Читать книгу Ein Jahr mit einem Narzissten - Katrin Roth - Страница 12

Devotion definiert

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Die nächste Woche trafen wir uns endlich wieder. Ich erzählte ihm von meinen Fotoprojekten und Ideen, an welchen ich, neben meinem Hauptberuf als Lehrerin, arbeitete. Seine eigenen kreativen Kunstwerke hatte er mir bereits gezeigt. Bevorzug schien er Frauen zu fotografieren. Natürlich, was auch sonst. Typisch Mann, dachte ich sarkastisch. Anscheinend hatte er an verschiedenen Foto-Workshops teilgenommen und erzählte mir, dass alle Teilnehmer außer ihm keinen Sinn für Ästhetik gehabt hätten.

»Die waren alle total unfähig«, lauteten seine Worte. »Schau mal hier«, er hielt mir sein Smartphone unter die Nase. »So einen geilen Shot hat keiner hinbekommen und ich hab das sogar mit meinem Handy geschafft!« Das Bild sah mir nicht nach einem Handybild aus, aber ich sagte nichts. Scheinbar war er sehr von sich und seinem Talent überzeugt. Aus professioneller Sicht wollte ich nicht zu kritisch sein, auch wollte ich ihn nicht in irgendeiner Weise kränken. Kritik mochte er gar nicht, genauso wie Widersprüche. Meine wirkliche Meinung hielt ich deshalb zurück und stimmte allem, was er sagte, einfach zu.

Durch meine Tätigkeit als Fotografin kam ich in Kontakt mit den verschiedensten Menschen. Das war ein wichtiger Teil, der mir daran so gut gefiel. Unter anderem arbeitete ich oft mit Single-Männern zusammen und es kam nicht selten vor, dass der ein oder andere fragte, ob ich einen Freund hätte. Über Eifersucht hatte ich mit meinem Freund bereits gesprochen. Es gab sowieso keinen Grund für ihn eifersüchtig zu sein, da ich in Beziehungen immer treu bleibe.

Meiner Meinung nach sollte man sich an Versprechen seinem Partner gegenüber, vor allem was Treue anbelangt, halten und ehrlich bleiben. Wenn man auch nur in Erwägung zieht seinen Partner zu betrügen, sollte man sich fragen, was die dahinterliegenden Probleme sind und sich mit ihnen auseinandersetzen. Kann man diese nicht klären, so ist eine Trennung natürlich auch eine Option. ›Auf diese Art verletzt zu werden möchte keiner, also tue es auch keinem an!‹, lautet mein Motto zu dem Thema.

Es schien kein Problem für ihn, dass ich rein professionell mit Männern in Kontakt kam und diese teils recht leicht oder unbekleidet sah. Trotzdem machte er mir immer wieder klar, dass er über alles Kontrolle haben wollte. Egal was passierte, er wollte ständig Berichte über das, was ich gerade tat. Teilweise empfand ich dies als etwas anstrengend, gerade wenn ich beschäftigt und unter Zeitdruck war. Wenn ich nicht sofort antwortete, hakte er nach warum und forderte weiter, bis er bekam was er wollte.

Mit welchen Männern ich aktuell in Kontakt stand und wie meine Beziehung zu ihnen aussieht, wollte er auch wissen. Eigentlich war mir das nicht sehr recht gewesen. Ein bisschen Privatsphäre stand mir meiner Meinung nach zu. Alle meine männlichen Kontakte waren aus Affären oder zumindest mit dem anfänglichen Potential dazu entstanden. Es gab nur eine Ausnahme: mein bester Freund. Wir hatten uns vor einiger Zeit durch meine Tätigkeit im Krankenhaus kennengelernt. Ich vertraue ihm vollkommen. Bei den anderen Kontakten war es mir unangenehm, ihm alle Details erläutern zu müssen. Er wird zu jedem einzelnen Fragen stellen, befürchtete ich – und so kam es auch. Naja, schließlich hat er auch eine Vergangenheit mit Frauen. Die ist ihm bestimmt auch nicht peinlich, dachte ich dann und beantwortete seine Fragen. Ehrlichkeit hatte ich versprochen, also erzählte ich ihm alles. Insbesondere berichtete ich von einem Bekannten, den ich sehr anziehend gefunden hatte, bevor wir zusammengekommen waren.

Dieser Bekannte hieß es ganz und gar nicht gut, dass ich eine feste Beziehung eingegangen war. Was feste Beziehungen anbelangte, teilten wir ganz und gar nicht dieselben Ansichten. Mein Bekannter führte eine offene Beziehung, wobei es einen kleinen Haken gab - seine Beziehung war nur aus seiner Sicht offen.

»Wie würdest du reagieren, wenn du herausfinden würdest, dass dich deine Frau schon hunderte Male betrogen hat?«, fragte ich ihn irgendwann einmal.

»Ich würde es nicht wissen wollen«, antwortete er knapp. Wie man so etwas tun kann, war mir unbegreiflich. Warum braucht man mehr als einen Partner?

»Ich kann verstehen, wenn jemand die Abwechslung sucht und deshalb mehrere Affären hat, obwohl ich mir das auch anstrengend vorstelle. Nicht in Ordnung finde ich es, wenn man mit seinem Partner nicht darüber spricht und alles heimlich abläuft«, so sah ich es.

»Will dein Bekannter dich ficken?«, fragte mein Freund direkt.

»Ja, will er«, gab ich mit der leisen Hoffnung zu, er würde doch etwas eifersüchtig sein.

»Okay, ich will genau wissen, wer dich ficken will und ich werde bestimmen wann, wo und wie. Ist das klar?«

Sein Ton gefiel mir nicht. »Verstanden«, antwortete ich etwas widerwillig. In meiner Fantasie war dieser Gedanke durch seine Kontrolle von anderen benutzt zu werden recht erregend, allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich dies in der Realität tatsächlich umsetzten wollte. Schon gar nicht wollte ich, dass er Kontakt zu meinem Bekanntenkreis aufnahm!

Schnell wechselte ich das Thema. »Ich habe ein Problem, etwas, das mich momentan sehr beschäftigt«, schrieb ich. »Meine Ärztin hatte mir letztes Jahr schon vorgeschlagen, als ich kurz vor einem totalen Zusammenbruch stand, psychologische Hilfe zu suchen. Leider gab es keine freien Therapieplätze. Jetzt überlege ich, ob ich doch eine machen soll«, erklärte ich.

»Ich helfe dir gerne einen Therapeuten zu finden«, bot er an.

»Danke, das ist lieb. Ich mache mir da wirklich Sorgen. Ich weiß nicht, ob ich mich einem Therapeuten anvertrauen könnte und ich habe Angst davor, wie mich eine Therapie beeinflussen oder verändern könnte.«

»Wovor genau hast du Angst? Dass es deine Devotion beeinflussen wird?«, fragte er.

»Ja, unter anderem«, gestand ich.

»Das wird nicht passieren. Deine Devotion wirst du nie verlieren, du wirst sie nur anders erleben und intensiver ausleben können, wenn du gelernt hast besser mit ihr umzugehen«, verdeutlichte er und fuhr fort, »Ich werde dir helfen deine Devotion zu intensivieren, sie zu verbessern.« Er hatte schon häufiger solche Andeutungen gemacht, aber nie genau erklärt, wie er mir helfen würde.

»Inwiefern? Was genau meinst du?« Ich war gespannt darauf von ihm zu lernen, da er sich auf diesem Gebiet wesentlich besser auskannte und mehr Erfahrung hatte als ich.

»Ich werde dich qualitativ verbessern. Du wirst lernen zu spüren was ich brauche und wann, ohne dass ich es in Worte fassen muss. Du wirst perfekt sein in allem was du tust«, machte er mir begreiflich.

Man kann sich sicherlich immer verbessern und lernbereit war ich sowieso.

»Ich werde dich so formen, wie ich dich haben will. Es gibt einige Dinge, die geändert werden müssen, die ich normalerweise nicht dulden würde. Aber das kannst du noch nicht wissen«, deutete er an.

»Und welche Dinge wären das genau?« Ich war leicht beunruhigt.

»Deine Kleidung, Körperhaltung, deine Kommunikationsweise und die Art und Weise, wie du dich mir gegenüber verhältst«, feuerte er auf mich los.

Was stimmt denn nicht mit meinem Verhalten und meiner Kommunikationsweise?, wunderte ich mich verärgert.

»Ich möchte, dass du auf mein Wort gehorchst, mehr gibst als du nimmst, für mich mitdenkst und immer alles dafür tust, um mir zu gefallen. Beunruhige dich nicht, ich werde es dir langsam zeigen und beibringen. Du bist scheinbar sehr schlau und lernst recht schnell.«

Einerseits war ich empört über meine von ihm angedeuteten Imperfektionen, aber zugleich gespannt, wie sich unsere Beziehung entwickeln und intensivieren würde. Diese Perfektion meiner Devotion, von der er sprach, wollte ich um jeden Preis erreichen. Mein Leben lang hatte ich schon immer das Verlangen danach gehabt, mich zu etwas Besserem zu entwickeln. Etwas, was ich noch nicht war.

»Ich habe dich nie nach deinem ersten Eindruck von mir gefragt«, fiel mir beiläufig ein.

»Etwas zurückhaltend, zu selbstsicher und eher bedacht in der Art und Weise wie du dich verhältst«, erklärte er.

»Zu selbstsicher?« Ich versuche mich eigentlich immer natürlich zu geben.

»Und wie sieht es bei dir aus?«, wollte er dann wissen.

»Also, von den Bildern, die du mir von dir geschickt hattest, hatte ich eher einen Macho-Typ erwartet, aber der reale Eindruck war dann doch das Gegenteil. Ich empfand dich als sehr ruhig, ausgeglichen und freundlich.«

»Mmh, dann muss ich dringend an meiner Macho-Nummer arbeiten«, witzelte er.

Wir kehrten zum Thema Devotion zurück. »Viele Frauen und Partnerinnen von Freunden, die ich kenne, könnten einiges von dir lernen«, offenbarte er.

Ich war überrascht: Was genau sollen andere Frauen denn von mir lernen!?

»Die sind alle nur sexuell devot, aber im Privatleben dominant«, schilderte er.

»Aber ich bin eigentlich auch recht dominant, das muss ich auch oft sein«, betonte ich. Irgendwie muss man sich ja durchs Leben schlagen und ein Weichei bin ich bestimmt nicht!, dachte ich dabei.

»Das stimmt, das sollst du ja auch, aber das Wichtigste ist - du hast den Willen deinem Partner gut zu tun im Leben«, erwiderte er. »Dazu kommt, dass du eine gute Mutter bist und einfach eine tolle Frau!«

Ich schien etwas zu sein, was man anscheinend nicht oft fand. Etwas Besonderes, was ihm andere Frauen nicht geben könnten. Meine Natur und mein Charakter waren auf natürliche Art devot. Darauf war ich sehr stolz.

Ein Jahr mit einem Narzissten

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