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3.4 Die normative Pragmatik und die Theorie von Präsumtionen und Beweislast

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Eine weitere Strömung innerhalb der dialektischen Perspektive ist die normative PragmatikNormative Pragmatik. Unter dieser Überschrift versammeln sich verschiedene Ansätze, die in der Regel von den Grice’schen KonversationsmaximenKonversationsmaximen und dem KooperationsprinzipKooperationsprinzip ausgehen.

Ein Problem, das innerhalb der normativen Pragmatik besonders intensiv diskutiert wird, ist das Verhältnis von BeweislastBeweislast und PräsumtionPräsumtion (oder auch gleichbedeutend: PräsumptionPräsumptionPräsumtion) innerhalb von Argumentation. Die grundlegende Frage ist hier, ob und wie bestimmt wird, welche Argumentationspartnerin innerhalb eines argumentativen Austausches in Beweispflicht steht, von wem also überhaupt Gründe eingefordert werden können und wer aus einer bestimmten Position heraus das Geben von Gründen auch verweigern kann. Dies ist eine grundlegend dialektische Frage: Welche Rechte und Pflichten haben die Teilnehmerinnen einer Argumentation und wie müssen sie diesen gerecht werden. Der Begriff der PräsumtionPräsumtion wird besonders in der Rechtswissenschaft genutzt und meint eine Voraussetzung oder Setzung. Diese Setzung dient dazu, die Entscheidungsfindung zu strukturieren und folglich zu erleichtern. Eine PräsumtionPräsumtion ist damit (aus Sicht vieler, aber nicht aller Autorinnen) ein Schlussverfahren: Solange die PräsumtionPräsumtion nicht widerlegt ist, kann von ihr auf eine Konklusion geschlossen werden. Das klassische Beispiel ist hier die Setzung der Unschuld des Angeklagten bis zum Beweis des Gegenteils. Solange die Schuld nicht bewiesen werden kann, kann daraus geschlossen werden, dass die Angeklagte unschuldig ist. Auf Grund dieser Setzung liegt die BeweislastBeweislast im Strafverfahren auf Seiten der Anklage, nicht auf Seiten der Verteidigung.

Die Zuweisung von BeweislastenBeweislast sorgt unter anderem dafür, dass der Schlusspunkt einer Argumentation leichter bestimmt werden kann. In diesem Sinne weisen PräsumtionPräsumtionen also Verantwortlichkeiten im Diskurs zu. Wer muss einen StandpunktStandpunkt verteidigen, wer nicht? Kauffeld (2002) betont, dass es sich hier um eine normative Beschreibung der Rechte und Pflichten von Teilnehmerinnen einer Argumentation handelt. Auch wenn ein Argumentationspartner von einer PräsumtionPräsumtion ausgehen kann, kann er natürlich dennoch Argumente für seine Position vorbringen, so wie ein Angeklagter Gründe für seine Unschuld vorbringen kann, aber er kann nicht dazu verpflichtet werden.

Eine PräsumtionPräsumtion ist eine Setzung, auf deren Basis Schlüsse gezogen werden können. Autorinnen, die dem Ansatz von Whately folgen, gehen von Folgendem aus: Wird die PräsumtionPräsumtion in Zweifel gezogen, liegt die BeweislastBeweislast bei der Partei, die die PräsumtionPräsumtion bestritten hat.

Die vielfach gezogene Analogie zwischen PräsumtionPräsumtionen im Strafverfahren und PräsumtionPräsumtionen in anderen Feldern (politischer Diskurs, Alltagsgespräche, etc.) lehnt Kauffeld (2002) ab und stellt fest, dass PräsumtionPräsumtionen beispielsweise in Alltagsgesprächen nicht die gleiche normative Kraft haben wie in rechtlichen Verfahren. Anstatt die PräsumtionPräsumtion und die daraus resultierende BeweislastBeweislast als theoretische Setzung zu behandeln, sollten Art und Grad von Annahmen (assumptions) und PräsumtionPräsumtionen (presumptions) empirisch untersucht werden. Kauffeld erläutert dies am Beispiel der Annahme, dass das Gegenüber für seine Äußerung den Anspruch der WahrheitWahrheit erhebt, man also davon ausgeht, dass die Äußerungen, die sie tätigt, wahr sind. Diese Annahme ist in den meisten Kommunikationssituationen wirksam. Sie korrespondiert mit der Maxime der Qualität bei Grice (1989), nach der Gesprächspartner aufgefordert sind, Beiträge vorzubringen, die wahr sind. Diese Annahme wird aber deutlich verstärkt und erhält eher den Charakter eine Setzung, wenn in einer Äußerung etwas als Tatsache dargestellt wird, als wenn sie relativiert und vorsichtiger formuliert wird.

Kauffeld (2002) regt an zu untersuchen, welche Formen von PräsumtionPräsumtionen in verschiedenen Argumentationsfeldern überhaupt bestehen und wie diese von den Teilnehmern behandelt werden. Damit begibt er sich in einen Bereich zwischen der dialektischen und der rhetorischen Perspektive auf Argumentation. Er geht von normativen Faktoren innerhalb von Argumentation aus, nimmt diese aber nicht als theoretische Setzungen an, sondern versteht sie als Normen, die aus der Praxis der Argumentation rekonstruiert werden müssen. Dazu muss die Praxis der Argumentation erst als Prozess beschrieben werden, um dann die jeweiligen normativen Anteile zu erkennen.

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