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Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
ОглавлениеDie Absicht des Gesetzgebers war es, durch die Veränderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bzw. Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) im Jahr 2005 einen besseren Schutz von jungen Menschen vor Kindeswohlgefährdungen zu erreichen. Spektakuläre Fälle von Kindstötungen, Misshandlungen und Vernachlässigungen hatten die Öffentlichkeit, Fachwelt und Politik aufgewühlt. Zwar war auch bislang bereits der Schutz von Kindern und Jugendlichen in diesem Gesetz berücksichtigt (§ 1 Abs. 3. Nr. 3: Jugendhilfe soll „Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen“), durch den neuen § 8a SGB VIII wurde diesem Schutzauftrag eine klare gesetzliche Grundlage gegeben (Frankfurter Kommentar 2019, S. 120 ff.).
„Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht infrage gestellt wird. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten anzubieten.“
Ebenso verpflichtend ist dieser Schutzauftrag für die Fachkräfte von Trägern und Diensten, welche Jugendhilfeleistungen anbieten. Sie sollen bei der Gefährdungseinschätzung eine erfahrene Fachkraft hinzuziehen, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken und das Jugendamt dann informieren, wenn dies nicht ausreichend gelingt. Erforderlichenfalls wird das Jugendamt sich wegen eines Sorgerechtsentzugs an das Familiengericht wenden. Bei dringender Gefahr und wenn eine Entscheidung des Familiengerichts nicht abgewartet werden kann, ist das Jugendamt verpflichtet, nach § 42 SGB VIII das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.
„Eine der größten Herausforderungen in der Kinderschutzarbeit besteht darin, den Grenzpunkt zu lokalisieren, an dem die Nicht-Gewährleistung des Kindeswohls in eine Gefährdung des Kindeswohls übergeht und das staatliche Wächteramt aktiviert wird, da die freiwillige Hilfestellung zur Überwindung einer belastenden Situation nicht (mehr) zu greifen scheint. Der Gesetzgeber sieht keinerlei Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Hilfen vor, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist (…), sondern erst dann wenn die Schwelle zur Gefährdung überschritten wurde“ (Klees/Wiesner 2014, S. 87).
2012 wurde zur weiteren Stärkung des Kindeswohls außerdem das Bundeskinderschutzgesetz eingeführt. Es enthält sowohl Ausführungen zu Maßnahmen der Intervention auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bei Kindeswohlgefährdung, es stärkt aber auch die Prävention. Hier sind unter anderem Maßnahmen der Frühen Hilfen aufgeführt, wie Hausbesuche bei Familien, aber auch die stärkere Vernetzung verschiedener Fachkräfte sowie das Vorgehen z. B. von Ärzt*innen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2019).