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Kümmerer und Ordnungshüter, Aufpasser und Ansprechpartner – die vicomagistri und ihr „Straßendienst“

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Den vicus-Funktionären wurden durchaus attraktive Prestige-Attribute zugestanden. In Ausübung ihrer amtlichen Funktion – also besonders beim Laren-Kult, bei der Compitalien-Feier und anderen Festen – hatte jeder Anspruch auf zwei Lictoren mit Rutenbündeln als Zeichen seiner magistratischen Gewalt. Ferner durften die vicomagistri im Dienst die purpurverbrämte Toga praetexta tragen.27 Als Hilfskräfte standen ihnen jeweils vier vicoministri zur Seite, die als Sklaven im öffentlichen Dienst (servi publici) tätig waren. Manche von diesen unfreien Hilfs-„Beamten“ waren finanziell sogar in der Lage, eigene Weihaltäre für „ihre“ Laren in Auftrag zu geben. Die nach der vicus-Reform des Augustus erstmals zu ministri „ernannten“ Sklaven des Vicus Censori, der die Tiberinsel umfasste, stifteten jedenfalls als servi, „die am 1. August als erste ins Amt gekommen sind“ (qui […] primi inierunt), einen aus Marmor gearbeiteten Altar. Er erinnerte mit prächtigen Buchstaben an ihren Dienst.28 Das Besondere ist, dass sich hier nur die ministri selbstbewusst verewigt haben, nicht ihre Chefs, die vicomagistri (die das allerdings in zahlreichen anderen Inschriften ebenfalls und nicht minder selbstbewusst getan haben).

Die „Viertelsvorsteher“ und ihr Hilfspersonal waren für den Schutz der in ihrem vicus lebenden Bevölkerung zuständig. In erster Linie betraf das ihre kultischen Obliegenheiten gegenüber den Laren als göttlichen Schützern der Hauptkreuzung und ihrer Umgebung. Dabei war die Ausrichtung der Compitalia im Dezember bzw. Januar die aufwendigste Aufgabe. Durch die augusteische Reform kamen aber noch weitere regelmäßige Feiern hinzu: zwei Blütenfeste im Frühling und im Sommer29 – sehr wahrscheinlich am 1. Mai und am 27. Juni.30 Dabei wurden die Altäre mit Blumengirlanden geschmückt. Die Zeremonien haben sicher Schaulustige angezogen; vermutlich verbanden sie sich auch mit Opfern und gemeinsamem Schmaus. Jedenfalls wurde der nachbarschaftliche Zusammenhalt durch diese neuen Rituale zusätzlich gestärkt. Es gab damit zwei neue Termine, die die vicus-Bewohner zu gemeinsamen Treffen auf die Straßen lockten – eine Integrationsmaßnahme, die geeignet war, auch die Akzeptanz der Laren-Kult-Reform zu erhöhen.

Was den Schutz vor realen Gefahren anging, so gehörte die Brandbekämpfung zu den vorrangigen Aufgaben der vicus-Vorsteher.31 Nach der Einrichtung einer wirklich professionellen Feuerwehr – der vigiles – im Jahr 6 v. Chr. werden die vicomagistri dieser Truppe zugearbeitet haben. Sie waren ferner wie schon in der Republik damit betraut, die Versorgungssicherheit der Menschen in ihrem jeweiligen Viertel zu gewährleisten. Das schloss die Koordination der Trinkwasserversorgung32 ebenso ein wie das Führen der Listen der Getreideempfänger sowie – wohl auch schon vor der Reform – die Verteilung zusätzlicher Lebensmittelspenden und später dann möglicherweise auch kaiserlicher Geldgeschenke. Wenn allgemeine Bürgerlisten oder auch Listen der in Rom nur zeitweise ansässigen Peregrinen (Fremden) geführt worden sind, dürfte auch das zu den Aufgaben der vicomagistri gehört haben. Wahrscheinlich waren sie außerdem als Ordnungsbehörde tätig, wenn es um Verkehrsprobleme im vicus ging, um die Koordinierung von Baustellen und Zulieferern und um baupolizeiliche Angelegenheiten, die sie in eigener Zuständigkeit entschieden oder an die Aedilen weitergaben.

Über Einzelheiten informieren uns die Quellen nicht, sodass man, was konkrete administrative Befugnisse betrifft, über Mutmaßungen nicht hinauskommt. Klar ist indes, dass die vicomagistri ihren Kiez und viele der Bewohner gut kannten und dass sie über ihre Zuständigkeit für die Laren-Altäre hinaus als Anlauf- und oft genug auch Clearingstellen für alle möglichen Anliegen ihrer Mitbürger fungierten. Sie waren Kümmerer und Ordnungshüter, Verbindungsleute zu den lokalen Schutzgöttern und Ansprechpartner gerade auch für die kleinen Leute, aus deren Reihen sie selbst kamen. Aus der Sicht des Kaisers waren sie sicher auch Aufpasser, dass sich in ihrem Viertel keine politische Unruhe breitmachte. Je unspektakulärer und verdeckter sie dieser Aufgabe nachkamen, umso mehr genossen sie das Vertrauen und den Respekt der Bevölkerung.

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