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Burn-out beim Pferd? – Körperliche Schmerzen als Auslöser für Arbeitsverweigerung

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Es können sicherlich auch körperliche Probleme Gründe dafür sein, wenn ein Pferd sich nicht mehr reiten lässt oder Schwierigkeiten im Umgang auftreten. Antworten werden bei Experten gesucht. Pferdebesitzer geben heute sehr viel Geld für die verschiedensten Heilmethoden aus, um für ihre wertvollen Tiere Hilfe zu finden. Doch meistens kann der beste Therapeut für körperliche Leiden keine eindeutige Ursache finden, wenn die Pferde sich verweigern. Der Besitzer zahlt gern für Behandlungen, hat er doch die Verantwortung für das Problem abgewälzt. Denn Antworten werden gesucht in einem System, wo Fakten und Zahlen das Denken beherrschen. Dabei verlässt sich der Besitzer oftmals auf die Aussage des Tierarztes und blendet die eigene Aufgabe aus. Das Zutrauen in die eigene Wahrnehmung und der Mut für Veränderung wurden schon längst abtrainiert.

Der Unterschied zwischen dem domestizierten Tier und dem erwachsenen Menschen ist, dass Menschen für sich auswählen können, welche Entscheidungen sie treffen. Unsere Tiere können es nicht.

Die Ursachen für so manche Probleme werden schnell in dem ausgerenkten Wirbel oder der verspannten Schulter gesucht. Doch leider liegt in den meisten Fällen das Problem ganz woanders. Pferde wehren sich aus verschiedenen Gründen, die aber immer direkt mit einem Schmerz oder Unwohlsein in der entsprechenden Situation zu tun haben. Das bedeutet, auch wenn ein Pferd lahmt und dieser Schmerz sich nicht nur beim Reiten zeigt, wird das Pferd sich deshalb nicht gegen das Reiten wehren. Reißt jedoch der Reiter beim Reiten so fest am Zügel, dass es dem Pferd im Maul immer wieder Schmerzen bereitet, wird es – früher oder später – versuchen, sich der Situation zu entziehen – um sich selbst zu retten.

Wenige Pferde verweigern ihre Arbeit gänzlich, auch wenn gerade irgendwas wehtut. Sie liefen früher in Kriegen, zogen Kutschen, bis sie zusammenbrachen, leisteten jeden Job auch unter Schmerzen.

Warum tun sie das? In ihrer Herde befolgen Pferde immer in der Rangreihenfolge die „Anweisungen“ des Ranghöheren. Das ist überlebenswichtig, denn funktionieren sie als Mitglied in ihrer Gemeinschaft nicht, werden sie verjagt; sie bringen als Störfaktor die Herde in Gefahr. Das ist sicherlich auch der Grund, warum sie im Lauf der Evolution keinen Schmerzlaut entwickelt haben. Würden sie als Beutetier schreien, wenn sie erlegt werden, würde auch das die ganze Herde in Gefahr bringen, denn es würde Feinde auf die Herde aufmerksam machen. Würden Pferde wegen Verletzungen oder Schmerzen der Herde nicht mehr folgen, könnten sie allein nicht lange überleben. Sie müssen folgen, sich bedingungslos anschließen und sich von einem Herdenführer – auch vom Menschen – dominieren lassen, nur dann ist ihnen Schutz sicher.


(Foto: Christiane Slawik)

Wir müssen Verantwortung übernehmen für unser Tun. Leiden zu erzeugen im Dienst unseres Luxuslebens, anderen Wesen zu schaden, um schnell unsere Bedürfnisse zu befriedigen, ist ein Unglück, das auf uns selbst zurückfällt.

So ist es zumindest in ihren Instinkten festgelegt. Leider ist es oft ein Fehlschluss, einem Menschen zu trauen. Denn er gibt nicht in jedem Fall Sicherheit, sondern verlangt Gehorsam, manchmal über alle Grenzen hinaus. Und so lässt sich unser starkes Pferd leicht zähmen und dominieren, auch wenn es dadurch Schmerzen erleiden und aushalten muss, denn es ist ein äußerst friedliches Wesen.

Arbeitsverweigerung oder andere Probleme, die nur in Gefangenschaft beim Pferd auftreten, haben ihre Ursache wohl am häufigsten in gegenseitigen Missverständnissen. Auch von Missbrauch darf die Rede sein. Ein Tier, das ursprünglich (oder von seiner Natur her) in Freiheit lebt, muss Dienste leisten, die bei ihm Stress auslösen, körperlich und psychisch. Der Tierarzt wird erst gerufen, wenn nichts mehr geht, dann der Physiotherapeut oder ein Heilpraktiker. Alle tun ihr Bestes und erstellen vielleicht auch körperliche Befunde. Oder der dritte neue Sattel muss angeschafft werden. Dabei wäre eine artgerechtere Haltung oder ein veränderter Umgang vonseiten der Menschen oder besseres Reiten oftmals die einzige erfolgreiche Therapie.

Es fehlt an spezialisierten Psychologen oder umfassend ausgebildeten Reitlehrern und Trainern für die Pferde, die sich professionell mit den Bedürfnissen der Tiere auseinandersetzen und zielgerichtet helfen können. Denn es gibt mehr psychische Probleme beim Pferd, als viele glauben. Unarten wie Koppen, Weben, Stangenschaben sind Beispiele dafür. Pferde widersetzen sich durch Bocken und Steigen, Treten, Beißen oder mit Arbeitsverweigerung. Pferde können wie wir unter Depressionen, Ängsten, Unwohlsein, Bewegungsmangel, Über- oder Unterforderung leiden. Der Weg zur Mitarbeit ist so einfach wie anspruchsvoll: Freude, Lob, artgerechte Haltung und ein vernünftiger Umgang mit diesem sensiblen Lebewesen.

Zusammenhänge mit unserer Lebensart, wie wir mit unseren Kindern und uns selbst umgehen, werden hier klar. Kinder werden schon in sehr frühen Jahren fremd, außerhalb der Familie, betreut. Eltern verlieren durch den gesellschaftlichen Druck und durch Mangel an Zeit ihr ureigenes Gefühl für das, was notwendig ist – das Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Stattdessen werden Experten zurate gezogen, diverse Therapeuten, Psychologen und Ärzte zur Kindererziehung befragt. Neueste Krankheiten wie ADHS werden er- oder gefunden und schlimmstenfalls noch medikamentös behandelt.

Egal, ob wir auf uns, unsere Kindern oder unsere Pferde schauen, wir sind am Limit und brauchen Hilfe. Doch wie können wir uns aus den Zwängen, die wir uns teils selbst-, teils fremdbestimmt geschaffen haben, befreien? Denn die Zeit ist reif für den Umkehrschwung in die Richtung, die uns und unseren Pferden guttut.

Seelenfreunde

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