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Ein Rheinübergang als Lektion in Hightech

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Ein wunderbares Lehrstück dieser Art ist der erste Rheinübergang Caesars im Jahre 55 v. Chr. (Caes. B. G. IV 17ff.) Caesar wird von gallischen Verbündeten zu Hilfe gerufen. Die beschweren sich darüber, dass Germanen immer wieder über den Rhein kommen und ihre Gebiete verheeren. Wenn Verbündete bedrängt werden, ist ein bellum iustum nicht fern. Caesar will sich aber nicht auf ein unkalkulierbares militärisches Abenteuer in germanischen Wäldern einlassen. Er entschließt sich „nur“ zu einer demonstrativen warnenden Geste an die Germanen. Die aber hat es in sich. Der Plan sieht vor, mit Truppen über den Rhein zu gehen, dort massiv Präsenz zu zeigen und dann wieder abzurücken.

Wie aber den Rhein überqueren? Verbündete Stämme bieten Caesar an, Schiffe zu stellen. Aber Caesar lehnt ab. Die Begründung ist in ihrem ersten Teil erstaunlich, im zweiten Teil atemberaubend. Der erste Grund: Nicht sicher genug. Der zweite Grund: neque suae neque populi Romani dignitatis esse statuebat, „er meinte, es sei weder mit seiner eigenen noch mit der Würde des römischen Volkes vereinbar“. Bemerkenswert ist die Reihenfolge: Ein Caesar hat es nicht nötig, ein natürliches Hindernis auf dieselbe Weise zu überwinden wie gallische und germanische „Barbaren“ – und das römische Volk ebenfalls nicht. Denn Rom ist eine Hightech-Nation, die die Technik des Brückenbaus beherrscht. Eine Brücke – nur diese Problemlösung kommt für die Herren der Welt infrage. Und das, obwohl Caesar die Schwierigkeiten des Unternehmens sehr wohl erkennt – und sie selbstverständlich seine Leser wissen lässt: Die Breite des Rheins, seine reißende Strömung und seine Tiefe – das summiere sich zu einer summa difficultas, „sehr großen Schwierigkeit“.

Und wie reagiert Rom darauf? Mit einem entschlossenen tamen, „trotzdem“, und einem contendere, „Zusammenspannen“ aller Kräfte. contendere ist ein Lieblingswort Caesars. Es drückt äußerste Konzentration und Anspannung auf ein Ziel hin aus. Die Vorsilbe con-, „zusammen“, bildet dieses Bündeln von Wissen, Können, Wollen und Nicht-Aufgeben gleichsam ab. Und wenn es nicht gelingt? Dann eben nicht. Caesar sieht die Möglichkeit des Scheiterns und erwähnt sie auch gegenüber dem Leser – wohl wissend, dass das Experiment gelungen ist.

Im Folgenden beschreibt er den Bau der Brücke ausführlich und mit vielen Begriffen, die auch der gute Lateiner nicht kennen muss. Klar wird: Die römischen Pioniere verfügen über ein einzigartiges Know-how. Und die römischen Leser, die das auch nicht alle verstehen, was da technisch beschrieben wird, stellen sich vor, wie gebannt, ja ungläubig Germanen und Gallier hinter irgendwelchen Büschen verfolgt haben, was da ins Werk gesetzt wurde. Schaut nur genau hin, liebe und nicht so liebe „Barbaren“! Da erfahrt ihr, mit wem ihr es zu tun habt.

Unglaubliche zehn Tage später ist die Rheinbrücke fertig. Caesar führt einen Teil seiner Truppen hinüber nach Germanien. Der Brückenbau hat seine Wirkung nicht verfehlt: Mehrere germanische Stämme schicken Gesandte und bitten um Frieden. Sie lassen sich sogar darauf ein, Geiseln zu stellen. Andere Stämme wie die Sugambrer, denen die Demonstration in besonderer Weise galt, setzen sich fluchtartig in Germaniens einsame Wildnis ab.

Caesar bleibt mit seinen Truppen ein paar Tage auf der rechten Rheinseite, dann führt er sie zurück nach Gallien. Die Abschreckungsmission ist erfüllt, die Bilanz fällt äußerst positiv aus. Erstens: Caesar hat den Germanen Furcht eingeflößt. Zweitens: Die Sugambrer sind geflohen. Drittens: Die verbündeten Stämme haben erfahren, dass sie sich auf Rom verlassen können. Damit kann Caesar zufrieden sein: satis et ad laudem et ad utilitatem profectum arbitratus …; „er glaubte, für das Ansehen und den Vorteil (des römischen Volkes) genug erreicht zu haben“. laus ist das „Lob“: Die „Barbaren“ klatschen Rom, wenn auch insgeheim und widerwillig, Beifall. Sie müssen dessen haushohe zivilisatorische und militärische Überlegenheit anerkennen. Um es burschikos auszudrücken: Caesar hat ihnen gezeigt, was eine Harke ist. utilitas ist der „Nutzen“, der „Vorteil“, das „brauchbare Ergebnis“. laus und utilitas – die Brücken-Demonstration hatte Erfolg, weil sie langfristig Autorität und Anerkennung und kurzfristig militärisch-politischen Nutzen gebracht hat.

Und ganz nebenbei Caesars bemerkenswerte Zurückhaltung kaschiert hat, sich rechtsrheinisch militärisch auf längere Frist zu engagieren. Dass die Ausweitung des Krieges dorthin mit erheblichen Risiken verbunden war und er sich nicht so recht traute, in die germanischen Wälder vorzurücken, wollte Caesar seinen römischen Lesern so deutlich nicht sagen. Dieses fehlende Eingeständnis hinter der Erfolgsbilanz des Unternehmens Rheinbrücke zu verstecken – da hilft der Schriftsteller dem Politiker und Feldherrn Caesar, und zwar mithilfe einer geschickten Leserlenkung. Aber darüber haben wir ja schon gesprochen – und zu sehr sollte sich ja die Beschäftigung mit Caesar auf Rat der Latein-Didaktiker nicht in die Länge ziehen.

Latein - da geht noch was!

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