Читать книгу Auf dem Weg zur Göttin : MARIA - Karlheinz Vonderberg - Страница 12
Das ewig Weibliche und die (OHN)Macht des Mannes
ОглавлениеMit der Unterschiedlichkeit der beiden Schöpfungsberichte ist bereits der Boden für die kommende Saat der Auseinandersetzung zwischen Patriarchat und Matriarchat gelegt. In Gen 1 wird aufgezeigt, dass die wahre Ebenbildlichkeit des Menschen zum Schöpfer nur in der gleichberechtigten Form von Mann und Frau erreicht werden kann. Zugleich wird aber auch aufgezeigt, dass Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft nur im Zusammenspiel Mann – Frau möglich sind. Die kurze Form dieser Darstellung und die isolierte Position dieses Textes, der zwar das Buch Genesis eröffnet, aber sich nicht fortsetzt, sondern ziemlich isoliert dastehend erscheint, machen klar, dass die Verfasser dieses Teils der Priesterschrift selbst nicht in der Lage waren, eine vernünftige Verflechtung mit Gen 2ff. zu erreichen. Sie fanden keinen Weg, den intellektuellen Standard aus Gen1 dem „naturgegebenen Durchschnittsverstand der gewöhnlichen Bevölkerung“ anzudienen und eine Synthese der beiden Berichte zu erstellen.
Der Grund ist offensichtlich.
Der weibliche Teil des Schöpfers war für den Menschen dieser Zeit nicht mehr denkbar. Aber er war in der Schöpfung selbst als Frau präsent. Die Fähigkeiten, die die Frau als Gebärerin besaß, waren für den Mann unerreichbar. Er mochte über Reichtum und Macht in dieser Welt verfügen, aber er würde nie in der Lage sein, ein Kind zu gebären. Ohne Kinder gab es aber keine Zukunft. Ohne Zukunft keine Erben für Reichtum und Macht. Das war für den Mann deprimierend. Er hatte einen Schöpfer kreiert, der Allmacht besaß, aber rein männlich gedacht war, was seine Göttlichkeit sofort einschränkte. Im Prinzip war er damit zeugungsfähig, aber nicht gebärfähig. Konsequent gedacht war er damit auch nicht zukunftsfähig. Was sollte man mit einem solchen „defekten“ Schöpfergott anfangen, zumal in allen Kulturen in der Nachbarschaft Fruchtbarkeitsgöttinnen verehrt wurden, die stolze Gefährten eines mächtigen Gottes waren?
Moses musste die Folgen am Berg der Gesetzgebung erfahren. Seine Abwesenheit genügte, um sofort ein goldenes Kalb zu schmieden, das Zeichen für den Gott Ba’al und mit ihm das Zeichen für Aschara, die Fruchtbarkeitsgöttin. Der Zorn des Moses als Verkünder des männlichen Alleingottes war so groß, dass er die Gesetzestafeln zerschlug. Doch für lange Zeit wurde die Mondgöttin von den Frauen verehrt, die ihr sogar Kuchen buken. Da half es auch nichts, sich für 40 Jahre in der Wüste aufzuhalten. Es fehlte einfach der eine Teil der Gottheit, in dem die Frauen sich hätten wiedererkennen können. So war es nötig, sie einem strengen Reglement zu unterwerfen, in der stillen Hoffnung, dass ihre Sehnsucht, sich in ihrem Gott wiederzufinden, eines Tages verschwinden würden.
Im Prinzip wurden die Frauen damit zu einer „gottfreien“ Gruppe gemacht. Sie brauchten ja keinen Gott, da der männliche Gott in den sie umgebenden und beherrschenden Männern ja ständig präsent war.
Für die Männer war das Geheimnis, das die Frauen als Gebärerinnen umgab, nicht lösbar. Sie verstanden den weiblichen Körper genau so wenig wie die Funktionen der Fortpflanzung. Die Frau wurde für sie das Gefäß, das sich ihnen nicht verweigern durfte, sobald der Heiratsvertrag geschlossen war. Sie sonderten sie ab und hüteten sie vor Kontakten mit anderen Männern. Dabei fühlten sie aber, wie sehr sei emotional von diesen Frauen abhängig waren. Das ging über das Bedürfnis, einen Erben zu zeugen, weit hinaus. Die Frauen gaben in den Familien weibliche Geborgenheit. Sie dachten und empfanden anders als die Männer. Auch die Versuche, ihnen das rationale Element abzusprechen, minderte die Anziehungskraft der Frauen in keiner Weise. Im Gegenteil, je mehr die Frauen zeigten, dass sie zu außergewöhnlichen Handlungen in der Lage waren, desto gefährlicher galten sie. So ist es eher eine wundersame Fügung, dass Frauen wie Esther, Judith oder Rut den Weg in die Schriften des AT fanden. Das Studium der Thora aber war den Frauen verboten. Sich mit Gott zu befassen und seine Geheimnisse zu ergründen, war Männersache.
Aus unserer Sicht ist es verwunderlich, dass die Männer nicht bemerkten, dass ihr männlicher Gott unvollkommen war, verstümmelt, defekt. Sie spürten zwar ihre inneren Drang, der sie zu den Frauen trieb, konnten aber beim Studium der Schrift nicht herausfinden, dass auch der Schöpfer selbst zu seiner weiblichen Seite drängte. Sie interpretierten den Schöpfungsakt als eine männliche Tat und hinterfragten nicht, woher das Weibliche in dieser Welt kam. Sie betrachteten es als eine Notwendigkeit, die eben zur Schöpfung gehörte, wie der Löwe zur Löwin und der Hengst zur Stute. In diese sie schützende Selbstverständlichkeit flüchteten sie sich so sehr, dass sie ihrem inneren Hang zur Frau sogar einem göttlichen Auftrag unterwarfen: „Gehet hin und mehret euch, und macht euch die Erde untertan.“ Dieses „mehret euch“ kam von einem Gott, dem sie keine weibliche Seite zusprachen, der aber sehr wohl von der Zuordnung Frau – Mann gewusst hatte. Er sprach diese Worte auch nicht explizit zum Mann, sondern dem Menschenpaar, das er aus dem Garten Eden hinausgeschickt hatte.
Es gibt also einen biblischen Widerspruch mehr, der sich aus dem Herrschaftsanspruch des Mannes herleitete.
Dieses „mehret euch“ entfachte auch Begierde des Mannes, denn e war ja ein göttlicher Auftrag, und gleichzeitig unterwarf der Auftrag die Frau dem Willen des Mannes. Sie konnte sich diesem göttlichen Auftrag, dessen Vollstrecker der Mann war, nicht entziehen. Tat sie es und folgte ihrem eigenen Willen, konnte das zu Kriegen führen, wie die Geschichten von Troja etwa zeugen. Auch Goethes Faust erliegt der Faszination Frau. Die Renaissance- Päpste hatten sogar Familien. Sie alle erlagen dem ewig Weiblichen. Diese Ohnmacht war ein Grund mehr, Frauen mit Misstrauen zu begegnen, ihre Macht zu verteufeln und doch gleichzeitig dem Weiblichen zu verfallen.
Der Mann verformte unter dieser schizophrenen Haltung sein eigenes Wertgefühl. So stark er es nach außen betonte, so schwach war er im Innern. Die Geschichte von Samson und Dililah, die im Buch der Richter, 13-16 geschildert wird, zeigt diese Abhängigkeit symbolisch. Dililah, Samsons philistinische Frau, kommt hinter sein Geheimnis und verrät ihn. Die Folge aus dieser Gesichte ist, dass der Mann seine Stärke vor der Frau wie ein Geheimnis verbergen muss, so wie sie das Geheimnis ihrer Gebärfähigkeit vor ihm verbirgt, denn das ist ihre Stärke.
Der Spruch „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“ demaskiert die Vormachtstellung des Mannes in klaren Worten.
Er ist von ihr abhängig, und das spürt er. Aber er überträgt diese für ihn schwer zu ertragende Abhängigkeit in Gewaltausübung und Gewaltherrschaft. Er kommt nicht auf die Idee, dass das von ihm favorisierte Rollenspiel der Geschlechter ein Mangel in seiner Gottesvorstellung sein könnte, der sich auf ihn abgefärbt hat. Überreste der ehemaligen Vorrangstellung der Frau findet man in dem lächerlichen Kniefall beim Überbringen eines Heiratsantrages oder beim mittelalterlichen Minnegesang, aber auch in den schmachtenden Liebesliedern einer jeden Zeitepoche.