Читать книгу Ein Jahr mit einem Narzissten - Katrin Roth - Страница 7

Die Beziehung entwickelt sich

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Sein Arbeitsplatz lag nur zehn Minuten um die Ecke von meinem entfernt, von daher konnte ich ihn schnell zu Fuß oder mit dem Bus erreichen. Wir waren in seiner Praxis verabredet. Der Morgen zog sich wie immer endlos lange hin. Der Gedanke ihn schon sehr bald sehen zu können motivierte mich jedoch. Endlich - nur noch fünfundvierzig Minuten! Die längsten fünfundvierzig Minuten meines Lebens! Als ich mich auf den Weg zu ihm machte, wollte er genau wissen, wo ich mich genau befand. »Melde dich zwischendurch«, wies er mich an. Ich wunderte mich ein wenig über seine Ungeduld, aber meine Vorfreude auf ihn verdrängte jede Skepsis. »Wo steckst du? Sag mir Bescheid, wenn du unten bist«, schrieb er.

»Okay, mache ich. Bin jetzt da.«

»Sehr gut. Komm hoch«, forderte er mich auf. Ich nahm den Aufzug. Als ich oben angekommen war, empfing er mich herzlich mit einem großen Lächeln auf seinem Gesicht. Ich hatte ein etwas komisches Gefühl, da die Mitarbeiterinnen an der Rezeption wahrscheinlich annahmen, ich sei eine seiner Patientinnen. Ich bin nicht eine von den Kranken, dachte ich und hätte das am liebsten lauthals verkündigt.

»Komm rein«, bat er mich und wies mir dabei den Weg in seine Praxis an. Nachdem er die Tür hinter uns geschlossen hatte, kam er mir endlich näher, umarmte und küsste mich. »Möchtest du einen Kaffee?«, fragte er in seinem typisch gelassenen Ton. »Ja, gerne«, lächelte ich ihn an.

Das Zimmer war recht klein und wirkte etwas bedrückend.

»Wo möchtest du sitzen?«, wollte er beiläufig wissen, während er irgendwelchen Papierkram auf seinem Schreibtisch ordnete.

»Ist mir egal«, antwortete ich, obwohl es mir eigentlich nicht egal war. Ich hatte die Auswahl zwischen seinem Sessel rechts oder dem Patientensessel links. Ich wählte bewusst die linke Seite, da ich wissen wollte, wie es sich wohl anfühlte ihm als Patient gegenüber zu sitzen. Wahrscheinlich wählte ich die linke Seite auch unbewusst, um die normale Ordnung einzuhalten. Wir saßen uns eine Weile lang gegenüber und tranken unseren Kaffee, wobei er mich nach dem Verlauf meines bisherigen Tages fragte. Als mein Kaffee leer war, sagte er plötzlich fordernd: »Komm her. Knie dich nieder.« Ich hatte darauf gewartet.

»Ja, Herr«, antwortete ich sofort automatisch.

Diesen Ton kannte ich aus meiner Ex-Beziehung. Er gefiel mir. Die fordernde Art eines Mannes mochte ich sehr. Sofort kniete mich vor ihn. »Mach die Beine breit und guck mich an«, befahl er. Ich gehorchte. Dann legte ich schnell meine Hände, mit den Handflächen noch oben, auf meine Knie, öffnete meinen Mund soweit es ging und streckte meine Zunge raus. So hatte es mein Ex-Freund immer verlangt, erinnerte ich mich.

»Ich sehe, du hast schon einiges gelernt – sehr gut!«, sagte er zufrieden, mit lobender Stimme. Innerlich freute ich mich. Ich wollte ihn zufriedenstellen und ihm gefallen. Schon alleine seine Stimme erregte mich unheimlich. Sie war sehr ruhig und gefasst, wusste aber genau, was sie wollte.

»Schau mich an.«

Widerwillig schaute ich ihm direkt in seine Augen, welche vor Verlangen strahlten. Zugleich sah ich aber auch etwas anderes, etwas, das mir einen Schauder der Angst über meinen Rücken laufen ließ.

Er öffnete den Reißverschluss seiner Hose und zog meinen Kopf zu sich. Ich bemerkte einen Fleck auf seiner Hose. Sein Saft tropfte nur so heraus. Seine Geilheit sehen zu können, steigerte mein Verlangen nach ihm noch mehr.

»Du nimmst ihn jetzt schön tief in den Mund!«, bei den Worten presste er seinen Schwanz so tief in meinen Rachen, dass ich würgen musste. Tränen schossen in meine Augen. Ich versuchte mich zu entspannen, was nicht einfach war.

»So ist es gut«, lobte er.

Nach einer kurzen Pause tat er das gleiche noch einmal und dann noch einmal. Am liebsten hätte ich laut geschrien: »Das ist zu viel, es reicht!« Mein Rachen schmerzte und mein Gesicht war Tränen verschmiert.

»Du bläst ihn jetzt schön langsam weiter«, zischte er. Ich versuchte mir Mühe zu geben, wobei ich Angst hatte, dass ich es nicht zu seiner Zufriedenheit tun würde.

»Nimm die Hände weg!«

Ich hatte meine Technik in meiner letzten Beziehung verbessert und war auf mein Können bis jetzt recht stolz gewesen.

»Guck mich an, wenn du meinen Schwanz bläst! Merk dir das, du wirst mich immer dabei ansehen!«, ermahnte er mich.

Anfangs musste ich mich dazu zwingen ihn ununterbrochen anzugucken. Meine Augen tränten und mein Nacken schmerzte. Normalerweise bevorzugte ich es meine Augen geschlossen zu halten, gehorchte aber seinem Befehl. Er saß gelassen in seinem Sessel und grinste mich zufrieden an.

»So gefällst du mir. Sag, dass du mein kleines Fickstück bist.« Ich befolgte seinen Befehl und wiederholte seine Worte.

»Steh auf und zieh deine Hose aus«, forderte er plötzlich. Wortlos gehorchte ich.

Als ich ausgezogen war, packte er mich bei den Haaren und zerrte mich rüber zu dem Patientensessel, wo er mich anwies mich nach vorne zu beugen.

»Ich will wissen, wie sich deine nasse Fotze anfühlt.«

Dann rammte er plötzlich seinen Schwanz in mich, wobei ich leise aufstöhnte. Es fühlte sich so gut an, ihn endlich tief in mir zu spüren. Langsamen, aber mit harten Stößen, fickte er mich. Während ich mich immer mehr fallen ließ, wurde ich unbewusst lauter.

»Sei still, sonst hört man uns«, befahl er in einem leisen, aber scharfen Ton.

Zwischendurch wurde er in seinem Tempo etwas schneller. Ich versuchte seinen Stößen entgegenzukommen, indem ich mich energischer gegen den Sessel stemmte. Dieser rutschte nach vorne und stieß gegen eins der Bücherregale. Für eine Sekunde befürchtete ich, dass uns dadurch seine Arbeitskollegin im Nachbarraum hören könnte.

Ich fühlte mich wie in einer Ekstase. Auf einmal merkte ich, wie er sich fester an mein Becken hielt und seine Stöße langsamer wurden. Er stöhnte leise auf. Mit geschlossenen Augen genoss ich den Moment, wobei ich mir wünschte, er würde niemals enden. Meine Beine zitterten stark und fühlten sich butterweich an. Da ich nicht gekommen war, spürte ich immer noch eine quälende Erregung in mir und das Verlangen danach berührt zu werden.

»Jetzt fühle ich mich schon viel entspannter«, sagte er zufrieden.

»Das freut mich sehr«, lächelte ich ihn an, wobei ich mich überhaupt nicht entspannt fühlte - ganz im Gegenteil! Meine unbefriedigte Geilheit quälte mich weiter. Plötzlich fuhr er mich in einem harschen Ton und finsterer Miene an: »Bedank dich gefälligst!« In meinem Rausch hatte ich jegliche Regeln völlig vergessen.

»Danke«, sagte ich leise, wobei ich mich etwas schuldig fühlte. Ich wusste, dass ich mich immer für alles zu bedanken hatte.

»Danke für was?«, fragte er erbost nach.

»Danke für deinen Saft«, korrigierte ich mich schnell und hoffte, er würde mir verzeihen.

»Vergiss das nie wieder und sag immer wofür du dich bedankst!«, ermahnte er mich.

»Und jetzt zieh dich an.«

Später schrieben wir uns. »Wann hattest du das erste Mal Sex und wie waren die Umstände?«, fragte ich ihn.

Er erklärte, dass er als Kind von einer deutlich älteren Nachbarin verführt und dann sexuell missbraucht worden war. Seine Antwort schockierte mich sehr. »Und das hat dich nicht völlig fertiggemacht?«, fragte ich entsetzt.

Er erklärte, dass es für ihn nichts weiter als ein seltsames Gefühl gewesen wäre - eben nur eine Erfahrung.

»Ich habe niemals irgendjemandem davon erzählt«, offenbarte er mir. Vielleicht sah er jetzt die abgeschwächte Erinnerung nur so locker, fragte ich mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihn dieses Vorkommnis als Junge nicht in irgendeiner Weise negativ belastet und geprägt hatte. Vielleicht ist er deshalb so kontrollierend, wunderte ich mich.

Mein erstes Mal war damals ganz anders abgelaufen, mit meiner ersten richtigen großen Liebe. Meine Vernarrtheit in diesen Menschen war so stark gewesen, dass dieses Gefühl noch mein halbes Leben angehalten hatte. Der erste Sex mit ihm war fast unerträglich gewesen. Die Schmerzen waren so furchtbar, dass ich überzeugt war, mein Leben als Nonne verbringen zu müssen. Bei weiteren Versuchen wurde es dann zum Glück besser, sodass ich den Sex, wenn auch ohne Orgasmus, genießen konnte.

Mein Freund stellte die nächste Frage, welche eher eine Forderung gewesen war: »Ich möchte, dass du mir ein Bild all deiner jetzt vorhandenen Sex-Toys machst und es mir bis spätestens einundzwanzig Uhr sendest.«

Das ist machbar, dachte ich etwas erleichtert. Er hätte ganz andere Dinge fordern können. Sehr viele Sex-Toys besaß ich nicht und die meisten benutzte ich auch nicht. Genaugenommen hatte ich bis vor knapp über einem Jahr noch nie irgendwelche Sex-Toys benutzt. So etwas hatte ich immer als schmutzig und unmoralisch angesehen. Heute fragte ich mich: Warum überhaupt? Sex-Toys können gerade für Frauen sehr hilfreich sein, um sich sexuell auf sichere Art und Weise auszuprobieren, ohne sich einem Partner oder Liebhaber in irgendeiner Weise verpflichtet zu fühlen.

Seine nächste Frage folgte: »Bleiben wir beim Thema Sex - wie oft befriedigst du dich in der Woche selbst? Und, welche Fantasien hast du dabei?«

»Kommt immer drauf an. Manchmal zwei- bis dreimal täglich, manchmal eine Woche lang gar nicht«, erklärte ich und fuhr fort, »Bevor ich dich kennengelernt habe, eher häufiger. Mit den Fantasien ist das so eine Sache. Ich denke nicht konkret an eine Person, sondern eher an Gefühle, also zum Beispiel, wie es sich anfühlt, wenn ein harter Schwanz in mich eindringt oder Ausschnitte einer emotionalen Erinnerung.«

»Was hat sich geändert und warum, betreffend die Häufigkeit und eventuell auch deiner Fantasien?«, wollte er wissen.

»Was sich geändert hat? Du hast mich angewiesen, dass ich dir sagen soll, wenn ich es mir mache und du willst, dass ich dich frage, ob ich kommen darf. Du hast mich ja erst gefickt und das reicht mir. Ich warte lieber manchmal bis zum nächsten Mal, als es mir ständig selbst zu machen, aber dann dabei nicht richtig befriedigt zu sein. Zu zweit ist es einfach schöner. Die Vorlage bist jetzt ganz klar nur du und dein geiler Schwanz!«

»Sehr interessant!«, bemerkte er.

»Warum?«

»Ich finde es interessant, dass du von heute auf morgen, von zwei bis dreimal am Tag Selbermachen, plötzlich auf null runterschraubst. Natürlich verstehe ich, dass du auch sehr viel Stress momentan hast«, erklärte er.

»Interessant im positiven oder im negativen Sinne?«, ich hoffte, er würde dies nicht als etwas Negatives sehen.

»Im Positiven.« Er gab mir zu verstehen, dass er mehr Kontrolle über mich haben wolle. Dass er wissen wolle, wann und wie groß meine Begierde ist - einfach jedes kleinste Detail. Alles, was mit meinem Verlangen nach Sex, Devotion und Unterwerfung zu tun hat. Wann und wo ich es brauchte, wie oft und mit wem und was genau mich erregt. Seit ich ihn kannte, hatte sich mein Verlangen nach Sex immens gesteigert. Ich war regelrecht abhängig von ihm und seiner Nähe geworden.

»Seitdem ich dich besser kenne, denke ich auch täglich an dich, sowohl sexuell, als auch was die alltäglichen Dinge anbelangt«, offenbarte er mir. »Oft frage ich mich, wie ich dich haben und halten möchte im Alltag.« Dass er sich über das Alltagsleben - unser gemeinsames Leben - Gedanken machte, freute mich.

»Das wird aber trotzdem nicht alles ganz so einfach«, bemerkte ich. Wir beide waren immerhin zeitlich sehr eingeschränkt und ich war zudem mit zwei Kindern beschäftigt.

»Das ist mir bewusst und bitte versteh mich nicht falsch, es sind nur Wünsche und Gedanken«, beschwichtigte er mich. Gut. Ich war erst einmal beruhigt, dass wir die Beziehung langsam angehen würden.

Ich durfte noch eine Frage stellen. »Wo hast du am liebsten Sex?«, interessierte mich.

»Überall dort, wo ich dich ficken kann, ohne gestört zu werden.«

»Wirst du nervös in der Öffentlichkeit?«, fragte ich neckend.

»Magst du es nervös Sex in der Öffentlichkeit zu haben?«, stellte er sofort als Gegenfrage.

»Naja, ich finde es draußen recht anturnend und es kommt immer auf die Situation an«, schrieb ich und dachte dabei an einen One-Night-Stand, welchen ich vor einiger Zeit gehabt hatte. Damals war ich bei einer Freundin, in einer für mich fremden Stadt, zu Besuch gewesen. Wir hatten dort ihren Geburtstag in einer Disko gefeiert. Disko ist eigentlich überhaupt nicht mein Ding und meine Freundin war völlig betrunken frühzeitig abgezogen. Ein paar von ihren anderen Freuden und ich beschlossen aber trotzdem zu bleiben und zu tanzen. Ich mag Tanzen, auch wenn ich keine sonderlich gute Tänzerin bin.

Auf der Tanzfläche hatte ich einen jungen Mann bemerkt, der es sichtlich verstand seinen Körper gekonnt zu bewegen. Eine Zeit lang beobachtete ich ihn fasziniert. Schließlich fragte ich ihn, ob er mit mir tanzen würde. Ohne zu antworten, zog er mich an sich. Die Art und Weise, wie er sich gegen mich bewegte und mich dabei immer mehr mit seinen Händen berührte, hatte mich sehr angemacht. Ich ließ mich beim Tanzen von ihm führen. Nach einer Weile fing er an mich zu küssen. Alles um mich herum blendete ich dabei komplett aus. Es gab nur noch diesen Moment - meinen Körper und seine Berührungen. Das Gefühl war unglaublich intensiv und erotisch. Es fühlte sich befreiend an.

Während er sich rhythmisch zu der Musik bewegte, schob seine Hände unter mein Kleid und zog es immer höher über meinen Po. Die Menschenmenge auf der Tanzfläche war sehr dicht und es war recht dunkel gewesen, sodass man nur schemenhafte Gestalten wahrnehmen konnte. Aufgefallen waren wir bestimmt nicht. Aber, selbst wenn man irgendetwas hätte sehen können - wenn uns irgendjemand beobachtet hätte - wäre es mir in diesem Augenblick völlig egal gewesen. Unser Tanz und die Berührungen wurden immer leidenschaftlicher. Ich gab mich ihm völlig hin und ließ mich von ihm führen. Seine Hände streichelten mich, bis er mit seiner Hand in meinen Slip fuhr. Wir hatten Sex auf der Tanzfläche. Alles kam mir wie Traum vor. Plötzlich fragte er, ob wir nicht an einen anderen Ort gehen sollten. Bevor ich antworten konnte, zog er mich aus der Disko. Draußen war es völlig dunkel gewesen, bis auf das dimme Licht der Laternen, welches den einen kleinen Weg in der Grünanlage beleuchtete. Das Licht ließ gelegentlich ein paar schattenhafte Gestalten erkennen.

Wir gingen zu einer Bank. Er setzte sich und zog mich auf sich, wobei er mein Kleid soweit hochschob, dass es noch meinen Po bedeckte. Nach dem er seinen Reißverschluss geöffnet hatte, fing ich an auf seinem harten Schwanz zu reiten. Menschen gingen an uns vorbei, die ich aber gar nicht wirklich wahrnahm. Ich genoss den Augenblick und das Gefühl der Wärme, welches sich in mir ausbreitete. Nach einer Weile merkte ich, wie er kam und sich sein Körper etwas entspannte. Dennoch versuchte er standhaft zu bleiben, bis ich auch kommen würde. Endlich die Erleichterung zu spüren war wie eine erlösende Befreiung, wobei sie leider auch das Ende dieser Ekstase bedeutete.

»Spontan in der Öffentlichkeit kann sehr heiß sein!«, das wusste ich aus eigener Erfahrung.

»Wieder zum Thema«, schrieb er.

»Ich nehme mir den Sex, wenn ich ihn haben will. Dabei ist es mir egal, ob du willst oder nicht, kannst oder nicht und ob du kommst oder nicht. Deshalb will ich, dass du immer geil und feucht bist. Hast du das verstanden?«, fragte er nachdrücklich.

»Ja«, erwiderte ich sofort.

Ich hatte noch eine weitere Frage offen: »Welcher Person vertraust du am meisten?«, wollte ich wissen.

Er erklärte mir, dass er einen deutschen Freund in den USA hätte, den er schon seit einigen Jahren kannte. Durch Zufall hätten sie sich über seine damalige Frau kennengelernt. »Ich würde ihm mein Leben anvertrauen«, beteuerte er.

»Warum vertraust du ihm so sehr?«, fragte ich interessiert. Sein Freund sei der loyalste Mensch, der auch immer offen und ehrlich mit ihm ist, lautete seine Erklärung.

»Er sagt mir auch Dinge, die ich nicht hören möchte, die mich aber dann doch zum Nachdenken bringen. Wir haben schon einige Krisen zusammen durchgestanden. Er ist ein bisschen anders und hat außer mir auch keine anderen Freunde. Mit Frauen hat er auch so ein Problem.« Hört sich kompliziert an, dieser Freund!, schien mir.

Einen guten Freund zu haben ist ein wahres Glück. Im Leben passiert es nicht so oft, dass man wirklich ehrliche Menschen findet, denen man bedingungslos vertrauen kann und die einem immer treu bleiben. Man sollte deshalb sehr dankbar für diese Menschen sein!

Er fuhr fort, dass Loyalität auch seine größte Charakterstärke sei, welche nicht mit Treue zu verwechseln ist.

»Loyalität, ja und Treue, nein? Wo ist denn da bitte der Unterschied?«, wollte ich wissen. Ich hatte mich noch nie wirklich mit diesen beiden Begriffen auseinandergesetzt und war gespannt auf seine Erklärung. Er erläuterte, dass Loyalität zu der Leidenschaft gehöre und Treue zu der Liebe. Liebe und Leidenschaft wiederum seien auch zwei verschiedene Dinge.

»Obgleich auch kombinierbar«, fügte er hinzu.

Aha - das machte irgendwie keinen wirklichen Sinn für mich. Als ich diese beiden Begriffe nachgelesen hatte, kam ich zu dem Verständnis, dass Loyalität ein Wert ist, welchem moralische Leitsprüche zugrunde liegen. Treue hingegen kommt von ›fest und sicher sein‹, wird meist durch Taten bewiesen und ist eine Tugend.

Wenn man von der Liebe zwischen zwei Liebespartnern ausgeht, sind dann nicht immer Loyalität und Treue erforderlich? Da eine Liebesbeziehung, neben der Liebe, doch niemals ohne Leidenschaft überleben kann, wunderte ich mich.

»Welche Art von Liebe?«, wollte ich wissen, »Liebe ist doch nicht immer gleich Liebe, oder?«.

Die Unterhaltung wurde immer verwirrender und philosophischer, weshalb wir beschlossen, diese bei einem Treffen, ausführlich und mit genügend Zeit weiterzuführen. »Eins steht fest«, schrieb er dann, »ich bin nicht gewöhnlich, aber auch nicht ungewöhnlich.«

Okay, und was sollte das nun wieder bedeuten? Was für eine komische Aussage – wer ist denn schon gewöhnlich?, fragte ich mich. Er erklärte, dass er verrückt sei, bescheuert und dickköpfig. Naja, das war ich wohl auch alles - so wie wahrscheinlich die meisten Menschen.

»Warum, um alles in der Welt, bist du denn bescheuert?«, fragte ich verständnislos. Er erklärte mir, dass er ständig bescheuerte Dinge in seinem Leben tat - normaler Sex, normales Verlangen, normaler Job und normale Beziehungen. Wenn das deine Definition von ›bescheuerte Dinge tun‹ ist, dann ist wohl auch fast alles in meinem Leben bescheuert!, dachte ich etwas verärgert.

»Ich habe bis vor kurzem auch eine normale langweilige Ehe geführt - da war aber auch viel Gutes mit dabei und ich bezeichne mich deswegen nicht als bescheuert. Er war einfach nur nicht der Richtige für mich. Hinterher ist man doch immer schlauer. Und was man aus seinem Alltag macht, entscheidet man doch selbst«, verteidigte ich meinen Standpunkt.

»Da hast du Recht«, stimmte er zu.

Seine nächste Frage folgte: »Seit wann weißt du, dass du devot-masochistisch bist?«

»Meine masochistische Seite hat sich definitiv durch meine letzte Beziehung geformt und ausgeprägt. Dominantes Verhalten bei Männern hat mich aber schon immer angezogen. Das ist mir in meiner Jugend auch oft zum Verhängnis geworden«, offenbarte ich.

»Wie genau?«

»Ich hatte einfach schon immer den Drang zufriedenzustellen«, schrieb ich kurz.

Ihn interessierte, wieso der Drang zufriedenstellen zu wollen nicht gut für mich gewesen war. »Ich bin als Jugendliche von einem der besten Freunde meines damaligen Ex-Freundes vergewaltigt worden. Ich war einfach so naiv gewesen und hatte ihm vertraut. Ich kann es nicht genau erklären, aber in gewisser Weise bin ich selbst schuld an dem, was passiert ist«, bei der Erinnerung kam mir ein bitterer Geschmack auf und verzerrte Bilder des Geschehens schossen in meinen Kopf. Das rote schweißgebadete Gesicht dieses Mannes hatte ich nie vergessen können. Und seine Augen, in welchen jegliche Menschlichkeit erloschen gewesen war. Er hatte sich, wie ein Tier auf seine Beute, auf mich gestürzt und nicht mehr abgelassen.

»Mir fehlen gerade die Worte – vielleicht können wir da nochmal persönlich drüber sprechen? Wie alt warst du?«

»Ungefähr siebzehn Jahre.«

Als nächstes interessierte mich, seit wann er sich seiner dominanten Seite bewusst war. Er erklärte mir, dass er dies erst seit den letzten fünfzehn Jahren bewusst ausgelebt hätte. Davor hätte er immer versucht seine dominante Art zu unterdrücken.

»Ich merkte, dass ich mein ganzes Leben immer führen wollte, doch ich verstand es nie. Ich merkte, dass ich nicht der liebe Mann sein kann. Zufrieden war ich nur, wenn ich absoluten Gehorsam bekam«, erläuterte er.

»Und was sagt die Psychologie darüber, Kontrolle um jeden Preis haben zu müssen?«, erkundigte ich mich.

»Kindheitstrauma - also, bei mir jedenfalls. Dafür kann es aber auch viele andere Gründe geben«, lautete seine Antwort. Ich wollte nicht weiter nach Details fragen.

Meine eigene Kindheit war auch nicht allzu schön gewesen. Ich hatte meinen Vater immer als sehr kalt, emotionslos und emotional erpresserisch empfunden. Geliebt hatte er mich nie.

»Ich finde es sehr anziehend, dass du von Natur aus zufriedenstellen willst«, er schien sich wirklich sehr darüber zu freuen.

»Naja, manchmal stehe ich mir, wie gesagt, selbst damit im Weg. Aber ich denke, ich kann jetzt besser damit umgehen. Außerdem bin ich froh, dass du so bist wie du bist!«

Im Verlauf dieser Unterhaltung kam noch ein für mich heikles Thema auf - Essen. Ein weiteres Kindheitstrauma. Wir waren damals als Kinder immer dazu gezwungen worden alles aufzuessen, ganz egal, wie viel auf dem Teller lag. Essen darf man ja nicht verschwenden. Und egal ob es schmeckte oder nicht, ob wir noch hungrig waren oder nicht, der Teller musste leer sein. Ich hatte nie richtig gelernt, wie es sich anfühlt satt zu sein und dann mit dem Essen aufzuhören. Ich war zwar als Kind nicht übergewichtig, trieb auch immer Sport, aber zu den Schlanken hatte ich sicherlich nicht gezählt. Mich selbst so zu akzeptieren wie ich aussah und meinen Körper zu respektieren, das vermochte ich einfach nicht. Wegen meines Aussehens war ich schon immer sehr gehemmt und unsicher gewesen.

Zu allem Überfluss kam dann später, als ich ungefähr fünfzehn Jahre alt war, die Trennung von meiner ersten großen Liebe. Er hatte sich mit der Begründung von mir getrennt, er hätte das Gefühl, dass er mir nicht genug bedeute. Dass das ein billiger Vorwand war, wussten wir beide.

Ich bin ein Mensch, der Trauer in sich hineinfrisst. Es fühlt sich dann so an, als ob mir jemand den Hals zu schnürt und darin ein riesiger Kloß festsitzt.

Damals war ich zwei Wochen lang in einem unfreiwilligen Hungerzustand geblieben - ich hatte einfach nichts herunterbekommen können. Meine Eltern entschieden, dass sie sowieso nicht viel tun könnten und ließen mich einfach trauern. Mir war es stetig schlechter gegangen – ich hatte damals das Gefühl gehabt, nicht mehr leben zu wollen.

Mein Hungern hatte sich dann irgendwann in eine Anorexie verwandelt. Sie hatte mir zum allerersten Mal ein Gefühl absoluter Kontrolle über mich und mein Leben gegeben. Plötzlich hatte ich eine unbeschreiblich machtvolle unerschütterliche Stärke in mir gespürt, welche mich glauben ließ, auf einmal alles erreichen zu können.

In der Schule war ich durch meinen drastischen Gewichtsverlust schlagartig sehr beliebt geworden und bekam Komplimente von Mädchen, die vorher nichts mit mir zu tun haben wollten. Ich hasste sie dafür, aber zur gleichen Zeit fühlte ich mich geschmeichelt und ihnen überlegen - sie bewunderten mich, nicht andersherum! Mein Selbstbild war für lange Zeit völlig verzerrt gewesen. Ich steckte in einem Teufelskreis fest, der meine Gedanken nur noch um ein Thema kreisen ließ - Essen, oder besser gesagt, nichts essen. Der Zustand war furchtbar gewesen, aber zur gleichen Zeit spürte ich ungeahnte Kräfte in mir, welche vor allem mein Selbstbewusstsein ins Unermessliche steigen ließen.

Viele verstehen nicht, wie schlimm und verheerend diese Krankheit wirklich ist. Die meisten denken sich verständnislos: »Ja, dann iss doch einfach was.« Das Problem ist, dass man in dieser surrealen Gedankenwelt gefangen ist, aus der man es alleine nicht mehr schafft auszubrechen und auch überhaupt keinen Grund dafür sieht etwas ändern zu müssen, da man sich selbst nicht als krank empfindet. Vor allem durch die Bewunderung anderer fühlt man sich besser als je zuvor und positiv bestätigt in dem, was man sich selbst antut. Niemand hatte verstanden, welche Leere und Verzweiflung ich wirklich in mir trug.

Ich kann von Glück sagen, dass ich nach einem Monat, ohne etwas Substantielles gegessen zu haben, einen Punkt erreichte, an dem mein Leben ohne Rettung sehr wahrscheinlich sein Ende genommen hätte. Die Rettung war damals von meinem Vater gekommen.

Nachdem ich den ersten Krisenpunkt überwunden hatte, folgte der nächste Teufelskreis - ein Wechselspiel zwischen Bulimie und erneuter Anorexie. Einfach wie gewohnt essen ging ja nicht, da sich so natürlich schnell die Kilos wieder anhäuften. Ich habe mich immer gefragt, warum mich niemand auf mein Problem angesprochen hat. Es scheint oft so zu sein, dass Probleme lieber ignoriert werden, als sie anzuerkennen und Hilfe nur angeboten wird, wenn es wirklich zum Äußersten kommt. Alle, vor allem meine Familie, wussten, dass es mir schlecht ging und dass etwas nicht stimmte. Nur eine Person, nämlich die Mutter meines Ex-Freundes, hatte mich damals direkt und besorgt auf mein Problem angesprochen.

Auch nach meiner kritischen Phase der Anorexie hatte ich noch viele Jahre mit dem Problem zu kämpfen. Zwar nicht in solch einem schlimmen Ausmaß, aber häufig verstärkt in Lebensphasen, welche von bedrückenden persönlichen Problemen und Depression geprägt waren.

Mein letzter Ex-Freund hatte oft darauf bestanden, dass wir zusammen essen gingen und dass ich dann auch etwas mitessen müsse. Er hatte mich förmlich zum Essen gezwungen. Warum musste ich essen? Damit er sich besser fühlte? Überhaupt immer dieser gesellschaftliche Druck, sich vor allem auf sozialen Veranstaltungen vollzustopfen. Wenn ich Hunger habe esse ich, wenn nicht dann eben nicht. Dieser ganze Zwang führt nur zu falschem Essverhalten.

Mein Freund stimmte mir bei allem zu.

»Das verstehe ich und würde ich niemals von dir verlangen«, beteuerte er. Da war ich beruhigt.

»Am wichtigsten ist deine reale Devotion und dass du mich zufriedenstellst. So eine wie dich habe ich schon immer gesucht!« Solche Worte von ihm zu lesen, machte mich jedes Mal überglücklich. So einen Mann wie ihn hatte ich auch schon immer gesucht!

»Dass du auch noch maso bist, ist wirklich die Krönung!«, schwärmte er.

Ich grinste. Ja, diese relativ neue und noch weitgehend unbekannte Seite an mir gefiel mir und verlieh mir zugleich auch ein Gefühl von Stärke. Masochismus verlangt Willenskraft und Disziplin und ich konnte beides aufbringen.

»Meine Grenzen kenne ich da überhaupt nicht. Ich bin offen für vieles, aber dauerhaft verletzen lassen möchte ich mich nicht!«, schrieb ich ihm, nur damit er Bescheid wusste, dass ich nicht alles mitmachen würde.

»Deine Grenzen werde ich schon herausfinden und keine Angst, ich bin Realist - zu viel ist das, was dein Leben negativ beeinflusst oder beeinträchtigt.«

Seine Antwort erleichterte mich. Ich hatte bereits erlebt, wie schnell Schmerz zu einer Art Abhängigkeit, einer Droge, werden konnte. Auf einmal braucht man immer mehr davon, um überhaupt etwas spüren zu können.

Ich musste an einen guten Freund denken, der mir erzählt hatte, dass er, ohne einer Frau Schmerzen zuzufügen, keine sexuelle Erregung mehr verspüren konnte. Ich beabsichtigte nicht, gefühllos zu werden und in völliger Abhängigkeit von irgendetwas leben zu müssen! Für mich stellt jede Art von Abhängigkeit eine Schwäche dar - eine Schwäche im Selbst. Und es gibt immer einen Grund, warum man die Abhängigkeit braucht.

Bei diesem Gedanken realisierte ich nicht, dass ich mich selbst bereits in meine nächste Abhängigkeit gestürzt hatte!

Ein Jahr mit einem Narzissten

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