Читать книгу Jenseits meiner Grenzen der weite Horizont - Katharina Weck - Страница 11
ОглавлениеSpießige Mathematik
Letztens las ich, dass Perfektion etwas für Mathematiker sei. Ich kam ins Grübeln. Also, mit Mathematik habe ich wirklich nie etwas am Hut gehabt – kein Wunder, dass ich an meinen perfektionistischen Ansprüchen permanent scheitere!
In meinem Heimatdorf in Niedersachsen gibt es mathematisch ausgerichtete Gärten, alles ist symmetrisch, nichts darf verrutschen oder zum falschen Zeitpunkt verwelken. Erdflächen um die Bäume minutiös geharkt, kein Blatt dem Zufall überlassen. Ich erinnere mich daran, dass ich das immer als sehr spießig empfunden habe, und dass es, als ich ein Kind war, eine der heftigsten Mutproben war, einmal über die Pflastersteine im Vorgarten von Herrn Wuske zu rennen, um dann über die mit der Nagelschere geschnittene Buchsbaumhecke zu springen. Törchen auf und los. Und wehe er hat einen gesehen, dann hat er sich die Kehle aus dem Leib gebrüllt über uns »ungezogenes Pack.« Adrenalin pur und die Anerkennung des großen Bruders.
Bei der Erinnerung nehme ich mir vor, unserem »wilden« Vorgarten das nächste Mal zuzuzwinkern, statt seufzend zu denken, dass hier noch einiges gemacht werden könnte.
Denn viel lieber würde ich statt Perfektionismus Güte leben. Tomas Sjödin schreibt in seinem Buch »Es gibt so viel, was man nicht muss«: »Sie (die Güte) schließt das Mangelhafte ein und bringt uns einander näher. Wir sind nicht die Summe unserer Niederlagen. Auch nicht die all unserer Schwächen. Wir sind viel mehr als das: Menschen, die im Werden begriffen sind.«
Schön! Und leider überhaupt nicht leicht. Aber ich gebe nicht auf. Spätestens, wenn ich meine Urenkel auf dem Arm habe, will ich diesen mathematischen Anspruchszirkus aus meinem Kopf haben. Vielleicht schaffe ich es sogar bis zu den Enkeln. Oder bis unser Baby im Herbst kommt.
Okay, nicht übertreiben.
Vor allem will ich niemals Kinder von meinem Grundstück jagen. Grenzen sind fließend, Fremde willkommen. Sogar Mathematiker.