Читать книгу Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern - Katrin Cosack - Страница 9
A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung
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Die Frage, ob Betriebsratsmitglieder sich wegen Untreue strafbar machen können, wenn sie Mitwirkungsrechte zu Lasten von Arbeitnehmern nicht oder unsachgemäß wahrnehmen, wird in Literatur und Rechtspraxis kaum jemals gestellt.[1]
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Als Erster und lange Zeit Einziger hat sich Thomas Lobinger in seinem Vortrag[2] anlässlich des 5. Ludwigsburger Rechtsgesprächs des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) ausführlich mit dieser Problematik beschäftigt. Er kommt zu dem Schluss, dass der Betriebsrat in bestimmten Konstellationen dem Arbeitnehmer gegenüber vermögensbetreuungspflichtig ist und sich seine Mitglieder daher u.U. wegen Untreue gegenüber Arbeitnehmern strafbar machen können. In jüngster Zeit hat sich auch Zoglmann mit den Thesen Lobingers befasst und kommt seinerseits zu dem Ergebnis, dass eine Untreuestrafbarkeit von Betriebsräten wegen Pflichtverletzungen gegenüber Arbeitnehmern jedenfalls in evidenten Fällen nicht ausgeschlossen sei.[3]
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Auf die vielfach wohl als geradezu abwegig empfundene Sichtweise Lobingers geht in der Literatur allein Perron ein, der eine Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats gegenüber Arbeitnehmern aber rundheraus ablehnt.[4]
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In dieser so kontrovers beurteilten Frage eine Klärung herbeizuführen ist nicht nur von theoretischem Interesse. Vielmehr wäre, sollte Lobinger und Zoglmann am Ende zuzustimmen sein, damit ein Weg eröffnet, Betriebsratsmitglieder auch mit Mitteln des allgemeinen Strafrechts zur pflichtgemäßen Interessenvertretung von Arbeitnehmern anzuhalten. Wenngleich hier unbedingt der Versuchung widerstanden werden muss, die Untreue gemäß § 266 StGB überzustrapazieren in dem Bestreben, auch die geringste Pflichtwidrigkeit einer strafrechtlichen Ahndung zuzuführen, so muss sie jedenfalls da in Betracht gezogen werden, wo mit Verstößen gegen das Korruptionsverbot Zentralnormen der privatautonomen Rechtsordnung verletzt werden.[5] Gerade das Betriebsverfassungsrecht ist keineswegs gegen Korruptionsgefahren gefeit. Denn obwohl laut Gesetzgeber der Betriebsrat das Vertretungsorgan der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes darstellt, der als ihr Fürsprecher und Garant der Wahrnehmung ihrer Rechte fungieren soll,[6] besteht die reale Gefahr, dass es in der Betriebspraxis zu einer Entfremdung der Arbeitnehmer von ihrem Vertretungsorgan und zu dessen Annäherung an die andere Seite, den Arbeitgeber, kommt. Gründe hierfür sind in der eher egoistisch denn altruistisch angelegten menschlichen Natur zu suchen. Während ein Eintreten des Betriebsrats für die Arbeitnehmer eines Betriebs eine weitgehend altruistische Angelegenheit ist, haben Arbeitgeber und Betriebsrat einander mehr zu bieten. Da nämlich Maßnahmen, die dem Arbeitgeber nutzen und dem Arbeitnehmer schaden, häufig Einvernehmen mit dem Betriebsrat voraussetzen oder hierdurch mindestens erleichtert werden, steigt die Motivation der Arbeitgeberseite, sich die Kooperationsbereitschaft des Betriebsrats zu erhalten. Nach dem Prinzip des „Manus manum lavat“ kann es daher vorkommen, dass Betriebsratsmitglieder auf entsprechende Anreize hin die Interessen des Arbeitgebers über diejenigen der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer stellen, und dies völlig unbemerkt von der Betriebsöffentlichkeit.[7] Vielfach hegen daher Arbeitnehmer den Verdacht, ihr Betriebsrat stehe weniger auf ihrer, als vielmehr auf der Seite des Arbeitgebers.[8] Auch in der arbeitsgerichtlichen Praxis ist im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren bereits festgestellt worden, dass der Betriebsrat Arbeitnehmer seines Betriebs durch den pflichtwidrigen Gebrauch von Mitwirkungsrechten bewusst benachteiligt und damit Kündigungen des Arbeitgebers den Weg geebnet hatte.
Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung › I. Arbeitsgerichtliche Realität