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Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung
ОглавлениеHeimerziehung ist schon seit längerer Zeit nicht mehr auf die traditionellen Institutionen Heim und Wohngruppe begrenzt, denn es zeigte sich immer wieder, dass bestimmte Jugendliche durch alle Raster fallen und innerhalb dieser Institutionen nicht gefördert werden können. Es handelt sich um junge Menschen, die aufgrund ihrer Sozialisation und Biografie mit sich selbst und der personalen und sachlichen Umwelt nicht zurechtkommen, die wegen ihrer Verhaltensweisen immer wieder anecken, die oftmals gescheitert sind und keine persönlichen Perspektiven besitzen. Es ist möglich, die Intensive sozialpädagogische Einzelfallhilfe im Rahmen der eigenen Wohnung eines jungen Menschen anzubieten, in besonderen Fällen auch innerhalb der eigenen Familie. Die individuelle sozialpädagogische Vorgehensweise sollte bei dieser schwierigen Aufgabenstellung vor allem durch sensibles Einfühlungsvermögen, Toleranz und eine gleichzeitige klare Haltung geprägt sein. Gewissermaßen eine Vorläuferrolle der Intensiven sozialpädagogischen Einzelfallhilfe nimmt die Erlebnispädagogik ein. Seit Ende der 1970er-Jahre entwickelten sich unterschiedliche Projekte für junge Menschen in sehr schwierigen Lebenslagen, die sich auch als Alternative zur geschlossenen Heimerziehung verstanden. Längere Gebirgshüttenaufenthalte unter einfachsten Bedingungen, mehrmonatige Segelfahrten oder Saharadurchquerungen sind Schlaglichter der Erlebnispädagogik. Diese versucht durch intensive Naturerlebnisse, durch die Betonung der jugendlichen Aktivität, durch natürliche Grenzerfahrungen, durch gruppendynamische Prozesse und intensive Einzelgespräche zu helfen, vielleicht erstmals eine eigene Identität zu entwickeln, sich in der Welt trotz aller Zwänge und Pflichten besser zurechtzufinden und vor allem persönliche Perspektiven aufzubauen. Allerdings sind Auslandsmaßnahmen im Zuge der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung seit der Novellierung des KJHG vom 1. Oktober 2005 nur noch unter bestimmten Bedingungen zu realisieren. Damit reagierte der Gesetzgeber auf die oft vorgebrachte Kritik gegenüber solchen Auslandsreisen und Auslandsaufenthalten. § 27 Absatz 2 wurde ergänzt:
„Die Hilfe ist in der Regel im Inland zu erbringen, sie darf nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dies nach Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfeziels im Einzelfall erforderlich ist.“
Insgesamt werden erlebnispädagogische Projekte im Ausland nur dann vereinbarungsfähig sein, wenn sie bestimmte qualitative Standards gewährleisten.
Waren es am 31. Dezember 1991 erst 457 junge Menschen, welche die Erziehungshilfe „Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung“ erhielten, stieg diese Zahl 2017 auf 4.815 neubegonnene Hilfen an (Statistisches Bundesamt 1997/2018b).