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Das süße Gift der sprachlichen Verführung
ОглавлениеIn diese innenpolitische Auseinandersetzung greift er mit dem „objektiven“ Bericht über das Geschehen in Gallien ein. Er verzichtet auf peinliches Selbstlob, nutzt aber die Möglichkeiten der Darstellung, um sich als souveräner militärischer Führer und verantwortungsvoller Provinzgouverneur zu profilieren. Caesar kann mit Sprache wunderbar umgehen, und diese Begabung stellt er ganz in den Dienst seiner Darstellung. Der scheinbare Sach-Bericht erhält dadurch eine latente persönliche Färbung, eine unterschwellige Steuerung, der man auf Dauer kaum entgehen kann. Der Meister des Wortes zwingt seinen Lesern seine Perspektive auf, ohne dass das auf der sprachlichen Oberfläche manifest wird. Der Wirkstoff manipulativer Persuasion (persuadere heißt „überreden“ und „überzeugen“) wird in kleinen Dosen subkutan verabreicht – wir haben es am Beispiel der Considius-Episode aufdecken können.
Waren römische Leser zu arglos oder zu dumm, um zu erkennen, wo dieser Wirkstoff im Einzelnen verabreicht wurde und was er mit ihnen machte? Weder zu arglos noch zu dumm, aber zu schnell. Viele von Caesars Lesern hatten rhetorische Bildung genossen, sie wussten um die Macht des Wortes und kannten das Handwerkszeug der Persuasion – Stilmittel etwa und andere rhetorisch-argumentative Strategien und Tricks. Aber sie lasen zügig, sie analysierten während des Lesens nicht, wie die Informationen sprachlich und gedanklich im Detail aufbereitet waren. Sie wussten, dass da ein Meister der Sprache das Wort führte, manche gingen vielleicht mit einem gewissen Grundmisstrauen davon aus, dass man auf der Hut sein musste, wenn der Erzähler Caesar über den Feldherrn Caesar berichtete. Aber das alles half ihnen auf Dauer nicht gegen das süße Gift der sprachlichen Manipulation.
Man kann diesen Effekt mit der Wirkung heutiger Werbung und ihrer Sprache vergleichen. Natürlich wissen wir alle, dass wir durch Slogans und Bilder verführt werden sollen, natürlich ist den meisten bewusst, dass hoch bezahlte Werbeprofis lange daran getüftelt haben, wie sie uns ihre Werbebotschaft trotz unserer mehr oder minder bewussten Abwehrhaltung schmackhaft machen können. Wir sind möglicherweise grundsätzlich auf der Hut – und erliegen der Manipulation letztlich doch. Wer kommt schon auf die Idee, Werbebotschaften Wort für Wort, Bild für Bild auseinanderzunehmen und gewissermaßen das mühsam zu dekonstruieren, was die Profis zuvor in mühevoller Arbeit konstruiert haben?