. Allerdings hätte das nur ein Fachmann gesehen, Ausländer und einfache Leute in Haiti bestimmt nicht.

„Ich muss Ihnen noch ein Kompliment machen, Doktorin“, sagte der Baron, als sie vor der Kiste kauerten.

Dolly sah ihn skeptisch an. „Ist das die Einleitung zu etwas anderem?“, wollte sie wissen.

Er lachte. Dann musterte er sie. Hübsch sah sie aus, klug war sie, Haare hatte sie auf den Zähnen, und Mut besaß sie auch. Mein Gott, dachte er, welch eine Frau!

Sie gefiel ihm. Und der Wunsch, sie nicht nur anzusehen, wuchs mit jeder Minute. „Was haben Sie gegen mich?“ fragte er. „Sie gefallen mir eben.“

„Fehle ich noch in Ihrer Sammlung?“, fragte sie spöttisch.

„Ich lege keine Sammlung an. Sie überschätzen mich maßlos“, enviderte er lächelnd.

„Ihr Ruf dringt in den letzten Winkel Amerikas, mein Lieber. Tun Sie deshalb nicht so, als brauchten Sie noch Nachhilfeunterricht.“

„Mögen Sie mich wirklich nicht?“

Sie lachte. „Sie sind ein Charmeur.“

„Sie schätzen schüchterne Liebhaber mehr, nicht wahr?“

„Sie irren sich, aber ich möchte nicht vernascht werden, um danach im Müll zu landen. Man hat so seine bestimmten Vorstellungen.“

„Unsere Lage, Dolly, ist doch nicht so, dass wir vor Freude schreien könnten. Ich möchte damit sagen: wer weiß, was morgen ist. Leben und lieben wir das, was wir haben.“

Sie lachte laut. „Kommen Sie doch nicht auf diese sentimentale Tour. Sie sind ein Mann, der die Frauen braucht wie sein handfestes Frühstück.“

„Bei Jenny hätte ich es einfacher.“

„Bei Nina Rosco brauchten Sie überhaupt nichts zu tun. Warum vergeuden Sie mit mir Ihre kostbare Zeit? Lohnt sich dieser Aufwand?“

„Sie gefallen mir eben.“

„O Gott! Auch das noch. Hören Sie, Alexander, ich mag Sie. Ja, ich mag Sie sogar sehr. Aber ich möchte, dass es so bleibt. Deshalb sollten wir nichts verändern. Stillen Sie Ihren Durst bei Jenny oder Nina Rosco. Ich würde es Ihnen nicht übelnehmen. Aber drücken Sie in Ihrer Kartei die Leertaste, wenn es um mich geht.“

„Schwierigkeitsgrade erhöhen den Reiz, nicht wahr?“, meinte er zynisch.

„Sie missverstehen mich. Sie wollen mich auch nicht begreifen.“

Er legte seinen Arm um ihre Schulter, und sie duldete es. Aber dann sah sie ihn spöttisch an. „Und? Glauben Sie, dass mich körperliche Berührung weich in meinen Ansichten machen könnte?“

„Sie sind doch eine Frau, oder?“

„Ja. Und ich bin auch keine unberührte Jungfer mehr. Aber das ist etwas anderes. Ich sagte doch, dass ich Sie wirklich mag. Wenn ich Ihnen nachgebe, wollte ich Sie ganz für mich haben. Männer wie Sie kann eine Frau aber nie für sich allein besitzen. Deshalb, Alex....“

„Ihre Ehrlichkeit ist umwerfend.“

„Deshalb habe ich auch wenig Freunde. Vor allem unter den Männern. Manche hassen Frauen, die ehrlich sind. Sonst würde mancher Mann wissen, wie lächerlich er auf manche Frau wirkt. Das tut dann weh.“

„Danke.“

Sie sah ihn verblüfft an. „Nein, auf Sie war das nicht gemünzt. Sind Sie beleidigt?“

„Nein“, sagte er trocken, „aber wahnsinnig verrückt nach dir!“

Und da zog er sie schon vehement an sich, doch sie bog den Kopf zur Seite, als er sie küssen wollte.

„Nein, Alex, nein!“

Er ließ nicht locker, hielt sie mit einem Arm und drückte ihr mit sanfter Gewalt den Kopf herum. Als seine Lippen die ihren berührten, keuchte sie: „Hören Sie auf, Sie zerstören alles!“

Er ließ sie los und sah sie forschend an. „Was sind Sie nur für eine Frau?“

„Ergründen Sie das besser niemals“, erwiderte sie ein wenig atemlos. Sie lächelte nachsichtig. „Ich bin nicht böse, aber versprechen Sie mir, das nicht noch einmal zu tun.“

„Ich gebe solche Versprechungen grundsätzlich nicht ab. Also gut, gehen wir!“

Danach taten sie, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen. Dolly gab sich kameradschaftlich, fast wie ein Partner, nur nicht wie eine Frau, die lieben kann und geliebt werden will. Dem Baron, der an dieses sachliche Gehabe Dollys nicht glauben wollte, verdross ihr Getue die Laune, doch er ließ sich nichts anmerken und tat, als habe er es endgültig aufgegeben, sie zu erobern.

Sie suchten weiter, aber nirgendwo gab es Anhaltspunkte dafür, dass weitere Dinge verborgen lagen wie zuvor die Kiste mit dem Falschgeld und die verrotteten Druckplatten.

„Und wenn wir die beiden Schwarzen fragen?“, schlug Dolly vor.

„Ich habe sie gefragt. Vermutlich wissen sie nichts.“

„Im Grunde sitzen wir alle wegen Dr. Rosco in der Tinte.“

„Wenn man so will, ja. Aber nicht allein. Rosco und Stevenson müssen mehr zu bieten gehabt haben. Sonst wäre es für die Revolutionäre einfacher gewesen, die beiden einfach zu erschießen. Wenn das nicht geschah und man sie lebend wollte, hatte man vor, sie zu etwas zu zwingen oder Dinge zu tun, die ein anderer nicht für die beiden erledigen kann.“

„Und was wäre das?“, fragte Dolly.

Der Baron zuckte die Schultern. „Ich versuche immerzu die Verbindung vom Schiffsuntergang und dieser Insel herzustellen. Sehen Sie, niemand konnte ahnen, dass ausgerechnet zwei Boote, beziehungsweise ein Boot und ein Floß, nicht von den Suchflugzeugen und Suchschiffen gefunden werden würden und diese beiden Gefährte auf dieser Insel stranden sollten. Das war nicht vorauszuberechnen. Diese Insel liegt gut hundertzehn Seemeilen von der Untergangsstelle der Monte Christo entfernt. Auch die Meeresströmung kommt für die ganze Strecke nicht in Betracht, denn in die sind wir erst am letzten Tag im Nebel geraten. Damit will ich sagen: man hat nicht die Strömung einkalkulieren können. Aber ausgerechnet auf dieser Insel finden wir nun Dinge der Leute, die uns hier entdeckt haben, um Rosco zu holen. Ich glaube an zwei Versionen. Die erste: jemand hat dafür gesorgt, dass die Suchaktion abgebrochen wird, und das geschieht, wenn zum Beispiel Trümmer oder Kleidungsstücke oder gar verstümmelte Leichen an einer möglicherweise anderen Stelle gefunden werden, die annehmen lassen, man habe die vermissten Rettungseinheiten gefunden. Die zweite Version sieht so aus: jemand unter uns hat Kontakt zu den Revolutionären gehabt und hat ihn womöglich noch. Die Landung hier mag ein Zufall gewesen sein, aber an einen Zufall, der die Sunderland hergeführt hat, glaube ich nicht mehr. Nun ist jetzt alles gelaufen. Wir sind nicht hochgenommen worden, sondern haben uns behauptet. Aber dabei sind wir nicht weitergekommen.“

„Glauben Sie, dass noch einmal Revolutionäre hier landen?“

„Ich müsste mehr wissen, mehr über die Hintergründe. Vielleicht kommen sie wieder.“

„Ist das für uns eine Möglichkeit, von der Insel zu kommen?“

„Mich wundert, dass kein Flugzeug, kein Boot, nichts zu sehen ist. Gewiss, wir lbefinden uns weit abseits von den Schiffsrouten, aber trotzdem. Von uns aus kommen wir ohne Boot, ohne Holz für ein Floß nicht mehr weg.“

Sie durchstöberten alle Kuhlen und Vertiefungen auf der Insel. Stundenlang sammelten sie Möweneier, was nicht immer ungefährlich war, denn die Vögel griffen sie an. Mit zwei Dutzend Eiern machten sie sich auf den Rückweg. Kurz bevor sie die Steilküste erreichten, entdeckte Dolly plötzlich einen Pfahl, es sah jedenfalls wie ein Pfahl aus, was da armlang aus der Erde ragte. Der Baron ging näher.

Es war kein Pfahl, sondern ein Stück Rohr, was da verrostet aus der Erde ragte.

„Was kann das sein?“, fragte Dolly und versuchte daran zu rütteln, aber das Rohr saß fest wie einbetoniert. Der Baron scharrte die Erde etwas weg, aber das Rohr schien tief verankert zu sein. Er riss und zog daran, und da bewegte es sich ein wenig. Als er es herausziehen wollte, gab das Rohr nach einigen Versuchen ein kleines bisschen nach, doch es ließ sich nicht völlig lösen.

„James würde es schaffen“, sagte der Baron. „Vielleicht ist das aber alles Unsinn, und dieses Rohr hat nichts zu bedeuten.“

Sie waren beide so vertieft, dass sie sich nicht umblickten. So übersahen sie völlig, dass sie nicht mehr allein waren.

Dolly sah die Fremden zuerst. Entsetzt schrie sie auf. Der Baron fuhr herum und richtete sich auf.

Vor ihm standen drei Männer in graugrünen Drillichuniformen, wie sie die beiden Schwarzen trugen. Aber dies hier waren keine Schwarzen, sondern weiße Männer mit bärtigen Gesichtern und verwaschenen Feldmützen, die offenbar einst der US Army gehört hatten. Alle drei hatten Maschinenpistolen im Anschlag. Und alle drei lächelten triumphierend.

Der Größte von ihnen, ein Rothaariger mit struppigem Bart, sagte in breitestem Eastend-Amerikanisch: „Die Frau zu uns, und du, Bruder, hebst mal die Pfötchen!“

*

Nach der ersten Überraschung lächelte der Baron. Er sah dabei den Rothaarigen an und sagte ungerührt: „Für einen Überfall ist das fast ein idealer Platz, nicht wahr?“

Der Rotschopf grinste. „Bruder, ich habe den Eindruck, wir verstehen uns auf Anhieb. Wenn du nun noch die Hände hochhebst, werden wir direkt gute Freunde. Charly, taste ihn ab!“

Sein Begleiter zur Linken, der aussah, als hätte er das Gesicht mit dem Rasiermesser zu tätowieren versucht, ging um den Baron herum und tastete ihn von hinten ab. „Keine Waffe“, sagte er dann.

„Bei einem Schiffbrüchigen werdet ihr kaum Reichtümer finden“, meinte der Baron.

Der dritte Mann, der blass und hager aussah, als leide er an Schwindsucht, hatte die widerstrebende Dolly zur Seite gezogen und sagte gerade: „Ihnen krümmt kein Mensch ein Haar, Kleine!“

„Ich bin nicht Ihre Kleine!“, fauchte sie.

„Ich würde eine Dame etwas anders behandeln!“ knurrte der Baron.

Der Rotschopf nickte. „Clarence, er hat recht. Bleib Gentleman, wenn du je gewusst hast, wie das ist.“ Er lachte wieder. „Tja, Freunde, mit denen unten am Strand sind wir schon fertig. Der eine, so ein verrückter Franzose, hat uns ganz schön Ärger gemacht. Aber wir sind immerhin zu acht Mann. Ihr habt eben Pech gehabt, Leute.“

„Wie kann ich das verstehen?“, fragte der Baron.

„Ganz einfach. Wir sind seit letzter Nacht auf der Insel. Drüben, auf der anderen Seite sind wir gelandet.“

„Aber dort hatten wir eine Wache.“ Der Baron sah Dolly an. „Der Attache.“

Der Rotschopf lachte. „Attache? Ja, für Witze hatte Archie immer was übrig. Und nun bleibt euch das Maul vor Staunen offen, was?“

„Für eine Aufklärung bin ich immer dankbar“, erwiderte der Baron.

Die Begleiter des Rotschopfes lachten geringschätzig, aber der Rothaarige unterschätzte den Baron keineswegs. „Hört zu, ich habe meinen guten Tag nach soviel Glück. Für euch ist es natürlich schlimm, dass ihr hier gelandet seid. Sehr schlimm. Zum Glück haben wir das noch rechtzeitig mitbekommen. Und wenn die Narren, die mit dem Flugzeug hier waren, nicht solche dämlichen Zicken gerissen hätten, wären wir gar nicht nötig gewesen. Nun gut, wir haben das geregelt...“

„Für die Nationale Befreiungsfront?“ fragte der Baron.

Jetzt lachte der Rotschopf. „Ihr Idioten habt das wohl geglaubt, was? Die Menschen sind nicht halb so edel, wie sie tun. Das erkläre ich euch zuletzt. Ja, Freunde, gehen wir jetzt. Die Zeit ist Geld, und wir haben nichts zu verschenken. Vorwärts!“

Der Baron ließ die Hände sinken. „Womit seid ihr gekommen?“

„Mit einer Barkasse. Aber es hat für dich keine Bedeutung, Bruder“, erwiderte der Rotschopf.

„Das heisst, ihr wollt uns auf der Insel lassen.“

„Ja, so kann man es nennen.“

„Also umbringen.“

„Ein hartes Wort, Bruder. Nur die Kleine hier, die nehmen wir mit, die andere auch. Vielleicht auch diese blonde Frau von Rosco.“

„Gehört Rosco zu euch?“

„Du bist gut!“, lachte der Rotkopf. „Diesen Hundesohn haben wir ja überall gesucht.“

„Ihn nehmt ihr auch mit?“

„Nicht mehr nötig. Ich habe ihn erschossen, Bruder. Habt ihr hier oben gar nicht gehört, was? Schalldämpfer. Beinahe hätten wir euch hier oben übersehen. Na, es ist mein Glückstag. Gehen wir.“

Der Baron blieb stehen. „Wenn ihr mich umbringen wollt, könntet ihr mir auch erzählen, warum und wie alles zusammenhängt. “

„Lass es dir von Archie erzählen. Archie ist schliesslich der Stellvertreter vom Boss. Mann, das war etwas, als ausgerechnet er und Rosco verschwunden waren.“

„Ist die Rettungsaktion abgeblasen worden?“, fragte der Baron und ging langsam vor den beiden Kumpanen des Rothaarigen her.

„Ja, schon lange. Man hat Bootstrümmer gefunden und denkt, dass die Insassen von den Haien gefressen wurden. Euch sucht keiner mehr. Und hier schon gar nicht.“

„Und wie sind die mit der Sunderland auf die Idee gekommen, uns hier zu suchen?“

„Die wollten euch gar nicht direkt suchen, die hatten auch schon aufgegeben. Aber natürlich haben sie immer noch gehofft, euch vielleicht zu entdecken. Dabei ist es dein Pech und auch das von den anderen, die damit nichts zu tun haben, dass ihr eben so dabei seid. Jetzt müssen wir euch stumm machen. Ihr wisst zuviel, verstehst du?“

„Ich verstehe. Die Sunderland wollte also sowieso in diese Gegend.“

Der Rotschopf lachte dunkel. „Das ist ja euer Pech. Diese Insel ist für uns nicht ohne Bedeutung. Du bist doch schon dahintergekommen, nicht wahr?“

„Leider nicht.“

„Nochmals Pech für dich. An dem Luftrohr da vorn, wo wir euch aufgegabelt haben, liegt die Lösung. Wenn wir ein paar Stunden später gekommen wären, hättest du womöglich die Kammer gefunden, was? Haha!“

„Eine Kammer?“

„Frag Archie!“

*

Mit den beiden Schwarzern waren sie zehn Mann. Sie trugen allesamt diese verwaschenen Drillichanzüge, in denen sie aussahen wie Revolutionäre Fidel Castros, aber das waren sie nicht, obgleich sie sich gebärdeten wie Volksbefreier und die Maschinenpistolen herumschwenkten.

Bis auf Archibald Home saßen alle Schiffbrüchigen unter der Felswand. Die Männer waren gefesselt, Jenny und Mrs. Dacombe beschäftigten sich mit Nina Rosco, die wie ein Kind zeterte und schrie. Ihr Mann lag leblos ein Stück entfernt im Sand, ziemlich genau dort, wo die Sunderland explodiert war. Die Wellen schwappten über die verdreht liegenden Füße des Toten.

Gut fünfzig Meter vor dem Strand schaukelte eine seetüchtige Motorjacht auf den anrollenden Wogen. Das Boot lag vor Anker. Am Strand selbst war ein Beiboot festgemacht, mit dem die Grünuniformierten offenbar an Land gekommen waren.

Der Rotschopf ging mit angeschlagener Maschinenpistole hinter dem Baron her und sagte: „Archie will ganz bestimmt mit dir reden. Bruder! Geh mal zu ihm!“

Als sich der Baron über die Schulter umsah, bemerkte er, wie die beiden anderen Dolly zu den Frauen führten, sie dort ließen und wieder aus der Schusslinie der fünf Bewacher traten.

Archibald Home, der vermeintliche Attache, lächelte, als der Baron vor ihm stand. „Es tut mir sehr leid, Baron“, sagte er. „Aber die Umstände zwingen mich dazu, an das Wesentliche zu denken und das Unwesentliche außer acht zu lassen.“

„Ich verstehe. Sie sind also kein Attache?“

„Sie haben das sehr gut ermittelt, Baron. Schade, dass wir beide uns nun trennen müssen.“

„Sehr schade. Und wie sieht die ganze Chose nun wirklich aus?“

Archibald Home, oder wie er wirklich heißen mochte, spielte den Lord. Im Gegensatz zu seinen rabaukenhaften Männern bewahrte er die Haltung eines Gentleman, zumindest machte es ihm Spaß, diese Rolle zu spielen.

Der Rotschopf wollte dem Baron die Hände fesseln, aber Archibald Home sagte missbilligend: „Hal, so wollen wir mit einem tüchtigen Mann nicht reden. Nicht wahr, Baron, Sie sind nicht so dumm, dass ich Hal auf Sie hetzen müsste wie einen Jagdhund auf einen Fuchs? Nun gut, ich will Ihnen jetzt alles erklären. Danach überlasse ich Sie Hal, und ich denke, er wird es sehr schnell erledigen. Wir sind keine Sadisten. Ihr Pech, dass Sie den Dingen immer auf den Grund gehen müssen.“

„Ich begreife eines nicht: Rosco und Mackenzie hatten die beiden Schwarzen auf ihrer Seite, als vor Stunden diese Rebellion unter uns stattfand. Sie aber, Home, standen auf der anderen Seite.“

„Die beiden Jungs, ich meine die Schwarzen, wussten nicht, wer ich bin. Sie glaubten oder glauben noch, dass es sich um ihr Land dreht, um die Nationale Befreiung und derlei dummes Zeug. Es geht aber um Öl. Rosco hat das Land, Stevenson hat die Konzession, Benares hatte die Funde gemacht. Wir brauchten drei Dinge, Baron: erstens Stevenson, der uns die Bohrrechte offiziell und ganz legal übertragen musste. So etwas kann man nicht heimlich machen. Zweitens mussten wir Rosco haben, der uns sein Land — nun sagen wir einmal — verkaufen sollte. So ganz freiwillig hätte der das nicht getan. Unsere Leute haben das Schiff versenkt, und unsere Leute sollten unter den Rettern sein und Stevenson und Rosco retten. Aber da ging einiges schief. Daran sind Sie, Baron, mitschuldig. Sie haben nämlich die anfängliche Panik auf dem Schiff gestoppt, sorgten dafür, dass beim in die Boote gehen Ordnung in die Sache kam, und da brachten Sie unseren Plan durcheinander. Unsere Leute retteten das falsche Boot, in dem natürlich weder Stevenson noch Rosco waren. Stevenson haben wir indessen, wie ich von Hal erfuhr. Ja, und als ich sah, wie es läuft, habe ich mich Rosco und seiner Frau angeschlossen.“

„Rosco wurde nun doch erschossen. Liegt Ihnen nicht mehr an einer offiziellen Regelung?“

„Ist überholt. Stevenson hatte bereits Roscos schriftliche Zusage. Wir können bohren.“

„Und die Befreiungsfront? Die gibt es doch sicherlich auch noch.“

Archibald Home zuckte die Schultern. „Natürlich gibt es die. Narren sind überall auf der Welt. Wir werden ihnen ein paar Dollar geben, ein paar veraltete Waffen und der Regierung einen Tipp, damit sind wir sie los.“

„Bewundernswürdig, wie fein Sie alles zu regeln wissen, Home. Aber regnet es Ihnen nicht möglicherweise gerade aus dieser Richtung durchs Dach?“

„Sie meinen die beiden Idealisten, die unter uns sind? Die wissen inzwischen auch, auf welcher Seite das Sandwich den Schinken liegen hat. Die Jungs spielen auf unserer Geige mit.“

Der Baron warf einen Blick auf die beiden Schwarzen, die zu den Bewachern gehörten und mit geradezu stoisch wirkenden Gesichtern dreinblickten. Nein, dachte der Baron, aus dieser Richtung wird kaum Hilfe zu erwarten sein.

Robert, James und Le Beau waren gefesselt. Bei Le Beau hatten sie es sich nicht nehmen lassen, ihm auch noch die Beine zu binden. Le Beaus Gesicht sah zudem ziemlich ramponiert aus. Aber das traf auch für die Nasen und Kinnpartien einiger Bewacher zu. Le Beau schien ihnen eine kleine Schlacht geliefert zu haben. Nun, der Baron kannte seinen Freund.

„Ja, Baron, das wäre es nun.“ Home lächelte vielsagend. „Leider müssen wir uns jetzt von Ihnen und Ihren Freunden trennen.“

„Und die Frauen?“, fragte der Baron.

„Nehmen wir mit.“

„Sind das keine Zeugen?“

Home winkte ab: „Meine Männer wollen auch ihren Spaß haben. Daran muss ich ebenso denken.“

„Spaß nennen Sie das?“, fragte der Baron, der sich jetzt nur noch mit Mühe beherrschen konnte. „Was unterscheidet Sie von den Wilden?“

Home lachte nur. „Ich möchte mit Ihnen nicht darüber debattieren. Wenn Sie sich um Mrs. Dacombe sorgen sollten, die braucht nichts zu befürchten. Sie und ihren Mann lassen wir hier. Ist das nicht großzügig von uns?“

„Die beiden werden verhungern, und Sie wissen das.“

„Wer eine so große Industriegruppe aufgebaut hat wie Dacombe, wird hier seinen Pioniergeist unter Beweis stellen wollen. Dazu bieten wir ihm die Möglichkeit. So, Baron, noch eine Frage?“

Der Baron lächelte hart. „Ja, und da Sie mich sowieso liquidieren wollen, werden Sie die auch beantworten können. Wer steckt hinter der Sache? Außer Ihnen natürlich.“

Home schmunzelte, als habe ihm jemand einen Herrenwitz erzählt. „Tja, Baron, eigentlich haben Sie recht. Sie werden es nicht weitertragen können. Und jedem Todeskandidaten gewährt man einen letzten Wunsch. Nun, hier ist die Antwort: Wir haben diesen Auftrag für einen Interessentenkreis amerikanischer Aktionäre in die Hände genommen. Die Leute bezahlen uns, wenn die Ölfelder von uns für die Bohrungen vorbereitet sind, eine nette Summe. Jedenfalls genug, um uns allen ein paar wunderbare Jahre zu machen.“

„Wie viele Leute gehören zu Ihnen?“

Home zögerte erst, ob er solche weiteren Fragen auch noch beantworten sollte, doch dann lächelte er mitfühlend und erwiderte: „Die Sie hier sehen, Baron, dann noch ebenso viele in Port au Prince, ja, und natürlich der Boss.“

„Wer ist das?“

„Schon mal was von Enrico Brass gehört?“

Der Baron nickte. „Wenn Sie den Besitzer der Nachtlokalkette in Kalifornien meinen...“

„Ja, Enrico ist der Boss. Und unsere Freunde, die Rebellen, helfen uns natürlich auch. Ich meine diese Jungs von der Befreiungsfront. Obgleich die sich natürlich etwas anderes davon versprechen als wir.“

„Hoffentlich gehen deren Gewehre nicht mal nach hinten los, Home.“

„Lassen Sie das unsere Sorge sein. Hal, ich glaube, er ist jetzt soweit!“

Hal grinste und winkte seinem Kumpanen Clarence mit dem Kopf. Beide kamen mit angeschlagenen Maschinenpistolen näher, so nahe, bis sich die Mündungen ihrer Waffen in die Taille des Barons pressten.

„Komm, Bruder, wir erledigen das ein Stück weiter. Schließlich wollen wir die Ladies nicht erschrecken. Nun geh schon, Bruder, es wird sehr schnell über die Bühne rauschen. Wir haben Routine, Bruder, keine Sorge!“

*

„Sie fangen mit dem Chef an!", keuchte James und zerrte an seinen Fesseln, dass die Muskeln des Hünen bis zum Zerreißen gespannt schienen. Aber die Lederriemen, mit denen James gefesselt war, hielten. Der ehemalige Untermann einer menschlichen Pyramide im Zirkus, hatte in normalen Zeiten die Funktion eines Chauffeurs beim Baron. Aber er konnte bei weitem mehr als mit einem Auto fahren, und vieles beherrschte er entschieden besser. Doch die Stricke waren zu haltbar. Er versuchte nun, sie an der Felswand aufzuscheuern. Robert, der es beobachtete und den mäßigen Erfolg erkannte, rechnete in Sekunden aus, dass es gut sechs Stunden dauern würde, bis dieser Riemen von James durchgescheuert war.

Le Beau, der drahtige Franzose, beobachtete die Szene um den Baron ebenfalls mit großer Sorge. Aber es war nicht seine Art, sich so etwas anmerken zu lassen.

Die beiden Schwarzen gehörten zu den Posten, die bei den Gefangenen Wache halten mussten. Le Beau hatte indessen herausgefunden, dass die beiden Französisch verstanden wie fast alle Leute auf Haiti, das schließlich einmal französische Kolonie gewesen war. Aber die weißen Banditen, wie Le Beau sie nannte, verstanden nur Spanisch und natürlich Englisch. Unter sich sprachen die beiden Schwarzen französisch, und das war den anderen vorhin bereits schon übel aufgestoßen, doch die beiden Schwarzen störten sich nicht daran.

Als sie beide ziemlich nahe an Le Beau herankamen, begann Le Beau vor sich hinzusingen, natürlich auf französisch. Charles Dacombe, der ebenfalls waschechter Franzose war, hörte erst gespannt zu, tat aber dann so, als verstünde er kein einziges Wort. Was Le Beau sang, von einer einfachen Melodie unterlegt, hörte sich so an:

„Die Weißen sind Gangster, die euere Revolution verraten, die Mörder sind und weiter nichts als eigenen Profit wollen. Sie werden alles, was sie tun, euch in die Schuhe schieben. Tötet sie, bevor sie morden und schänden können. Verratet nicht auch die Revolution. Sie wollen Unschuldige umbringen. Ihr aber steht später als Mörder da. Lasst es nicht zu!“

Die beiden Schwarzen lauschten verblüfft, da schrie Hal plötzlich: „Haut dem Kerl auf die Schnauze, der da herumplärrt!“

Hal und Clarence standen mit ihren Maschinenpistolen hinter dem Baron und hatten sich schon ein Stück entfernt. Home befand sich in diesem Augenblick etwa drei Schritte vom Beiboot weg, neben ihm stand Charly. Die drei anderen Posten, ziemliche Galgenvögel, hockten etwa in Höhe von Dacombe, Mackenzie und den weiter rechts sitzenden Frauen. Die beiden übrigen wollten offenbar etwas von der Jacht hplen und saßen schon im Beiboot und unterhielten sich mit Home, der ihnen Anweisungen zu geben schien. So sah die Lage in diesem Augenblick, der so wesentlich werden sollte, also aus. Und noch etwas geschah gerade in diesen Sekunden: Mrs. Nina Rosco bekam einen Schreikrampf. Obgleich sich Mrs. Dacombe und Jenny um sie bemühten, fing Nina Rosco ganz fürchterlich zu kreischen an, und Dolly Willington nutzte diese Ablenkung der Posten aus, ein kleines Messer zu Robert hinzuwerfen, der sofort die Beine darüberschob, sich etwas nach unten setzte, das Messer hinter seinem Rücken in die gefesselten Hände bekam, sich James näherte und ihm, ohne dass es jemand bemerkte, die Riemen der Handfesselung durchtrennte.

Die beiden Schwarzen sahen sich an, der eine sagte auf französisch: „Er hat recht, was er singt. Es sind Verräter!“

Der andere erwiderte schroff: „Weiße Schweine! Bastarde!“ Und bevor überhaupt jemand begriff, wirbelte der Schwarze herum und schoss aus seiner MP Dauerfeuer. Er schoss auf die drei anderen, die am Boden hockten und von dem Feuerstoß förmlich in den Sand gestoßen wurden. Er schoss zum Beiboot hinüber, wo Home schon vom ersten Schuss getroffen ins Wasser geschleudert wurde. Der eine der beiden im Boot kippte mit einem Schrei über Dollbord, wo er hängenblieb. Der andere zuckte in Deckung, und Charly, der eben noch mit Home gesprochen hatte, machte einen olympiadeverdächtigen Weitsprung ins Wasser, wo er untertauchte und dann hinter dem Heck des Beiboots verschwand.

Hal, der hinter dem Baron gestanden hatte, zuckte herum, riss die MP hoch und schoss. Er jagte eine ganze Salve in den einen Schwarzen hinein, doch dann traf ihn eine Garbe aus der MP des zweiten Schwarzen. Da tauchte Charly hinter dem Bootsheck auf, und im gleichen Augenblick hechtete James nach vorn, landete neben einem der drei getroffenen Bewacher, packte die in den verkrampften Händen des Mannes befindliche MP, riss sie los und schoss auf Charly.

Der Baron wirbelte herum, schlug Clarence nieder, rang mit ihm um die MP, trat Clarence in den Unterleib und konnte ihm die MP entwinden. Als Clarence zu Boden stürzte, fiel er direkt in eine MP-Garbe hinein, die der zweite Schwarze abgab. Doch diese Schüsse endeten abrupt, als der Mann im Beiboot über Dollbord hinweg feuerte und den Schwarzen tödlich traf.

James und der Baron sägten das Beiboot mit ihren Schüssen förmlich in Stücke. Als sie ihre Magazine leergeschossen hatten, regte sich im Beiboot nichts mehr. Draußen zwischen der Yacht und dem Strand tauchten immer mehr Dreiecksflossen auf. Haie, die Blut gewittert hatten. Blut von denen, die wie Charly tot im Wasser trieben oder wie Home von den Wellen angeschwemmt und wieder zurückgerissen wurden.

Plötzlich herrschte Stille. Aber es war eine Ruhe wie in einer Gruft. Das Rauschen der Wellen wirkte nach dem Inferno der Schiesserei wie ein leises Murmeln. Es war vorbei.

*

Die Yacht lag vor Anker, scheinbar ganz nahe und doch zunächst unerreichbar weit. Zwischen ihr und dem Strand pirschten Haie auf und ab, und immer wieder tauchten die Dreiecksflossen wie eine ernste Warnung an alle jene auf, die da glaubten, die Yacht schwimmend zu erreichen.

Dem Kampf folgte zunächst eine lähmende Ruhe, doch danach kam die Reaktion darauf. Bei den einen Panik, bei den anderen Erleichterung, bei Nina Rosco nackte Hysterie. Sie, die das Sterben ihres Mannes mit ansehen musste, hatte vorhin gezetert und geschrien. Ihr Schrei war der Auftakt zum Kampf gewesen. Und obgleich sie ihren Mann hundertfach mit anderen betrogen hatte, war Dr. Roscos Tod für sie ein schwerer Schock gewesen. Die Schießerei und das von ihr beobachtete Sterben anderer hatte alles umgekehrt. Nina Rosco schien verrückt geworden zu sein.

Sie kicherte, lachte schrill und rannte zwischen den Toten am Strand herum, sang, lachte und riss sich die Kleider vom Leibe. Als sei ihr jedes Schamgefühl fremd, lief sie splitternackt dem Baron entgegen und schrie mit überschnappender Stimme: „Befreie mich, ich liebe dich, befreie mich! Liebe mich!“

Dolly rannte zu ihr, versuchte sie zur Vernunft zu bringen, aber Nina Rosco riss sich von Dolly los, jagte dem befreiten Le Beau entgegen und jauchzte: „Liebe mich, du Tiger! Liebe mich, ich bin bereit. Ich bin bereit!“, schrie sie gellend.

Endlich konnten Dolly, Jenny und Mrs. Dacombe die offenbar übergeschnappte Frau festhalten und mit Mrs. Dacombes Jacke bedecken. Nina Rosco begann wieder zu weinen, kreischte dann und schlug um sich. Danach warf sie sich in den Sand und heulte.

Le Beau hatte die anderen befreit. Die Männer standen zwischen den Toten, sahen hinaus zur Yacht und zu den ab und zu auftauchenden Dreiecksflossen, schließlich fielen ihre Blicke auf das zerschossene Beiboot.

Als habe es unter den Schiffbrüchigen nie die geringste Auseinandersetzung gegeben, kamen die Männer zusammen, und Mackenzie sagte: „Wir müssen es flicken.“

„Gehen Sie hin, nehmen Sie sich drei Mann dazu und fangen Sie damit an“, sagte der Baron.

Mackenzie sah ihn an. „Okay, Boss. Und dann holen wir die Yacht?“

„Was sonst? Oder wollt ihr hier auf der Insel Wurzeln schlagen?“

Mackenzie grinste. „Gut, beeilen wir uns; es wird schon dunkel.“

Le Beau wies auf die Toten. „Die müssen wir wegbringen.“

„Die werden ..."

Da hörten sie gellende Schreie. Der Baron zuckte herum, Le Beau sprang am Baron vorbei, und schließlich liefen der Baron und Mackenzie, Robert und James Nina Rosco nach. Doch sie war schnell. Sie rannte genau auf das Wasser zu. Weit vor den Männern hatte sie die anrollenden Wellen erreicht,, rannte weiter, wieder splitternackt, und dabei schrie sie immerzu: „Ich komme! Ich komme, Liebling!“

Sie war schon bis an die Hüften im Wasser, gleich würde der Strand steil abfallen. Sie schlug mit den Händen um sich, als könnte sie so schneller vorankommen.

Der Baron hetzte neben Le Beau her, beide waren jetzt am Wasser, rannten weiter, aber noch trennten sie gute zehn Meter von Nina Rosco, und die war jetzt im tiefen Wasser, schwamm, kraulte sogar. Und die erste Dreiecksflosse tauchte in der Nähe auf, schoss auf Nina Rosco zu, die direkt darauf zuschwamm. Der Baron kraulte, Le Beau wirbelte wie ein Quirl durch die Fluten, aber immer noch war Nina sieben, acht Meter vor ihnen. Und sie war unbekleidet und schien eine ausgezeichnete Schwimmerin zu sein.

Und da passierte es. Sie warf plötzlich die Arme hoch, schrie gellend, ein Schwanz peitschte das Wasser auf, Nina Rosco verschwand wie in einem Sog. Noch einmal sahen die beiden Schwimmer in ihrer Nähe ihren Arm auftauchen, dann war sie völlig verschwunden. Blitzschnell schossen drei weitere Dreiecksflossen herbei und pflügten das Meer.

„Weg! Schnell weg!“, brüllte Le Beau.

Der Baron und Le Beau mussten umkehren. Auch James und Mackenzie, die ihnen gefolgt waren, machten kehrt. Sie erreichten gerade noch das seichte Wasser, als dicht hinter Le Beau ein Hai auftauchte und wegen des Flachwassers wieder umkehrte.

Vom Entsetzen gelähmt, standen alle anderen am Strand. Der alte Charles Dacombe wurde plötzlich bleich, griff sich an die Brust, öffnete in panischer Furcht die Augen, taumelte und brach mit einem Male zusammen. Mackenzie, der gerade aus dem Wasser gekommen war, sah es zuerst und hastete, vom Schwimmen noch atemlos, zu dem Zusammengebrochenen.

Auch Jenny und Mrs. Dacombe hatten es gesehen. Als der Baron hinkam, und man ihm Platz machte, sah ihn Mrs. Dacombe in jäher Furcht an und lispelte: „Sein Herz... sein krankes Herz...“

Der Baron fühlte den Puls, tastete nach der Halsschlagader und blickte in die glanzlosen Augen Dacombes. Da war kein Leben mehr. Und der Nacken, die linke Halsseite und die untere Gesichtspartie Dacombes wurden allmählich blaurot wie bei einem Bluterguss.

„Herzinfarkt“, sagte der Baron.

„Lebt... lebt er?“, schrie Mrs. Dacombe mit schriller Stimme.

„Nein, Madam, er lebt nicht mehr. Mein herzliches Beileid ...“

Da brach Mrs. Dacombe zusammen, schluchzte, und Jenny sah hilflos auf Dolly Willington, als wüsste die jetzt besseren Rat.

*

Uber die Szene des Todes und der Vernichtung aber senkte sich die Nacht. Der Baron, James, Le Beau, Mackenzie und Robert schafften, bis auf Dacombe, alle Toten zusammen. Jeder einzelne musste hinauf auf die Hochfläche geschleppt werden, weil man sie hier unten nicht begraben konnte. Das Meer würde sie bei Sturm freispülen.

Müde, nass und hungrig schufteten die Männer fast bis Mitternacht. Dann hockten sie neben den frisch geschlossenen Gräbern, und Le Beau, sonst nicht unterzukriegen, stützte den Kopf in die Hände und seufzte.

James schnaufte und brummte dann: „Wenn wir wenigstens ein Stück Brot hätten.“

„Auf der Yacht ist Brot, ist alles. Und wenn wir das Boot geflickt haben, können wir hin“, meinte Le Beau.

„Das Beiboot ist klein“, sagte der Baron. „Wenn morgen immer noch so viele Haie da sind, ist es selbst damit riskant. Die Haie sind wie verrückt und haben zuviel Blut gewittert, um gleich wieder abzuziehen.“

„Ich glaube, wir sollten sehen, dass wir das Boot zusammenflicken, Alex“, erklärte Le Beau. „Ich möchte wissen, wie Menschen diese Insel zum Hochzeitmachen aussuchen konnten und sie dann noch Liebesinsel tauften. Ich würde sie Toteninsel nennen.“

„Wir leben noch, Le Beau, das ist eine Menge“, beschwichtigte ihn der Baron. „Aber diesen Enrico Brassi kaufe ich mir, wenn wir hier wegkommen.“

„Sir, das wird nicht einfach sein“, meinte Robert. „Er beschäftigt ein Syndikat von Zuhältern und ein ganzes Heer von Straßenmädchen; Gangster arbeiten für ihn. Sir, solche Leute haben oft mehr Macht als die Nationalgarde.“

„Hier sind sehr viele Menschen gestorben, auch welche, die so harmlos waren und so unschuldig, dass ich diesen Brassi selbst dann an die Krawatte nehmen würde, wenn die nur verletzt worden wären. Aber sie sind tot. Denkt mal an den Jungen, an Tipo! Nun ja, erst wollen wir hier weg. Da, James schläft jetzt schon.“

Sie sahen zu James hinüber, dessen vom Mondschein erhellter Körper zusammengesunken war. Und dumpfe Schnarchtöne kamen aus dem Mund wie aus einer Gruft.

„Soll ich ihn wecken?“, fragte Robert. „Nein, lassen Sie ihn schlafen. Le Beau, dieser Archibald Home sagte, wir hätten das Geheimnis beinahe gelüftet, übrigens behauptete das auch jener Hal, der beinahe zu meinem Scharfrichter geworden wäre. Sie meinen damit da drüben das Rohr. Dolly und ich haben es am Nachmittag entdeckt. Und Hal sprach von einer Kammer. Vielleicht können wir uns noch darum kümmern.“

„Jetzt?“, fragte Le Beau betroffen.

„Ihr kümmert euch um das Boot. Von dem zertrümmerten Rettungsboot der Monte Christo liegen noch Trümmer herum. Macht ein Feuer davon, dann habt ihr Licht. Ich sehe mal, was ich hier oben finden kann.“

„Im Dunkeln?“

„Warum nicht? Wenn es nicht geht, komme ich zu euch. Dann sehen wir morgen nach.“

Le Beau war unzufrieden. „Hör mal, Boss, wir sind alte Freunde. Aber wenn wir nicht bald von dieser Scheißinsel herunterkommen, streike ich.“

„Fangt an, das Boot zu flicken, dann sind wir bald ’runter!“

Robert stand auf. „Sir, soll ich den Frauen auch von den Zigaretten geben, die wir bei den Toten gefunden haben?“

„Nein, auf hungrige Mägen wirkt das umwerfend. Sie sind das nicht mehr gewohnt. Teilen Sie die Drops von Hal aus.“

Die Männer gingen, und der Baron war allein. Er schritt hinüber zu jener Stelle, wo sie das Rohr entdeckt hatten. Im matten Licht des Mondes suchte er die Umgebung ab. Es musste doch irgendwo einen Zugang zu jener geheimnisvollen Kammer geben, von der man ihm erzählt hatte.

Er rutschte auf den Knien herum und tastete den Boden Stück für Stück ab. Teilweise bestand dieser Boden hier aus fester Lehmkruste, teilweise war er mit spärlichem Gras wuchs bedeckt.

Mehr zufällig, als dass der Baron die Stelle sehen konnte, berührten seine Finger eine Wurzel. Er hielt es für eine Wurzel, fragte sich aber sofort, wo denn der dazugehörige Busch sein konnte. Als er im Mondlicht nicht erkennen konnte, was es nun wirklich war, zog er einfach daran. Da merkte er, dass sich der Boden neben ihm etwas bewegte. Er zog mehr, und da hob sich eine Fläche von der Größe eines Schleusendeckels an. Aber dieser Deckel schien eine halbe Tonne zu wiegen. Mehr als ein paar Millimeter vermochte ihn der Baron nicht anzuheben. Da begann er, die Erde mit den Händen zur Seite zu kratzen.

Als er sie mühsam über die Fläche dieses Deckels entfernt hatte, entdeckte er einen Haken, dessen oberstes Ende er vorhin für eine Wurzel gehalten hatte. Er fasste den Haken tiefer und zog mit aller Kraft daran. Mit einem Mal klappte der Deckel hoch, und der Baron. vom eigenen Schwung getrieben, flog der Länge lang zu Boden.

Als er sich knurrend aufrichtete, sagte eine dunkle Frauenstimme ein Stück entfernt: „Warum haben Sie nicht noch den Augenblick gewartet? Ich hätte Ihnen doch geholfen. Alex.“

Es war Dolly Willington. Der Baron setzte sich auf, sah sie wie eine Fee vom Mondlicht umwoben näherkommen und erwiderte: „Fallen Sie nicht in das Loch da vor mir! Ich hoffe, ich habe das Geheimnis der Insel nun endgültig ergründet.“

Er stand auf, und Dolly trat mit ihm an die Öffnung, aber mehr als einen schwarzen Fleck sahen sie nicht. „Licht müsste man haben“, sagte Dolly.

„Haben wir, aber ich gehe damit um wie mit den Kronjuwelen der englischen Königin. Sieben Streichhölzer haben wir bei den Toten gefunden. Ich werde jetzt eines opfern, hoffentlich bläst es der Wind nicht aus.“

Er zündete es über dem Loch in der hohlen Hand an. beugte sich in die Öffnung hinein, und während die zuckende Flamme brannte, sah er eine mit Stahlstempeln und Blechen abgestützte und verkleidete Grube, die nicht größer war als normalerweise der Raum in einem Wohnhausfahrstuhl. Unten waren Kisten aufgestapelt. Einige hatten eine längliche Form, andere waren fast quadratisch. Aber mehr sah der Baron nicht; das Streichholz war erloschen.

Er richtete sich auf. „Ich nehme an, dass dort unten Waffen und Munition liegen.“

„Etwas Essbares wäre für uns besser“, sagte Dolly. Sie hockte sich hin und sah zum Baron empor. „Mrs. Dacombe ist völlig fertig. Jenny kümmert sich um sie. Ich muss meine Meinung, was Jenny betrifft, etwas korrigieren. Die Kleine mag ein Flittchen sein, aber sie hat ein goldiges Herz.“

„Jeder Mensch hat solche und solche Seiten. Sind Sie nicht müde?“

„Ja, schon, aber was heute abend passierte, das ... Alex, es war furchtbar, und ich werde allein nicht damit fertig. Das mit Nina Rosco ...“ Sie stand auf.

Er legte seinen Arm um ihre Schultern. Diesmal wehrte sie sich nicht. Aber sie hob den Kopf und sah ihn an. Der Mondschein fiel dabei direkt in ihr Gesicht, so dass es wie aus Alabaster wirkte. „Kommen wir jemals hier weg?“

„Le Beau und die anderen flicken das Boot. Morgen werden wir versuchen, die Yacht zu erreichen.“

„Ich denke manchmal, wir sind für immer hier. Und zuletzt sterben wir alle.“

„Niemals aufgeben, Dolly. Mich wollten sie auch erschießen, und wie ich von James erfuhr, haben Sie auch mitgeholfen, dass es nicht dazu kommen konnte.“

„Ach, jeder versucht, was er versuchen kann. Aber nennen Sie mich nicht mehr Dolly. Das klingt, als sprächen Sie mit einer Dirne oder einer Bardame.“

„Ich werde Dr. Willington sagen, wenn Ihnen das lieber ist.“

„Ich heisse Dorothee.“

„Sie sollten auch keine solchen Aversionen gegenüber Bardamen und auch nicht gegenüber Dirnen zeigen. Manche von denen hat ein Herz wie Jenny.“

„Ach ja, vielleicht haben Sie recht.“ Sie legte ganz unmotiviert ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn so verblüffend schnell, dass er, der sonst solche Überraschungen gelassen hinnahm, völlig perplex dastand, während sie leise sagte: „Alex, ich bin verrückt, völlig verrückt. Vielleicht werden das hier alle. Aber ich habe meinen Stolz weggeworfen. Ich liebe dich, Alex, und du sollst es wissen. Vielleicht kommt keiner von uns mehr weg von hier. Warum also sich noch in eine Rüstung zwängen, die angesichts des Todes zu lächerlich ist.“

„Dorothee, deine Nerven sind am Ende. Morgen sieht die Welt ganz anders aus.“

„Rede nicht, Alexander von Stehlitz, küss mich!“

Das war eine Aufforderung, der er sich nicht entziehen mochte, schon gar nicht bei Dolly, die er von der ersten Sekunde an geliebt hatte. Als sie sich an ihn presste und er ihre Rundungen an seinem Körper spürte, als ihre Zungenspitze die seine beim Küssen berührte, war alle Müdigkeit, alle Erschöpfung wie weggeblascn. Sein Blut schien plötzlich zu kochen, und er spürte, dass es bei ihr ähnlich sein musste.

Sie zitterte am ganzen Körper, als er ihre Brüste berührte, und sie seufzte ergeben, da sich seine Lippen auf ihren Nacken pressten und ihn mit Küssen bedeckten. Dann, da seine rechte Hand tiefer glitt und ihre Taille und dann den Schenkel streiften, schienen ihr die Knie weich zu werden. Sie sank in seine Arme, und er ließ sie sanft auf den Rasen gleiten. Sie widerstrebte nicht, als er ihr noch näher kam und seine Finger sanft weiterglitten, dieses seidige Etwas abstreiften, das ihr Intimstes verhüllte und schließlich die Glut über sie kam, sie mitgerissen wurde wie in einem Geysir. Ihr war, als würde sie von heißen Wellen begraben, und alles in ihr loderte vor Lust wie eine Flamme. Sie hätte schreien können vor Glück. Nie hatte sie es so empfunden wie diesmal, nie hatte sie einen Mann zuvor gekannt wie den Baron.

„Ich liebe dich... Alex. Ich bin verrückt nach dir“, flüsterte sie heiser.

Er küsste sie sanft aufs Ohr und erwiderte: „Ich liebe dich auch, Kleines. Bist du glücklich?“

„Verrückt vor Glück“, stöhnte sie.

*

Als der Morgen das Meer rot wie einen riesigen See von Blut leuchten ließ und die ausrollenden Wogen so friedlich schienen, als wüssten sie gar nicht, wie sie im Sturm toben und vernichten konnten, als der vom Nachtwind zu jungfräulichem Weiß geglättete Strand vor den verschlafen blinzelnden Menschen lag, da richteten sich die Blicke aller auf das von Le Beau geflickte Boot, dann auf die Yacht, die immer noch draußen im Meer vor Anker lag und sanft in den flachen Wogen schaukelte. Und mit bangem Blick suchten die Menschen nach Dreiecksflossen, aber sie sahen keine.

James und Robert hatten Dacombe noch in der Nacht begraben, und nun hockte seine Witwe schon seit Stunden oben auf der Hochfläche neben der Grube. Der einzige Spaten, den die Schiffbrüchigen im Beiboot der Gangster gefunden hatten, steckte wie ein Grabkreuz auf dem Erdhügel. Nichts von seinen Millionen, von seinen Fabriken, seinem Reichtum hatte Dacombe mitnehmen können. Er, der die hochdotiertesten Ärzte kommen ließ, der zu Hause ein Heer von Sekretären und Dienstboten beschäftigt hatte, war wie ein Tramp gestorben und lag nun auf dieser Insel, die wie zum Hohn die Liebesinsel hieß.

„Hören Sie bitte alle mal her!“, sagte der Baron. „Wir müssen bis zum letzten Augenblick Disziplin wahren, Herrschaften, sonst verpfuschen wir unsere Chance. Zuerst werden wir das Boot ausprobieren. Le Beau, du übernimmst das mit James. Wenn alles glatt geht, bringt ihr Jenny und Mrs. Dacombe aufs Schiff. Jenny, Sie kümmern sich darum, dass Mrs. Dacombe keinen Unsinn macht. Le Beau, du kommst mit James zurück, dann holt ihr Miss Willington und Robert. Mehr als vier Menschen können zugleich nicht in dem geflickten Boot sein.“

„Das ist schon riskant genug“, stellte Le Beau fest. „Vielleicht können wir nach der ersten Fahrt so etwas wie ein Floß oder dergleichen von der Yacht mitbringen. Wir müssen also dreimal fahren.“

„Mackenzie, wir beide gehen hinauf auf die Hochfläche. Ich habe da einen Fund gemacht, den ich mir gerne bei Tage ansehen möchte. Robert, Sie geben jetzt Trinkwasser für alle aus und die letzten Vorrät.e.“

„Jawohl, Sir.“

Le Beau erhielt zusammen mit James als erster die Ration. Während beide etwas Fleischextrakt, strohtrockenen Stockfisch und jeder zwei Kekse aus dem Beiboot aßen, trat der Baron wie zufällig neben Dolly.

Sie sah ihn aus leuchtend grünen Augen an. Die letzte Nacht schien sie völlig verändert zu haben. Alles, was an ihr früher hart und kantig erschienen war, wirkte weich und sanft. Auch um ihre Lippen lag nicht mehr dieser spöttische Zug. Dolly war verliebt, und jeder hätte es bemerken müssen, wären die meisten nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen.

„Alex, kann ich nicht mit hinaufkommen?“, flüsterte sie.

Er nickte. „Gut. Mackenzie, fahren Sie mit der zweiten Partie und sehen Sie auf der Yacht schon mal nach der Maschine.“

Mackenzie sah überrascht auf, warf dann einen Blick auf Dolly, senkte den Kopf und erwiderte schroff: „Okay.“

Le Beau und James brachten das geflickte Beiboot zu Wasser und sprangen hinein. Während James die beiden einzigen intakten Riemen ergriff, begann Le Beau mit dem Ausschöpfen. Das Boot war immer noch an so vielen Stellen leck, dass Le Beau wie verrückt schöpfen musste, damit das Boot schwimmfähig blieb.

Sie kamen bald wieder zurück, und Le Beau rief: „Los, wer weiß, wie lange der Kahn noch zusammenklebt. Voran, die beiden Frauen!“

Jenny und Robert hatten die widerstrebende Mrs. Dacombe indessen von der Hochfläche geholt. Aber sie schrie immerzu: „Lasst mich doch! Ich will bei ihm bleiben. Ich will ...“

„Robert, fahren Sie die erste Tour schon mit, Jenny wird mit ihr nicht fertig!“, bestimmte der Baron.

Alle verfolgten gespannt, wie das Boot abermals ablegte und durch die anrollenden Wogen seewärts fuhr. James schuftete an den Riemen wie ein Berserker.

Es schien, als würde das Boot nie bis zur Yacht kommen. Endlos schien die Zeit, in der es sich schließlich doch mehr und mehr dem weißen Schiff näherte. Und Le Beau schöpfte immer schneller. Auch Robert half ihm mit, während Mrs. Dacombe wie eine Statue im Bug sass.

Nach einer unendlich lang wirkenden Zeit hatte das Beiboot die Yacht endlich erreicht. Alle sahen, wie Le Beau an Bord ging, wie er die Bootsleine am Poller festmachte, wie er Mrs. Dacombe mit Roberts Hilfe nach oben zog. Und sie sahen James an Bord der Yacht gehen, Robert folgte kurz darauf. Dann verschwand Robert schon in einem Niedergang, während Le Beau etwas vom Deck hinter dem Ruderhaus löste, das orangerot leuchtete.

„Er hat ein Floß!“, rief Mackenzie.

Dann verschwand auch Mrs. Dacombe im Niedergang, und Le Beau und James stiegen wieder ins Boot, schöpften wie besessen, ehe sie es losmachten und schleppten dann das etwa vier oder fünf Personen fassende Floß hinter dem Boot her aufs feste Land zu.

„Gut, ich gehe jetzt mit Miss Willingston zum letzten Mal auf die Hochfläche ... “

Der Baron merkte, dass ihm niemand zuhörte, nahm Dolly am Arm, und sie gingen.

*

Die Kisten lagen geöffnet neben der Grube. Eine enthielt ein altes leichtes Maschinengewehr aus dem Zweiten Weltkrieg, allerdings gut gepflegt und mit Ölpapier umwickelt. Die beiden anderen langen Kisten waren mit je vier Ml-Gewehren der US Army gefüllt. Die quadratischen Kisten aber öffnete der Baron gerade. In ihnen befanden sich nicht Munitionsschachteln, wie der Baron glaubte, sondern vernickelte Dosen mit einem schweren Inhalt.

Der Baron hob eine dieser Dosen an, die etwa die Größe von Konserven hatten und äußerlich auch genauso aussahen. Aber der Inhalt schien ein viel höheres spezifisches Gewicht zu haben als Erbsen, Rindfleisch im eigenen Saft oder dergleichen. Mit dem Taschenmesser des toten Gangsters Clarence öffnete der Baron die Dose. Als er den Inhalt sehen konnte, hielt er verblüfft inne und zeigte die Dose Dolly.

„Sieh dir das an! Brillanten, Rubine, Saphire... alles ausgebrochene Steine aus Schmuck. Vielleicht aus der Beute von Raubzügen.“ Er goss den Inhalt der Dose auf den Deckel der einen Kiste.

„Mein Gott, das ist ja ein Vermögen!“

„Damit kannst du dir einen Straßenzug in Washington kaufen, Dorothee. Allein der Smaragd da ist mindestens Hunderttausend wert. Der Schliff schon. Brüsseler Arbeit. Die Dose und ihr Inhalt reichen aus, dass du deine Kündigung bei ,Time‘ einreichen kannst, um fortan Pensionärin zu sein.“

„Und das ist auch in den anderen Dosen?“

Der Baron füllte die Edelsteine wieder ein. In der Morgensonne glitzerten und prunkten die geschliffenen Steine in allen Farben des Spektrums.

Als er eine der anderen sechzehn Dosen öffnete, fand er einen ähnlichen Inhalt. Aber es war da noch eine zweite Kiste da.

„Wir haben Enrico Brassis Vermögen, Dorothee. Lauf hinunter und schick mir Le Beau herauf! Er muss dabei sein, denn allein kann ich das nicht alles schleppen. Und du setz inzwischen zur Jacht über.“

Sie nahm fünf der Dosen und lief los. Der Baron wuchtete sich die halbleere Kiste auf die Schulter und trug sie bis zum Rand der Hochfläche. Von da aus sah er dann hinunter zum Meer. James und Le Beau waren schon auf der zweiten Tour zur Yacht und legten draußen gerade an Backbord an, um Mackenzie und Jenny abzusetzen. An Bord half Robert den beiden an Deck. Überraschenderweise stieg aber auch Le Beau aus dem Beiboot, und James pullte allein zum Land.

„Was soll das denn?“, murmelte der Baron und warf einen kurzen Blick auf Dolly, die unten stand, zu ihm heraufblickte und die Schultern zuckte.

James arbeitete nach Kräften. Aber da begriff der Baron den Grund für Le Beaus’ Verhalten. Der Franzose stand breitbeinig auf dem Vorschiff der Yacht, eine der erbeuteten Maschinenpistolen im Anschlag. Und damit schoss er auf eine Dreiecksflosse, die gar nicht weit von James aufgetaucht war. Plötzlich kam eine zweite hinzu, ein Schwanz klatschte ins Wasser, dessen sprudelnder Schaum sich mit einem Mal rot färbte. Drei, vier weitere Dreiecksflossen kamen näher, ein Hai tauchte in voller Größe auf, schoss aus dem Wasser und tauchte dann wieder unter. Ein Stakkato von Schüssen aus Le Beaus MP wühlte das Wasser auf.

Indessen kam James in dem immer tiefer liegenden Beiboot bis ans rettende Land. Er sprang von Bord und überließ das Boot sich selbst, lief zu dem orangeroten Schlauchboot und schnallte die kleinen Notriemen ab, die Spatengriffe wie die Riemen eines Kanus besaßen.

Dolly ging zu James, sprach mit ihm, und James drehte sich um und deutete aufs Meer, wo es von Dreiecksflossen im Augenblick nur so wimmelte. Le Beau schoss, sobald er eine sah, aber oft genug tauchte der Hai weg, bevor der Schuss ihn treffen konnte. Getroffene Haie wurden von ihren Artgenossen im Handumdrehen zerfleischt. Das Meer färbte sich stellenweise rot, wie der Baron von seinem erhöhten Platz sehen konnte.

Jetzt kamen James und Dolly zum Aufstieg hin, der hinauf auf die Hochfläche führte. Der Baron packte sich die Kiste wieder auf die Schulter und ging den beiden entgegen. Dort, wo sie sich trafen, nahm ihm James die Kiste ab und sagte: „Haie, Chef, mehr Haie, als ich je gesehen habe. Sie versuchten, sogar das Boot zu rammen.“

„Dann werden sie das Schlauchboot aufschlitzen.“

„Le Beau hat mindestens zehn von ihnen abgeknallt, aber es kommen mehr neue, als er Schüsse hat.“

„Tragen Sie die Kiste zum Schlauchboot, James!“

James ging. Dolly folgte dem Baron. „Und wenn sie das Schlauchboot aufreißen?“, fragte sie, während sie hinter dem Baron herhastete.

„Dann werden wir zum Frühstück für die Haie, Dorothee.“

Er ging bis zu der Grube, wo die zweite Kiste stand, riss sie hoch und hob sie sich auf die Schulter. Ihm war, als hätte er eine halbe Lokomotive hochgehoben.

„Kann ich helfen?“, erkundigte sich Dolly.

„Bring zwei Gewehre mit. Das MG holt James.“

*

Zwischen den weinroten Tapeten aus weichem Samt hatten Frankreichs Statthalter gegessen, geliebt und getrunken, hatten Fürsten gewohnt, waren zwischen der Republik und ausländischen Handelspartnern die ersten Verträge abgeschlossen worden. In den Louis XVI-Stühlen hatten Männer und Frauen der großen Gesellschaft dieser Welt gesessen. Es war das „Chambre rouge“ des Ambassadeur Hotels in Port au Prince. Jetzt saß kein Fürst in dem ehrwürdigen Stuhl, auch kein Botschafter oder Wirtschaftspapst, jetzt thronte im goldbestickten Morgenrock Enrico Brassi darin. Seine mit schweren Brillantringen geschmückte Rechte tauchte ein Stück Weißbrot in Milch. Brassi hatte es mit dem Magen. Der schmächtige Mann, der aussah wie ein mickriger Buchhalter, wie ein schwindsüchtiger Zeitungsverkäufer oder wie ein unterbezahlter Beamter, hatte pechschwarzes Haar, das nur an den Schläfen wenige graue Fäden zeigte. Seine dunklen Augen lagen in tiefen Höhlen; die Haut war ledern, der Mund fast blutleer. Und es war ein schmaler Mund über einem kantigen Kinn.

Brassi war Mitte Fünfzig, und sein Arzt wusste, dass er nie sechzig werden würde. Denn Brassi hatte Magenkrebs, aber davon wusste er selbst nichts. Er glaubte, dia Operation vor einem Jahr habe ihm das Leben erhalten, obgleich er jetzt schon wieder diese ständigen Leibschmerzen hatte wie früher.

Er war missgelaunt, aber das lag nicht nur an seinen Schmerzen, die er durch Zäpfchen vertreiben konnte.

Brassi gegenüber saßen zwei Männer in dunklen Anzügen, die sich wie ehrbare Bankbeamte oder Börsenmakler ausnahmen. Beide waren so Ende Dreißig, wirkten seriös und absolut nicht wie das, was sie in Wirklichkeit waren. Brassi biss ein Stück vom milchgeschwängerten Weißbrot ab und fragte kauend: „Und wie lange wollt ihr noch warten?“

„Hal hat bis jetzt noch nie Mist gebaut“, sagte der eine, der einen sorgsam: gepflegten Menjoubart trug.

„Hal ist ein Mensch, der Pech haben kann. Wenn die von dem Floß nun auch mit auf dieser Insel sind? Habt ihr euch schon mal die Liste der Vermissten angesehen?“

„Natürlich, Sir, aber..."

Brassi ließ den Menjoubart nicht ausreden. „Ich habe von Anfang an vermutet, dass Floß und Boot nach dem Sinken der Monte Christo zusammengeblieben sind. Und dieser Baron von Strehlitz ist euch doch nun auch kein Fremder. Das ist so ein verrückter Hund, der vor nichts zurückschreckt. Die Sache mit der Sunderland, so etwas passt zu ihm. Wenn er nun mit Hal und den Jungs fertig geworden ist? Heh, habt ihr nachgedacht, was das heißt?“

„Mr. Brassi, Hal hat doch mit uns Funkkontakt gehalten. Bevor sie gelandet sind, hat er durchgegeben, dass von der Sunderland nichts zu sehen war.“

Brassi hatte wieder starke Magenschmerzen. Er nahm eine Tablette, spülte sie mit einem Schluck Milch hinunter und sagte gereizt: „Ich will es selbst sehen. Ich will wissen, was dort los ist. Als ich das letzte Mal dort gewesen bin, haben wir die Kammer angelegt. Hal war dabei. Ich habe den dumpfen Verdacht, dass Hal womöglich auf eine bestimmte Idee gekommen sein könnte.“

„Sir, das tut Hal niemals! Sie bezahlen ihn gut, und überhaupt“, sagte der mit dem Menjoubart, „wo sollte er die Steine denn loswerden? Die kennt doch jeder. Wenn man sie so einfach losschlagen könnte, hätten wir sie doch nie in die Büchsen zu löten brauchen. Sie selbst haben gesagt, dass man zehn bis fünfzehn Jahre warten müsste. Acht Jahre sind seit der Sache vorbei.“

Brassi lächelte versonnen. „Ja, das waren Hits! Und das FBI sucht die Täter noch heute. Bis jetzt vergeblich. Na ja“, fügte er selbstgerecht hinzu, „es war auch ein Plan von mir. Also, ich will hin. Ihr beiden kommt mit. Martin macht die zweistrahlige Maschine klar.“

„Sir, die kann dort nicht mehr starten. Zu kurze Startbahn“, wandte der mit dem Bärtchen ein.

„Also nehmen wir die Cessna. Können wir die Kisten mitnehmen?“

„Wenn wir zu dritt fliegen, wird es gehen. Was wollen Sie machen, wenn unsere Leute dort out sind?“

„Dann werden wir denen, die das Sagen haben, den Hahn abdrehen. Du, Gus, nimmst das MG mit. Denen sengen wir ein paar über den Pelz. Hoffentlich haben sie Rosco umgelegt. Den brauchen wir nicht mehr.“

„Und Archie?“

„Wenn Archie überhaupt mit von der Partie ist, wird er uns eine mächtige Hilfe sein. Also, in einer Stunde fliegen wir. Dann ...“

Es klopfte.

„Mach auf, Gus!“

Der Bärtige ging zur Tür, öffnete, und jemand steckte ihm einen Zettel entgegen. Gus kam damit zu Brassi zurück. „Für Sie, Boss.“

Brassi faltete den Zettel auseinander. Er las, knallte den Zettel auf den Tisch und sagte: „Ich habe es doch gewusst! Gut, dass ich Bronco beauftragt habe, ein Auge auf die Insel zu werfen. Bronco ist mit einer Seaboldt geflogen, hat in großer Höhe den Motor abgestellt und ist gesegelt. Er hat gesehen, dass auf der Insel nur wenige Menschen sind. Die Kammer ist geöffnet. Die Yacht liegt vor der Küste vor Anker, und jemand ist dabei, eine Kiste ins Schlauchboot zu verladen. Die Meldung ist zehn Minuten alt, Männer! Wisst ihr, was sich dort abspielt?“

„Aber ... aber warum hat Bronco denn nichts weiter unternommen?“

„Was soll er denn unternehmen?“, fragte Brassi zurück. „Er hat keine Waffe, er ist allein in der Seaboldt, die mit Mühe und Not diese Distanz schafft. Er muss sehen, dass er sofort wieder zurückfliegt. Nein, das, was jetzt zu tun ist, tun wir. Ha, die Yacht und mein Kapital abschleppen, das könnte denen so passen! Ich wette, das ist Hals Werk. Er macht jetzt sein Geschäft allein.“

„Oder dieser Baron macht es. Dem traue ich das auch zu“, erklärte Gus.

„In einer Stunde fliegen wir, nein, noch eher. Ich ziehe mich an, dann wird gestartet. Martin soll schon warmlaufen lassen!“

„Sollen wir Kanister mitnehmen?“, fragte Gus.

„Ja, gute Idee. Vier bis fünf werden genügen. Und vergesst nicht, Martin zu sagen, dass wir Zusatztanks brauchen!“

*

Sie waren ungeschoren mit dem Schlauchboot durchgekommen. Le Beau hatte vom Schiff aus die gesamte MP-Munition verbraucht, um die Haie abzulenken. Alle waren heil an Bord. Mackenzie und Le Beau befassten sich mit dem Schiff, während James den Anker lichtete. Der Motor donnerte los, und Le Beau stand im Ruderhaus, als hätte er nie etwas anderes getan.

Als der Baron und Dolly zu ihm kamen und die beiden Kisten hereintrugen, sagte Le Beau: „Mir war vorhin, als hätte ich ein Flugzeug gehört. Das habe ich schon vorher mal gemeint, aber dann war es still. Gesehen habe ich nichts, weil ich euretwegen auf die Haie achten musste. Es ist nichts zu erkennen. Wenn es wirklich in der Nähe gewesen ist, dann fliegt es jetzt sonstwo.“

Der Baron antwortete nicht, sondern winkte James. „Das MG kommt hinters Ruderhaus. Ich rechne mit Besuch, James. Bleiben Sie auf dem Posten, ich lasse Ihnen genug zu essen nach oben schaffen. Aber achten Sie auf Boote und Flugzeuge.“

„Wieso, glaubst du, dass ...“, wollte Le Beau fragen.

Der Baron nickte und wandte sich Le Beau zu. „Wir haben Enrico Brassis Kapital, und wir kennen sein Geheimnis. Es ist gut möglich, dass du dich vorhin nicht verhört hast. Ich meine nämlich auch so etwas gehört zu haben. Und das bedeutet Besuch. Bald, denke ich. Wir nehmen übrigens Kurs auf Great Inagua. Robert soll mal ausrechnen, ob wir bis Matthews Town durchkommen.“

Robert tauchte bald auf. Er hatte nicht nur den Treibstoffbedarf errechnet, sondern wusste auch, dass sie für vier Wochen Nahrung für alle an Bord hatten, Trinkwasser für drei Wochen und eben Treibstoff für gut sechshundert Seemeilen.

Dolly ging nach unten, kam dann mit einem Tablett voller Frühstück für James und Le Beau zurück, und außerdem berichtete sie, Mrs. Dacombe sei eingeschlafen, Jenny bereite Mackenzie ein Frühstück, und Mackenzie sei dabei, die Ventile zu ölen.

„Gut, Dorothee, geh wieder hinunter und zeig dich nicht an Deck. Du kannst mit Jenny Mrs. Dacombe versorgen oder Essen machen. Aber komm nicht nach oben!“

„Und warum nicht?“

„Ich erwarte Besuch.“

Sie betrachtete James und das inzwischen aufgebaute MG, das himmelwärts zeigte. „Ein Flugzeug?“

„Vielleicht auch eine Yacht oder dergleichen. Wir müssen aufpassen. Und sag Mackenzie nichts von dem, was wir mit an Bord gebracht haben.“

Dolly warf ihm einen liebevollen Blick zu und ging.

Le Beau blinzelte ihr nach und sagte seufzend: „Auf dieser Insel, die ein Irrer Liebesinsel genannt hat, konnte sichß einer von uns einen Goldfisch an Land ziehen, was?“

„Meinst du mich?“, fragte der Baron schmunzelnd.

„Frag doch nicht so! Aber die Kleine hat Klasse. Wenn sie nur nicht so schrecklich intelligent wäre.“

„Ich halte das für einen Vorzug.“

Le Beau schüttelte den Kopf. „Nein, nicht bei Frauen. Wenn die anfangen, richtig zu denken, fallen sie einem von früh bis spät auf den Wecker. Da ist mir so ein dummer Schnuckel wie Jenny lieber.“

„Jenny ist von Mackenzie einkassiert worden. Oder hast du das nicht bemerkt?“

„Ein Wort von mir, und sie lässt ihn fallen wie eine heiße Kartoffel.“

„Spar dir dieses Wort bis zum nächsten Hafen auf, Le Beau. Ärger ist jetzt das letzte, was wir gebrauchen können.“

*

54

Sie waren zu dritt. Martin, ein ehemaliger TWA-Pilot, der wegen Rauschgiftsucht gefeuert wurde, flog die Cessna. Er war ein ausgemergelter, knochiger Mann um die Vierzig mit dem Blick eines hungrigen Hundes und strähnigen braunen Haaren.

Neben ihm saß Gus auf dem Kopilotensitz. Das mit Ladetrommeln ausgerüstete MG ruhte vor ihm in einem Gestell. Gus brauchte nur das Seitenfenster aufzuschieben und konnte bei entsprechender Fluglage schießen. Alles war dafür eingerichtet, und Gus wusste mit der Waffe umzugehen.

Hinten auf einem der beiden Rücksitze saß Brassi. Er hielt sich an den Lehnen der Vordersitze fest, starrte an Martins Kopf vorbei nach vorn, wo der Propeller der Cessna rotierte.

Unter ihnen lag wie ein endloser silbergrüner Teppich das Meer. Von hier oben aus konnten sie die hellen Stellen der Untiefen um die Riffe erkennen. Aber nirgendwo war ein Schiff zu entdecken.

„Wie weit noch?“, fragte Brassi ungeduldig.

„Wir müssen die Insel gleich sehen“, erwiderte Gus.

„Da vorn, das ist sie doch!“, meinte Martin mit kehliger, hohl klingender Stimme.

Sie sahen den weißen Kranz der Dünung um den dunklen Klotz im Wasser. Aber das alles lag noch ein gutes Stüde weg. Weiter rechts entdeckte Gus plötzlich einen weißen Punkt vor hellem Kielwasser.

„Die Yacht!“, rief er.

„Erst zur Insel! Die Yacht kriegen wir immer noch. Ich muss wissen, was Hal losgelassen hat!“, befahl Brassi.

Ein paar Minuten später senkte Martin die Nase der Cessna, und sie flogen die Insel an.

„Nicht so schnell, du Idiot! Ich will mal sehen!“, rief Brassi und presste das Gesicht an die Scheibe, um alles noch besser erkennen zu können.

„Was sind das für Erdhaufen?“, fragte er. „Ich meine diese Flecken am Rande der Hochfläche.“

„Sieht aus wie Gräber“, erwiderte Gus, der ebenfalls hinabsah.

„Gräber? Hal legt doch keine Gräber an! Wenn er die anderen ins Meer schmeißt, kommen die Haie. Das genügt doch.“

Martin zog einen Halbkreis um die Insel.

„Das Beiboot von der Yacht“, sagte Gus, „die Kammer ist offen. Da liegt was daneben!“

„Ja, Boss, die Trümmer von Kisten. Die Kammer ist ausgenommen worden wie eine Weihnachtsgans.“

„Hal, dieses Schwein! Aber wir machen ihn zu Haifutter! Martin, der Yacht nach!“ Brassi warf einen wilden Blick auf Gus. „Los, schieb deine Musspritze aus dem Fenster und mach dich fertig! Und wehe, du triffst nicht!“

Gus nickte lächelnd und wandte sich an Martin. „Du weißt ja, wie du es machen musst.“

Martin nickte nur, dann zog er die Maschine wieder höher. Gus sah nun die weiße Yacht winzig klein fast, am Horizont. Aber die Cessna rückte näher. Martin hielt die Maschine in beträchtlicher Höhe, legte Geschwindigkeit zu und war nach einigen Minuten schon über der tief unten im Meer pflügenden Yacht.

„Ich hoffe, du gehst etwas tiefer, wenn Gus was ausrichten soll“, knurrte Brassi.

„Und wenn die Yacht dabei zum Teufel geht?“, fragte Gus. „Es ist schließlich Ihr Boot, Boss.“

„Die Yacht ist versichert, Mensch. Säg sie in Stücke!“

„Gus, ich gehe jetzt ’runter!“, erklärte Martin.

„Mach bloß keinen Sturzflug, dann bist du gefeuert!“, drohte Brassi, dem schon flau im Bauch wurde, als sich die Maschine nur wenig senkte.

„Nur keine Bange, Boss, ich weiß schon, was ich tun muss, und Gus weiß es auch. Also, Gus, ich nehme sie von Westen her und ziehe dicht übers Wasser heran, fliege an Steuerbord der Yacht vorbei, und dann kannst du deinen Saft hinausspucken. Fangen wir damit an!“

*

„Flugzeug!“, rief Le Beau. „Hinter uns, ziemlich hoch!“

„Ja, ich sehe es. Eine Cessna. Kannst du die Hoheitszeichen erkennen?“

„Zu hoch. James, an deine Kugelspitze! Besuch ist da!“, rief Le Beau. „Aber knalle nicht zu früh los, vielleicht sind es wirklich Freunde.“

James schwieg. Er stand hinter dem Ruderhaus, geschützt von den beiden Windhutzen, die neben ihm aufragten, und aus denen die Hitze des Motorraumes und Bratenduft aus der Kombüse strömten.

Neben James stand auch das Tablett mit Schinken und Eiern. Er stopfte sich noch eine ordentliche Portion in den Mund und legte dann das MG auf ein Rohreisen über dem Ruderhaus.

Der Baron, der mit Le Beau im Ruderhaus stand, hatte die Glasscheibe hinten aufgeschoben, um mit James sprechen zu können. „Wenn die uns was wollen, müssten sie tiefer fliegen und uns an der Flanke packen. Haben Sie gute Deckung, James?“

„Es reicht.“

„Es reicht nicht“, meinte Le Beau. „Wenn die dort oben auch ein MG haben, machen sie aus James Gulasch. Nimm das Steuer, Alex, ich weiss etwas!“

Er lief aus dem Ruderhaus, rannte nach achtern und hob dort eine der Luken ab, schleifte die schwere Stahltür nach vorn, wuchtete sie zu James hoch und sagte: „Pack dir das vor die Nase! Ich hole noch eine.“ Er blickte zum Flugzeug empor, das jetzt tiefer ging. „Da, der setzt schon zum Besuch an. Pass auf, Old James, sonst kannst du den Schinken nie mehr essen!“

„Sorg du dich nicht um meinen Schinken“, knurrte James mit vollem Mund und baute die Luke an Backbord auf.

Le Beau brachte noch eine zweite Luke von mittschiffs heran, die James sich an Steuerbord als Schutzschild aufstellte. Dann kletterte Le Beau wieder ins Ruderhaus, und der Baron übergab ihm das Ruder.

„Sie fliegen weiter und verlieren an Höhe“, sagte der Baron, der eines der erbeuteten Gewehre in der Hand hielt. „Sie werden eine Schleife ziehen und im Tiefflug wieder auf uns zufliegen. Wir müssen trotzdem warten, bis wir ganz sicher sind, dass es nicht etwa Leute sind, die uns wirklich retten wollen. Aber das sehen wir dann schon, wenn sie im Anflug sind.“

„Wir könnten sie mit Funk ansprechen“, meinte Le Beau.

„Warte besser!“

Es kam, wie der Baron gesagt hatte. Die Maschine zog eine Schleife, kam dabei noch tiefer übers Meer und jagte nun tief über dem Wasser auf die Yacht zu, blieb aber etwas an Steuerbord.

„Das ist ein Anflug zum Angriff“, sagte Le Beau. „So schnell schießt keiner heran, der sich etwas ansehen möchte. James, alter Motorenquäler, nimm deine Insektenspritze und ...“ Die Cessna war ganz tief und nahe. Der Baron sah das seitlich herausragende MG und schrie: „Deckung!"

Schon zuckten Feuerblitze aus der Mündung des MGs der Cessna. Le Beau hatte sich flach auf den Boden des Ruderhauses geworfen, während der Baron sich dicht hinter den Kompass kniete, die Ml, ein amerikanisches Schnellfeuergewehr, in Anschlag brachte und durch die Scheiben schoss. Gleichzeitig begann das MG von James zu hämmern.

Aber die Cessna war schon vorbei. Ob sie getroffen war, hätte an Bord der Yacht niemand sagen können. Die Schüsse aus dem Flugzeug-MG hatten zu kurz gelegen, aber beim nächsten Mal würde das gewiss nicht mehr der Fall sein.

„Le Beau, unten sind doch auch noch Waffen. Hol dir eine AR 18 hoch! Und sieh nach den Frauen!“

„Aye, aye, Sir!“, rief Le Beau und ging an Deck.

Der Baron legte das Ruder fest und drosselte die Fahrt der Jacht so weit, dass sie nicht zu sehr in der Dünung stampfte und schlingerte, sondern sich gerade hielt. Indessen hatte das Flugzeug gedreht und kam nun von achtern her an Backbord vorbei.

„Sie sind da, drauf und dran, James!“, brüllte der Baron und schoss selbst aus der Ml, was das Zeug hielt. James schoss Dauerfeuer aus dem MG. Aber in der Cessna hatte man dazugelernt. Der Pilot gab sich Mühe, kein gutes Ziel zu bieten. Er machte wahre Luftsaltos, verhinderte aber damit auch, dass sein Bordschütze richtig zielen konnte. So wurde nur achtem das Deck aufgerissen, während alle weiteren Schüsse das Meer aufpeitschten.

James aber sah ganz deutlich, wie seine Schüsse der Cessna den Rumpf hinten auffetzten und dann sogar das Seitenleitwerk zu Bruch ging. Die Cessna konnte nicht mehr richtig manövrieren. Als sie vorbeigezogen war, tauchte der Baron hinter dem Kompass auf und sah James an. „Gut, diesmal war es sehr gut.“

Er beobachtete wieder das Flugzeug, das jetzt sehr weit geradeaus flog, dann einen riesigen Bogen schlug, aber sich der Yacht nicht mehr näherte, sondern in Richtung auf die Insel verschwand.

*

„Was ist denn, zum Teufel? Was machst du Idiot, Martin?“, schrie Brassi, und bei jedem Ton stach es in seinem Bauch.

„Mit dem Seitenleitwerk ist was faul. Ich kriege die Kiste nicht herum“, erwiderte Martin. „Sie lässt sich kaum steuern. Und hecklastig ist sie auch. Da ist was getroffen!“

Gus blickte zurück. „Da fehlt ein Stück vom Seitenruder, Martin.“

„Du Idiot, und was hast du getroffen? Die schwimmen dort unten, als hätte ihnen höchstens ein Vogel aufs Deck gemacht!“ Brassi schäumte vor Wut! fast über. „Martin, zieh das Ding herum und noch mal hin zu denen!“

„Boss, es geht nicht!“

„Es geht doch, du ziehst doch eine Schleife mehr nach der anderen Seite!“

Es gelang Martin, die Maschine nach links herumzuziehen, wenn auch in einem großen Bogen. Nun waren sie abermals über der Insel, und es kostete Martin Minuten, ehe er die Cessna wieder auf Kurs hatte. Die Maschine flog wiederum auf die Yacht zu.

„Jetzt genau darüber hinweg. Du schmeißt die Kanister, Gus! Lass deine Musspritze jetzt beiseite. Knall ihnen die Kanister auf den Kürbis!“

Gus zog vier Kanister unter dem Sitz hervor, die etwa so groß waren wie Öldosen mit zwei Liter Inhalt. Das Seitenfenster war aufgeschoben, und der Flugwind heulte herein.

„Kannst du den Kurs halten?“, schrie Gus.

„Ja, sie kommt direkt drüber. Ich kann dann tiefer gehen!“

„Mensch, reißt euch bloss am Riemen!“, brüllte Brassi. „Wenn ihr diese Kerle dort unten nicht erwischt, holt uns alle drei der Teufel!“

Die Cessna liess sich nicht mehr nach rechts steuern. Sie hatte ein Stück des Seitenleitwerks verloren, und der Rest klemmte bei Steuerbordeinschlag. Dennoch konnte Martin, der kein Anfänger war, die Cessna haarscharf über die Yacht steuern. Im Tiefflug jagte die Maschine über den Funkmast der Yacht hinweg. Schon als die Maschine über dem Heck war, ließ Gus den ersten Kanister fallen. Aber das Gefäß mit dem Phosphor schlug dicht neben Backbord der Yacht ins Wasser.

„Hast du getroffen?“, schrie Brassi aufgeregt.

Gus antwortete nicht darauf, sondern brüllte Martin zu: „Dreh sie um und noch mal!“

Um beizudrehen, musste Martin eine riesige Linkskurve machen. Dann hielt er abermals auf die Yacht zu. Er näherte sich ihr aus beträchtlicher Höhe und setzte jetzt zum Sturzflug an. Brassi kreischte wie ein hysterisches Weib und übergab sich. Die beiden anderen achteten nicht darauf.

„Jetzt!“, brüllte Martin, als die Cessna schräg über der Yacht war.

Aber von unten zuckten Feuerstöße aus mehreren Läufen der Cessna entgegen. Martin spürte plötzlich einen Schlag in der Brust, riss aber geistesgegenwärtig noch das Ruder zurück, und die Maschine zog wieder hoch. Gus, der neben Martin jetzt den Kopf aus dem Fenster zog, sah, wie der Pilot im Gurt zusammengesunken war. Er packte das Steuer, löste Martins verkrampfte Hände und übernahm das Kopilotenruder.

In diesem Augenblick schoss eine riesige Stichflamme aus dem Motor, prallte gegen die Scheibe, und im Handumdrehen flog eine ganze Ladung Öl gegen das Plexiglas und nahm Gus jede Sicht. Rauch und Feuer jagten rechts und links an den Kabinenfenstern vorbei, der Motor schwieg auf einmal, und Gus sah nicht, wohin sie flogen. Er spürte nur, dass sie abzusacken schienen, versuchte aus dem Seitenfenster zu blicken, sah aber wegen des Rauches nichts mehr.

Und plötzlich gab es einen knallharten Schlag. Das war die letzte Wahrnehmung, die Gus in seinem Leben machte.

*

Flammen schlugen vom Achterdeck der Yacht. Dicker, beizend gelbgrüner Rauch hüllte das ganze Achterschiff ein und wehte nach Lee übers Meer. Doch niemand hatte jetzt schon Zeit, etwas dagegen zu tun. Noch immer flog die Cessna in der Luft, eingehüllt von Rauch und Feuer. Aber sie jagte jetzt schräg auf die Meeresoberfläche zu.

Gebannt blickten die Männer auf die Maschine, sahen, wie sie aufschlug, eine gewaltige Feuersäule hochzuckte und sich mit gischtendem Wasser vermischte. Dann flogen Trümmer durch die Luft, spritzten ins Wasser, und für Sekunden war dort ein riesiger, spiegelglatter Kreis im Wasser.

Der Baron hatte genug gesehen. „Le Beau, nimm das Ruder! James, Feuerlöscher suchen! Feuer an Bord!“

Minuten später waren alle an Deck, Mrs. Dacombe ausgenommen, die von Dolly aus der Bordapotheke ein so starkes Schlafmittel bekommen hatte, dass sie in tiefem Schlaf lag und von allen Vorgängen gar nichts wusste.

James spritzte mit dem Schaumlöscher, Jenny und Dolly pumpten mit der tragbaren Spritze, während der Baron den Schlauch auf die kräuselnden Flammen hielt, die übers Deck.krochen.

Doch er konnte nur löschen, was erst später angebrannt war. Dort, wo die Phosphorspritzer an Deck klebten und brannten, half nur der Schaumlöscher. Mackenzie brachte einen zweiten aus dem Maschinenraum. Nach einer halben Stunde war das Feuer gelöscht.

Nur eine riesige schwarze Fläche über dem gesamten Achterdeck und die rußgeschwärzten Aufbauten erinnerten noch an den Brand. Dolly, Jenny, Mackenzie, Le Beau, Robert und James hockten auf dem Vordeck herum, während der Baron das Ruder führte und auf seine Crew aus dem niedergeklappten Fenster des Ruderhauses blickte.

„Beschwerden an die Schiffsleitung?“, fragte er scherzend.

„Allerdings“, erwiderte Mackenzie. „Warum laufen wir keinen Hafen an?“

„Zaubern Sie einen her, und ich laufe ein, Mackenzie!“

Die anderen lachten. Dann fragte Mackenzie, der Jenny den Arm um die Schulter gelegt hatte: „Kennen Sie die Möglichkeit, Herr Baron, dass ein Kapitän auf See eine Trauung vornehmen kann?“

Jenny blickte Mackenzie verblüfft an, und auch die anderen ahnten, was kommen würde.

„Ich kenne diese Möglichkeit, Mackenzie. Wollen Sie Jenny heiraten?“

Mackenzie nickte. „Und ob! Nicht wahr, Mäuschen, du willst meine Frau sein?“

Jenny schluckte. Diese für sie offenbar verblüffende Eröffnung hatte sie noch lange nicht verdaut. „Ich... ich weiss nicht... ich ...“

„Also, sie will!“, sagte Mackenzie. „Werden Sie uns trauen, Herr Baron?“

„Soviel ich weiß, muss man der richtige Kapitän sein, ein gelernter. Ich bin doch ein Amateur, Mackenzie. Dann gilt die Ehe nicht.“

„Hmm“, machte Mackenzie, und nach einer Weile sagte er: „Also dann im Hafen. Wo ist das? Wohin laufen wir?“

„Matthew Town auf Great Inagua, wenn der Treibstoff reicht.“

Mackenzie strahlte Jenny an. „Also, in Matthew Town wirst du meine Frau.“ Er gab ihr vor allen einen Kuss, und sie hielt es wohl für das beste, das über sich ohne Widerstand ergehen zu lassen.

Dolly war neben den Baron ins Ruderhaus gekommen. „Sie wird ihn niemals heiraten“, sagte sie.

„Geht uns nichts an. Würdest du mich denn heiraten wollen?“, fragte er und sah sie scharf an.

Sie lächelte. „Würdest du mich überhaupt danach fragen?“

„Vielleicht, Dorothee.“

Sie senkte den Kopf. „Nein, Alex, wir beide verstehen uns gut, aber wir passen auf die Dauer nicht zusammen. Wir wollen es doch besser so belassen, wie es ist und uns beide dieselbe Frage in einem Jahr erneut stellen. Was meinst du?“

„Darüber reden wir in Matthew Town noch mal.“

*

Der britische Polizeioffizier runzelte die Stirn und schob den dicht beschriebenen Bericht über den Tisch zum Baron hin, der ihm gegenüber saß. „Das ist die Expertise unseres Sachverständigen, Sir. Achtundzwanzig Millionen, soviel haben wir noch nie in unserem Safe gehabt. Wissen Sie auch, dass Ihnen dafür eine Belohnung zusteht?“ Der schnauzbärtige Kolonialengländer lächelte. „Ich habe über Funk mit unserer Interpolabteilung Verbindung aufgenommen. Das amerikanische FBI hat mitgeteilt, dass demjenigen, der diese Beute findet und übergibt, fünf Prozent des Wertes ausgezahlt werden ... allerdings nicht von uns, sondern von der Versicherungsgesellschaft. Fünf Prozent, das sind ...“

„Glatte 1,4 Millionen, Captain. Soweit reichen meine Mathematikkenntnisse aus. Ich bekomme von Ihnen noch die Quittung.“

Der Offizier nickte. „Und, wussten Sie schon, dass in diesem Flugzeug, das Sie versenken wollte, dieser Enrico Brassi selbst gesessen hat? Mit zweien seiner Vertrauten. Die Meldung kam vor einer Stunde aus Port au Prince zu uns.“

„Na und?“

„Wenn ich nicht irre, wird er seit zwei Wochen in den USA gesucht, und es steht eine Belohnung auf seiner Ergreifung. Sir, ich habe das Gefühl, Sie sind im Augenblick ein sehr reicher Mann.“

„Danke, aber der Schein trügt. Ich baue in Brasilien eine Straße und habe dort gut eine Million Defizit. Sie sehen, das Schicksal ist mit den Indios im Matto Grosso, denen ich diese Straße baue. Besten Dank für Ihre Mühe, Captain!“

Der Captain stand auf. „Noch eine kleine Frage“, sagte er lächelnd. „Ich habe gestern in Ihrem Hotel eine Dame aus Ihrer Begleitung gesehen, als wir Mrs. Dacombe ins Hospital holen ließen. Eine blonde Dame. Sie ist, wie ich eben erfuhr, vor wenigen Minuten Hals über Kopf mit einer Maschine nach Florida abgeflogen. Wussten Sie davon?“

„Es ist Jenny. Ich ahnte das, aber ich kenne jemanden, der darüber sehr erbost sein wird.“

„Meinen Sie diesen Maschinisten Mackenzie?“

„Ja, den meine ich.“

„Der läuft auf dem Flughafen herum und möchte eine Maschine haben, die auch nach Florida fliegt.“

„Er wird irgendwann eine finden. Das nennt man dann eine Jagd aus Liebe. Und sonst haben Sie nichts?“

„Doch, Sir, unten wartet eine Dame von der Presse auf Sie. Miss Dr. Willington, die mit Ihnen auf der Liebesinsel gewesen ist. Sie hat meinen Sergeant vorhin ausgefragt, ob wir die Gefangenen auch ordentlich betreuen. Sie hat eine sehr spitze Zunge, diese Dame. Ich glaube, Sie sind froh, sie nun loszuwerden, was?“

Der Baron steckte seine Quittung ein und ging zur Tür. „Sie irren sich, Captain, das ganze Gegenteil wäre richtig ...“

*

Der Baron saß, nur mit der Badehose bekleidet, auf dem Balkon des Royal Conqueror Hotels, hatte einen kühlen Martini in der Hand und blinzelte zu Dorothee Willington hinüber, die sich auf einer Liege reckte und im Bikini ihre herrlichen Kurven noch mehr zur Geltung brachte als im Kleid.

„Der Polizei bist du offenbar schon auf die Füße getreten, Kleines. Der Captain scheint sich auf deine Abreise zu freuen.“

Dolly lachte. „Wenn ich nun schon mal hier bin, muss ich doch sehen, ob hier auch alles stimmt. Wie ich hörte, behandeln sie Strafgefangene ziemlich rau."

„Du bist hier nicht im Dienst, Dorothee. Wie wäre es, wenn du mehr an mich als an die Srafgefangenen dächtest? Wir wollten uns auch noch eine Frage stellen.“

„In einem Jahr, Schatz! Ich muss erst sehen, ob ich dieses Jahr ohne dich leben kann oder nicht. Natürlich bin ich ab und zu bereit, den Geschmack zu erneuern ... falls du das auch willst.“

Der Baron fragte, obgleich er genau wusste, was sie meinte: „Was verstehst du unter Geschmack erneuern?“

Sie richtete sich auf, beugte sich zu ihm herüber und ließ ihre schlanken Finger über seine behaarte Brust gleiten. „Soll ich es dir zeigen?“

Er lächelte amüsiert. „Sicher, ich begreife ja nicht ein einziges Wort!“

Sie erhob sich, tänzelte zur Zimmertür, trat zwei Schritte ins Zimmer hinein und fragte: „Ist die Zimmertür abgeschlossen?“

„Das ist sie immer, wenn ich auf dem Balkon liege.“

„Danke.“ Und damit löste sie den BH ihres Bikinis und ließ ihn zu Boden gleiten. Der Baron sah es und setzte sich auf. Als sie auch ihr hellgrünes Höschen abzustreifen begann, fragte sie über die Schulter: „Worauf wartest du denn?“

„Warten? Ich bin schon da, Kleines!“ Er lief zu ihr, und dann schloss sich die Balkontür. Der Vorhang wurde zugestreift, und von nebenan aus dem offenen Fenster des Zimmers, das James und Le Beau bewohnten, hörte man James’ Bassstimme sagen: „Du bist ein verdammter Falschspieler, Le Beau! Schon wieder vier Asse, das gibt es doch gar nicht!“.

„Wenn man schon Pech in der Liebe hat, Dickerchen, dann hat man wenigstens Glück im Spiel.“

„Ach, hör auf, mit dir spiele ich nicht mehr. Wo steckt eigentlich der Chef?“

Le Beau lachte. „Nun spiel schon weiter. Der Chef hat keine Zeit. Den kannst du vor heute Abend nicht stören.

Also, wer gibt?“

„Immer der, der fragt...“

ENDE

Zu neugierige Mörder: 9 Krimis

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