Читать книгу Donnergrollen im Land der grünen Wasser - Kerstin Groeper - Страница 16

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Steinemacher

(Menominee im Norden)

Machwao steuerte das Kanu bedächtig den Manomäh-Sipiah hoch. Sie paddelten gegen die Strömung und so halfen auch Wakoh und Wapus, das Kanu voranzutreiben. Gleichmäßig glitten die Paddel durch das Wasser, das ihnen mit leicht gekräuselten grauen Wellen entgegenkam. Zwischen ihnen lag Awässeh-neskas mit geschlossenen Augen. Er fieberte leicht und sie hatten ihn gefesselt, damit er nicht durch eine plötzliche Bewegung das Kanu zum Kentern brachte. Um ihn warm zu halten, hatten sie ihn in ein warmes Elchfell gewickelt. Manchmal wälzte er sich mit ruckartigen Bewegungen hin und her, sodass das Kanu gefährlich hin und her schwankte. Machwao glich die schlingernde Bewegung dann mit seinem Gewicht aus. Er sehnte den Augenblick herbei, an dem sie endlich das Dorf erreichten, denn ihrem Freund ging es schlecht.

Es war der dritte Tag nach dem Angriff. Sie hatten die beiden Feinde mit Steinen bestattet und sich ihrer Waffen bemächtigt. Dann hatten sie Tabakopfer niedergelegt und Salbei verbrannt, damit die Geister der Toten sie nicht verfolgten. Machwao bedauerte die kurze Auseinandersetzung, denn sie würde Racheakte nach sich ziehen. Irgendwer würde diese Männer vermissen und sich auf die Suche nach ihnen begeben. Und irgendwer würde nach Rache dürsten. Es musste nicht unbedingt sein, dass sein eigenes Dorf damit in Gefahr war, aber es war sehr wahrscheinlich, dass irgendein Dorf dafür büßen musste. Der Ort lag im Gebiet der Menominee und diese Feinde würden die Mörder also bei den Menominee suchen.

Machwao seufzte tief, denn es war nicht in ihrer Absicht gewesen, jemanden zu töten. Sie waren darauf vorbereitet worden, die heiligen grünen Steine zu sammeln, und nicht gegen Feinde zu kämpfen. Ein Kriegszug musste stets wohlüberlegt sein und durfte nicht ohne lange Zeremonien und Vorbereitungen durchgeführt werden. Wenn sie heimkehrten, dann mussten sie sich reinwaschen und die Geister um Verzeihung bitten. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sein Freund aus seiner kurzen Ohnmacht erwachte und sich stöhnend hin und her wälzte. Machwao steuerte das Ufer an und ließ das Kanu in den Sand rutschen. Wapus und Wakoh hatten erkannt, was er tun wollte, und legten die Paddel bereits in das Innere. Wakoh sprang an Land und zog das Kanu noch ein Stück höher. Dann blickte er Machwao fragend an. Die roten Striche auf seiner Stirn kräuselten sich dabei.

Mit vorgeschobenen Lippen deutete Machwao auf den Verletzten. „Er braucht Wasser! Außerdem sollten wir nach der Wunde sehen. Es sieht aus, als würde sie wieder bluten.“

* * *

Wapus legte besorgt die Stirn in Falten, denn es war nicht gut, dass die Wunde sich einfach nicht schloss. Auch er hoffte auf den nächsten Tag, wenn sie endlich das Dorf erreichten. Er beugte sich über den Freund und schob vorsichtig die blutigen Baststreifen zur Seite. Machwao hatte recht. Die Wunde blutete wieder. Jede kleine Bewegung verhinderte, dass die Wunde sich endlich schloss. Die fiebrigen Augen zeigten ihm, dass Awässeh-neskas bereits mit den Geistern sprach. Stöhnend wälzte der Freund sich hin und her. Seine Arme und Beine waren gefesselt, sodass er nur kleine Bewegungen machen konnte, aber er lag nicht ruhig genug, damit die Wunde sich endlich schließen konnte. Wapus flößte dem Mann etwas Wasser mit einer Kürbisschale ein und richtete sich auf, um die weiteren Schritte zu überlegen. Als Metewin-Mann wusste er, dass man eine Wunde auch nähen könnte, doch er hatte dies noch nie selbst gemacht. Außerdem fürchtete er, dass dann das Böse, das die Heilung verhinderte, nicht mehr hinaus konnte. Nein, er brauchte die Stöcke, die ihnen einst der Großmuttergeist der Erde gegeben hatte, um die Heilkräfte von Awässeh-neskas zu stärken. Sein Freund hatte sein Medizinbündel dabei und durch Lieder und Singen würde es ihnen gelingen, dass es ihrem Freund wieder besser ging. Er legte neue Kräuter auf die Wunde, die die Hitze aus dem Körper ziehen würden, nahm zwei Stöcke, die er in der Nähe fand, und begann einen eintönigen Takt zu schlagen. Mit lauter Stimme sang er die Lieder, die sein Vater ihm in der Metewin Hütte gelehrt hatte. Wakoh und Machwao standen neben ihm und beobachteten die kleine Zeremonie. Auch Awässeh-neskas lag still und schien mit klarem Verstand den Liedern zu lauschen. Das Wasser hatte ihm gutgetan.

* * *

Wakoh trat einige Schritte zur Seite und beobachtete sorgsam die Umgebung. Das Letzte, was sie gerade gebrauchen konnten, war ein weiterer Überraschungsangriff. Nach seinem Geschmack waren die Anishinabe viel zu weit südlich. Die Menominee hatten schon einmal, vor langer Zeit, ihre Dörfer verlegt, um dem Druck dieses mächtigen Volkes auszuweichen. Vielleicht war es an der Zeit, sich tiefer in die Wälder zurückzuziehen? Seine Muskeln waren angespannt, seine Augen leicht zusammengekniffen, als er aufmerksam den Blick schweifen ließ. So leicht entging ihm nichts! Er war schon mehrmals zu seinem Kriegsanführer ausgewählt worden, denn die Menschen vertrauten seiner Kampfkraft. Es waren kleinere Geplänkel gewesen, die mehr den Zweck verfolgt hatten, ihre Jagdgründe zu sichern. Besonders nachdrücklich gingen sie hierbei jedoch nicht vor. Die Menominee waren eher als Händler und friedliebendes Volk bekannt. Kämpfer wie Wakoh waren daher die Ausnahme. Die meisten Männer waren geschickte Jäger, vermieden aber Konflikte mit anderen Völkern, außer sie wurden angegriffen. In ihrem Kosmos waren alle Lebewesen und Dinge miteinander verwandt und wurden respektvoll behandelt – selbst Feinde.

Die Aufmerksamkeit von Wakoh ließ nach, als er nichts Verdächtiges bemerkte. Bald hätten sie ohnehin ihr Dorf erreicht und er glaubte nicht daran, dass Feinde sich so nahe heranwagten. Zu leicht konnte man hier auf spielende Kinder oder Jäger stoßen, die dann das Dorf warnten. Andererseits konnte er seinem Freund im Moment kaum helfen und so kletterte er ein Stück das Ufer hoch und verschwand zwischen den Bäumen. Er erreichte eine felsige Anhöhe und kletterte hinauf, um von dort den Fluss zu überblicken. Sie waren kurz vor der Stelle, an der der Fluss sich zu einem See erweiterte. Dichtes Schilf verdeckte einen Teil des Ufers und im Wasser ragten die Halme des wilden Reises heraus. Es war still, denn die Ernte war vorbei, und viele Wasservögel hatten bereits die Reise in den Süden angetreten. Nur vom Ufer unter ihm erklangen der eintönige Singsang von Wapus und das rhythmische Schlagen der Stöcke.

Er lauschte kurz der Zeremonie und kletterte dann die Felsen wieder hinunter. In Gedanken versunken ging er ein Stück in den Wald. Seine weichen Sohlen vermieden jedes Geräusch, sodass er wie ein Geist über die Ranken und Flechten schwebte. Unhörbar, als würde er sich an ein Tier schleichen. Es war nicht beabsichtigt, sondern gehörte zu seinen ureigenen Bewegungen wie das Atmen. Sein Überleben hing davon ab, dass er nicht gesehen oder gehört wurde, gleichgültig ob er jagte oder gejagt wurde. Aber diese Dinge waren ihm vertraut. Hier fühlte er sich wohl. Er ging gern mit Freunden zur Jagd oder auf Reisen, denn dann vermied er unangenehme Begegnungen im Dorf. Er ahnte, dass junge Frauen ihn eher mieden, weil er als unnahbar galt, dabei sehnte er sich nach einer Gefährtin. Bei Kämenaw Nuki spürte er diese Vorbehalte nicht und so hatte er beschlossen, auf ihre ersten Riten zu warten. Es freute ihn, wenn sie ihn mit einem langen Blick aus ihren Augen verfolgte, wenn sie glaubte, dass er es nicht bemerken würde. Er ließ sie stets in diesen Glauben und lächelte dann voller Glück. Dass Machwao keine Einwände hatte, wenn er irgendwann um das Mädchen werben würde, hatte ihn erfreut. Kämenaw Nuki war bereits wie eine Knospe erblüht und es war absehbar, dass sie bald zur Frau heranreifte. Er hatte Geduld!

Seine Gedanken kehrten in die Wirklichkeit zurück und er richtete die Aufmerksamkeit wieder auf die Umgebung. Er schlug einen leichten Bogen und kehrte schließlich zum Fluss zurück, um sich seinen Freunden anzuschließen. Der Gesang war verstummt und er wusste, dass sie aufbrechen wollten. Awässeh-neskas gehörte in die Hände erfahrener Medizinleute.

Mit einer schnellen Bewegung ließ Wakoh sich zu Boden gleiten, als etwas in einiger Entfernung seine Aufmerksamkeit erregte. Es war nur ein Lichtreflex gewesen, wie wenn ein Blatt sich im Sonnenlicht wendete, und doch hatte es ihn aufgeschreckt. Sein Herz pochte plötzlich Blut durch seine Adern und seine Atmung wurde schneller. Es waren kaum noch Blätter an den Bäumen! Etwas hatte sich bewegt und dadurch das Licht unterbrochen! Kurz überlegte er, ob er zum Ufer zurückrennen sollte, um seine Freunde zu warnen. Andererseits wäre es besser, wenn er wirklich wüsste, ob tatsächlich eine Gefahr drohte. Wo zwei Anishinabe waren, lungerten vielleicht noch andere herum. Waren sie nur einer Vor- oder Nachhut begegnet? Sie waren nur langsam vorwärtsgekommen, weil sie immer wieder hatten halten müssen, um ihren Freund zu versorgen. Also wäre es durchaus möglich gewesen, dass andere Anishinabe sie überholt hatten.

Auf allen vieren kroch er durch das Unterholz, sorgsam darauf bedacht, sich nicht durch unvorsichtige Bewegungen zu verraten. Hinter einigen Felsen richtete er sich vorsichtig auf und wagte einen Blick in die Richtung, aus der die Lichtreflexion gekommen war. Zwischen den Bäumen konnte er die deutlichen Umrisse einer Elchkuh und ihres Kalbes erkennen, die friedlich ästen und dabei in langsamen Schritten vorwärtsgingen. Ein dunkles, erleichtertes Lachen stieg in ihm hoch, das die beiden natürlich sofort in die Flucht trieb. Krachend brachen sich die beiden ihren Weg durch das Unterholz, trampelten bei ihrer panischen Flucht alles nieder, was ihnen entgegenkam, während Wakoh sich vor Lachen den Bauch hielt.

Das Kälbchen stakste dabei auf seinen dürren Beinen neben der Mutter her und bei dem Versuch, unter ihren Bauch zu schlüpfen, brachte es die Elchkuh fast zum Stürzen. Mit einem hohen Sprung brachte sich die Kuh in Sicherheit, während das Kälbchen kläglich blökte.

Hohhoh! Wenn er jemandem erzählte, dass er sich vor einer Elchkuh und ihrem Kalb gefürchtet hatte, dann wäre es um seinen Ruf geschehen. Kopfschüttelnd drehte Wakoh sich um und lief schnellen Fußes zum Kanu zurück. Seine Freunde sahen ihn fragend an und er machte eine beruhigende Handbewegung.

„Nichts! Ich habe eine Elchkuh und ihr Kalb erschreckt.“ Machwao grinste frech. „Oder haben sie dich erschreckt?“

Wakoh steckte die Anspielung mit einem Lächeln weg. „Vielleicht! Ich war in Sorge, ob vielleicht noch mehr Anishinabe in der Nähe sind.“

„Und?“

Die forschenden Augen ließen Wakoh ernst werden. „Nein! Wo eine Elchkuh mit ihren Kalb friedlich frisst, sind sicherlich keine Feinde.“

„Wieso nicht? Du warst ja auch in der Nähe!“

Wakoh lachte dunkel. „Ja, aber ich habe gelacht, als ich sie gesehen habe. Erst dann sind sie weggelaufen.“

„Auch unsere Feinde sind geschickt darin, sich lautlos anzuschleichen“, gab Machwao zu bedenken.

Wakoh nickte nur. Dazu gab es nichts zu sagen. Er half Wapus und Machwao, das Kanu ins Wasser zu schieben, und setzte sich wieder nach vorne. Vorsichtshalber legte er den Bogen griffbereit neben sich. Das Kanu schaukelte leicht, als auch Machwao und Wapus an Bord kletterten. Machwao steuerte das Kanu in die Mitte des verbreiterten Flusses, um es außerhalb der Pfeillänge möglicher Feinde zu bringen. Hier konnten sie aber auch bereits von weitem entdeckt werden. Im Schilf wären sie versteckt gewesen. Alles hatte seine Vor- und Nachteile. Aber Machwao wollte nicht durch die Uferpflanzen aufgehalten werden, sondern das Dorf möglichst schnell erreichen. Sie paddelten wieder zu dritt. Mit ruhigen, kräftigen Schlägen trieben sie das Kanu über das Wasser. Im Westen neigte sich die Sonne bereits dem Horizont zu und sie wussten, dass die Nacht schnell kommen würde. Die Tage waren bereits kurz.

* * *

Es war Abend, als sie endlich das Ufer ihres Dorfes erreichten. Wakoh rief um Hilfe und sogleich näherten sich die Bewohner, um zu sehen, was sich ereignet hatte. Wakoh deutete mit einer Kopfbewegung auf die am Boden liegende Gestalt und erzählte kurz, was passiert war. „Anishinabe haben uns überrascht und Awässeh-neskas schwer verletzt. Bringt ihn in die Metewin-Hütte.“

Ein spitzer Schrei erhob sich aus der Menge und eine junge Frau drängte sich durch die Anwesenden. Es war die hochschwangere Ehefrau von Awässeh-neskas, die sich bestürzt über das Kanu beugte. „Mein Mann, mein Mann, was ist geschehen?“ Ihr Wehklagen war weithin zu hören, als die Männer den Verletzten vorsichtig aus dem Kanu bargen und zur Hütte der Metewin-Männer brachten. Der Eintritt wurde ihr verwehrt und so blieb sie klagend davor stehen, schlug die Hände vors Gesicht und sank schließlich in die Knie. Aber es war besser so. Die Medizinleute brauchten all ihr Wissen, all ihre Gesänge und all ihre spirituelle Kraft, um Awässeh-neskas zu helfen. Eine Frau, die kurz davor stand, ein Baby zu gebären, wäre keine Hilfe. Sie musste sich auf andere Dinge vorbereiten. Mehrere Frauen kamen zu Hilfe und führten die Frau in ihren Wigwam zurück. Die Schwiegermutter nahm die Frau tröstend in die Arme und es waren ihre Worte, die Regen-auf-dem-Wasser aus der Trauer rissen, denn auch die Schwiegermutter machte sich sicherlich große Sorgen um den Sohn. „Mutter, Mutter, wir müssen flehen!“, bat sie mit tränenerstickter Stimme.

„Ja, meine Tochter. Wir müssen die Geister anflehen, ihn genesen zu lassen. Setz dich zu mir!“, forderte die Mutter ihre Schwiegertochter auf.

Sie sangen und flehten die ganze Nacht, steigerten sich in eine Art Trance, als sie die Geister darum baten, Awässeh-neskas in seinem Kampf gegen das Böse in seinem Körper zu helfen. Ihre Stimmen mischten sich mit den Gesängen aus der Medizin-Hütte. Auch dort behandelte man den Verletzten hauptsächlich damit, seine spirituelle Medizin zu stärken. Dann wechselten sie die Verbände um die Schulter und überließen Awässeh-neskas dem Schlaf. Vielleicht lag es an den Gesängen, vielleicht an dem Kraut, das der Medizinmann auf seine Wunde gelegt hatte, oder an dem einschläfernden Trank, den man ihm eingeflößt hatte, aber Awässeh-neskas schlief ruhig und ohne sich hin und her zu wälzen.

Am Morgen war das Fieber gesunken und die Männer trugen den Mann zurück in seinen Wigwam. Dort knieten die beiden Frauen – erschöpft von der langen Nacht – und sahen mit bangen Augen auf den erschöpften Krieger. Der Medizinmann trat hinzu und gab den Frauen noch Anweisungen, wie sie den Verband in den nächsten Tagen wechseln sollten. Dann verabschiedete er sich mit einem freundlichen Nicken. Auch er war müde. Die Geister forderten ihren Tribut, wenn sie Hilfe gewährten.

Machwao begleitete unterdessen Wapus zu einem besonderen Mann. Er hatte die grünen Steine dabei, die sie gesammelt und erbeutet hatten. Nur auserwählte Männer durften sie bearbeiten. Es gab nur wenige Menschen, die das Geheimnis kannten und wussten, wie man die grünen Steine bearbeitete und schöne Dinge daraus herstellte. Mit diesen Waren wollten die Männer dann im Frühling aufbrechen, um weit im Süden Dinge einzutauschen, die es hier nicht gab. Auf ihrem Weg kam ihnen Wakoh entgegen. Auch er sah übernächtigt und müde aus. „Hast du etwas gesehen?“, fragte Machwao misstrauisch.

Wakoh schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe die ganze Nacht gewacht, aber mir ist nichts aufgefallen.“

Machwao senkte nachdenklich den Kopf. Es war nicht üblich, Wachen aufzustellen, aber vielleicht war doch Vorsicht geboten. Entschlossen schaute er Wakoh in die Augen. „Dann werde ich heute Nacht nochmals wachen!“, erklärte er sich bereit.

Wakoh schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Das ist gut! Dann werde ich sicherlich viel besser schlafen, wenn ich weiß, dass du über meinen Schlaf wachst.“

Machwao grinste schief. „Du solltest jetzt schlafen! Du siehst furchtbar aus.“

Wakoh nickte nur und trottete wie ein kleiner Hund davon. Er verschwand in dem kleinen Wigwam, in dem er allein mit seiner Mutter lebte. Er war der einzige Überlebende von insgesamt fünf Geschwistern. Das war vielleicht auch ein Grund, warum er oft so zurückhaltend war, denn er war mit Tod und Trauer aufgewachsen. Das Lachen war schon früh aus diesem Wigwam verschwunden.

Wapus zog Machwao mit sich fort, der dem Krieger immer noch nachdenklich hinterher sah. „Was ist los? Stimmt was nicht?“

„Hoh, ich dachte daran, mit Biberherz darüber zu reden, ob es vielleicht vorausschauend wäre, auch tagsüber Wachen aufzustellen“, meinte Machwao ausweichend.

Wapus blieb wieder stehen und nickte. „Du hast recht! Wir werden erst sicher sein, wenn der erste Schnee fällt.“

Biberherz war der derzeitige Führer des Stammes. Er gehörte dem Bärenclan an und war somit geeignet gewesen, diese Rolle zu übernehmen. Er hatte sie von seinem Vater, einem ebenso geachteten Anführer, geerbt. Ihm zur Seite standen die anderen Ratsmitglieder, die jedoch stets auch die Clanmütter befragten, wenn es um wichtige Entscheidungen ging. Biberherz zählte bereits mehr als fünfzig Winter, doch von ihm wurden weniger Tapferkeit und Kampfeskraft als weise Entscheidungen gefragt. Für Kriegszeiten wurde der Kriegshäuptling gewählt. Die beiden machten einen kleinen Umweg und duckten sich, als sie nach einem Räuspern in den Wigwam des Häuptlings traten. Innen war es geräumig und warm. An den Wänden standen erhöhte Bettgestelle, doch um das Feuer herum lagen einige Felle, die den Besucher zum Sitzen einluden. Noch wurde vor dem Wigwam gekocht, sodass die Männer allein mit Biberherz sprechen konnten.

Der Häuptling hörte aufmerksam zu und machte eine abschließende Handbewegung. „Es war weise von Wakoh, diese Nacht über uns zu wachen. Ich werde dem Rat berichten und empfehlen, die nächsten Tage Wachen aufzustellen. Euer Rat ist wohlüberlegt. Ich denke auch, dass wahrscheinlich mehr Anishinabe hierher unterwegs sind. Wenn nicht zu diesem Dorf, dann doch zu anderen. Wir sollten auch Läufer aussenden, die die anderen Dörfer warnen. Vielleicht war das der Grund, warum Awässehneskas verletzt wurde? Um uns zu warnen?“

Wapus hob die Schultern. „Es geschieht nichts ohne Grund. Wir waren auch nicht unvorsichtig. Wakoh hatte uns gewarnt, denn er hatte die Feinde erspäht. Trotzdem hat der Pfeil Awässeh-neskas erwischt.“

Biberherz nickte. „Seht ihr! Ihr denkt wie ich. Wir werden Wachen aufstellen. Und ich werde den Frauen und Kindern sagen, dass sie das Dorf nicht verlassen sollen!“ Er trat mit den beiden Männern vor den Wigwam und gab einigen Jugendlichen, die in der Nähe der Erwachsenen darauf warteten, vielleicht spannende Geschichten zu hören, die Anweisung, die Nähe des Dorfes auszukundschaften. Nur zu gerne machten die Jungen sich auf den Weg, denn es war eine ehrenvolle Aufgabe. Feinde auszuspähen hörte sich nach Gefahr an und die Jungen wollten sich bewähren und ihren Wert für das Volk zeigen. Biberherz schüttelte schmunzelnd den Kopf und machte sich auf den Weg zum größeren Wigwam, der für die Ratsversammlungen genutzt wurde.

* * *

Halbwegs beruhigt gingen Machwao und Wapus zum Steinemacher des Dorfes. In dessen Wigwam hingen viele Zaubergegenständen an der Decke, denn die Arbeit mit den grünen Steinen verlangte viele Gebete und Zeremonien. Der große weiße Bär mit dem Kupferschwanz überwachte genau, was mit seinem Geschenk geschah. Der Mann war aber auch ein Meister darin, Pfeilspitzen herzustellen und Bögen zu bauen. Er hieß „Bärenauge“, was ja gut passte, denn er hütete das Geschenk des Bären wie seinen Augapfel. Auch er war schon älter und wurde gerade deswegen mit besonderem Respekt behandelt. Bärenauge hatte einen Sohn, der bereits in die Geheimnisse eingeweiht wurde. Ein anderer Sohn war ein guter Jäger, der lieber einen anderen Weg für sich suchte. Außerdem hatte der Steinemacher noch einen Schüler seines Clans, den er für gut befunden hatte, um ihn auszubilden. Niemand stellte dies in Frage, denn es war seit Anbeginn der Zeit so.

Machwao reichte dem älteren Mann ehrerbietig den Beutel mit den Steinen. Der Mann ließ sich genau erklären, wie sie zu den Steinen gekommen waren, und legte dann nachdenklich den Kopf zur Seite. „Nachdem ihr die Steine mit Blut bezahlt habt, müssen wir erst eine Reinigungszeremonie machen!“

Machwao sagte nichts und Wapus senkte verlegen den Kopf. „Sie haben uns überrascht. Ohne Wakoh wären wir vielleicht tot!“ Bärenauge lächelte weich, denn er sah darin keinen Widerspruch.

„Ihr habt euer Leben verteidigt!“, beeilte er sich zu sagen. „Dennoch wurden Leben geopfert, die wir nun versöhnen müssen! Erst dann ist es möglich, die grünen Steine zu bearbeiten.“

„Hätten wir sie besser liegen lassen sollen?“

Der Steinemacher legte wieder den Kopf schief und dachte darüber nach. „Nein, denn sie waren bereits gesammelt worden. Das Geschenk des Bären abzulehnen, hätte sicherlich Strafe nach sich gezogen.“

„Hmh!“ Machwao war nicht so ganz überzeugt, denn sein Freund hatte einen hohen Preis hierfür bezahlt.

Der Steinemacher überhörte die gebrummten Zweifel.

„Ich kenne jetzt eure Geschichte und kann die Geister um Verzeihung bitten. Anschließend werde ich wunderschöne Dinge erstellen können.“ Er nahm abschätzend einen Klumpen in die Hand und zeigte ihn den beiden Männern. „Seht ihr? Hieraus lässt sich eine Figur zaubern.“ Er nahm einen anderen Klumpen in die Hand und drehte ihn hin und her. „Und hier sehe ich eine scharfe Messerklinge …!“ Er machte eine auffordernde Handbewegung und scheuchte die Männer damit hinaus. „Und nun geht! Ich habe Arbeit vor mir!“

Donnergrollen im Land der grünen Wasser

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