Читать книгу Ein Jahr mit einem Narzissten - Katrin Roth - Страница 4
Prolog
ОглавлениеAls ob es ein unwirklicher Albtraum gewesen wäre, welcher vor langer Zeit einmal der Realität entsprungen war, erinnere ich mich an dieses dramatische Ereignis. Plötzlich befand ich mich im fünften Stock der großen Einkaufspassage. Wie ich hierhergekommen war, wusste ich nicht. Meine Wahrnehmung fühlte sich an, als ob sie in eine Trance versetzt sei. Es fühlte sich an, als ob ich neben mir stünde und nicht mehr in meinem eigenen Körper steckte. Eine Art Schwebezustand, welcher sich angenehm, aber auch beängstigend zugleich in mir ausbreitete. Eine fremde Kraft arbeitete in mir und trieb mich voran. Sie drängte mich immer näher an das Geländer. Alles fühlte sich so offen und frei an. Durch die großen hohen Fensterwände, welche helles Licht hereinströmten ließen, wurde dieses Gefühl von Freiheit und Grenzenlosigkeit nochmals verstärkt. Plötzlich berührte meine Hand die kalte metallene Geländerstange. Dieses beängstigend angenehme Gefühl, welches die absolute Kontrolle über mich gewonnen hatte, nahm mich für einen Augenblick vollkommen ein. Langsam trieb mich die Kraft immer näher an das Geländer. Mein Kopf war einfach nur leer und frei. Es herrschte eine wunderbare Stille und unendliche Ruhe in mir, bis plötzlich die Gedanken der Verzweiflung, welche einen Ausweg suchten, wiederkehrten. Stimmen fingen an durcheinander zu schreien und gegeneinander anzukämpfen. Sie holten mich für einen kurzen Moment wieder in die Realität zurück. Dann formte sich das Gedankenchaos langsam zu einem einzigen zielstrebigen Entschluss. Die in mir arbeitende Kraft wollte mich über das Geländer ziehen. Eine Stimme in mir schrie: »Spring! Lass los!« Ich konnte mich nur schwer widersetzen. Es wäre so leicht gewesen mich einfach über das Geländer fallenzulassen. Alles in mir schrie danach, das Gefühl des freien Falls zu spüren. Es würde schnell gehen. Jeder Schmerz, alle Angst und das Gefühl der Sinnlosigkeit und der Leere wären innerhalb eines kurzen Augenblickes für immer ausgelöscht. Der Kampf gegen mich selbst schien in dem Moment endlos. Die Zeit stand still. Panik überkam mich plötzlich. Mir wurde furchtbar schwindelig. Ich durfte es nicht zulassen die Kontrolle über mich und mein Leben komplett zu verlieren. Zur gleichen Zeit wollte ich nicht mehr kämpfen, sondern einfach nur loslassen. Ich wäre endlich für immer frei.