Читать книгу BESESSENHEIT - Kiki Abers - Страница 9
7.Kapitel
Оглавление- Marek, verdammt noch mal! – rief sie ins Telefon. – Wie oft soll ich dir noch sagen, lass mich in Ruhe! Schon die zweite Woche bombardierst du mich mit Anrufen. Siehst du? Du hast Wanda unnötig weggebracht. Selbst wenn ich Lust auf das Ficken mit dir hätte, täte ich es nie in eurem Haus.-
- Maja, ich lasse dich nicht in Ruhe. Ich begehre dich so stark, und glaube daran, dass du mir irgendwann nachgibst. Angeblich genügt es, sich etwas heiß zu wünschen, dann wird das in Erfüllung gehen. Ich werde auf dich warten. Bis dann küsse ich dich in meiner Fantasie. O je! Ich bin schon wieder erregt. O Mann, was ist denn mit mir los?! Ich muss Schluss machen, bis bald, Tschüs!-
Sie hörte, wie er sein Telefon ausgeschaltet hat. Sein Anruf hat sie ein bisschen durcheinander gebracht. Es war ihr nicht so ganz gleichgültig, sie stellte sogar fest, dass sie seine Worte gerne hörte.
-Mario, mein Herzchen, hast du jetzt Zeit? Ok, ich mache mich gleich fertig und komme zu dir. Gut, in deine Wohnung.-
Maja legte das Handy an die Seite und begann sich anzuziehen.
Sie schlüpfte in einen Leinenanzug, band die Haare zu einem Pferdeschwanz und ging in die Garage. Sie liebte ihren BMW Z3. Bei gutem Wetter fuhr sie offen und genoss den angenehmen Wind auf ihrem Gesicht und in den Haaren.
Mario hat seinen Salon an den Montagen nie geschlossen, kam immer extra auf Wunsch der Schauspielerinnen, die meistens nur dann frei hatten. Er war der berühmteste Friseur in Warschau, schnitt und stylte allen Stars und der ganzen Warschauer Prominenz die Haare. Sein „Salon Mario“ war immer voll Kundschaft.
-Komm, meine Liebe, ich hatte schon Sehnsucht nach dir.-
Er begrüßte sie in der Tür mit einem Kuss, bekleidet mit einem schwarzen japanischen Kimono. Seine langen, schwarzen, zurzeit in verschiedenen Farben schimmernden Haare, standen in einer kunstvollen Unordnung in alle Richtungen. Seine dunklen Augen waren geschminkt, er trug Lippengloss und die Nägel fast schwarz lackiert. Die Finger waren mit silbernen Ringen geschmückt. Er sah wie ein Euroasiat und war ein wirklicher Schönling, dunkeläugig mit dunklem Teint und hervorstehenden Wangenknochen, die die schrägstehenden Augen betonten. Seine Haut war seidig, seine Figur sehr knabenhaft, rank und schlank. Alle Schwulen waren nach ihm verrückt.
Marian stammte aus einer einfachen Familie. Seine Mutter hat nie gearbeitet, führte den Haushalt und zog die Kinder groß, sie hatte außer dem Sohn noch eine jüngere Tochter, Janna.
Der Vater war Friseur, hatte in derselben Straße, in der sie wohnten, ein winziges eigenes Geschäft. Er arbeitete dort allein, bediente jeden, der zu ihm kam, weil er sowohl Frauen- als auch Herrenfriseur war. Er träumte davon, Marian würde in seine Fußstapfen treten. Er befahl seinem Sohn, nach der Schule in das Geschäft zu kommen, die auf dem Fußboden liegende Haare zu fegen, und manchmal erlaubte er ihm, einer Kundin den Kopf zu waschen. Sein Sohn sollte den Beruf langsam erlernen. Mario weilte sogar gern in ihrem, wie er es nannte, Salönchen. Die Arbeit eines Friseurs gefiel ihm, aber nicht solche, wie die seines Vaters. Er träumte von der großen Welt, blätterte in den Illustrierten, las über die Stars, studierte ihre Frisuren und wusste, er würde es viel besser machen. Er wusste auch, dass er nie in dem Salönchen seines Vaters arbeiten würde, wollte nicht die Nachbarinnen bedienen, die müde nach dem Arbeitstag in den Sessel fielen, und während er sie frisierte, die Schuhe von den angeschwollenen Füssen mit Erleichterung herunter schoben . Er wollte auch nicht rasieren und die Harre schneiden bei den Freunden seines Vaters und auch nicht davon hören, wer wen verkloppt hat, oder, dass Antek von den Walczaks dem Hausmeister ein Kaninchen geklaut hat. Noch schlimmer war es für ihn, die Nachbarinnen zu hören, wie sie sich über ihre Ehemänner und die Kinder furchtbar beklagten. Nein, das war nicht seine Welt, er war zu Besserem geschaffen, davon war er schon seit jungen Jahren überzeugt. Er hörte sehr gern Musik und mochte auch singen, oft imitierte er Elvis Presley.
Seit seiner Kindheit war er mit Maja, der Nachbarstochter, dick befreundet. Sie spielten zusammen mit den Puppen, denen er verschiedene Frisuren nach seinen Ideen machte.
Maja hatte sehr lange Zöpfe, und er liebte es, ihre Haare zu kämmen.
Einmal beschloss er, ihr eine neue Frisur zu machen, die gleiche, wie sie sein Idol, ein Rockstar, trug. Er hat ihr die Zöpfe abgeschnitten und mit Hilfe des Gels, das er heimlich vom Salönchen nahm, die Haare geformt. Leider, niemand hat sein Werk geschätzt. Die Mutter von Maja hätte beim Anblick ihrer Tochter beinah einen Herzinfarkt bekommen, und Marians Vater verpasste ihm eine Tracht Prügel in dem Glauben, dass solche Erziehungsmethode die beste wäre.
Immer, wenn Marian Unfug getrieben hat, war der Gürtel im Einsatz.
- Ich werde dich schon zu einem guten Menschen erziehen. – sprach dann immer sein Vater, er wollte es doch gut machen.
Sein Vater hat ihn auch so erzogen und wie man sah, mit einem guten Resultat.
Immer, wenn Marian es vom Vater gekriegt hat, spürte er Hass gegen ihn und hatte Rache geschworen, wenn er erwachsen sein würde.
Beide Eltern wunderten sich, warum er nicht so, wie andere Knaben, spielte. Anstatt mit den Kumpels zu laufen oder Fußball spielen, befasste er sich mit den Puppen von Janna, frisierte sie und nähte für sie Kleider. Auch die Nachbarn, die ihn immer beim Spielen mit Maja sahen, wunderten sich und fingen an zu tratschen.
-Vielleicht ist Marian in Wirklichkeit ein Mädchen, und die Kwiateks ziehen ihn nur so an? Aber warum sollten sie so etwas tun? Aus welchem Grund? Nein, es muss etwas daran sein! – sprachen die neugierigen Malinowskis zuhause.
Ihr Sohn Bartek hörte das Gespräch und beschloss, die ganze Sache genau zu klären. Er besprach es mit seinem Kumpel, zusammen machten sie einen Plan des Vorgehens, und eines Tages, als Marian nach der Schule zurück ging, schnappten sie ihn unweit vom Haus, zerrten ihn hinter die Büsche und zogen ihm die Hose aus. Der arme Marian verstummte vor Schrecken, etwas Fürchterliches erwartend. Aber sie beguckten ihn nur ganz genau, pfiffen beide durch die Zähne, als sie die imponierende Masse des Penis ihres Opfers sahen. Dann ließen sie ihn mit dem nackten Arsch da liegen und suchten das Weite.
-Er hat einen richtigen Schwanz, das haben wir gesehen, das bedeutet, er ist ein echter Junge. Und, dass er mit den Puppen spielt, das bedeutet, er ist bescheuert. – kommentierten sie kurz und begannen zu spielen, wer am weitesten in die Pfütze spucken konnte.
Marian war so schockiert, dass er sich noch lange nicht beruhigen konnte. Er hat nichts zu Hause gesagt, nur schnell zu Mittag gegessen und ist zu Maja gelaufen. Nur ihr konnte er alles erzählen, was passiert war, nur ihr konnte er sagen, dass eigentlich, als sie ihm zwischen die Beine glotzten, es ihm eigenartig angenehm war. Aber das wurde ihm erst dann bewusst, als er sich schon beruhigt hat und über den Vorfall nachdenken konnte. Was war an ihm so besonders, dass Tolek, der ältere Sohn des Kassierers vom Kino, ihn öfter bat den Pimmel zu zeigen, und manchmal fasste er ihn sogar dort an. Sie saßen dann zusammen im Treppenhaus in der obersten Etage, wo niemand wohnte, und wo es nur einen Ausgang auf das Dach gab.
Marian tat das gern und bekam dafür von Tolek zwei Kinotickets für den Film am Sonntagmorgen. Er nahm dann Maja mit, sie kauften sich Bonbons, schauten den Film, lutschten ihre Lieblingsdrops mit Himbeergeschmack und versanken in einer anderen Welt.
Marian war mit Maja so eng befreundet, dass er sich nicht ein Leben ohne sie vorstellen konnte und war bereit, für sie alles zu tun.
Er war sehr auf ihren um ein Jahr älteren Bruder eifersüchtig. Der latschte immer hinter seiner Schwester, wollte mit ihnen zusammen spielen, und Marian wollte sie lieber nur für sich haben. Einst sogar, nach dem sie ein Film über Indianer gesehen hatten, schnitten sie sich mit einer Rasierklinge die Hände, vermischten zusammen ihr Blut und haben sich Freundschaft bis zum Tod geschworen. Jetzt verband sie die Blutsbrüderschaft, und sie blieben noch sehr lange von dem besonderen Moment beeindruckt.
Als Marian den Stimmbruch hatte und die Hormone begannen in ihm zu wüten, hat er verstanden, dass er homosexuell war. Er fühlte sich zu den Jungen hingezogen, träumte von der Annäherung an einen Mitschüler, war heimlich in ihn verliebt und litt furchtbar, weil der mit einem Mädchen aus der Zehnten B ging und ihn gar nicht beachtet hat. Nur Tolek hat ihn ständig belästigt, versuchte ihn zu überreden, zu verführen, aber Marian wollte ihn nicht. Er erwartete vom Leben etwas Besseres, als so einen pickeligen Tolek.
Und eines Tages, als er mit Maja im Konzert in der Philharmonie war, merkte er wie ein schöner Junge, ungefähr in seinem Alter, ihn ununterbrochen anschaute. Als der schließlich ihn anlächelte, erwiderte Marian unsicher dessen Lächeln. Sie haben sich in der Pause kennengelernt. Der andere kam auf sie zu und stellte sich ihnen beiden vor.
-Das ist das! Er hat Klasse! – schrie etwas in Marian.
Ab jetzt trafen sie sich sehr oft. Sie verliebten sich in einander mit erster, jugendlicher Liebe. Marian verlor ganz den Kopf. Waldemar war der Sohn eines bekannten Regisseurs, verkehrte in höheren Kreisen, hatte Geld, ein Auto und besaß eine Selbstsicherheit, die Marian bewunderte. Er könnte jetzt glücklich sein, wenn ihn nicht der Gedanke an seine Eltern quälte. Er hatte nicht den Mut ihnen die Wahrheit zu sagen. Nur Maja wusste alles über ihn, und für sie war das ohne Bedeutung. Sie freute sich für ihn, als sie die Freude in seinen Augen sah.
-Marian, mein Herzchen, versuche mit deinen Alten zu reden, jetzt sind schon andere Zeiten. Vielleicht werden sie dich verstehen. Sie lieben dich doch. Du würdest dich besser fühlen, ohne die Wahrheit verheimlichen zu müssen.- versuchte sie ihn zu überzeugen.
Er kannte jedoch seinen Vater, hatte lähmende Angst vor ihm und war sicher, der würde ihn dann umbringen.
Schon bald sollte sich herausstellen, dass er sich nicht geirrt hat.
Einst, als Waldemar ihn nach Hause brachte, küssten sie sich noch einen Moment im Auto. Es war schon spät, in keinem Fenster brannte Licht, wahrscheinlich schliefen schon alle.
Marian kam in die Wohnung und spürte sofort im Gesicht die Faust seines Vaters. Er verteidigte sich nicht, als der ihn mit einer Wut schlug und dabei wie ein Besessener schrie:
-Einen Perversen habe ich großgezogen! Verfluchte Scheiße! Ich werde dir schon zeigen, mit den Kerlen rum zu machen! Und das direkt vor dem Haus! Eine Schande vor den Leuten! Ich werde das aus dir heraus prügeln! Schon lange hatte ich einen Verdacht! Du dreckiger Arschficker! Solche Schweinereien hast du im Kopf! Zu wenig habe ich dich verdroschen! Besser erschlage ich dich mit meinen eigenen Händen! Du Hurensohn!-
Er kam erst dann zu Besinnung, als er den Sohn mit einem von Blut verschmierten Gesicht auf dem Boden liegen sah. Er stand keuchend über ihm, dann spuckte er ihn an und ging weg. Die Mutter und Janna standen wie gelähmt bis jetzt in der Tür zum Flur, hatten Angst einen Laut von sich zu geben. Jetzt bückten sie sich über ihn.
-Janna, spring schnell ins Bad und bring ein nasses Handtuch.
Sie setzte sich auf den Boden, drückte den Kopf ihres geliebten Sohnes an sich, über ihre Wangen liefen die Tränen, und ihr Mutterherz wusste nicht, wie es jetzt das ertragen sollte.
In derselben Nacht fasste Marian einen Entschluss.
Er zog ein Handy aus der Tasche, ein Geschenk von Waldemar, und rief ihn an. Dann packte er seinen Rucksack, zählte die Dollars durch, die er in einer Spardose sammelte, und wollte die Wohnung verlassen.
Der Vater kippte zwei große Schnäpse, schlief wie tot, aber die Mutter drückte kein Auge zu und horchte die ganze Zeit. Sie würde so gern ihrem Sohn helfen und überlegte, ob sie nicht mit ihm zu einem Arzt gehen sollte, vielleicht konnte man so etwas heilen. Marian war doch so ein gutes Kind. Plötzlich hörte sie etwas im Flur. Leise schaute sie aus dem Zimmer.
-Marian! Um Himmels Willen! Wohin willst du? – flüsterte sie erschrocken.
- Mama, hier hast du einen Brief, den ich an dich geschrieben habe, aber gut, dass ich mich von dir verabschieden kann. Ich werde nie mehr wieder zurück kommen. Für mich hat der Vater aufgehört zu existieren. Aber dich liebe ich sehr.-
- Mein liebes Kind, was sagst du? Was hast du vor?-
- Mama, mache dir um mich keine Sorgen, ich werde es schaffen, und wenn ich Fuß gefasst habe, gebe ich dir sofort Bescheid.-
Sie standen noch einen Moment und umarmten einander, bevor die Tür hinter ihm zufiel.
-Ich muss Maja anrufen. – Mario hatte Schwierigkeiten mit dem Sprechen. Sein Gesicht, die Augen, die Lippen waren geschwollen.
Waldemar machte ihm sehr delikat die Umschläge, weinte und verfluchte im Inneren den Vater von Marian.
-Ein Bauer, primitiv! – dachte er, und alles kochte in ihm vor Empörung.
-Marian, o Gott! Was ist passiert? Weißt du, wie spät es ist? – hörte er im Telefon die beunruhigte Stimme seiner Freundin.
- Maja, zieh dich an, Waldemar holt dich gleich ab, ich bin bei ihm. Ich erkläre dir dann alles.-
Sie saßen zu dritt bis zum Morgen, Marian hat sie schließlich überzeugt von seinem Vorhaben, Polen zu verlassen. Sie schliefen nur wenige Stunden. Maja wollte schnell nach Hause um für ihn ihre Ersparnisse zu holen, aber Waldemar hat ihm schon Geld angeboten, und es war eine große Summe.
- Irgendwann gibst du es mir zurück.- sagte er mit einem traurigen Lächeln.
Am selben Tag fuhr Marian Kwiatek mit dem Zug Warschau-Paris.