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Agitation „auf Straßen und Kreuzungen“ – Politiker touren durch die Kieze

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Und damit sind wir auf den Straßen von Rom. Ob es dort ausgehend von Nachbarschaftsinitiativen in der Zeit der „freien“ Republik eine ähnliche Wahlwerbung gegeben hat wie in Pompeji, wissen wir nicht – so wenig wie wir, abgesehen von dem berüchtigten Eklat in der und um die Arena von Pompeji im Jahr 59 Genaueres darüber wissen, wie sich dort in der kampanischen Provinz politischer Ärger in einzelnen Stadtvierteln zusammengebraut und entladen hat. Von Rom jedoch sind solche „Tumulte“ überliefert, die ihren Ursprung in vici, „Stadtteilen“, hatten.

Vici waren, wie schon im vorigen Kapitel geschildert, die kleinsten Verwaltungseinheiten der Hauptstadt, in republikanischer Zeit nicht besonders konsequent organisierte, aber durchaus im Selbstverständnis ihrer Bewohner fest verankerte „Nachbarschaften“ oder „Kieze“. Die jeweiligen Angehörigen waren die vicani, „Viertelbewohner“. Wollte man den personalen Verband stärker betonen, den die im selben Viertel lebenden Menschen bildeten, so sprach man eher von vicinitates, „Nachbarschaften“.4

In ihrer sozialen und ethnischen Zusammensetzung unterschieden sich die vici voneinander, auch wenn es kaum irgendwo in Rom, abgesehen vom Palatin und vom Aventin, exklusive Wohnlagen oder reine Armenviertel gab,5 ebenso wenig wie das alte Rom durch Ethnie oder Religion definierte Gettos kannte. Aber bestimmte Unterschiede gab es schon; manche vici waren „bürgerlicher“ mit einer etwas breiteren Mittelschicht, andere „proletarischer“, insofern die Unterschichten noch stärker dominierten als üblich. Der Sozialreformer Gaius Gracchus verlegte seinen Wohnsitz vom Palatin in einen vicus nahe am Forum Romanum, der ihm „volksnäher“ vorkam. Plutarch verwendet hier das Adjektiv demotikós.6 Es wird häufig mit „demokratisch“ übersetzt, aber das passt nicht zur römischen Verfassung. Eher drückt es zum einen die Verbundenheit mit dem einfachen Volk und zum zweiten die soziologische Struktur des „neuen“ vicus aus, der näher am Velabrum und am Tiber(hafen) lag als der „Heimat-vicus“ des Gaius Gracchus. Mit einigen Bedenken könnte man dessen Entschluss „übersetzen“ als Wechsel von einem aristokratischen in ein Arbeiterviertel. Jedenfalls wollte er näher an denen sein, für die er Politik machte. Und das war die Plebs.

Politiker aller Couleur tourten in der Zeit der Republik durch die vici, um ihre Popularität zu steigern und Stimmen zu gewinnen; vor allem aber waren es die Popularen, die dort ihre Klientel fanden. Der Alte Cato ärgerte sich darüber, dass die Kampagne des Jahres 195 v. Chr. zur Abschaffung der lex Oppia, eines Anti-Luxus-Gesetzes, per vias et compita getragen wurde, „über die Straßen und Kreuzungen“ (wobei die „Kreuzung“ als das Zentrum eines vicus galt).7 Einige Jahrzehnte später machte Tiberius Gracchus die Runde „durch sämtliche vici mit der Bitte, ihn bei der Wahl zum Volkstribunen des nächsten Jahres zu unterstützen“.8

Die Straßen von Rom

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