Читать книгу Blutengel: Aaron - Kim Landers - Страница 10

5.

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Drei Jahre hatte Aaron in diesem Viertel gelebt, das die Nephilim als ihr Engelsghetto bezeichneten. Er stoppte seine Fireblade vor dem Eingang der Hell’s Bar, dem einzigen Treffpunkt der Mischwesen weit und breit. Kaum hatte er den Helm abgesetzt, spürte er hinter sich einen Luftzug und wusste, dass sein Vater hinter ihm stand.

«Hallo, Vater», begrüßte er ihn und wandte sich langsam zu ihm um.

Uriel war der einzige Erzengel mit rotem Haar, das sich wie eine Kappe an seinen Kopf schmiegte. Lux vel Ignis Dei, das Feuer Gottes. «Hallo, Aaron.» Hinter Uriels sanfter Stimme verbarg sich Strenge.

«Was möchtest du?»

Aaron befürchtete, dass er ihn an sein Versprechen erinnern wollte, in Rom seinen Lehrmeister Alessandro aufzusuchen. Jeder Blutengel musste mindestens einmal pro Jahr nach Rom fliegen, um von den Ausbildern die Entwicklung seiner Fertigkeiten im Kampf überprüfen zu lassen.

«Es gibt Ärger mit der Sekte und Verräter in unseren Reihen. Eine Verschwörung muss im Keim erstickt werden. Ich will, dass du die Verräter findest und vernichtest. Solange du hier bist, wirst du Joel unterstützen.»

Er konnte seine freien Tage in New York ganz abhaken, wenn er nicht gleich intervenierte. «Es gab immer Verräter, und das Problem mit der Sekte besteht doch auch nicht erst seit heute.»

Die Miene seines Vaters gefror. «Du wirst mir gehorchen, Sohn!»

Aaron verspürte keine Lust, sich mit seinem Vater anzulegen, im Gegenteil. Er wollte, dass er stolz auf ihn war. Dabei hatte er sich so auf seine freien Tage gefreut. «Okay, okay, ich kümmere mich drum», gab Aaron nach.

Der Tod seiner Mutter hatte ihn und seinen Vater entfremdet. Heute erschien ihm Uriel unnahbarer als je zuvor.

«Luzifer hat sich gestern mit ihrem Anführer, dem Verkünder, getroffen und einen Pakt geschlossen. Wir befürchten, dass sie einen vernichtenden Schlag gegen uns planen. Als wäre das nicht genug, ist ein Renegat aufgetaucht und unterstützt die Apokalyptiker. Diese Sekte ist wie ein Virus, der sich durch die Seelen frisst.»

Aaron wusste sofort, wer der Renegat war, vom dem sein Vater sprach, obwohl er ihm noch nicht begegnet war. «Du meinst Ariel?»

Die Brauen seines Vaters zogen sich unheilvoll zusammen. «Sprich seinen Namen niemals in meiner Gegenwart aus!», brüllte er.

Blitze zuckten plötzlich am Himmel als Beweis dafür, dass der Himmel noch immer diesem Engel zürnte. Ariel hatte seinem Vater einst nahe gestanden, bevor Ariel sich von den Engeln abgewandt hatte. Seitdem war er ein Tabu. Berichten zufolge lebte er auf der Erde unerkannt unter den Menschen und scherte sich wenig um andere. Welches Interesse mochte er jetzt an dieser Sekte haben?

«Unruhe ist in unseren Reihen ausgebrochen, nachdem er zu einigen Kontakt gesucht hatte. Einer von uns hat sich Luzifer angeschlossen. Es riecht nach Rebellion. Unser Schicksal und das der Menschheit stehen auf dem Spiel. Begreifst du jetzt, warum es wichtig ist?»

Es war Zeit, dass er seinem Vater von Jacob erzählte. «Jacob ist tot. Sein Körper entzündete sich selbst. Ich hatte keine Möglichkeit, ihn nach der Sekte zu befragen. Doch ich erinnere mich noch gut an sein letztes Wort: Apokalyptika.»

Uriels Miene verfinsterte sich. «Seraphimfeuer. Das bedeutet, ein Feuerengel ist bereits ein Bündnis mit Luzifer eingegangen. Die Apokalyptiker sammeln Seelen, um Luzifers Hilfe zu erbitten …»

«… für die Befreiung Seraphiels», ergänzte Aaron und Hass loderte in ihm auf. Er ballte die Fäuste. Immer hatte er geahnt, dass dieser Tag kommen würde. Und darauf gehofft, endlich Vergeltung üben zu können.

«Je mehr Engel sich Luzifer anschließen und je mehr Seelen er bekommt, desto stärker wächst sein Einfluss. Sollten sich meine Befürchtungen bewahrheiten, ruhen alle Hoffnungen auf deinen Schultern. Außer dir kann kein Blutengel einen Feuerengel im Kampf besiegen.»

Uriel war selbst ein Seraphim gewesen, der später zum Erzengel berufen worden war. Aarons Feuerzeichen am Hals wies ihn als Nachkommen dieser mächtigen Engelgruppe aus. Seraphiel war der Mörder seiner Mutter und seines Stiefbruders. Schmerz und Zorn wallten in ihm auf. Seit damals sehnte er nichts mehr herbei, als sich an dem Feuerengel zu rächen. Leider fristete der sein Dasein an einem Ort, zu dem er keinen Zugang besaß, streng bewacht von den Engeln.

«Ich werde mich um alles kümmern», sagte Aaron.

«Meine Kraft soll dich stärken.»

Aaron kniete nieder, als Uriel die Hände ausstreckte, und schloss sie Augen. Er gab sich der Energie Uriels hin, die in seinen Körper strömte, in seinen Adern pulsierte und ihn mit Stärke erfüllte. Mit jedem Atemzug fühlte er sich kräftiger. Es kribbelte überall und seine Haut wurde zu einer hochsensiblen Membran, die jeden noch so kleinen Luftzug wahrnahm. Nachdem er sich in diesem warmen Gefühl verloren hatte, tauchte sein Geist ruckartig wieder auf, als sein Vater die Hände zurückzog.

«Du musst für jedes Opfer bereit sein, auch für den Tod der Menschen, die du liebst.»

«Das bin ich», antwortete Aaron und verdrängte die Furcht um seine Schwester.

Uriel lächelte wohlwollend und breitete seine leuchtend weißen Schwingen aus, bevor er in die Dunkelheit entschwand.

Danach betrat Aaron die Hell’s Bar. Lautes Stimmengewirr schlug ihm entgegen, die Luft war zum Schneiden dick. Cynthia stand mit mürrischer Miene hinter der Theke und schenkte Bier aus. In letzter Zeit war die Prophetin oft übel gelaunt. Die Narbe auf ihrer linken Gesichtshälfte schimmerte bläulich. Sie warf ihm einen abweisenden Blick zu, bevor sie sich wieder den Gästen widmete. Sie wirkte fahrig und verschüttete oft den Alkohol.

Aaron ging zur Theke und war froh, dass keiner von ihm Notiz nahm. Er bestellte ein Bier bei Cynthia. Schweigend füllte sie sein Glas und schob es über den Tresen, ohne ihn anzusehen. Als hätte sie etwas zu verbergen. Oft genug hatte er sie früher gefragt, wenn etwas nicht stimmte, und sich eine patzige Antwort eingefangen, bis er es aufgegeben hatte.

Durch die Schwingtür aus der Küche trat unerwartet Rosie, seine Schwester. Sie trug ein bauchnabelfreies T-Shirt und eine Jeans mit glitzernden Applikationen an den Gesäßtaschen. Das bunte Halstuch verdeckte ihre Brandwunden. Ihr schwarzer Zopf wippte, als sie lächelnd auf Cynthia zukam. «Ich kann jetzt übernehmen.»

Immer öfter verließ die Prophetin ihre Bar, die sie früher niemandem überlassen hatte. Aber dass sie seine gutmütige Schwester einspannte, ging zu weit. Cynthia nickte und lief in die Küche. Rosie vermied es, Aaron anzusehen, und zapfte Bier. Seit er sie damals aus dem Feuer gerettet hatte, fühlte er sich für sie verantwortlich. Sie war die Einzige, die ihm geblieben war. Es war seine Pflicht, sie zu beschützen.

Als sie an ihm vorbeieilen wollte, hielt er über den Tresen ihren Arm fest. «Was zur Hölle machst du hier, Rosalia?», fragte er verärgert.

«Bedienen natürlich», antwortete sie lächelnd und zwinkerte ihm zu.

Sie wollte sich seinem Griff entziehen, aber er hielt sie eisern fest. «Und deine Pension?»

Sie verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit einer kleinen Pension in der Nähe des Ghettos.

«Mein einziger Gast ist zurzeit außer Haus. Also, warum sollte ich Cyn nicht helfen? Macht mir Spaß.»

Sie sah vorwurfsvoll auf seine Hand, die ihren Arm umfasste. Widerwillig ließ er sie los. Rosie war hilfsbereit, eine Eigenschaft, die gern ausgenutzt wurde. Sie drehte den Zapfhahn auf und ließ Bier in das Glas laufen.

«Weißt du, was Cyn vorhat?», fragte er.

Rosie zuckte mit den Achseln. «Keine Ahnung. Sie sagte nur, sie hätte heute irgendein Treffen oder so. Wieso? Ist das wichtig?»

Aaron wollte gerade antworten, als Cynthia aus der Küche trat. Er hatte ein ungutes Gefühl. Traf sie sich etwa mit einem aus Luzifers Gefolge? Oder besaß sie einen heimlichen Liebhaber?

Sie stellte sich neben Rosie. «Ich komme gegen Mitternacht zurück. Kommst du allein klar, Rosie?»

«Keine Sorge.»

Cynthia wandte sich um und wollte gehen, aber Aaron stellte sich ihr in den Weg. «Was soll das? Lass mich durch», fuhr sie ihn an. Ihre Stimme war schneidend.

Er ließ sich von ihr nicht abweisen. «Wo willst du denn hin, Cyn?»

«Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Ich frage dich auch nicht, was du so treibst. Und jetzt geh mir aus dem Weg.»

«Es geht uns alle was an, wenn du dich mit einem von Luzifers Leuten triffst.»

Sie verzog den Mund und funkelte ihn wütend an. «Bist du verrückt? Du weißt genau, dass ich mich nie mit denen einlassen würde. Ich habe nichts vergessen.»

Sie riss sich los. Cynthia war ein Nephilim und ihre seherischen Fähigkeiten begehrt. Als ihr Vater sie vor ein paar Jahren hatte umbringen wollen, war sie zu den Erzengeln geflohen. Seitdem lebte sie im Engelsghetto und hatte es zu dem gemacht, was es war: die Heimat der Nephilim und Blutengel.

Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass Cynthia etwas Riskantes unternahm. Aber was? Er ließ das Bier stehen und rannte ihr hinterher. Als er in den Hof trat, war sie bereits verschwunden.

«Shit!»

Aaron kehrte in die Bar zurück und verbrachte die Wartezeit bis zu seinem Wiedersehen mit Rebecca an der Theke. Er musste ihr nachher unbedingt sagen, dass er nach Rom reisen musste. Vielleicht für Wochen, gar Monate. Obwohl er sie nur flüchtig kannte, fiel es ihm schwer, sich für längere Zeit von ihr zu verabschieden. Schuld daran war dieser verfluchte Kuss, zu dem er sich hatte hinreißen lassen. Süß und feurig, eine gefährliche Mischung, die wie eine Droge auf ihn wirkte. Aaron seufzte. Das alles würde ihm entgehen.

Blutengel: Aaron

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