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IV. Deutschland

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Die europäischen Vorgaben zwangen den deutschen Gesetzgeber dazu, im Bereich der Compliance tätig zu werden. Einen spezifischen deutschen Compliance-Begriff gibt es daher nicht. Bei dem deutschen bzw. europäischen Verständnis von Compliance handelt es sich im Ergebnis um einen anglo-amerikanischen Rechtsimport, ein sog. Legal Transplant.[78] Das deutsche Kapitalmarktrecht und damit auch die diesbezüglichen Compliance-Anforderungen haben sich wie folgt entwickelt:

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Historisch betrachtet entwickelten sich die kapitalmarktrechtlichen Compliance-Anforderungen bereits zu Beginn der 70er Jahre. Am 13.11.1970 wurden in Deutschland erstmals die sogenannten freiwilligen Insiderhandelsrichtlinien sowie Händler- und Beraterregeln vorgestellt. Diese waren allerdings nicht von Erfolg geprägt, da der wirkliche Nutzen gering war: Insbesondere nach dem öffentlich gewordenen Insiderskandal um den damaligen IG Metall-Chef Steinkühler[79] und einigen weiteren Verdachtsfällen sowie dem in- und ausländischen Druck setzte man schließlich am 26.7.1994 eine EG-Richtlinie durch die Verabschiedung des zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes um. Ziel war es, die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit sowie das Vertrauen und die Funktionsfähigkeit des deutschen Finanzmarktes zu fördern.[80] Den Mittelpunkt des Umsetzungsgesetzes stellte das Wertpapierhandelsgesetz dar.[81] Hierin wurde in § 14 erstmalig ein ausdrückliches Insiderhandelsverbot statuiert.

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Ende der 90er Jahre hat der deutsche Gesetzgeber teils auf eigene Initiative und teils als Reaktion auf die Maßnahmen des europäischen Gesetzgebers begonnen, die Compliance Vorschriften auszuweiten. Im Jahre 2003 wurde von der Bundesregierung zunächst ein 10-Punkte-Programm zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes veröffentlicht. Zur Umsetzung dieses Programms wurden zahlreiche Gesetzesentwürfe verabschiedet.[82]

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In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Anlegerschutzverbesserungsgesetz zu nennen, welches am 30.10.2004 in Kraft trat. Das Inkrafttreten dieses Gesetzes wird auch als „Stunde Null“ der strukturellen Kapitalmarkt Compliance Organisation in Deutschland bezeichnet.[83] Durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurden zahlreiche Vorschriften des WpHG geändert. Es diente der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie.[84] Ziel des Gesetzes war insbesondere die Sicherstellung einer vollständigen und gleichmäßigen Informationsversorgung aller Kapitalmarktteilnehmer und die Verhinderung des Missbrauchs von Insiderwissen.[85] Zur Konkretisierung des Anlegerschutzgesetzes wurden zudem die Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung sowie die Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen und die Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten erlassen.[86] Durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) aus dem Jahre 2005[87] wurde die aktienrechtliche Seite des Kapitalanlegerschutzes insbesondere im Hinblick auf die Haftung von Organmitgliedern und die Durchführung von Hauptversammlungen neu geregelt.[88] Durch das am 20.1.2007 in Kraft getretene Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde die europäische Transparenzrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt.[89] Die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie erfolgte am 16.7.2007 durch das Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz.[90]

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Mit dem Ziel der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen trat am 19.8.2008 das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz)[91] in Kraft. Um ein stabiles Finanzsystem zu erreichen und die Risiken für die Zielunternehmen zu minimieren, sollen gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschwert werden. Zur Umsetzung dieser Ziele änderte auch dieses Artikelgesetz zahlreiche aktien- und kapitalmarktrechtliche Vorschriften. So wurden die Anforderungen an das abgestimmte Verhalten von Investoren („Acting in concert”) in § 34 Abs. 2 WpHG (§ 22 Abs. 2 WpHG a.F.) bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG erweitert und konkretisiert. Abgestimmtes Verhalten mit der Folge der Stimmrechtszurechnung liegt demnach vor, wenn der Meldepflichtige und der Dritte mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Beeinflussung der unternehmerischen Ausrichtung zusammenwirken, dazu zählt auch die gegenseitige Abstimmung außerhalb von Hauptversammlungen. Die Regelung in § 127 Abs. 8 S. 3 WpHG (§ 41 Abs. 4d S. 3 WpHG a.F.) verlangt für die Meldepflichten das Zusammenrechnen der Stimmrechte aus Aktien und Aktienoptionen und impliziert damit ein frühes Erreichen der Eingangsmeldeschwelle und eine Erhöhung der Meldedichte. Des Weiteren müssen Aktionäre, sobald sie 10 % oder mehr eines Unternehmens erworben haben, die mit der Beteiligung verfolgten Ziele und die Herkunft der Mittel offen legen, § 43 Abs. 1 WpHG (§ 27a Abs. 1 WpHG a.F.). Im Zusammenhang mit der Verletzung wertpapierrechtlicher Mitteilungspflichten ordnet § 44 Abs. 1 S. 3 WpHG (§ 28 Abs. 1 S. 3 WpHG a.F.) nunmehr hinsichtlich vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzungen grundsätzlich eine Verlängerung des Verlustes von Stimmrecht und Dividendenbezug um weitere sechs Monate ab dem Zeitpunkt der Nachholung an, soweit die Verletzung die Höhe des Stimmrechtsanteils betrifft.

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