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8.Kapitel
ОглавлениеDank dem Darlehen von Waldemar mietete Mario in Paris ein kleines Zimmerchen und fing an durch die Stadt zu laufen, auf der Suche nach einem Friseursalon, in dem er nach Arbeit fragen konnte. In dem ersten, in den er hinein ging, bekam er sofort eine Absage. In den zwei Nächsten wollten sie mit ihm nicht mal reden. Vielleicht sprach er schlecht französisch, aber er konnte sich doch ganz gut verständigen, lernte fleißig diese Sprache, denn seit Jahren war Paris sein Traum.
-Eigentlich, wozu versuche ich es in irgendwelchen unbedeutenden Geschäften. Das ist nur verlorene Zeit. Hier wird niemand mein Talent erkennen. – dachte er und ging zu einem der luxuriösesten Salons im Zentrum der Stadt.
- Bon jour, junger Mann, womit kann ich ihnen dienen? – fragte ihn höfflich mit einem Lächeln ein schöner Jüngling, der gleich bei dem Eingang hinter einer eleganten Theke stand.
- Ich möchte gern mit dem Chef sprechen. – antwortete Marian und lächelte so schön er nur konnte.
- Einen Moment. – Der Schöne hob den Telefonhörer. – Mon cher ami, jemand für dich. Ein junger Mann.-
Er legte den Hörer wieder ab und sagte:
-Kommen sie bitte mit.-
Er führte Marian durch den Salon, der so riesig groß und so wunderschön war, dass Marian von diesem Luxus schwindelig wurde.
-O Mann, ein Gay!- dachte er, als der Schöne ihn dem Chef vorstellte.
Dazu hat sich noch herausgestellt, dass der Chef polnische Vorfahren hatte, also mochte er Marian auf Anhieb. Er war ein guter Menschenkenner, er schätzte sie auch nach der Kleidung, Frisur, und vor allem nach persönlichem Style ein, bat Marian irgendetwas zu zeichnen, und der Atem stockte ihm, als er einen bunten Vogel mit menschlichem Gesicht erblickte. Er hatte einst dasselbe gezeichnet, bevor er in die Lehre bei einem großen Meister aufgenommen wurde. Lange schüttelte er vor Verwunderung den Kopf, und Marian konnte lange nicht an sein Glück glauben.
Er sollte morgen schon anfangen.
Und so verbrachte er in diesem Salon einige Jahre. Er lernte sehr gewissenhaft von Grund auf den Beruf. Der Chef war mit ihm sehr zufrieden, sah ihn ihm von Anfang an ein großes Talent.
Mario telefonierte oft mit seiner Mutter, schickte ihr Geld. Zuerst sparte er vom Trinkgeld und später von dem Verdienten, und es war ziemlich viel. Er lebte bescheiden, sparte und dachte an die Zukunft, in der er nach Polen zurückkehren würde.
Nur die Klamotten hat er sich gegönnt. Er war eitel und kleidete sich mit größter Sorgfalt, war immer sehr höflich und mit einem Lächeln. Er gefiel allen, Männern und Frauen.
Einst hat er sich sogar von einer Frau verführen lassen. Er tanzte lange mit ihr auf einer Party bei seinem Kollegen, und danach war er mit ihr in ihrem Bett gelandet. Er fand jedoch keinen Spaß dabei, und beschloss bei dem männlichen Geschlecht zu bleiben.
Eines Tages erschien in dem Salon ein Kunde, dem Marian die Haare schneiden sollte. Es war ein Mann um die vierzig, hatte lange, leicht ergraute Haare, ungewöhnlich hellblaue Augen, die bei seiner gebräunten Haut sehr großen Eindruck machten.
Die beiden schauten einander wie verzaubert an.
Jean war ein bekannter Pariser Marchand, reich, charmant und sehr beliebt in der Gesellschaft. Er hat sich bis zum Wahnsinn in den schönen Polen verliebt, verwöhnte ihn, überschüttete ihn großzügig mit Geschenken, und schon bald wohnten sie zusammen in einer eleganten Villa. Er hat ihm gute Bücher zum Lesen empfohlen, machte ihn mit der Kunst bekannt, lehrte ihn die Malerei zu betrachten, ging mit ihm ins Theater, in die Konzerte. Marian nahm alles an und lernte bei ihm die Gesellschaftselite kennen. Er beobachtete alle sehr aufmerksam, lernte von ihnen vornehme Manieren. Am Anfang fühlte er sich unter ihnen unwohl, aber schon nach kurzer Zeit wurde er mehr selbstsicher. Er schenkte Jean große Liebe und bewunderte ihn in allem. Jean war geschieden und hatte zwei erwachsene Kinder, die nichts von ihm wissen wollten, aber nicht wegen seiner Homosexualität. Sie nahmen ihm übel, er wäre zu ihrer Mutter sehr schlecht und hätte sie in den Alkoholismus getrieben. Es war jedoch nicht wahr. Er bemühte sich sogar, ihr zu helfen von der Sucht wegzukommen, besorgte ihr die Aufenthalte in der besten Klinik. Alles war umsonst, sie wollte ihn!
Als er sie heiratete, wusste er nicht, dass es ein großer Fehler war. Erst nach Jahren wurde es ihm bewusst, wer er wirklich war, wollte nicht mehr mit der Lüge leben und bat sie um die Scheidung.
Marian blühte in seinem Beruf auf, hatte schon seine Stammkundschaft, einen großartigen Partner, die Liebe, das Geld und die Anerkennung. Aber langsam begann er etwas zu vermissen, Polen. Er hatte immer größeres Heimweh nach Warschau. Es waren sieben Jahre vergangen seit dem Tag, als er aus dem Zug auf dem Bahnhof in Paris ausgestiegen war. Zwar besuchten ihn oft Maja und Waldemar und einmal sogar seine Mutter mit Janna, aber das reichte ihm nicht. Er beschloss zurückzukehren.
-Willst du mich verlassen? Hast du es hier schlecht? Hier fehlt es dir doch an nichts. - fragte Jean mit besorgter Miene und streichelte dabei zärtlich seine Wange.
- Doch, es fehlt mir das Eine, meine Heimatstadt.-
Zusammen haben sie die Rückkehr besprochen. Sie gaben eine Abschiedsparty für alle Kollegen aus dem Salon. Der Chef war untröstlich, einen so talentierten Mitarbeiter zu verlieren.
Danach packten sie das Auto und fuhren los.
In Warschau hat Jean eine wunderschöne Wohnung für seinen Liebsten gekauft und beschloss, so oft wie möglich hierher zu fliegen.
Marian hat sehr schnell Arbeit in einem der besten Salons in der Stadt gefunden. Seine Mutter sah er sehr oft, sie kam zu ihm nach Hause zusammen mit Janna, die jetzt schon erwachsen war und Tiermedizin studierte. Als die Mutter versuchte mit ihm über den Vater zu sprechen, veränderte sich sofort sein Gesichtsausdruck, und er unterbrach das Gespräch. Er gab das Geld nur für das Nötigste aus, und den Rest legte er an die Seite. Er brachte aus Frankreich eine ziemlich große Summe mit, aber um seinen Traum zu realisieren und einen eigenen Salon zu eröffnen, brauchte er mehr.
Jean wollte ihm das Geld dafür geben, aber er lehnte ab. Er wollte lieber mit eigener Arbeit sein Ziel erreichen, das er sich schon damals, als er im Salönchen seines Vaters die Haare fegte, vorgenommen hatte.
Das Schicksal ist jedoch anders mit ihm umgegangen.
Maja kam zu ihm gelaufen mit einer Zeitung in der Hand, die berichtete von dem tragischen Tod eines bekannten französischen Marchand, der den polnischen Kunstmalern bei der Kariere half. Er war bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Die Zeitung hat das Foto von dem zerquetschten Auto gedruckt.
Marian konnte eine sehr lange Zeit nicht arbeiten, wollte niemanden sehen, niemanden sprechen, außer Maja, die zusammen mit ihm litt.
Eines Tages brachte der Postbote einen Einschreibebrief aus Frankreich, ein Schreiben vom Notar, der ihn in Sachen Nachlass zu sich einlud.
Marian rasierte den Bart weg, zog einen eleganten Anzug an, nahm Maja mit, und sie flogen nach Paris.
Jean vermachte ihm in seinem Testament eine halbe Million Franc und die Villa, in der sie zusammen glücklich waren.
Warum hat er ein Testament geschrieben? Ob er etwas geahnt hatte?
Die Untersuchung des Leichnams ergab, dass er Leukämie hatte.
Seine Kinder versuchten das Testament zu entkräften, aber ohne Erfolg.
Marian hat den Nachlass angenommen.
Nach einiger Zeit, als er endlich zu sich kam und der Schmerz etwas erträglicher wurde, eröffnete er in der elegantesten Straße Warschaus seinen eigenen, luxuriösen „ Salon Mario“.