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I. Einleitung
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Auch wenn seit der Hochphase der Finanzkrise in Europa einige Jahre vergangen sind, steht der gesamte Kapitalmarkt noch immer im Fokus der Compliance-Diskussion. Während zunächst Schmiergeldzahlungen von Industriefirmen an ausländische Zuwendungsempfänger zur Akquise von Aufträgen die Gemüter erregten, sah und sieht sich auch der Finanzdienstleistungssektor verschiedensten Manipulationsvorwürfen zum Schaden von Kunden ausgesetzt. Erinnert sei nur an die Ermittlungen gegen den Vorstand und die Aufsichtsräte von Porsche SE in Folge des Versuchs der Übernahme der Volkswagenaktien oder den Libor-Skandal, in dessen Rahmen sich Mitarbeiter namhafter Institute an der Manipulation der Referenzzinssätze beteiligten und damit Kreditnehmer schädigten. Auch die finanzmarktrechtlichen Auswirkungen der Ermittlungen wegen Marktmanipulation gegen namhafte Manager des Volkswagenkonzerns, die ihren Ausgang in Verstößen gegen technische Compliance nahmen, sind derzeit noch nicht absehbar. Dem zunehmenden Bedarf national und international tätiger Unternehmen an Eigen- und Fremdkapital, Cross-Listings von Emittenten an mehreren Börsen, weltweit agierende Investoren und die stetig fortschreitende Internationalisierung der Kapitalmärkte, deren Innovationskräfte sich in stetig neuen Finanzierungskonzepten und Anlageformen widerspiegeln, steht der Wunsch der Investoren nach Anlegerschutz, Transparenz und Unterbindung von Marktmissbrauch gegenüber.[1] Dem ist auch die EU nachgekommen, indem sie mithilfe der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) Kernbereiche der Kapitalmarkt Compliance nunmehr für den Binnenmarkt direkt und einheitlich geregelt und gleichzeitig Vorgaben für eine deutliche Verschärfung der Straf- und Bußgeldrahmen gemacht hat.[2]
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Der Normenkomplex, der diese Themen regelt, wird allgemein als Kapitalmarktrecht bezeichnet. Darunter versteht man die Gesamtheit aller Normen und Grundsätze, die die Emission und den Handel mit fungiblen Anlageinstrumenten regeln und sowohl den Individualschutz der Kapitalanleger als auch den Funktionsschutz des Kapitalmarkts und der Wirtschaft zum Ziel haben.[3] Es stellt die Bereiche Banken-, Börsen-, Wertpapier- und Gesellschaftsrecht in einen funktionalen Zusammenhang. Unterschieden werden die Bereiche Marktorganisationsrecht, das institutionsbezogen die Struktur der Marktteilnehmer sowie die Struktur und den Inhalt der am Markt gehandelten Finanzinstrumente regelt, das Marktverhaltensrecht, das durch informations- und transaktionsbezogene Verhaltenspflichten das Verhalten der Marktteilnehmer am Markt bestimmt und durch entsprechende Sanktionsnormen strafrechtlich flankiert wird, sowie das Marktaufsichtsrecht, das die Zulassung der und die Aufsicht über die Marktteilnehmer einschließlich der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden regelt.[4] Um den Zielen Funktionsschutz des Markts sowie dem Individualschutz der Anleger gerecht zu werden, sollte das Kapitalmarktstrafrecht, das auf Repression setzt, ferner durch interne Compliance-Regularien ergänzt werden, um eine angemessene Prävention zu gewährleisten.
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Die Regelungen des Marktverhaltensrechts haben nicht nur Finanzdienstleister im Fokus, sondern richten sich an alle Akteure, die sich auf den nationalen und internationalen Märkten Geld besorgen und durch ihr Marktverhalten oder durch eine gezielte Informationspolitik in der Lage sind, das Verhalten aktueller und potentieller Investoren zu beeinflussen. Dem trägt beispielsweise auch die MAR Rechnung, die in der Präambel unter Ziff. 2 betont, dass ein integrierter und effizienter Finanzmarkt Marktintegrität voraussetzt. Mit ihrem Inkrafttreten wurde der Anwendungsbereich von Emittenten-Compliance-Regeln auch auf das Börsensegment des Freiverkehrs sowie auf Emissionszertifikate ausgedehnt. Sie sieht das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte als Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand an. Marktmissbrauch hingegen verletzt die Integrität der Finanzmärkte und untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wertpapiere und Derivate. Geschützt wird der Aktionär somit sowohl in seiner Stellung als Gesellschafter als auch als Anleger mit Vermögensinteressen. In diesem Zusammenhang wird der Begriff der Emittenten-Compliance gebraucht. Für Unternehmen stellt sich daher die Frage, wie eine Compliance-Organisation den besonderen Erfordernissen der Kapitalmärkte Rechnung tragen kann.
2. Teil Emittenten-Compliance › 2. Kapitel Aufbau einer kapitalmarktbezogenen Compliance-Organisation bei Emittenten › II. Definition