Читать книгу Ein Jahr mit einem Narzissten - Katrin Roth - Страница 5

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Einige Monate zuvor hatte ich mich von meinem letzten Freund getrennt. Die Beziehung war nicht das gewesen, was die meisten unter einer normalen Beziehung verstehen würden. Um es genauer zu sagen, sie war vor allem in sexueller Hinsicht, laut der Norm unserer Gesellschaft, ganz und gar nicht moralisch korrekt gewesen. Ich hatte mir diesen Mann nach meinen ganz speziell entwickelten Kriterien ausgesucht. Diese Kriterien waren meiner damaligen Meinung nach der sicherste Weg zu meiner persönlichen Erfüllung im Hinblick auf Partnersuche und Beziehung. Dominant sollte er sein. Dies bedeutete für mich ein sehr selbstbewusstes und starkes Auftreten sowie Durchsetzungsvermögen und Willensstärke. Ein Mann mit klaren Zielen, der genau weiß, was er will. Einen gewissen Grad an Bildung und Intelligenz sollte er haben, einen festen Stand im Leben sowie beruflichen Erfolg. Ein Mann mit körperlichen Attributen, die für mich wahre Stärke und Männlichkeit ausstrahlten, wie zum Beispiel eine angemessene Körpergröße. Ich hatte einmal einen Partner gehabt, der einen Kopf kleiner als ich war. Er hatte mir nie das Gefühl des Beschützers vermitteln können, nach dem ich mich mein Leben lang gesehnt hatte. Eine tiefe Stimme war ein weiteres Merkmal, auf das ich achtete - hohe Stimmen verband ich mit Weiblichkeit und somit Schwäche. Zudem sollte er eine kräftige Statur haben, die Stärke ausstrahlt. Mittlerweile suchte ich auch gezielt nach älteren Männern. Ich hatte festgestellt, dass die meisten Männer in meiner Altersgruppe Erwartungen und Vorstellungen haben, welche sich gewaltig von meinen unterscheiden. Themen wie Familiengründung, Hochzeit und Ehe hatte ich zum Beispiel schon lange für mich abgehakt. Männer Anfang dreißig wollten aber genau das, was ich nicht bereit war zu geben. Auch hatte ich das Gefühl, dass die meisten nicht mit meinen Lebenserfahrungen und den dadurch entwickelten Werten und meiner Lebensanschauung mithalten konnten. Was das Thema Sex betraf, waren mir Männer in meinem Alter einfach zu unerfahren und konnten mir nicht die Reife und das Einfühlungsvermögen entgegenbringen, nach denen ich suchte. Ich brauchte erfahrene Männer, die nicht nur auf Rumfummelei und schnelle Nummern aus waren. Nach meiner gescheiterten Ehe und der darauffolgenden chaotischen Wiederfindungsphase, hatte mir eine flüchtige Affäre erklärt, dass ich sexuell ›devot‹ ausgerichtet bin. Der Begriff und dessen Bedeutung sagten mir zu dem Zeitpunkt nicht viel. Ich hatte noch nie einen Schwerpunkt auf mein Sexleben gelegt und mir folglich auch noch nie ernsthafte Gedanken über meine sexuelle Ausrichtung oder bestimmte Vorlieben gemacht. Auf die Frage hin, was mich denn sexuell am meisten erregt, erklärte ich, dass ich mich einfach immer meinem Partner und seinen Wünschen anpasse. Genau dieses unterwürfige Verhalten sei devotes Verhalten, lernte ich. Meine Affäre erklärte mir, dass ich einen dominanten Partner bräuchte, welcher mich führen und leiten würde. Bei den Worten kam mir sofort der ganze Fifty Shades Mist in den Kopf: Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein!, dachte ich und machte mich ein wenig lächerlich über ihn. »Quatsch, von so einem Kinderkram rede ich doch nicht. Wahre Devotion und Dominanz sind viel mehr als ein bloßes Spiel. Was du von Natur aus bist, kann man nicht lernen«, verdeutlichte er mir. Devotion sei in meinem tiefsten Inneren verankert und wenn ich sie ausleben würde, fände ich nicht nur wahre Erfüllung in meinem Sexleben, sondern auch in meiner Beziehung und in mir selbst. Nach seiner Enthüllung über die angebliche Natur meines Wesens, machte ich mir sehr viele Gedanken über die Beziehungen aus meiner Vergangenheit. Auf einmal wurde mir klar, dass ich unbewusster Weise schon immer überwiegend dominante Männer ausgewählt und dann auch automatisch die unterwürfige Rolle eingenommen hatte. Das starke Selbstbewusstsein und die Bestimmtheit waren es, welche diese Ex-Partner so interessant und anziehend für mich gemacht hatten. Um es genauer zu sagen: einfach unwiderstehlich erregend. »Er hat Recht«, schlussfolgerte ich, »anscheinend bin ich wirklich devot und kann nur mit einem dominanten Partner glücklich werden.« Zu diesem Zeitpunkt hätte ich niemals erahnt, auf welch dramatische Art und Weise diese Erkenntnis mein weiteres Leben beeinflussen würde. Wer ich wirklich bin oder wie ich sein sollte, beschäftigte mich schon seit meiner Kindheit. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, dass etwas nicht mit mir stimmte, dass ich irgendwie anders sein sollte, da ich nirgends dazu zu passen schien.

Viele definieren sich durch ihre Zugehörigkeit zu einer Religion, ihrem Beruf, Familie oder Sport. Man weiß dann, was von der gesellschaftlichen Rolle erwartet wird und wo man hingehört. Das gibt Sicherheit. Eben dieses Gefühl der Zugehörigkeit hatte mir immer gefehlt. Ich passte einfach nicht. Meine neugewonnene Erkenntnis über mein scheinbar ›wahres Ich‹ änderte nun alles. Sie war wie ein Wegweiser, der mir nun eine gewisse Sicherheit in Hinblick auf meine Bestimmung in meinem Leben gab. Zu verstehen, dass ich aus meinem tiefsten Inneren heraus devot bin, verlieh mir Halt. Endlich konnte ich mein Leben besser verstehen und wusste zudem auch, welche sexuelle Rolle für mich bestimmt war. Die Weichen für mein neues Leben waren gestellt.

Nachdem die besagte Affäre beendet war, machte ich mich gezielt auf die Suche nach einem dominanten Partner, der mein passendes Gegenstück verkörpern würde. Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und dazu voll ausgelastet mit einem Haupt- und einem Nebenjob, war ich zeitlich so eingeschränkt, dass Dating in Bars oder auf Partys für mich unmöglich war. Hinzu kam ein weiteres Problem: Woher würde ich wissen, dass ein Mann, der mir optisch gefiel, dominant war oder nicht? Männern, welche mir auf der Straße begegneten, stand immerhin nicht auf der Stirn geschrieben, wie sie sexuell ausgerichtet sind. Ich suchte also nach Dating-Plattformen und als auch dort klar wurde, dass aus den Profilen nicht die benötigten Informationen hervorgingen, fand ich eine Webseite, welche Partnersuche gezielt nach sexuellen Ausrichtungen möglich machte. Über diese Webseite war es ein Leichtes, schnell neue Kontakte zu knüpfen. Ich tauchte in eine komplett neue Welt ein, in der sich Menschen zu befinden schienen, die so waren wie ich. Hier wurde ich verstanden, ohne mich für meine sexuellen Vorlieben rechtfertigen zu müssen. Mein bisheriges Sexleben kam mir auf einmal ausnehmend langweilig und spießig vor. Die meisten Dinge, die dort geboten wurden, hätte ich mir nicht einmal in meinen wildesten Träumen vorstellen können. Hier konnte man an regelrechten Sexorgien teilnehmen, ohne sich für irgendetwas schämen zu müssen. Viele der zur Auswahl stehenden Spielarten wie zum Beispiel Fisting, Fußerotik und Squirting musste ich erst einmal nachlesen. Bondage kannte ich, aber hatte es selbst noch nie ausprobiert. Anderes wie Dreier, Vierer, Frivoles Ausgehen und Strip hatte ich auch noch nicht selbst ausprobiert. Bei der Auswahl an Spielarten interessierte mich natürlich am meisten SM und BDSM, denn danach suchte ich ja. Seit meiner Jugend war ich eher reserviert und vorsichtig gewesen und hatte vor allem beim Sex vieles abgelehnt, weil es meinen damaligen Werten und Vorstellungen vom richtigen sexuellen Verhalten nicht entsprach und ich schlichtweg zu großen Ekel empfunden hatte. In anderen Bereichen meines Lebens, paradoxerweise, war ich recht offen und abenteuerlich gewesen. Zum Beispiel reiste ich nach meinem Abitur spontan alleine ins Ausland, weshalb mich zu der Zeit alle für komplett verrückt erklärten. Noch verblüffter waren alle, als ich verkündete, dass ich für meine damalige große Liebe für immer dortbleiben würde. Für immer blieb ich zwar nicht, aber immerhin neun Jahre. Dass meine Auswanderung eine Flucht vor mir selbst war, ist mir heute bewusst. Eine Flucht, die mein Leben am Ende nur noch verschlimmert hatte, anstatt Probleme, die ich schon seit meiner Kindheit mit mir trug, zu lösen und mich vor mir selbst zu retten. Nun stand ich kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag. Ein neuer Lebensabschnitt. Laut meiner Mutter war ich jetzt schon fast eine Oma. Danke für die aufmunternden Worte!, dachte ich vorwurfsvoll. Von der Gesellschaft sei ich nun so gut wie abgeschrieben und als Frau würde der Wert meiner Attraktivität in eine niedrigere Preisklasse rutschen. Ich fasste einen Entschluss: Ab jetzt würde in meinem Leben alles anders laufen - besser! Es gab noch so vieles, was ich nicht gesehen oder erlebt hatte. So vieles, was ich ausprobieren wollte - sowohl sexuell als auch in anderen Lebensbereichen. Bereichernde Erfahrungen und Erlebnisse verpassen, nur weil ich zu viel Angst oder Vorurteile habe, würde mir nicht mehr passieren. Von jetzt an bist du allem Neuen und Unbekannten gegenüber komplett offen - ohne Ausnahme!, schwor ich mir. Fast ohne Ausnahmen, korrigierte ich schnell. Von nun an lebte ich ganz nach dem Motto: »Probieren geht über Studieren.« Und einen Rückzieher machen war nicht erlaubt! Über die Webseite lernte ich meinen nächsten Freund kennen, welcher die passende sexuelle Ausrichtung zu haben schien. Er war bedeutend älter als ich. Auf seinem Profilbild war er auf einer Kommode sitzend und mit einer Gerte neben sich liegend abgebildet. Okay, dachte ich beeindruckt, aussagekräftiges Bild, aber wer weiß, wie er wirklich ist. Vor unserem ersten Treffen hatten wir häufiger telefoniert. Gegen meinen Wunsch rief er mich jeden Abend an und drängte sich mir regelrecht auf. Ehrlich gesagt war mir das alles schon vor unserem ersten Treffen zu viel gewesen. Kann er kein ›Nein‹ akzeptieren?, fragte ich mich anfangs verärgert, aber hatte mich nie getraut ihn darauf anzusprechen, denn ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Meine Meinung zu äußern, wenn mir etwas nicht gefiel, lag nicht in meiner Natur. Er erklärte mir, dass er eine wirklich devote Frau suche und quetschte mich förmlich über meine bisherigen Erfahrungen aus. Teilweise war es mir fast wie ein Verhör vorgekommen. Er wollte alles genauestens wissen, vor allem, wo meine Grenzen lagen und wie ich mit Schmerz umgehen könne. Mit meinen Antworten war ich sehr vorsichtig gewesen, da ich im SM Bereich noch keine Erfahrungen gesammelt hatte und nun befürchtete, dass ich für ihn nicht erfahren genug sein würde. Bei unseren Gesprächen überkam mich immer mehr das Gefühl, als versuche er sich für seine Neigungen zu rechtfertigen, indem er mir erklärte, dass er Frauen eigentlich nichts Böses tun wolle. »Ich bin kein Schwein, ich will Frauen nicht wehtun. Ich bin einfach so und schäme mich auch nicht mehr für mein Verhalten. Meine Vorlieben lebe ich in der Öffentlichkeit aus - ist mir egal, was andere denken«, erklärte er. Okay ..., wenigstens ist er offen und ehrlich, dachte ich. Trotzdem konnte ich zu all dem, was er mir erzählte, keine Stellung nehmen und keinen Bezug herstellen, da ich noch keinerlei Erfahrungen im SM-Bereich gesammelt hatte. Bei unserem allerersten Treffen war ich zunächst eher abgeneigt, ja, sogar recht angeekelt von seiner arroganten Art. Er kam in einem protzigen Auto vorgefahren. Nach seiner Aufforderung stieg ich widerwillig ein. Was machst du hier eigentlich!?, fragte ich mich kopfschüttelnd. Auf der Straße benahm er sich absolut proletenhaft und auf dem Parkplatz belegte er dreist den Behindertenparkplatz. Während unseres gemeinsamen Essens redete er ständig auf mich ein, nahm meine Hand gegen meinen Willen und sagte mir, dass er nur mich wolle. Dabei fiel mir auf, dass er gleichzeitig die blonde Bedienung mit seinen Blicken verfolgte, was mich doch etwas verärgerte. Durch unsere vorangegangenen Telefonate kannte ich seine ungefähren Absichten, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, was genau er mit mir vorhatte. Er erzählte mir kurz von seiner Ex-Frau, die sein dominantes Verhalten immer verachtet und abgelehnt hatte. Seine sexuellen Vorlieben waren scheinbar der Grund für das Ende seiner Ehe gewesen. Später zeigte er mir Bilder von seiner letzten Gespielin, die sich ihm mehrere Jahre völlig unterworfen hatte. Warum zeigst du mir Bilder von dieser Frau? Glaubst du, ich werde eifersüchtig? Und warum genau willst du gerade mich?, dachte ich schnippisch. Komplimente machen Männer doch nur, um eine Frau ins Bett zu kriegen. Ich war nicht von ihm überzeugt, wohl aber beeindruckt von seiner Art nicht lockerzulassen und mich um jeden Preis haben zu wollen. Er erklärte mir immer wieder, was für ein Gentleman er sei und dass er mich immer gut behandeln würde. Am Ende unseres gemeinsamen Abendessens stellte er mich vor die Wahl: »Entweder ich bringe dich wieder zu dir nach Hause und du musst mich nie wiedersehen oder du kommst mit zu mir.« Er warnte mich, dass, wenn ich erst einmal in sein Reich eingetreten wäre, es kein Zurück mehr für mich gäbe. Ich würde ihm gehören und es würde ganz klar nur noch nach seinen Regeln laufen. Mit dem was passieren würde müsse ich dann klarkommen. »Auch wenn du dann noch so laut schreist, das ist mir egal«, sagte er mit kalter, strenger Stimme. Ich glaubte ihm nicht. Gerade die Schmerzen, so hatte er mir erklärt, die er Frauen zufüge und die Unterwerfung seien es, die ihn am meisten erregten. Obwohl mein Bauchgefühl ganz laut Nein! schrie, überwog meine Neugier auf das Neue und Unbekannte. Gegen meine Intuition entschied ich mich mit ihm zu gehen. Ich konnte meinen Schwur mir gegenüber nicht gleich bei der ersten Probe brechen und zudem konnte ich der Verlockung auf ein Abenteuer nicht widerstehen. Bevor ich seine Wohnung betrat, warnte er mich nochmals, dass, sobald die Tür hinter mir zufallen würde, ich ihm bedingungslos zu seinem Vergnügen zur Verfügung stünde. Ein leicht mulmiges Gefühl hatte ich in mir verspürt, obwohl ich zur selben Zeit seine Worte nicht wirklich ernstnahm und dachte: Was soll denn schon Schlimmes passieren? Langsam schritt ich durch seine Wohnungstür und stieg die Treppe zu seinem Wohnzimmer empor. Oben angekommen schaute ich mich vorsichtig um. Von der Treppe aus konnte man direkt in die Küche sehen, in deren Mitte ein Springbock stand. Sehr bizarr! Was er wohl damit macht?, wunderte ich mich. Zu meiner Rechten erspähte ich unter der Esszimmerdecke einen großen Metallhaken.

Die Zimmer, soweit ich sehen konnte, waren ordentlich, geschmackvoll und modern eingerichtet und vermittelten ein heimisches, gemütliches Gefühl.

Er trat vor mich und musterte mich kurz.

»Zieh dich aus!«, befahl er dann plötzlich streng. Als ich ihn zögernd und leicht verwirrt anguckte, schlug er mir mit seiner flachen Hand sofort ins Gesicht. Vor Überraschung und dem Schmerz, welcher sofort in meine Wange schoss, war ich wie gelähmt. »Muss ich es nochmal sagen?«, fragte er forsch. Nun war klar, dass er es wirklich ernst meinte. Perplex schaute ich ihn an und gehorchte dann schnell. Es mir mehr als unangenehm gewesen, mich völlig vor ihm zu entkleiden.

Ich sollte meine Augen schließen und er verband sie mit einem schwarzen Tuch.

»Siehst du etwas?«, fragte er testend.

»Nein.« Alles war absolut dunkel. Plötzlich wurde mir sehr kalt und ich fing vor Nervosität an zu zittern.

»Warte hier!«

Ich stand eine scheinbar endlos lange Zeit auf derselben Stelle und wartete.

Wo ist er? Was macht er bloß?, fragte ich mich leicht verängstigt.

Auf einmal konnte ich hören entfernte Geräusche aus einem Nachbarzimmer hören. Eine Schublade wurde geöffnet und wieder geschlossen. Dann hörte ich Schritte - er kam zurück.

Mit seinen Händen ergriff er meine Handgelenke, zog meine Arme hoch zu sich und legte mir Lederhandschellen an. Dann befestigte er dieselben an meinen Fußgelenken. Die Schellen waren recht eng geschnallt und fühlten sich schwer und kalt an.

Da ich keine Vorstellung hatte, was nun passieren würde, fragte ich mich ständig, was er wohl vorhatte. Er zog mich ein paar Schritte zur Seite, wobei ich fast gestolpert wäre. Das metallene Geräusch von Ketten war zu hören, welche er an den Schellen an meinen Händen und Füßen anbrachte. Mit einem Ruck zog er meine Arme an der Kette hoch und befestigte diese an dem Metallhaken. Meine Füße kettete er so zusammen, dass ich trotzdem noch etwas Bewegungsfreiheit hatte.

»Mach die Beine breit!«, befahl er kalt.

Mit einem Mal fühlte ich mich in meiner Freiheit stark eingeschränkt und in meiner Sicherheit bedroht. Eine leichte Panik stieg in mir auf. Ich konnte spüren, dass er sich von mir entfernte und hörte, wie er sich leise durch den Raum bewegte. Dann vernahm ich abermals Geräusche von einer Tür und von Schubladen, die geöffnet und geschlossen wurden. Leise näherte er sich mir wieder. Ich vernahm ein klickendes Geräusch, wie das einer metallenen Spange, die geöffnet wird und spürte dann einen starken Schmerz in meinen Brustwarzen. Ich musste mich zusammenreißen nicht laut aufzuschreien. Zum Glück waren meine Brüste nach dem Stillen von drei Kindern ziemlich abgehärtet, sodass der Schmerz schnell erträglicher wurde.

»Du scheinst ziemlich schmerzresistent zu sein«, bemerkte er beeindruckt. Dann spürte ich den gleichen stechenden Schmerz an meinen Schamlippen. Dieser Schmerz war viel schlimmer zu ertragen. Außerdem wurde ein Gewicht angebracht, welches meine Schamlippen herunterzog. Der Schmerz wurde so intensiv, dass ich auf meine Unterlippe beißen musste, um einen Aufschrei zu unterdrücken.

»Kreise mit den Hüften!«, vernahm ich seine gefühlskalte Stimme, »Und wehe, das Gewicht hält an!«

Eine unendlich lange Zeit war es dann erdrückend still gewesen. Ich fragte mich, was er wohl tat. Sieht er mich einfach an? Wird er bei dem Anblick geil? Befriedigt er sich selbst? - solche und andere Gedanken schossen mir durch den Kopf.

»Das machst du gut!«, lobte er mich mit ruhiger Stimme.

Arschloch!, dachte ich. Mein Körper zitterte immer mehr und das Gefühl der Kälte breitet sich weiter in mir aus. Ich versuchte mich innerlich zu beruhigen. So schlimm ist es ja gar nicht, redete ich mir ein. In meiner einsamen Dunkelheit versank ich kurz in meine Gedankenwelt, aus der ich schnell wieder wachgerissen wurde, als mich ein brennender Schlag von hinten traf.

Etwas schmales Hartes schnitt in meinen Oberschenkel. Vor Schreck schrie ich auf. Dann strich es an meinem Innenschenkel entlang. Noch ein Schlag. Es war ein brennender kurzer Hieb, welcher einen heißen Schmerz auf meinem Bein hinterließ. Anfangs ließ er noch längere Pausen zwischen den Hieben, aber schlug dann immer schneller und heftiger zu.

»Der Schmerz ist zu viel!«, schrie es in mir.

Ich hatte mich nicht wehren können und meine Schreie, welche ich nun nicht mehr unterdrücken konnte, ließen ihn kalt.

Obwohl ich keine Lust mehr auf dieses Spiel hatte, erregte es mich doch auf ungewohnte und auch zugleich abstoßende Art und Weise.

Es erschien mir wie eine Ewigkeit vor ihm nackt und immer noch in derselben Pose stehen zu müssen. Ich merkte wie meine Kraft langsam schwand.

Nach einer Weile löste er die Ketten und das Gewicht, welches immer noch unter mir hing.

»Dreh dich um!« Ich konnte seinen Atem in meinem Nacken spüren, welcher mir Gänsehaut bereitete.

Plötzlich fasste er mir in den Schritt, wobei ich überrascht zusammenzuckte.

»Schön feucht bist du«, sagte er mit ruhiger, scheinbar zufriedener, Stimme.

Ich hatte gehofft, er würde mich länger berühren, mich anfassen und mir dabei ein Stück Sicherheit und das Gefühl von Nähe geben, aber das tat er nicht. Stattdessen konnte ich etwas Kaltes auf meiner Haut spüren. Ich schreckte zusammen. Meine Vorahnung ließ mich erraten, was nun passieren würde. Es strich über meinen Po. Stille. Plötzlich ein Hieb, so stark, stechend und schmerzhaft, dass mir die Luft wegblieb.

Ich schrie laut auf.

»Sei leise!«, fuhr er mich schroff an.

Ich versuchte mich schnell wieder zu fangen und seinem Befehl zu gehorchen. Zur selben Zeit wollte ich Stärke zeigen. Der nächste Hieb kam, welcher in seiner Intensität noch schlimmer zu sein schien als der Erste. Zwischen den Hieben machte er kurze Pausen, was den Schmerz in seiner Intensität noch weiter ausreifen ließ. Meine Gedanken waren für einen Moment komplett ausgeschaltet. Das Einzige, was ich in dieser schwarzen Leere spüren konnte, war unendlich qualvoller pochender Schmerz, welcher mich völlig betäubte.

Beim sechsten Hieb waren die Schmerzen so stark geworden, dass ich lieber gestorben wäre, als noch mehr davon aushalten zu müssen. Innerlich betete ich, dass es endlich zu Ende sein möge. Er hörte auf. Es war, als hätte er genau abschätzen können, wie viel ich ertragen konnte. Er nahm alle Ketten ab, packte mich an meinem Hals und drückte mich runter auf den Boden. Dort band er meine Hände und meine Füße wieder so zusammen, dass ich alleine nicht mehr hätte aufstehen können.

»Bleib genauso!«

Seine Schritte entfernten sich. Für einen Moment atmete ich erleichtert auf. Als er wiederkam, konnte ich einen merkwürdigen unangenehmen Geruch wahrnehmen. Dann spürte ich, wie er mir mit einem kalten nassen Lappen über meinen Körper und mein Gesicht wischte. Es stank fürchterlich. Der Geruch war so stark, dass mir schlagartig schlecht wurde. Plötzlich konnte ich den schneidenden aufdringlichen Duft zuordnen - es war Urin! Ich versuchte meinen Würgereiz zu unterdrücken.

»Ich will, dass du meinen Geruch annimmst«, flüsterte er mir zu.

»Du gehörst jetzt mir!«

Dann stopfte er mir den ganzen Lappen in meinen Mund und befahl ihn auszusaugen und die Flüssigkeit zu schlucken. Ich weigerte mich, versuchte zu schreien und diesen Lappen auszuspucken. Es ging nicht.

»Schluck!«, vernahm ich in seinem Befehlston. Ich schreckte zusammen. Das war endgültig zu viel! Ich schüttelte meinen Kopf und bekam daraufhin direkt einen Hieb auf meinen Rücken. »Schluck!«, zischte er noch einmal. Diesmal folgte ich seiner Forderung, um weitere Hiebe zu vermeiden. »So ist es brav«, lobte er mich dann. Ich kann gar nicht sagen, welches Gefühl in diesem Moment in mir überwog: meine Übelkeit, die Abscheu dem gegenüber, was ich gerade ertragen musste oder die Wut gegenüber der Person, die mir dies angetan hatte. Er hörte auf, löste mich von allen Fesseln und zog mich zu sich hoch. Mir war furchtbar kalt, ich zitterte und hatte absolut keine Kraft mehr. Endlich nahm er mir die Augenbinde ab. Am liebsten wäre ich sofort in sein Badezimmer gestürzt, um mich zu duschen und mich von diesem Gestank zu befreien. Verärgert blieb ich aber still stehen und sagte kein Wort. Unschuldig schaute er mich an, nahm mich in seinen Arm und drückte mich fest an sich. Obwohl ich ihn gerade unsagbar hasste, war das schlagartige Gefühl von Geborgenheit sehr schön und befreiend gewesen.

»Bist du jetzt böse auf mich?«, fragte er mich mit sanfter Stimme.

»Nein«, sagte ich, obwohl es ganz laut, »Oh ja und wie ich dich hasse und wütend auf dich bin!«, in mir schrie.

»Mir ist schlecht«, hängte ich leise an, »und mir tut alles weh«.

»Das tut mir leid«, beteuerte er und fragte mich, warum ich denn nichts gesagt hätte. Wirklich beschweren hätte ich mich nicht können, musste ich mir eingestehen, denn ich hatte mir ja alles selber eingebrockt und er hatte mich vorab gewarnt. Zudem hatte er auch gedroht, dass es kein ›Safeword‹ oder Stopp geben und nur nach seinen Regeln gehen würde.

»Ich kann das nicht«, sagte ich dann langsam. »Das mit den Schmerzen kann ich nicht, tut mir leid.«

»Komm her«, er drückte mich wieder fester an sich. »Ich will dir doch nicht wehtun. Warum hast du denn nicht geschrien oder mir zwischendurch irgendein Zeichen gegeben?«, fragte er mit ruhiger Stimme.

Sehr witzig. Er hatte absichtlich jeden meiner Hilfeschreie mit Schlägen verstummen lassen.

»Ich möchte, dass du mir vertraust. Wir werden uns langsam herantasten und deine Grenzen immer mehr erweitern. Du warst gerade eben doch ganz schön erregt, oder? Da war ja eine richtige Pfütze unter dir auf dem Boden.« Er schaute mir in die Augen und grinste mich an. »Ich werde deine Lust immer mehr steigern. Du wirst die Schmerzen bald lieben lernen und danach verlangen, von mir geschlagen zu werden«, versprach er.

Das bezweifle ich stark, dachte ich und schüttelte dabei abgeneigt mit dem Kopf.

Obwohl sich anfangs alles so ekelig angefühlt hatte und ich mich ihm nur voller Abscheu und Widerwillen hingab, kam es am Ende doch so, wie er es vorausgesagt hatte. Er schaffte es, mich mit seiner charmanten Art immer wieder um den Finger zu wickeln und letztendlich die Oberhand zu behalten.

Wir blieben circa drei Monate zusammen. Zurückblickend kann man die Beziehung wohl eine ›Zweckbeziehung‹ nennen. Ich bekam seine scheinbare Zuwendung und ließ mich im Gegenzug von ihm benutzen und gehorchte. Zudem gab er mir Halt und ich fühlte mich nicht einsam. Im Laufe der ersten Wochen hatte er mich in seine Vorlieben eingeweiht und mir gezeigt, wie ich mich ihm gegenüber und in seiner Gegenwart verhalten solle. »Du wirst mich nur mit ›Mein Herr‹ ansprechen, dich immer für alles bedanken und wenn ich es verlange, meine Füße küssen. Zudem wirst du von nun an deinen Kopf in meiner Gegenwart gesenkt halten und mir niemals direkt in die Augen gucken, bis ich es dir erlaube.« Bald stellte er immer absurdere Regeln auf, welche ich unmöglich einhalten konnte. Zum Beispiel durfte ich bestimmte Wörter nicht mehr benutzen, welche sich in meinem alltäglichen Wortgebrauch verfestigt hatten. Die Bestrafung bei Verstoß dieser Regeln fiel meist in Form von Schlägen aus. Ich widersprach nicht und spielte sein Spiel mit. Hätte ich keinen Gehorsam gezeigt, wäre die Beziehung wahrscheinlich sehr schnell beendet gewesen. Mein Verlangen nach Schmerz und die dadurch neu gewonnene Lust wurden mit der Zeit immer größer. Es war wie eine unerklärliche Hass-Liebe. Ich fühlte mich schlecht und ausgenutzt, schmutzig und oft beschämt, aber doch zugleich auch lebendig und sehr erregt.

Immer wieder ließ ich mich auf Dinge ein, die ich mir nicht einmal in meinen wildesten Fantasien hätte vorstellen können und mir vor allem nie hätte träumen lassen, sie wirklich auszuleben.

Indem ich mir selbst beibrachte, immer größere Schmerzen zu ertragen, wollte ich mir selbst beweisen, dass ich stark war und ich meinen Körper und meine Gefühle unter Kontrolle hatte. Ich ließ mich demütigen, auch wenn ich es verabscheute, aber konnte zugleich meinen Stolz nicht besiegen und wollte keine Schwäche zeigen.

Gefallen wollte ich ihm, so wie all meinen Ex-Partnern in meinen vorherigen Beziehungen. Im Gegenzug sollte er nur mich lieben, mich begehren. Ich wollte wertvoll und unersetzbar für ihn sein. Durch meinen Gehorsam versuchte ich dies zu erzwingen.

Unsere Beziehung lief so eine Zeit lang gut, mit anfangs täglichem Kontakt und Telefonaten. Nach ein paar Wochen wurde dies allerdings stetig weniger und das Gefühl, dass ich für ihn plötzlich zur Nebensache geworden war, breitete sich in mir aus.

Nach seiner anfangs überschwänglichen und fast erdrückenden Zuwendung und Aufmerksamkeit kam auf einmal, scheinbar grundlos, fast gar nichts mehr von ihm. Er war ständig am Arbeiten und schickte mir oft Bilder von irgendwelchen Meetings, die er mit Geschäftsleuten führte. Diese Alibibilder ließen mein Misstrauen nur noch mehr wachsen. Ab und zu, wenn ich dann mal in seiner Wohnung war, bemerkte ich, dass diverse Utensilien, wie Gerte und Seile, nicht an ihrem normalen Platz lagen. Mein schlechtes Bauchgefühl meldete sich: »Hier stimmt doch etwas nicht!«, davon war ich überzeugt. Jedes Mal, wenn ich ihn misstrauisch darauf ansprach, fragte er empört, was ich ihm unterstellen würde.

»Da war meine Putzfrau wohl wieder einmal schlampig«, lautete seine faule Ausrede.

Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich bereit war mich von ihm zu lösen. Ich mochte ihn und wollte ihn nicht verlieren, andererseits wollte ich aber nicht länger als Sexspielzeug und bloßer Zeitvertreib dienen.

Irgendwie hatte er es geschafft, mich emotional komplett abhängig von ihm zu machen. Letztendlich half mir meine Überzeugung von seiner Unehrlichkeit mir gegenüber, den Schritt der Trennung zu gehen. Er hatte andere Frauen neben mir, das wusste ich, auch wenn ich keine konkreten Beweise hatte. Der Gedanke, dass er mich belog und hinterging, stimmte mich sehr traurig. Er hatte mein Vertrauen, welches ich ihm bedingungslos geschenkt hatte, verraten.

Das letzte Mal, als wir uns auf meine Bitte hin trafen, tat er so, als ob er nicht wüsste, worauf ich anspielte. Dennoch verrieten ihn seine grinsenden Augen. Er schien fast traurig, als ich ihm sagte, dass ich mich trennen will.

»Du kannst mich doch nicht einfach verlassen!« warf er mir vor.

Und ob ich das kann!, dachte ich höhnisch. Ich hatte ihm meine Befürchtungen hinsichtlich seiner Affären offenbaren wollen, aber entschloss mich es nicht zu tun, da ich wusste, dass er mir die Wahrheit sowieso nicht sagen würde.

»Ich kann und will eine Beziehung so nicht - ich brauche mehr«, erklärte ich knapp.

»Wir können doch erst einmal eine Pause machen, uns beiden Zeit geben und dann weitersehen?«, schlug er fragend vor.

Pause machen, dachte ich, wie alt sind wir denn? Wenn man mit jemandem zusammen sein will, dann tut man alles dafür, um das möglich zu machen. ›Pause machen‹ bedeutete für mich ›hinhalten‹. Ich fragte mich langsam, ob er vielleicht gerade zwischen einer anderen Frau und mir abwägte. Falls es mit der anderen nicht klappen würde, hätte er immer noch mich auf der Warmhalteplatte. So einen Scheiß mache ich nicht mit!, dachte ich entschlossen.

»Ich will keine Pause«, brachte ich mit selbstsicheren Worten hervor, »und wenn ich mich einmal getrennt habe, dann ist das auch meine endgültige Entscheidung.« Das ist wirklich so, das hatte ich mir schon früher geschworen. Aus Erfahrung habe ich gelernt, dass es beim zweiten Anlauf mit dem Ex-Partner sowieso nichts wird, da die alten Probleme meist weiterhin bestehen bleiben. Also stellte ich mir die Regel auf, dass eine Trennung ein wirklich endgültiger Schlussstrich für mich bedeutet.

»Bringst du mich jetzt bitte zurück zum Bahnhof?«, bat ich ihn nach einer Weile des Schweigens. Er nickte wiederwillig. Während der kurzen Fahrt in seinem Auto guckte er mich immer wieder mit traurigem Blick an. Das kannst du dir sparen, damit kriegst du mich nicht wieder rum!

»Du wirst schon ohne mich klarkommen«, sagte ich überzeugt und selbstbewusst. Innerlich empfand ich dabei ein kleines Triumphgefühl. Endlich setzte ich einmal meinen Willen durch. In gewisser Weise war ich auch froh, mit meiner Entscheidung endlich die Probleme, die negativen Gedanken und die Eifersucht, welche mich die letzten Wochen über gequält hatten, gelöst zu haben. Ich gab ihm einen flüchtigen Abschiedskuss und stieg aus. Auf dem Weg über den Bürgersteig hin zum Bahnhofseingang drehte ich mich nicht um.

Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah.

Ein Jahr mit einem Narzissten

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