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2.4 Die dialektische Perspektive

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Die dialektische Perspektive betrachtet Argumentation aus einer Verfahrensperspektive. Sie fragt nach der Lauterkeit der genutzten Argumente, der genutzten Verknüpfung und des Ablaufs des argumentativen Austauschs. Aristoteles (1995b) führt die Dialektik in der „TopikTopik“ ein und bestimmt sie als „eine Methode (…), nach der wir über jedes aufgestellte Problem aus wahrscheinlichen Sätzen Schlüsse bilden können und, wenn wir selbst Rede stehen sollen, in keine Widersprüche geraten“ (100a118). Das Hauptaugenmerk der dialektischen Perspektive ist entsprechend auf die Argumentation als Verfahren und dialogischen Austausch gerichtet, nicht auf das einzelne Argument. Zudem befasst sich die Dialektik – ebenso wie die Rhetorik – mit Schlüssen aus der WahrscheinlichkeitWahrscheinlichkeit, nicht der WahrheitWahrheit.

Der Fokus auf das Verfahren der Argumentation beinhaltet die Annahme, dass Argumentation im DialogDialog zwischen ProponentProponenten und OpponentOpponenten entsteht, wenn eine Aussage strittig wird. Wenzel (1980, S. 115) betont, dass aus einer dialektischen Perspektive ProponentProponent und OpponentOpponent in zweierlei Hinsicht kooperativ agieren: zum einen, indem sie sich auf gemeinsame Verfahrensregeln einigen, zum anderen dahingehend, dass das Ziel ihres argumentativen Austauschs eine Einigung oder die Lösung eines Problems ist. Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob diese Einigung faktisch auch eintritt. Geltung kann ein Argument aus der dialektischen Perspektive dann beanspruchen, wenn die Teilnehmerinnen bestimmten Regeln zum Ablauf von Argumentation folgen. Der Bruch dieser Regeln wird dann in vielen Ansätzen als TrugschlussTrugschluss markiert. Die Regeln hängen von der theoretischen Ausrichtung ihrer Autorinnen ab. In Kapitel 3 werden verschiedene Ansätze aus der dialektischen Perspektive vorgestellt und diskutiert.

Das Beispiel aus den „Zwölf Geschworenen“ aus dialektischer Perspektive zu betrachten, würde also heißen: zu untersuchen, ob ProponentProponent und OpponentOpponent sich an bestimmte Verfahrensregeln halten.

JUROR 8: Ich weiß nur, daß dieser Junge sein ganzes Leben herumgestoßen wurde. Er ist in einem Elendsviertel aufgewachsen, hat früh seine Mutter verloren. Damals war er neun Jahre alt. Für anderthalb Jahre hat man ihn in ein Waisenhaus gesteckt, weil sein Vater eine Gefängnisstrafe absitzen mußte. Wegen Scheckfälschung, stimmt’s? Ja, das ist kein gutes Sprungbrett fürs Leben. Wie sagten Sie noch – auf freier Wildbahn gegrast? Man hätte sich eben mehr um ihn kümmern sollen.

JUROR 3: Unsere Waisenhäuser sind okay. Wir zahlen Steuern dafür.

Aus dialektischer Perspektive würde dieser Auszug daraufhin untersucht und bewertet werden, ob er bestimmten Regeln guten Argumentierens folgt. Diese beziehen sich sowohl auf die gegebenen Gründe und die Übergänge von Grund zu Konklusion als auch auf den Ablauf der Argumentation zwischen den Teilnehmerinnen. Ist die Entgegnung von Juror 3 also auf das Argument von Juror 8 bezogen? Können alle Teilnehmer Argumente vorbringen? Sind alle Teilnehmer bereit, wenn gefordert, Argumente zu präsentieren? Damit nimmt die dialektische Perspektive immer einen normativen Blick ein und zielt auf eine KritikKritik argumentativen Austauschs. Die Art dieser KritikKritik hängt von den zu Grunde liegenden Regeln ab.

In der Matrix lässt sich die dialektische Perspektive folgendermaßen darstellen:

Perspektive/Modell/ AnsatzFormaler Aspekt: Wie ist ein Argument aufgebaut?Funktionaler Aspekt: Welche Funktion hat Argumentation?Gute Gründe: Wie bestimmt sich die Geltung/Gültigkeit eines Arguments?
Logische PerspektiveAus wahren PrämissePrämissenVon wahren Aussagen auf wahre Konklusionen zu schließenValiditätValidität bezogen auf inferentielle Regeln
Dialektische PerspektiveAus wahrscheinlichen AussagenDie rationale Lösung einer Kontroverse zu erreichenDas Befolgen von Verfahrensregeln
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