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VICUS Nachbarschaft als Organisationsform

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L. Ceium aed(ilem) vicini rogant, „die Nachbarn bitten darum, Lucius Ceius zum Aedil zu wählen“. Polybium aed(ilem) vicini bonum civem fac(iunt), „seine Nachbarn wählen Polybius zum Aedil. Er ist ein guter Bürger.“ M. Lucretium Frontonem aed(ilem) vicini rogamus, „wir Nachbarn bitten darum, Marcus Fronto zum Aedil zu wählen“.1 Im Kommunalwahlkampf in Pompeji stellten Nachbarn eine starke Unterstützergruppe; die drei ausgewählten Dipinti – mit großen Lettern an die Wände geschriebene Wahlaufrufe – stehen exemplarisch für zahlreiche ähnliche Wahlempfehlungen. Und wenn die lieben Nachbarn hier und da etwas zu zögerlich waren, ihr Votum auf die Hauswände der Umgebung – oder auch darüber hinaus – aufzubringen, dann machte ein Einzelunterstützer eines Kandidaten auch schon einmal öffentlich Druck: Ampliatum L(uci) f(ilium) aed(ilem) vicini surgite et rogate!, „Nachbarn, wacht auf und setzt euch für Ampliatus, den Sohn des Lucius, als Aedil ein!“.2

Über diese Wahlhilfe seitens seiner Nachbarn dürfte jeder Kandidat hocherfreut gewesen sein; denn diese Empfehlungen signalisierten, dass er bei denen, die ihn gut kannten und häufig Umgang mit ihm hatten, als vertrauenswürdig, kompetent und umgänglich galt. Nachbarschaft ist ja nicht selten auch ein geradezu infektiöser Konfliktherd. Wenn die Bewohner eines Viertels sich für einen Nachbarn so ins Zeug legten, durften Außenstehende einigermaßen sicher sein, dass ihnen da kein „Streithammel“ oder „Stinkstiefel“ mit Blockwart-Mentalität zur Wahl empfohlen wurde. Freilich lässt das artikellose Latein nicht erkennen, wie viele aktive Unterstützer sich da tatsächlich für jemanden verwendeten: Vicini kann heißen „die Nachbarn“ oder auch nur „Nachbarn“. Erst ein dazugesetztes universi hätte klargestellt, dass wirklich „alle“ die Wahlempfehlung mittrugen.

Im Übrigen dokumentieren diese Wahlaufrufe etwas, das man durchaus erwarten kann: Dass die in einem Viertel lebenden Menschen sich über Politik und Politiker austauschten, dass sie besonders im Vorfeld von Wahlen über die fähigsten Kandidaten diskutierten – beim Einkaufen, beim Wasserholen oder bei einem Schwätzchen auf der Straße. Dass sie aber auch, wenn sie unzufrieden waren, wenn die Lebensmittelpreise stiegen, die Mieten kletterten oder korrupte Politiker sich allzu offensichtlich wechselseitig Vorteile zuschanzten (oder man das zumindest glaubte),3 ihrem Unmut in kollektivem Schimpfen Luft machten und sich Empörung breitmachte, je mehr Grüppchen sich in einer Nachbarschaft zusammenfanden, darf man als sicher annehmen – auch wenn es darüber keinerlei Nachrichten gibt. Wohl aber über gelegentliche Ausbrüche von Empörung, die von römischen Historikern meist als tumultus beschrieben werden, „Aufruhr“, „Zusammenrottung“, „Tumult“ mit Lärm und manchmal auch mit Gewalttätigkeit.

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