Читать книгу Auf dem Weg zur Göttin : MARIA - Karlheinz Vonderberg - Страница 11
Maria und Eva: Die ewige Auseinandersetzung
ОглавлениеUm die Person Marias zu würdigen, muss auch ihre Antagonisten betrachtet werden, Eva. Aussagen wie „Durch ein Weib kam die Sünde in die Welt, durch ein Weib kam die Erlösung in die Welt“ sind allgemein bekannt. Aber unter dieser doch sehr dünnen Argumentationsdecke verbirgt sich viel mehr. Eva ist mehr als ein Relikt aus uralten Erzählungen, sie ist ein Archetyp, dem sich niemand entziehen kann, der sich mit der Schöpfungsfrage und der Existenz eines Gottes beschäftigt. Sie ist die dunkle, die animalische, die intellektuelle, die aktive Seite der Weiblichkeit, die umso mehr hervorsticht, wenn man ihr den dumpfen, trögen, langweiligen, unentschlossenen Adam gegenüberstellt. Eva ist nicht Gottes erste Wahl in der Schöpfung. (Gen 2ff.) Er schafft es nicht, die weibliche Komponente aus seinem eigenen Wesen zu erzeugen. Bei Adam war das kein Problem, da genügte ein wenig Staub und der göttliche Atem. Bei Eva aber wird klar, dass der Schöpfer von der inneren Beziehung zwischen Mann und Frau keine Ahnung hat. Es bleibt ihm nichts andres übrig, als auf das Modell Mann zurückzugreifen und ein paar Modifikationen anzubringen. Diese Ableitung Evas aus dem bereits vorhandenen erfordert keine Erde und kein neuer göttlicher Atem, denn alles ist bereits in Adam erhalten. Eva aber unterliegt nicht den intellektuellen Einschränkungen Adams, der den Garten Eden nur hüten und bewahren soll. Sie will mehr, nämlich so sein wie der Schöpfer selbst. Die Konsequenzen sind bekannt. Die Vertreibung aus dem Paradies bedingte das Leben auf der Erde, das Leben als Mann und Frau im täglichen Kampf um das Überleben.
Gen 1 stellt dem entschuldigend eine Art „intellektuelle Sicht“ gegenüber, in der Mann und Frau gleichberechtigt als Ebenbilder Gottes gesehen werden. Dass diese Sicht schon bei der Abfassung der Priesterschrift sicher nicht der Wirklichkeit der Frauen entsprach, ist wohl klar.
Eine Sache ist aber auch hier auffällig. Der Schöpfer wird mit seinem Wort aktiv, nicht mit irgendeiner Form weiblicher oder männlicher Potenz. Es werde! Und es ward. Das geht so bis zum 6ten Tag, an dem er nicht mit dem Wort schöpferische Aktivität entfaltete. Hier fordert er nicht ein externes Geschehen, wie bei der Aufforderung, Licht, Sonne, Mond, Sterne, Gräser oder Vieh zu gestalten. Er spricht mit sich selbst, fordert sich selbst auf, etwas zu schaffen, was mit ihm eine gewisse Ähnlichkeit hat, nämlich den Menschen in Form von Mann und Frau. Diese Aufforderung an sich selbst (Gott im Plural! Elohim) erfordert Kräfte, die in ihm selbst ruhen, die in dem übrigen Geschehen der externen Welt nicht zur Verfügung stehen. Da er sowohl Mann als auch Frau ist, geht die Aufforderung also an ihn als eine Paar. Der Mensch wird nicht von ihm geschaffen (gemacht, wie es heißt), sondern er wird von ihm erzeugt. Offenbar werden der weibliche und der männliche Teil des Schöpfers aktiv. Sie disparieren sich, um dann in ihrer Vereinigung den Menschen zu erzeugen, ebenfalls nach dem göttlichen Vorbild als Mann und Frau.
In dieser Szene erfährt der Schöpfer also zum ersten Mal die in ihm ruhende Macht der Fruchtbarkeit, der Sexualität. Er nutzt diese Macht, um sich ein Gegenüber zu schaffen, das ihm ähnlich ist. Genau das aber findet jedes Mal statt, wenn Frauen und Männer Kinder zeugen. Diese Kinder werden zum Spiegel, zum Gegenüber für ihre Eltern. Was in der Person des Schöpfers anders ist als in den Personen von Frau und Mann, das ist die Fähigkeit, sich wieder mit sich selbst zu vereinigen und der EINE zu werden. In dem EINEN verschmelzen die weiblichen und männlichen Anteile wieder zu der göttlichen Entität. Vollkommen zu sein bedeutet für den Schöpfer also unzertrennlich weiblich und männlich zu sein. Dieser Vorgang, sich in seine sexuellen Potenzen von Frau und Mann zu zerlegen, um zeugend tätig zu werden, wird einmal bei der Zeugung der ersten Menschen sichtbar, dann erst wieder bei der Zeugung seines Sohnes. In der Zwischenzeit mutiert er aus der Sicht der Bibelschreiber zum männlichen Gott, der seinen zweiten personalen Teil verleugnet.
Der zweite Schöpfungsbericht lässt diese intellektuelle Einsicht in das Wesen des Schöpfers außer Acht. Hier ist alleine die Aktion des männlichen Teils dargestellt. Das Abbild dieses Mannes kann natürlich nur ein Mann sein, eben Adam. Der Schöpfer verleugnet seine weiblichen Anteile wird somit zum Töpfer, der einen Körper formt. Die Fähigkeit des Zeugens hat er verloren, weil ihm der weibliche Teil fehlt. Er geht den mühsamen Weg über das Körperformen, so wie Enkidu als Gegenpart des sagenumwobenen Königs Gilgamesch geformt und mit göttlichem Odem belebt wurde. (Bemerkung: In das Gilgamesch-Epos eingeflochten ist auch die Geschichte der Sintflut, die nur von Utnapaschtim und seinem Weib überlebt wird.) Diese aus dem babylonischen Mythenkreis übernommenen Vorstellungen sind leicht zu durchschauen. Adam wird genau scheitern wie Enkidu und letztlich Gilgamesch auch.
Die Person, die im Mittelpunkt des Dramas (Gen 2 ff.) steht, ist aber nicht Adam. Er ist passiv und langweilig. Ihm fehlt die Dynamik des Schöpfers. Er ist ein Zerrbild, wenn es darum geht, den Menschen als Ebenbild des Schöpfers zu sehen. In dieser einseitigen Handlungsweise unter Verzicht der weiblichen Anteile Gottes ist das Scheitern schon vorprogrammiert. Er muss von Eva zu neuen Taten und neuen Ufern der Erkenntnis gedrängt werden. Erst Eva rettet die Schöpfungsdynamik und sprengt die Fesseln des Gartens.