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Es war kurz nach ein Uhr mittags, als Mila und Isabelle aus der Kathedrale Notre-Dame ins Freie traten. Mila spielte mit dem Gedanken, zum Flussufer zurückzugehen und den Buchhändler zu fragen, warum er ihr das Buch geschenkt und was es mit den Worten auf der ersten Seite auf sich hatte. Doch Isabelle ließ sie nicht, sondern zog sie mit sich in ein kleines Lokal ganz in der Nähe der Kirche, das allen Ernstes Quasimodo hieß.

»Ein bisschen tourimäßig, aber die Croques hier sind ganz okay«, sagte sie gönnerhaft, als sie sich auf eine der Bänke fallen ließ, die ringsum an den Wänden standen. Noch bevor Mila es sich selbst bequem gemacht hatte, hatte Isabelle schon den Kellner herbeigewinkt und zwei Cola und je ein Croque Monsieur und ein Croque Madame bestellt.

Mila warf ihr einen strafenden Blick zu. »Man könnte meinen, du leidest an einer Schilddrüsenüberfunktion, so hektisch, wie du immer bist.«

Isabelle lachte nur.

Der Kellner, der aussah, als wäre er gerade zwölf geworden, brachte ihre Cola und zwei Gläser mit je einem Eiswürfel. Isabelle zwinkerte ihm zu und sie lachte, als er rot wurde.

Mila verpasste ihr unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein. »Du bist unmöglich!«

Isabelle lachte nur noch lauter und als ein Pärchen am Nachbartisch genervt zu ihr herübersah, grinste sie die Leute fröhlich an. »Genießt eure Zweisamkeit, solange sie dauert!«, riet sie ihnen.

Mila verdrehte die Augen. Dann nahm sie den Gedichtband aus ihrer Umhängetasche, die sie zwischen den Füßen stehen hatte, und betrachtete das Bild auf dem Umschlag. »Was meinst du, warum hat er es mir geschenkt?«

Isabelle zuckte mit den Schultern. »Er hat nur gesagt, er hätte das Gefühl, du solltest es haben. Vielleicht gehört er zu dieser Fraktion von Spinnern, die glauben, dass sich Bücher ihre Besitzer aussuchen.«

»Möglich.«

Vielleicht aber wollte er mir mit der Frage auf der ersten Seite auch irgendwas sagen.

Mila kratzte sich die Stirn. Was für ein Unsinn! Hatte sie nicht entschieden zu glauben, dass die Schrift schon alt war?

»Wenn du willst, gehen wir später noch zu ihm runter und fragen ihn«, sagte Isabelle.

Mila überlegte. Wollte sie das noch? Inzwischen war sie sich nicht mehr so sicher. Sie kam sich immer noch paranoid vor. Was, wenn der Buchhändler sie bei der Frage auslachte? Andererseits: Er musste doch einen Grund gehabt haben, ihr das Buch zu geben.

Auf gut Glück blätterte sie die Seiten um und landete bei einem Gedicht, das ausgerechnet »Grabstätte« hieß. »Zur Stunde, da die keuschen Sterne schläfrig die Augen schließen«, las sie vor.

Isabelle stöhnte. »Verschon mich! Ich habe Baudelaire gelesen, als ich Teenager war, aber inzwischen …«

Mila klappte das Buch wieder zu und betrachtete erneut den Einband. Grabstätte, dachte sie. Plötzlich kamen ihr die Worte der unfreundlichen Madame Fourier in den Sinn, der ehemaligen Nachbarin ihrer Eltern.

Wer schreibt denn Buch um Buch über diesen schrecklichen Friedhof?, hatte sie gesagt.

Dieser schreckliche Friedhof …

Mila erinnerte sich daran, wie sie selbst in den Büchern ihrer Mutter darüber gelesen hatte. Wie heiß er nur? Mit dem Daumennagel klopfte sie sich nachdenklich gegen die Zähne und während der Kellner kam und ihnen ihre überbackenen Toasts brachte, kramte sie ihr Notizbuch hervor. Irgendwo darin hatte sie es aufgeschrieben.

»Willst du lieber Monsieur oder Madame?«, fragte Isabelle und schob hinterher: »Sag mal, was suchst du eigentlich?«

Mila blätterte in ihrem Notizbuch herum und ignorierte sie, sodass Isabelle ihr einfach das Croque Madame hinschob. Während ihre Freundin anfing zu essen, hatte Mila gefunden, was sie suchte. »Hier!« Sie tippte auf das Geschriebene. »Dieser Friedhof, von dem die Nachbarin meiner Eltern gesprochen hat.« Sie las den Namen laut vor: »Père-Lachaise.«

Isabelle nickte und schluckte einen Bissen hinunter. »Das ist ein historischer Friedhof, auf dem viele Berühmtheiten liegen. Was ist damit?«

»Meine Mutter hat immer wieder darüber geschrieben. Was, wenn dort mein Vater und mein Bruder begraben sind?«

Isabelle verzog das Gesicht. »Unwahrscheinlich. Zwar werden auf Père-Lachaise wirklich noch Leute beerdigt, aber selten. Außerdem passt es vom Stadtviertel nicht. Vermutlich liegen dein Vater und dein Bruder eher auf dem Friedhof von Montparnasse.«

»Und wenn nicht?« Mila klappte das Notizbuch zu. »Ich meine: Warum sollte meine Mutter wie besessen von Père-Lachaise sein, wenn dort nicht die Gräber der beiden sind?«

Isabelle zuckte mit den Schultern. »Père-Lachaise gehörte zum Touristenprogramm wie Sacré-Cœur oder die Bouquinisten. Wenn du willst, können wir gern morgen hinfahren und uns dort ein bisschen umschauen. Sehenswert ist er auf jeden Fall.«

Isabelle hatte recht. Sehenswert war der Friedhof tatsächlich. Mit seinen unzähligen halb verfallenen Grabmälern und den uralten Bäumen, deren Kronen alles in ein grünliches Halbdämmer tauchten, wirkte Père-Lachaise wie aus der Zeit gefallen. Wunderschön. Es war einer der ältesten Friedhöfe der Welt, das hatte Isabelle Mila gestern erzählt, als sie ihre überbackenen Toasts aufgegessen und sich danach auf den Weg zu dem Buchhändler gemacht und festgestellt hatten, dass der Stand abgeschlossen und verlassen war. Den Rest des Tages hatte Mila dann versucht, ihre toten Verwandten zu vergessen und sich zusammen mit Isabelle mit ein paar von deren Freunden getroffen. Sie hatte sich aber nicht richtig auf die Gespräche konzentrieren können und sich damit entschuldigt, dass sie müde war. In Wirklichkeit wirbelten die Gedanken in ihrem Kopf nur so herum. Nicht nur ihr Vater und ihr Bruder kamen darin vor, sondern auch immer noch Nicholas und die Ereignisse im Club.

Heute Morgen dann hatte plötzlich Victor, Isabelles Exfreund, vor der Tür gestanden. Und obwohl Isabelle es geleugnet hatte, hatte Mila ihr angesehen, dass sie sich darüber freute.

»Ich kann sehr gut allein auf diesen Friedhof fahren«, hatte sie behauptet.

Aber dann, auf dem Weg, waren ihr Zweifel gekommen, ob sie sich das wirklich antun wollte. Was, wenn sie recht hatte und ihr Vater tatsächlich dort begraben lag? Würde sie damit klarkommen, vor dem Grab zu stehen und darauf die vertrauten Namen zu lesen? Allein die Vorstellung hatte ihr ein solch mulmiges Gefühl verursacht, dass sie nach dem Frühstück zuerst zum Fluss gefahren war, um den Buchhändler nach dem Satz in dem Baudelaire-Band zu fragen. Zu ihrer Enttäuschung jedoch war der Stand des Mannes immer noch abgeschlossen gewesen. Also war Mila eine Weile lang unschlüssig in der Stadt herumgewandert.

Jetzt, wo sie endlich hier war, fühlte es sich aber irgendwie richtig an, allein hergekommen zu sein.

Der ewige Verkehrslärm der Stadt schien wie abgeschnitten worden zu sein in dem Moment, als sie durch das Friedhofstor gekommen war. Und selbst das Lachen und Schreien einer Gruppe Jugendlicher, die offenbar auf Klassenreise waren, konnte die friedliche und getragene Atmosphäre dieses Ortes kaum stören.

Mila betrachtete die riesige Anzeigetafel. Hier konnte man erfahren, welche Berühmtheiten hier begraben lagen und vor allem in welchem Bereich des Friedhofs. Sie las eine ganze Menge bekannte Namen, unter ihnen Schriftsteller wie Oscar Wilde, Honoré de Balzac, Molière und Marcel Proust, aber auch Leute wie Jean-François Champollion, der Ägyptologe, der dadurch berühmt geworden war, dass er die Hieroglyphen entschlüsselt hatte, oder die Opernsängerin Maria Callas und der Rockstar Jim Morrison hatten hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Es dauerte gar nicht lange und Mila fand, was sie gesucht hatte. Die Gräber aus der Zeit von vor knapp zwanzig Jahren lagen in einem Bereich ganz in der Nähe der östlichen Friedhofsmauer.

Mila wandte sich um und holte tief Luft. Sie wusste nicht, was genau sie erwartete und was es mit ihr machen würde, aber sie wollte sich ihm stellen.

Die üppige Natur um sie herum tat ihr gut. Und die Stille auch. Die uralten und teilweise verfallenen Grabmäler waren schon so lange hier, dass sie etwas Beruhigendes an sich hatten. Egal, was auch immer draußen in der Welt passieren mochte, hier verging die Zeit in einem anderen Rhythmus. Milas Herzschlag verlangsamte sich, sie glaubte, tiefer und freier atmen zu können. Die Luft zwischen den uralten Mauern und Mausoleen roch frischer als in den Straßen der Stadt. Grüner. Lebendiger.

Eigentlich absurd, dachte sie, wenn man in Betracht zog, dass der Tod hier allgegenwärtig war.

Auf dem Weg über den Friedhof wurde Mila ruhiger. Zwischendurch vibrierte ihr Handy und zeigte an, dass sie eine Nachricht erhalten hatte. Sie war von Isabelle.

»Victor ist so süß!!!«, hatte sie geschrieben, mehrere Kusssmileys dahintergesetzt und dann in schneller Folge nacheinander zwei weitere Nachrichten geschickt.

»Der bereut echt, dass wir nicht mehr zusammen sind!!!!«

»Wir sitzen im Chez Jacques, kannst du dir das vorstellen??«

Mila hatte keine Ahnung, was das Chez Jacques war, aber dem Champagnerglas-Emoji nach zu urteilen, das ihre Freundin hinter die beiden Fragezeichen getippt hatte, musste es ein teures Lokal sein.

Bevor sie antworten konnte, schickte Isabelle noch eine weitere Nachricht. »Ich muss jetzt zurück. Der denkt sonst noch, ich bin durch das Klofenster abgehauen.«

Schmunzelnd tippte Mila: »Amüsier dich!«, und Isabelles Antwort kam nur Sekunden später.

»Worauf du Gift nehmen kannst. Apropos: Was wollen wir heute Abend essen?«

Mila musste lachen. So viel und so oft, wie Isabelle aß, war es ein Wunder, dass sie so schlank war.

»Keine Ahnung«, tippte sie im Gehen. »Entscheide du.« Sie schickte die Nachricht ab. Als sie aufsah, fiel ihr Blick auf eine der Nummern, mit denen die Bereiche gekennzeichnet waren. Sie war am Ziel.

Mit klopfendem Herzen steckte sie das Handy weg und suchte dann systematisch die Grabmäler ab. Es dauerte eine Weile, aber bei einem kleineren, halb mit Efeu zugewachsenen wurde sie schließlich fündig.

Von uns genommen durch großes Unglück, stand in messingfarbenen Buchstaben darauf.

Und darunter zwei Namen.

Jacques Corbeil.

Und Antoine Corbeil.

Ihr Vater. Und ihr Bruder.

Obwohl Helena in den vergangenen Tagen so oft versucht hatte, Mila zu erreichen, dauerte es jetzt verblüffend lange, bis sie ans Telefon ging. Mila ließ es bestimmt zwanzig Mal klingeln und sie wollte gerade auflegen, als am anderen Ende doch noch abgehoben wurde. »Mila?« Ihre Mutter klang atemlos.

»Ja«, sagte Mila und dann wusste sie nicht mehr weiter. Mit ziemlich zitterigen Knien ließ sie sich auf eine der ganz alten Grabplatten fallen, von denen aus sie die beiden Namen auf dem Grabstein lesen konnte. Und als sie hörte, wie ihre Mutter in unendlicher Erleichterung »Gott sei Dank!« ausstieß, kam sie sich gemein und egoistisch vor.

»Mama«, murmelte sie.

»Ja, Schatz. Ist alles in Ordnung?«

Mila starrte den Spruch auf dem Grabstein an.

Von uns genommen durch großes Unglück.

Die Schrift tanzte vor ihren Augen.

»Ja«, beeilte sie sich zu versichern. »Ja. Natürlich.«

»Du klingst so komisch. Ist was passiert, Schatz?«

»Nein. Was soll passiert sein? Ich wollte mich nur kurz melden, um dir zu sagen, dass alles in Ordnung ist.«

Warum lüge ich?, schoss es Mila durch den Kopf. Als sie Helenas Nummer gewählt hatte, hatte sie das Bedürfnis gehabt, ihr zu sagen, wo sie war. Sie hatte Helena alles anvertrauen wollen, was in den letzten Tagen geschehen war, und sie um Rat fragen. Aber als sie die atemlose Stimme ihrer Mutter hörte, hielt etwas sie davon ab.

In ihrem Magen saß ein kleiner, fester Knoten, der richtig wehtat, und als Helena hervorstieß: »Himmel, Mila, ich bin fast umgekommen vor Sorge!«, da war da auch wieder dieser alte Widerwille, bemuttert zu werden.

Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie Helena angerufen hatte. Wie sollte sie sich je wie eine richtige Erwachsene fühlen, wenn sie beim ersten Anzeichen von Problemen flennend zu ihrer Mutter rannte?

»Sag mir, wo du bist, Mila!«, beschwor Helena sie. »Ich komme dich abholen.«

Genau das hatte sie früher oft gesagt, wenn Mila bei irgendwelchen Schulfreunden zum Spielen gewesen war. Mila hatte es gehasst, wenn die anderen sie damit aufzogen, dass sie wie eine Prinzessin herumkutschiert wurde. Gedankenverloren wanderte ihre Hand in ihre Tasche und tastete nach dem Band mit Baudelaire-Gedichten. »Was ist die Fabelmacht?«, stieß sie hervor.

Ein ganz leises Keuchen war die einzige Antwort, die sie erhielt. Dann Schweigen. Unendlich lang. Eine Stille, in der Mila den Atem ihrer Mutter hören konnte und ihren eigenen Herzschlag, der klang wie der Hufschlag eines Pferdes, das in vollem Galopp dahinjagte.

»Wo bist du, Mila?«, fragte ihre Mutter erneut. »Sag nicht, du bist in Paris!«

Milas Hände hatten angefangen zu zittern.

»Bist du in Paris, Mila?« Etwas vibrierte in Helenas Stimme, das Mila eine Heidenangst einjagte.

Sie wusste sich nicht anders zu helfen. Sie legte einfach auf. Dann starrte sie auf das Display ihres Handys und als das Foto von ihr selbst und ihrer Mutter anzeigte, dass Helena versuchte, sie zurückzurufen, schaltete sie das Telefon ab.

Eine Weile lang wanderte sie ziellos über den Friedhof und ließ ihre Blicke über all die Gräber schweifen. So viele Tote aus so vielen Jahrhunderten. Sie las Inschriften, die ganze Lebensgeschichten erzählten, und Inschriften, die aus nichts weiter bestanden als dem Namen und dem Todesdatum. Die meisten Gräber waren verwahrlost und verfallen, so, als seien auch die Hinterbliebenen der Toten seit Langem verstorben. Aber manchmal sah Mila auch frische Blumen und kleine Figuren oder gerahmte Bilder, die Szenen aus glücklicheren Zeiten zeigten. Auf einen schlichten Grabstein aus grauem Marmor, über dem ein moosbewachsener Engel wachte, hatte der Steinmetz nur zwei Worte geschrieben: Geliebtes Eheweib. Kein Name hier und auch kein Datum.

Der Anblick schnürte Mila die Kehle zu und sie fröstelte unter den uralten Bäumen, die alles überschatteten. Sie streckte die Hand nach dem Engel aus und berührte ihn an der Schulter. Fast war es, als übertrage sich die Trauer aus dem ebenmäßigen Gesicht der Statue auf sie. Plötzlich erfasste sie eine tiefe und unbändige Traurigkeit und ihr schossen Tränen in die Augen, denen sie freien Lauf ließ.

»Es ist verständlich, dass du durcheinander bist.« Die Stimme erklang so unvermittelt hinter ihr, dass sie vor Schreck einen leisen Schrei ausstieß und herumwirbelte.

Vor ihr stand der weißhaarige Buchhändler.

Als er sah, wie erschrocken sie war, hob er beide Hände. Ein beruhigendes Lächeln glitt über sein bärtiges Gesicht. »Ich wollte dir keinen Schrecken einjagen!«

»Haben Sie aber.« Sie war drauf und dran, sich die Tränen fortzuwischen, doch ihre Hände rochen nach Moos von der Engelsfigur. Also nahm sie den Ärmel ihrer Strickjacke und wischte mit ihm über ihre Augen.

»Entschuldige.« Der Buchhändler stand da, als habe er einem spontanen Impuls nachgegeben und sie angesprochen und wüsste jetzt nicht, wie es weitergehen sollte.

»Verfolgen Sie mich?«, fragte Mila.

Er schüttelte den Kopf. Dann jedoch lächelte er verlegen. »Nun. Vermutlich doch.«

Milas Herz begann zu klopfen. Das Wetter war schön und der Friedhof wimmelte von Leuten, aber das Gelände war auch sehr weitläufig, sodass die Menschen sich in den unzähligen schmalen Gängen verliefen. Außerdem schienen sich in diesen Bereich nur wenige Touristen zu verirren und darum fühlte es sich an, als sei Mila mit dem Buchhändler völlig allein.

Was, wenn er ihr etwas antun wollte?

Sie musterte ihn, seine ausgebeulte Cordhose, die alte Strickjacke, die schneeweißen Haare, den Bart. Er wirkte eigentlich ganz harmlos, oder?

Trotzdem wich sie einen Schritt zurück. »Sie haben mir dieses Buch geschenkt. Warum? Und der Satz auf der ersten …«

»Lass uns ein Stück gehen, Kind«, sagte er behutsam. »Wärst du so freundlich?«

Sie dachte daran zu protestieren, aber er wandte sich einfach um und ging voraus. Zögernd folgte Mila ihm, immer noch nicht sicher, ob sie das für eine gute Idee halten sollte.

Er ging mit ihr eine Allee entlang und bog dann ab. Kurz darauf blieb er vor einem größeren Grabmal stehen, einer richtigen Gedenkstätte, die allerdings in einem schlechten Zustand war. Ein brusthoher, schmiedeeiserner Zaun umgab sie, wohl um Vandalen fernzuhalten. Allerdings machte das Ding seinen Job nicht besonders gut. Bierdosen, Chipstüten und Zigarettenkippen lagen innerhalb der Umzäunung. An einer Stelle des schmalen Rasenstreifens, der das Grab an allen vier Seiten umgab, war eine alte Feuerstelle errichtet. In der Asche lag eine geborstene Wodkaflasche.

Das Grabmal selbst bestand aus einer Art doppelgiebligem Tempel, unter dessen Dach zwei Steinfiguren lang ausgestreckt dalagen. Eine dieser Figuren zeigte eine Nonne, die andere einen Mönch mit Tonsur. Beide Figuren hatten die Hände vor der Brust zum Gebet gefaltet.

»Was sollen wir hier?«, stieß Mila hervor.

Jemand hatte mit dunkelroter Farbe ein unleserliches Graffito unter die Füße der Nonne gesprüht. Und zwischen den beiden Steinfiguren lag eine einzelne langstielige rote Rose.

»Du hast viele Fragen. Lass uns sehen, welche davon ich dir beantworten kann«, sagte der Buchhändler bedächtig.

Er umrundete die Umzäunung und blieb vor einer Pforte stehen. Eine rostige Eisenkette hätte eigentlich den Eingang zum Grabmal sichern sollen, aber sie hing nutzlos an dem Pfosten neben der kleinen Tür. Das Vorhängeschloss daran war uralt und so rostig, dass es aussah wie angenagt.

Der Buchhändler öffnete die Pforte, betrat den Rasen dahinter.

Mila zögerte. »Ist das erlaubt?«

Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein. Aber im Sitzen redet es sich besser, finde ich. Und die beiden werden nichts dagegen haben.« Er setzte sich auf den Sockel, auf dem der Sarkophag stand.

Mila zögerte noch immer. Beiläufig überflog sie die Inschrift auf dem Sockel. Der Mönch, der hier begraben lag, hieß Abélard, die Nonne, die offenbar seine Geliebte gewesen war, Héloise. Mila erinnerte sich daran, dass sie beide Namen vorhin auf der Übersichtstafel gelesen hatte. Sie waren ihr aufgefallen, weil sie keine Nachnamen hatten.

»Hör zu, Mila, …«, begann der Buchhändler und da erschrak sie.

»Woher kennen Sie meinen Namen?« Obwohl sie noch kurz zuvor nichts lieber gehabt hätte als ein paar Antworten, wollte sie jetzt nur noch weg von hier. Dieser Mann war ihr unheimlich. Aber sie lief nicht weg. Stattdessen tastete sie nach der Eisenkette neben der Pforte.

Der Buchhändler sah es.

Er seufzte. »Das ist eine sehr lange Geschichte«, antwortete er. Er klopfte neben sich auf den Steinsockel. »Setz dich zu mir, dann will ich versuchen, dir wenigstens den Teil davon zu erzählen, den ich selbst kenne.«

Mila sah ihrer Mutter so unfassbar ähnlich, dass es Maréchal beinahe den Boden unter den Füßen wegzog. Die gleichen Augen. Und doch war da etwas in ihnen, etwas, das ihn an Jacques denken ließ, an ihren Vater, der sein bester Freund gewesen war. Im Gegensatz zu Helena, die kaum einmal lächelte, hatte Jacques immer dieses leicht spöttische Funkeln im Blick gehabt. Er hatte die Welt nie so ernst genommen, wie es vielleicht nötig gewesen wäre.

Am Ende hatte ihn das auch das Leben gekostet.

Maréchal verscheuchte die aufflackernden Erinnerungen. Jetzt galt es, sich auf dieses Mädchen zu konzentrieren, das Teil von Nicholas’ Geschichte war und gleichzeitig Helenas Tochter.

Gute Güte!

Mila stand noch immer unschlüssig an der Pforte zum Grabmal, aber immerhin hatte sie die Kette wieder losgelassen. Maréchal räusperte sich. »Du musst keine Angst vor mir haben. Ich meine: Ich bin über sechzig und nicht besonders gut in Form. Was könnte ich dir schon antun?«

Er schluckte, weil er an den Kugelschreiber in seiner Jackentasche denken musste. Er brauchte weder eine Waffe noch große Körperkraft, um Dinge zu tun, von denen Mila vermutlich bisher nicht einmal geträumt hatte. Aber er würde sich lieber die Zunge abbeißen, als ihr das jetzt schon zu sagen.

Wie er allerdings dieses Gespräch hier durchstehen sollte, war ihm völlig schleierhaft. Als er Milas Freundin gestern den Baudelaire-Band gegeben und sie gebeten hatte, ihn an Mila weiterzureichen, hatte er beobachtet, was passierte. Wie er es erwartet hatte, hatte Mila das Buch aufgeschlagen und dabei die Frage auf der ersten Seite entdeckt.

Weißt du, dass du die Fabelmacht besitzt?

Sie war verwirrt gewesen, das hatte er ihr ansehen können. Und da war es ihm klar gewesen: Sie hatte nicht die geringste Ahnung, welche Fähigkeiten sie besaß. Und vor allem hatte sie keine Ahnung von dem, was vor sich ging. In diesem Augenblick hatte er das spontane Bedürfnis verspürt, sie zu beschützen vor dem, was auf sie zukam. Auch wenn er selbst nur zum Teil verstand, wie das alles zusammenhing: Er empfand es einfach als seine Pflicht, Mila zur Seite zu stehen.

Das war er Helena vermutlich schuldig.

Und Jacques.

Darum war er Mila gefolgt, als sie und ihre Freundin gestern von Notre-Dame aus in das Quasimodo gegangen waren. Und er war ihnen auch gefolgt, als sie mit der Metro zurück nach Montmartre gefahren waren. Heute Morgen dann hatte er sich früh genug wieder dorthin begeben, um mitzubekommen, wie Mila allein das Haus verlassen hatte. Als er gemerkt hatte, dass sie auf dem Weg zu seinem Bücherstand am Seine-Ufer war, hätte er sich ihr beinahe zu erkennen gegeben, aber er hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht genug Mut dafür gesammelt. Erst eben hier auf dem Friedhof hatte er sich endlich ein Herz gefasst und sie angesprochen.

Geduldig wartete er nun, bis sie genug Vertrauen fasste, um durch die Pforte zu treten und sich zu ihm zu setzen. »Ich kenne nicht mal Ihren Namen«, murmelte sie.

Er kam sich vor wie ein Idiot.

Natürlich! Sie konnte nicht wissen, wer er war. »Mein Name ist Maréchal«, sagte er ein wenig peinlich berührt.

»Hören Sie, Monsieur Maréchal …«

»Nur Maréchal«, unterbrach er sie.

Sie schaute irritiert.

»Nicht Monsieur. Wir haben mehr gemeinsam, als du dir vorstellen kannst. Du kannst, denke ich, also einfach Maréchal zu mir sagen.«

»Also gut. Maréchal. Sie … ich meine du …« Sie zog die Hände in die Ärmel ihrer Jacke und das machte sie in seinen Augen sehr zerbrechlich. »Woher kennst du meinen Namen?«, fragte sie.

All die Dinge, die er wusste, die Dinge über ihre Mutter und ihren Vater, die Dinge, die er seit Jahren tief in seinem Innersten vergraben hatte, drängten nun an die Oberfläche. Er schob sie beiseite und dachte stattdessen an Nicholas.

Mit der Zungenspitze fuhr er sich über die Lippen. »Dein Name kommt in einer Geschichte vor.« Es war ein unbeholfener Einstieg, aber er wusste es nicht besser. Zwar war er ein Mann der Worte, aber er hatte schon immer besser geschrieben als geredet. Und das hier würde für keinen von ihnen einfach werden.

»In einer Geschichte?« In Milas Augen kämpfte Skepsis mit einer aufkeimenden Ahnung. Plötzlich wirkte sie noch aufmerksamer und vorsichtiger als zuvor. Und dann verblüffte sie ihn, so wie ihre Mutter ihn früher auch immer verblüfft hatte. Blitzschnell zog sie ihre Schlüsse. »Diese Frage in dem Buch. Sie stammt von Ihn… von dir, oder?«

Seufzend zog er seine Hosenbeine über den Knien zurecht. »Ja.«

»Das habe ich mir schon gedacht.« Mila schwieg einige Sekunden. Ihr Blick wanderte zu einem Grab, das direkt nebenan lag. Jemand hatte mit roter Ölkreide ein umgekehrtes Kreuz auf dessen Platte gemalt und einen toten Vogel und einen kleinen Säugetierschädel danebengelegt.

Satanische Rituale.

Kinderkram.

»Was ist die Fabelmacht?«, fragte Mila schließlich.

Er wappnete sich. »Eine sehr, sehr alte Gabe, die wir besitzen, allerdings nur, solange wir uns hier in Paris aufhalten.«

»Wir.«

»Ja. Du. Und ich. Und noch einige andere Menschen in dieser Stadt.« Kurz hielt er die Luft an. »Lass mich versuchen, es dir mit einem Bild zu erklären. Hast du das Buch dabei?«

Sie bejahte und gab ihm den Gedichtband aus ihrer Tasche.

Er nahm ihn, schlug ihn auf. »Es verhält sich ungefähr so.« Er umfasste eine der Seiten. »Stell dir vor, das wäre unser Universum.« Er wartete, bis Mila genickt hatte. »Gut. Neben unserem Universum existieren unendlich viele weitere. Ein jedes unterscheidet sich von dem daneben nur durch Kleinigkeiten. Zum Beispiel dadurch, dass du heute Morgen keine Jeans angezogen hast, sondern ein Kleid. Verstanden?«

»Klar.« Mila öffnete den Mund, um etwas zu fragen, aber ein paar Jugendliche kamen aus einem Gang zwischen den Gräbern und sie unterbrach sich. Die Teenager blieben stehen, berieten sich kurz und trugen etwas in Blätter ein, die sie auf dunkelroten Klemmbrettern bei sich hatten.

»Wir müssen dann noch nach Oscar Wilde suchen«, hörte er einen schlaksigen hellblonden Jungen sagen, offenbar der Wortführer der Gruppe. »Wer immer das ist.«

Die anderen lachten und auch über Maréchals Gesicht zuckte ein Lächeln. Er wünschte ihnen, dass sie Wilde lasen. Sie würden es nicht bereuen.

Lärmend und kichernd vervollständigten die Jungen ihren Eintrag auf dem Klemmbrett.

Mila starrte sie an dabei, aber es war ihr deutlich anzusehen, dass sie mit ihren Gedanken ganz woanders war. »Was hat meine Jeans mit dieser … dieser Fabelmacht zu tun?«, fragte sie mit leicht gesenkter Stimme, weil die Teenager noch in Hörweite waren. Sie deutete auf das Buch. »Und was meinst du mit dieser Universumsgeschichte?«

Maréchal seufzte. »Die Fabelmacht befähigt uns, die Welten zu wechseln. Ich könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass du jetzt eben keine Jeans anhast, sondern ein Kleid.« Er blätterte die Seite um. »Du musst dir das so vorstellen …«

»Hey, passen Sie doch auf, Mann!«, scholl der Ruf von einem der Teenager zu ihnen herüber. Die Jungs mit dem Klemmbrett hatten mittlerweile ihren Weg fortgesetzt und waren schon fast zwischen den Gräbern verschwunden. »Sie hätten mich beinahe umgerannt.«

Doch der hochgewachsene Mann, der sich jetzt zwischen den Jungen hindurchdrängte, ließ sich von der allgemeinen Empörung nicht abhalten. Ohne jede Rücksicht bahnte er sich seinen Weg.

Und in Maréchals Genick richteten sich die Haare auf.

Mila entdeckte den Mann in derselben Sekunde wie Maréchal. Und sie spürte augenblicklich, wie der alte Buchhändler sich innerlich anspannte. Der Fremde kam ziemlich zielstrebig auf sie zu marschiert. Er trug Jeans und eine abgewetzte braune Lederjacke und bei seinem Anblick sprang Maréchal auf die Füße.

Mila stand gleichfalls auf. Die Art, wie der Mann sie ansah, verursachte ihr Magenschmerzen. Umso mehr, als Maréchal sich nun schützend vor sie stellte.

»Wer ist das?«, fragte sie.

Maréchal ließ den Mann nicht aus den Augen. »Einer von Villain Caruels Schießhunden«, murmelte er, während der Lederjackentyp auf die offen stehende Pforte im Zaun zuging. Als er die Hand danach ausstreckte, klaffte seine Jacke ein kleines bisschen auf, und Milas Magenschmerzen verzehnfachten sich schlagartig.

War das etwa eine Pistole, die sie unter seiner Achsel sah?

Sie wich ein Stück zurück, stieß dabei aber mit der Ferse gegen den Grabmalssockel. Ein dumpfer Schmerz fuhr ihre halbe Wade hinauf. Sie achtete kaum darauf.

»Was will er?« Plötzlich konnte sie nur noch flüstern. Und eine ganz andere Frage leuchtete in ihrem Kopf auf.

Wer ist Villain Caruel?

Maréchal antwortete diesmal nicht. Es war auch nicht nötig, denn der Lederjackentyp gab die Antwort auf die Frage selbst. Er deutete auf Mila.

»Weg von ihr, alter Mann!«, befahl er.

Er war ihretwegen hier? Unmöglich, oder? Sie kannte in Paris niemanden außer Isabelle.

»Vergiss es!« Maréchal schüttelte den Kopf. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und Milas Herz klopfte plötzlich irgendwo ganz oben in der Kehle.

»Warum sollte ich?« Der Mann hatte militärisch kurz geschnittene Haare, durch die Mila seine Kopfhaut schimmern sehen konnte.

Ihr wurde noch schlechter, als sie sah, wie er den Reißverschluss seiner Jacke ganz nach unten zog.

Maréchal schob sie zwei Schritte in Richtung Zaun. »Ich lenke ihn ab«, presste er durch die Lippen. »Wenn ich sage Lauf!, dann kletterst du über den Zaun und rennst weg, so schnell du kannst.«

Der Kerl war also wirklich hinter ihr her. Die Erkenntnis ließ Adrenalin durch Milas Adern rauschen, ließ ihre Knie zittern, ihre Hände.

»Wohin soll ich?«, flüsterte sie.

Leicht geduckt trat Maréchal auf den Mann zu und deckte sie dabei mit seinem Körper. »Eric!«, raunte er. »Der Junge vom Bahnhof. Ihm kannst du vertrauen.«

Ein überaus irritierender Gedanke streifte Milas Bewusstsein nur ganz kurz, dann wurde er von ihrem Entsetzen überlagert, als der Mann tatsächlich eine Waffe zog.

»Lauf!«, brüllte Maréchal.

Mila reagierte augenblicklich. Das Adrenalin gab ihr Kräfte, die sie nie für möglich gehalten hätte. Sie flog um das Grabmal herum, kletterte dann über den Zaun.

Jemand kam zwischen den Gräbern hervor. Ein weiterer Mann. Eine weitere Lederjacke. Der Mann sah Mila grimmig entgegen.

Wohin jetzt?

Sie bog in scharfem Winkel ab, tauchte in das Dämmerlicht zwischen den Gräbern. Der zweite Mann schrie frustriert auf.

Sie jedoch rannte, so schnell ihre Füße sie trugen.

Sie jagte die zugewachsenen Wege zwischen den Grabsteinen entlang.

Prallte gegen jemanden. Mit einem erschrockenen Aufschrei stolperte sie zurück, wurde festgehalten von Händen, die kalt waren, so kalt. Sie keuchte auf, wehrte sich verzweifelt. »Lass mich«, stieß sie hervor.

»Mila!« Eine dunkle Stimme, die ihr durch und durch ging.

Nicholas’ Gesicht.

Ganz dicht vor ihr seine Mitternachtsaugen. Sein Blick fühlte sich an wie eine Ohrfeige. Sie wollte sich losreißen, aber er ließ es nicht zu. Fest gruben sich seine Fingernägel in ihre Schultern, taten ihr weh.

»Ich tue dir nichts!«, beschwor er sie.

Ihr Blick zuckte zu dem Grabmal, in dessen Schatten er gestanden hatte.

Der Name darauf war nicht mehr zu lesen.

Wo waren ihre Verfolger? Sie mussten doch direkt hinter ihr sein, oder?

»Lass mich los!« In Nicholas’ Griff warf sie sich herum, schaffte es, sich loszureißen. Er jedoch fasste nach, packte sie erneut.

»Mila …!«

Da riss sie den Arm nach oben. Ihr Ellenbogen traf etwas Hartes. Sie hörte ein hässliches Knirschen.

Nicholas schrie auf. Sein Griff lockerte sich endgültig.

Und voller Erleichterung rannte sie weiter.

Nicholas starrte Mila nach, während er gleichzeitig versuchte, das Blut zu stoppen, das ihm aus beiden Nasenlöchern und aus einer Platzwunde an der Unterlippe schoss.

Luc trat hinter ihn. »Serge hat also tatsächlich seine Männer hierhergeschickt, um Mila zu jagen. Genau wie du gesagt hast.«

Nicholas legte den Kopf in den Nacken und nahm das Taschentuch, das sein Freund ihm reichte, damit er sich das Blut abwischen konnte. Seine Stimme klang dumpf, als er sagte: »Noch etwas, das wirklich anders läuft.« Er ließ das Taschentuch sinken und grinste. »In meiner Geschichte küssen wir uns hier, statt uns zu schlagen.«

Luc verdrehte die Augen. »Du wirst noch im Grab einen blöden Scherz machen. Das geht mir langsam auf die Nerven, weißt du das? Gib endlich zu, dass dir der Arsch auf Grundeis geht!«

Nicholas schüttelte den Kopf. Wenn er das tat, dann konnte er sich gleich eine Schaufel nehmen und sich eingraben. Nein. Wenn er auch nur die geringste Chance haben wollte, dass das Ganze hier noch gut ausging, dann musste er sich verdammt noch mal zusammenreißen.

»Was jetzt?«, fragte Luc und schaute in die Richtung, in der Mila verschwunden war.

Nicholas sog prüfend Luft ein. Es ging nicht. Mila hatte ihm die Nase gebrochen.

»Jetzt muss ich mich erst mal um mein Gesicht kümmern«, sagte er.

An seinem Handgelenk hatte sich ein neuer blau flammender Buchstabe gebildet.

Eine weitere Gruppe Teenager mit Klemmbrettern tauchte am Grabmal auf, und das sorgte dafür, dass Milas Angreifer die Waffe in die Jacke schob.

Maréchal entspannte sich ein wenig.

»Wohin hast du sie geschickt?«, fragte der Kerl.

Maréchal schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.« Er sah dem Mann geradewegs in die Augen bei dieser Lüge.

Der überlegte. »Dir ist schon klar, dass wir das Mädchen finden werden?«

Maréchal verschränkte die Arme vor der Brust. »So? Das glaube ich eher nicht.«

Der Lederjackenkerl lächelte. »Was meinst du, wo sollen wir zuerst nachsehen? In diesem Abbruchhaus in der Rue Bellot? Oder am Gare de l’Est?« Sein Lächeln wurde breiter, als er bemerkte, wie Maréchal ein Stück in sich zusammensackte.

»Woher weißt du das?«, fragte Maréchal.

»Was glaubst du?«

»Caruel!« Maréchal versuchte, sich seine Verunsicherung nicht anmerken lassen. Natürlich! Milas Verfolger kannten die ganze Geschichte.

Und er Idiot hatte das nicht einkalkuliert.

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