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Maiswinter

(Mabila im Süden)

Maisblüte starrte auf den Piachi-Fluss, den sie inzwischen erreicht hatten, und wartete in Ruhe auf die Anweisungen, die man ihr geben würde. Verwundert beobachtete sie, dass an zwei Stellen Lager aufgebaut wurden, um die Überquerung vorzubereiten. Die meisten Einwohner des Dorfes waren in ihren Kanus geflohen, sodass die Spanier erst Flöße bauen mussten. Dies nahm einige Zeit in Anspruch. Stoßtrupps der Fremden durchkämmten das Land und brachten Lebensmittel aus anderen Ansiedlungen. Die Gegend war dicht besiedelt, aber viele Bewohner waren vor den Fremden geflohen, wie es Tuscalusa befohlen hatte.

Maisblüte durfte mit den anderen Jungfrauen wieder in der scheinbaren Sicherheit des Häuptlings verweilen. Die Mädchen drängten sich zusammen und wagten es nicht, sich allein zu entfernen. Es war beschämend, die Krieger um Hilfe zu bitten, wenn sie sich für ihre Bedürfnisse entfernen mussten. Sie wurden misstrauisch beobachtet und stets überwacht. Zu den anderen Gefangenen, die dem Tross folgten, hatten sie bisher keinen Kontakt. Nur aus der Ferne beobachteten sie, wie die Fremden ihre Kolonne führten. Die seltsamen Schweine wurden von Soldaten vorwärtsgetrieben und die Ausrüstung auf die Sklaven verteilt.

Maisblüte wunderte sich darüber, was die Fremden alles mitschleppen. Sie hatte gesehen, dass für den Anführer stets ein eigenes Zelt aufgebaut wurde, das mit seltsamen Gestellen ausgestattet war, an die der Mann sich setzte, um zu essen. Er hatte Tuscalusa zu so einem Essen eingeladen und mit dem Fleisch der fetten Schweine bewirtet. Hierbei hatte der Häuptling zum ersten Mal Bewunderung geäußert und anschließend seinen Kriegern zugezwinkert, dass er im Falle eines Sieges diese Schweine als Beute wollte. Dies hatte die Runde gemacht und auch die Mädchen hatten darüber gelacht.

Maisblüte konnte darüber nur den Kopf schütteln. „Fleisch haben wir doch wahrlich genug. Ich möchte lieber eins von diesen großen Wesen. Es muss lustig sein, darauf zu sitzen.“ Sie hatte beobachtet, dass die neuen Tiere meist sanft waren, wenn die Reiter nicht auf ihnen saßen. Außerdem fraßen sie nur Gras und Mais. Das hatte ihre Angst etwas gedämpft. Vielleicht waren es nur große Hunde, die freundlich waren, wenn man sie gut behandelte.

Nebel-am-Morgen starrte sie sprachlos an. „Du würdest es wagen, auf diesen Tieren zu sitzen?“, fragte sie ungläubig.

„Warum nicht?“ Maisblüte kicherte leicht, als sie sich ihrer eigenen Forschheit bewusst wurde.

„Es sind böse Geister aus einer anderen Welt. Darum!“

„Aber sie haben ganz sanfte Augen. Ich glaube nicht, dass es böse Geister sind“, verteidigte Maisblüte ihren Wunsch. „Sie sind nur böse, wenn diese Männer auf ihnen sitzen.“

„Das wird der Heilige Mann entscheiden“, meinte Nebel-am-Morgen altklug. „Uns steht es nicht zu, über die Wesen zu urteilen.“

Maisblüte schwieg lieber. Ihre Freundin hatte recht. Erst einmal mussten sie Mabila erreichen und diesen Fremden entkommen. Sie lagerten auf einer Halbinsel, die der Fluss formte. Der Haupttross lagerte an einer anderen Stelle, sodass die Mädchen die relative Ruhe genossen. Es war sogar möglich, dass sie sich badeten, ohne von Männern beobachtet zu werden. Maisblüte zog frische Kleidung an und packte ihre schönen Sachen in den Tragekorb. Gegenseitig kämmten sie sich die langen Haare und flochten dann strenge Zöpfe, in denen sich der Staub nicht so leicht verfangen würde.

* * *

Nach einer einfachen Mahlzeit wurden die Mädchen von den Kriegern zu einer Stelle des Flusses geführt, an der die Fremden bereits die ersten Kanus gebaut hatten. Maisblüte stand staunend am Ufer und beobachtete, wie diese mit Streitäxten aus seltsamem Material Bäume fällten und mit Schnüren zusammenbanden. Andere fällten große Bäume und höhlten sie mit Werkzeugen aus, die sie ebenfalls noch nie gesehen hatte. Maisblüte blickte auf das Gewimmel der Menschen und hörte auf die lauten unbekannten Rufe, mit denen sie sich Anweisungen zubrüllten. Sie wunderte sich über die schwere, unbequeme Kleidung, die diese Fremden trugen. Ihre Körper waren vollständig bedeckt, während die Krieger ihres Dorfes meist nur einen Schurz trugen und das Haupt mit Federn schmückten. Sie konnte gar nicht sagen, welche Hautfarbe diese Menschen hatten, weil außer der Kleidung und den Hüten nichts zu sehen war. Maisblüte verstand nicht, wozu so etwas gut sein sollte. Sie verstand auch nicht, warum es nötig war, sich ständig anzuschreien. Die gebellten Befehle dröhnten in ihren Ohren und sie hatte bereits jetzt eine Abneigung gegen diese Sprache. Es war eine Sprache der bellenden Hunde. Sollten sie doch in ihr Käferland zurückkehren! Ihr fehlte der Respekt für diese Menschen mit den schlechten Manieren. Erhobenen Hauptes ging sie an das sandige Ufer und wartete ab, was als Nächstes passieren sollte.

Ein langes Seil war über den Fluss gespannt worden, an dem das Floß hinübergezogen wurde. Es hatte sogar eine Art Geländer, an dem man sich festhalten konnte. Die Spanier benutzten lange Stangen, mit denen sie das Floß ebenfalls vorwärtsbewegen konnten. Ein Fremder kam und bat die Mädchen galant, auf ein wartendes Floß zu steigen. Er war ganz offensichtlich stolz auf die Errungenschaften seines Volkes. Maisblüte verbarg ihre Gefühle, denn Kanus konnte auch ihr Volk bauen! Hoheitsvoll schritt sie zum Floß und ließ sich hochhelfen. Sie hielt sich mit einer Hand an dem Geländer fest und wartete in aller Ruhe, bis es ablegte. Die Fremden stießen sich mit den langen Stangen am Ufer ab, während andere das Seil ergriffen und das Floß auf diese Weise über den Fluss zogen. Der Piachi-Fluss war an dieser Stelle relativ breit, führte aber ruhiges Wasser, sodass alle gefahrlos übersetzten.

Maisblüte hüpfte an Land und ging mit den anderen Mädchen zum Dorf. Einige der Fremden zogen durch die Hütten und plünderten dort die Lebensmittelvorräte, die sie fanden. Maisblüte war empört, als sie die Verwüstung mit ansah. Es waren nicht viele Menschen in dem Dorf geblieben, sodass die Mädchen sich in eine Hütte zurückzogen. Die Überquerung würde einige Zeit dauern und so machten sie es sich bequem, froh darum, der Gegenwart der Spanier zu entgehen.

Einige Krieger blieben in ihrer Nähe, während andere den Häuptling und den Hopaii schützten, die sich in das Haus des Häuptlings zurückgezogen hatten. Der Gouverneur hatte Wachen eingeteilt, die zeigen sollten, dass der Häuptling sein Gefangener war. Tuscalusa ließ es zu. Er tat so, als wollte er sich den Fremden unterordnen, und übte sich in Geduld.

Am nächsten Morgen brachen sie wieder auf. Tuscalusa verlangte, dass seine Eskorte vorausging. Er wollte den Eindruck vermitteln, dass die Fremden willkommene Ehrengäste seien, die mit Achtung und Respekt nach Mabila geleitet wurden. Der Gouverneur ließ sich blenden und schickte einen Teil seiner Reiter und Soldaten aus, um in anderen Dörfern Vorräte zu sammeln. Tuscalusa verriet mit keiner Miene, was er davon hielt, sondern ließ den Hopaii und die Jungfrauen vorangehen, um die Wichtigkeit seines Gastes zu unterstreichen.

Maisblüte hatte ein beklommenes Gefühl in ihrem Herzen, denn sie näherten sich stetig ihrem Zuhause. Was würde dort geschehen? Sie hoffte auf den Augenblick, an dem ihre Dienste nicht mehr gebraucht wurden und sie zu ihrer Mutter zurückkehren konnte. Fast wünschte sie ihre erste Blutung herbei, damit sie endlich aus dem Dienst der Jungfrauen entlassen wurde. Die Anwesenheit der Fremden löste Angst in ihr aus.

Am Abend schlugen sie ihr Lager in der Nähe eines Dorfes auf. Die Menschen hatten es längst verlassen, sodass die Reiter dort nur die Vorratsbehälter ausraubten. Maisblüte staunte darüber, wie viel Mais die Fremden für ihre Reiter und Tiere brauchten. Tuscalusa sah auch in den großen Tieren eine Gefahr, die bekämpft werden musste. „Diese großen Wesen kämpfen für ihre Herren und trampeln uns nieder. Auch sie sind eine Gefahr, die wir vernichten müssen!“ Maisblüte widersprach dem nicht. Sie hatte gesehen, wie diese Tiere sich in Bestien verwandelten, wenn die Reiter auf ihnen saßen. Ein Hund, der bissig war, wurde erschlagen.

Am nächsten Tag brachen sie sehr früh auf. Tuscalusa hatte gesagt, dass sie bald Mabila erreichen würden und dass er dort den Fremden die gewünschten Lebensmittel und Träger geben könnte. Er ordnete an, dass die Jungfrauen in ihren besten Kleidern voranschreiten und singend und tanzend in das Dorf einziehen sollten. Dahinter sollten der Heilige Mann und er selbst folgen, umgeben von seinen besten Kriegern. Der Anführer der Fremden willigte ein und ließ vierzig Reiter auswählen, die mit ihm die ersten sein sollten. Er schien verärgert darüber zu sein, dass einige aus seinem Tross sich selbständig gemacht hatten und auf eigene Faust bereits die umliegenden Dörfer eroberten. Er ordnete an, dass diese sofort aufschließen sollten.

* * *

Maisblüte ging neben Vogel-im-Bach und Nebel-am-Morgen den Fußweg entlang und hoffte auf ein gutes Ende der Reise. In den Tälern lag Nebel, der über die abgeernteten Felder strich und sich in den Wipfeln der Bäume verfing. Sie dachte an all die Arbeit und Mühe, die es gekostet hatte, den Mais zu pflanzen und zu ernten. Und den die Fremden sich jetzt einfach nahmen. Sie überzogen wie Nalusa Chito, das große schwarze Ding, das Land mit Tod, Gier und Schrecken, bis nichts mehr übrig blieb. Selbst Tuscalusa verlangte nicht allen Mais von seinen Untergebenen, sondern nur einen kleinen Teil. Dafür bot er Frieden und Stärke. Schon lange hatte es kein Feind mehr gewagt, ihre Dörfer zu überfallen.

Es war immer noch am frühen Vormittag, als die Abordnung das Dorf erreichte. Tuscalusa schritt durch das geöffnete Tor und ließ die Jungfrauen vorangehen. Sie tanzten und sangen ein Willkommenslied. Die Fremden folgten ihnen ahnungslos. Sie boten einen beeindruckenden Anblick, denn an die vierzig Reiter waren ihrem Anführer gefolgt. Im Anschluss folgten Fußsoldaten, Priester und Sklaven, die das Gepäck trugen. Auch einige der Frauen der Spanier waren mit ihrem Gepäck in ihrer Begleitung. Die Menschen wichen ehrfürchtig zurück, als die Reiter auf ihren Pferden durch das Dorf ritten. So etwas hatten sie noch nie gesehen.

Sie bewunderten den Mut ihres Minkos, der mit erhobenem Haupt neben diesen fremden Wesen schritt. Tuscalusa wies den Fremden zwei große Chukkas zu, in die die Fremden ihre Sachen und Pferde brachten. Die Priester und die Frauen blieben mit einer Wache in der Hütte, während der Gouverneur der Einladung des Häuptlings folgte. Tuscalusa führte die Fremden zu dem erhöhten Haus, in dem er sonst residierte. Er schickte die Jungfrauen voraus, lächelte verbindlich und lud DeSoto ein, die Chukka zu betreten. Ebenso höflich ließ der Gouverneur dem Minko den Vortritt. Tuscalusa nickte geschmeichelt und ehe die Spanier reagieren konnten, verschwand der Minko mit einigen schnellen Schritten im Inneren der Hütte. Erst jetzt bemerkten die Fremden, was geschah, denn als sie den Häuptling wieder herauszerren wollten, stießen sie auf eine Übermacht bewaffneter Krieger, die sich in der Hütte verborgen gehalten hatten. Schützend stellten sie sich vor ihren Häuptling und hoben die Waffen, unter ihnen auch Große-Schlange, der die besten Krieger zusammengezogen hatte, um den Minko zu befreien. Mit ihren Keulen drängten sie die Soldaten aus der Hütte und stießen dabei ihre Kriegsschreie aus.

Maisblüte versteckte sich mit den anderen Mädchen hinter den Kriegern und versuchte das Zittern zu kontrollieren, das sie befiehl. Sie hatte ihren Vater sofort erkannt und fürchtete um ihn, als er mit der Keule gegen die Soldaten kämpfte. Er trug nur einen Lendenschurz und hatte ansonsten seinen Körper mit Streifen und Mustern bemalt. Er sah furchterregend aus. Überall dröhnten plötzlich Trommeln und die Krieger stießen hohe Schreie aus. Dann hatten die Krieger die Fremden aus der Hütte geschoben und der Hopaii beruhigte die Mädchen mit seiner sanften Stimme. „Wir beten zu Hashtali, damit er uns beisteht!“, befahl er. Sogleich stimmten die Mädchen ihre Lieder an.

Draußen verlor einer der Fremden die Nerven und zog sein Rapier, als die Indios erregt hin und her drängten. Er trennte einem von ihnen fast den Arm ab und verletzte ihn schwer. Ein empörter Aufschrei war zu hören, dann gab es kein Halten mehr. Ein wahrer Pfeilhagel prasselte auf die Fremden nieder und von überallher drangen die Krieger auf die Fremden ein. Sie schlugen mit Keulen und Messern auf die Feinde ein, ihre Körper nur mit dem Nötigsten bedeckt, um im Kampf nicht behindert zu werden. In vorderster Reihe kämpfte Tuscalusa, der seine Krieger gegen die verhassten Feinde warf, die es gewagt hatten, ihn als Geisel zu nehmen! Sein Mut war allen Männern ein Vorbild und so überwanden sie ihre Furcht vor den seltsamen vierbeinigen Monstern mit den Reitern.

Die Spanier hatten Glück, dass der Platz sehr beengt war und die Krieger zwischen den vielen Hütten nicht in ihrer vollen Stärke angreifen konnten. Mit ihren Degen und Lanzen kämpften sie sich den Weg frei und zogen sich bis zum Tor zurück. Dabei mussten sie bereits schwere Verluste hinnehmen, denn die Pfeile der Krieger trafen gut. Es war kein geordneter Rückzug, sondern eine heillose Flucht, um diesem Hexenkessel zu entkommen. Pferde und Ausrüstung wurden aufgegeben und wer nicht fliehen konnte, wurde einfach seinem Schicksal überlassen. Einige Reiter waren zu Pferde geblieben, um mit dem Mut der Verzweiflung den Weg für die anderen freizukämpfen. Die Pferde verwandelten sich bei dem ohrenbetäubenden Lärm in ebensolche Kampfmaschinen wie die Reiter auf ihren Rücken. Lanzen und Degen bohrten sich in die braunen Leiber und hackten den Weg zum Ausgang aus dieser Hölle frei.

* * *

Todesmutig stürzten sich die Krieger diesen Fremden entgegen und viele wurden schwer verletzt, als die neuartigen Waffen sich durch ihre Körper bohrten. Die Schwerter und Degen trennten Arme von den Körpern, Köpfe rollten über den blutüberströmten Boden und über alles erhob sich der ohrenbetäubende Schlachtruf. Krieger, die zurückweichen wollten, wurden von den Hufen getroffen. Die Pferde stiegen und schlugen aus, als wären auch sie kämpfende Krieger. Tuscalusa hatte sich zurückgezogen und stand vor seiner Hütte, um den Kampf von seiner erhöhten Position aus zu beobachten. Mit ihren Kriegsschreien trieben die Krieger die Feinde weiter auf die Ebene hinaus. Sie kämpften wagemutig und zornerfüllt. Andere versuchten in die Hütte einzudringen, um die Feinde, die sich dort aufhielten, zu töten. Große-Schlange führte diesen Angriff und schickte einige Männer auf das Dach, damit sie von oben in die Chukka eindrangen. Aber die Spanier wussten sich zu wehren und vertrieben die Krieger mit ihren Armbrüsten. Die Wachen der Priester und Frauen kämpften mit dem Mut der Verzweiflung und konnten die Krieger am Eindringen hindern. Gebete wurden geflüstert und die Jungfrau Maria angefleht.

Dann wurde der Angriff zurückgeworfen, als die Verzweifelten endlich Verstärkung vom Tross erhielten. Immer mehr Soldaten mit Hellebarden und Armbrüsten trafen ein und unterstützten ihren Anführer in seinem Kampf gegen die wilden Eingeborenen. Mit einer Attacke ritten sie gegen das Dorf und befreiten die eingeschlossenen Priester und Frauen aus der Hütte. Es gelang ihnen, doch dabei mussten sie die gesamte Ausrüstung zurücklassen. Die Pferde, die in einer anderen Hütte standen, waren bereits verloren, denn die Krieger hatten sich Zutritt verschafft und sie allesamt getötet. Die Pferde galten als Krieger und wurden somit als Feinde getötet.

Tuscalusa hatte tapfer gekämpft und ordnete den Rückzug an. Sein Dorf war gut befestigt und so glaubte er, sich hinter dem geschlossenen Tor verschanzen zu können. In Windeseile kletterten seine Krieger auf die Palisaden, um von dort die Angreifer abzuwehren. Der Heilige Mann wies die Jungfrauen an, noch lauter für das Volk zu beten und zu singen. Ihr Gesang sollte den Menschen Kraft für den Kampf geben und die Krieger auf den Tod vorbereiten.

Donnergrollen im Land der grünen Wasser

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